Dublin - Sylvia M. Sedlnitzky
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Dublin - Sylvia M. Sedlnitzky
Dublin galt lange Zeit als geschichtsträchtige, aber leicht verwahrloste Metropole. Inzwischen hat der Zeitgeist die irische Hauptstadt erfasst und lässt sie wieder strahlen. Mit einem Mix aus großstädtischem Flair, grünen Parkoasen, Tradition und Moderne liegt sie nun genau im Puls der Zeit. Und dennoch konnte sie die gemütliche Atmosphäre bewahren. Zurück in die Zukunft E Dublin igentlich ist die Liffey an allem schuld: ohne den Fluss, der sich von der Grafschaft Wicklow zum Meer hin schlängelt, wäre Dublin nämlich nie entstanden. Dabei war die Hauptstadt der grünen Insel einst ziemlich heruntergekommen: in der Innenstadt gab es viele Brachflächen, auf denen Ziegen grasten und Grundstücksspekulanten ließen die Häuser am Flussufer verfallen. Dann lockte die Regierung ausländische Unternehmen, vor allem aus den USA, mit niedrigen Steuern und gut ausgebildeten Fachkräften. Der Wirtschaftsboom brach rasant herein und plötzlich war man auch in Sachen Trends auf jeder Ebene gerüstet – von Architektur über Modedesign bis hin zu raffinierter Küche, angesagten Clubs und chic-modernen Bars. Heute bietet Dublin im Kleinformat alle Attraktionen, die eine glitzernde, weltoffene Metropole ausmachen. Es ist kaum vorstellbar, dass Irland noch vor mehr als 30 Jahren, als es der EU beitrat, einen festen Platz in Europas Armenhaus einnahm. Denn in der Metropole tobten einst heftige Kämpfe. Erst mit der Gründung des irischen Staats 1921 wurde Dublin Hauptstadt. Aber auch dann kam sie wegen Bürgerkrieg und politischen Spannungen noch lange nicht zur Ruhe. Heute wohnen innerhalb der Hauptstadtgrenze rund 550.000 Menschen, also gut ein Drittel der gesamten Insel. Mehr als 50 Prozent davon sind unter 30 Jahre alt. Die Jungen sind es auch, die das moderne Leben gewaltig vorantreiben. Dadurch werden leider auch Traditionen ein wenig vernachlässigt. Der Volksmusik kehrt man langsam den Rücken zu und auch das berühmte pub crawling (was zu deutsch soviel wie „eine Kneipentour machen“ heiß) weicht ganz langsam modernen Alternativen. Noch steht das Pub im Mittelpunkt des irischen Lebens. Doch es ist vielmehr als nur ein Ort an dem Bier getrunken wird. Denn Musik und Gespräche werden in Irland gleichermaßen gepflegt. In einem Land, wo das Wetter oft kühl und regnerisch ist, müssen die Menschen einfach mehr zusammenrücken als sonst wo. Trotzdem sind die Iren stets fröhlich und zuvorkommend. Wer heute einen Dubliner um den hottest place fragt, bekommt nur den Code D2 zugerufen. Dort am linken Ufer der Liffey, der wohlhabenden Southside, pulsiert die Stadt zurzeit und zeigt sich von ihrer schönsten Seite. Neue Fußgängerbrücken und Boardwalks erlauben nun angenehme Spaziergänge den Fluss entlang. Das ganze Augenmerk richtet sich auf die Docklands, das einstige Hafengebiet an der Liffey. Stararchitekten und Visionäre lassen dort eine neue Kultur-, Medien- und Erlebnislandschaft entstehen. Der futuristische Glasbau des neuen National Convention Centre wird flankiert vom neuen Nationaltheater, im dem das ehrwürdige Abbey Theatre eine moderne Spielfläche bekommen hat. Jede Menge 1 von Sylvia M. Sedlnitzky Freizeitangebote, Open Air-Konzerte, das Maritime Festival im Juni und schwimmende Restaurants beleben jetzt den Fluss. Täglich eröffnen neue Boutiquen, coole Kaffeehäuser und zeitgeistige Restaurants, die selbst in New York oder London reüssieren würden. Irlands kreative Küchenchefs haben nämlich die einst vorherrschende englische Küche weit hinter sich gelassen. Sie finden ihre Ideen und Anregungen längst jenseits der insularen Grenzen. Die irischen Gewässer liefern auch erstklassige Zutaten wie Austern, Garnelen oder anderes Meeresgetier. Von den sattgrünen Wiesen kommt zartes Lamm und so ist von der einstige Armenküche des Landes nichts mehr zu spüren. Ihren Ausgang nahm diese rasante gastronomische Entwicklung in Temple Bar, dem Altstadtbezirk Dublins, wo die ersten internationalen Restaurants große Beachtung bei den Dublinern fanden und einen wahren Boom auslösten. Heute gehören westlichmoderne Lokale wie das Thorntons, das Bang Cafe, das Chapter One oder das Mermaid Cafe längst zu den Klassikern. Wer traditionelle Gerichte wie das berühmte Irish Stew, Bangers & Mash, das sind Bratwürstel mit Erdapfelpüree oder den deftige Coddle Eintopf sucht und nichts dagegen hat, dass die meist schummrigen Lokale rappelvoll sind und der Lärmpegel hoch ist, findet diese am ehesten in traditionellen Pubs wie dem viktorianischen The Stags Head. Dazu ein dunkles Guinness. Slainte`! Gesundheit! Die Iren trinken viel und gerne, aber niemals zu hause. Auf ein Wett-Trinken sollte man sich mit dem lebenslustigen Völkchen jedoch nicht einlassen. Schon gar nicht am 17. März, dem St. Patrick’s Day, wenn der Nationalheilige gefeiert wird und das ganze Land in grüner Schminke badet. Doch wir wollen beim Genuss des gewöhnungsbedürftigen Gerstensaftes, populärster Exportartikels Irlands, den besten Rundblick über Dublin genießen und besuchen die 1876 von Sir Arthur Guinness gegründete Brauerei, die vor ein paar Jahren liebevoll restauriert wurde. Danach geht’s ans Flussufer, dessen braune Farbe ebenfalls stark an Guiness-Bier erinnert, zum Spaziergang. Vorbei an fest geschlossenen Reihen viktorianischer Häuser, deren farbenfrohe Eingangstüren in der Sonne leuchten, lässt sich Dublins Seele spüren. Herz der Stadt und aufgrund der Größe auch bequem zu Fuß zu erreichen, bleibt jedoch die Gegend rund um die 400 Jahre alte Universität Trinity College, das Regierungsviertel um den Merrion Square, das St Stephens Green mit seinen schönen Grünanlagen und das schicke Einkaufsviertel um die Grafton Street. Das frisch renovierte Edelkaufhaus Thomas Brown dort führt hippe Marken wie Tim Rayns, Jennifer Rothwell und Eileen Shields. Aber auch Manolo Fans können hier aus dem Vollen schöpfen. Gleich nebenan im gregorianischen Powerscourt Townhouse gibt’s Hüte von Phillip Treacy und nobles Geschmeide vom Theo Fenell. VON Magazine 1/2009 Die gregorianische Architektur, die zu einer der besonderen Attraktionen der Innenstadt zählt, ist auch Hauptmerkmal der meisten Außenfassaden. Nur das Westbury Hotel, ein ehemaliges Stadthaus aus dem 18. Jahrhundert, das nur 500 Meter vom Trinity College, dem Dublin Castle und dem Temple Bar Viertel entfernt liegt, sticht mit seinem neumodischen Design geradezu heraus. Nach aufwändigen Renovierungsarbeiten zählt es zu den beliebtesten Hotels der Stadt. Auch für die Dubliner selbst. Denn die Upper Class trifft sich dort zur teatime. Nicht zuletzt wegen der gemütlichen Lobbylounge. Im Gegensatz zu den modern-reduzierten Gästezimmern und wunderschönen Suiten in hellen Cremetönen, verleiht sie nämlich mit Antiquitäten, rotem Samt, dicken Teppichen, solider Wandtäfelung, Kristallkronleuchtern und Marmor dem schönen Haus das richtige Ambiente hierfür. Besser noch gefällt uns das Frühstück im kleinen, luxuriösen Frühstücksraum, der sich abends in das elegante Wilde Restaurant verwandelt. Rührei mit geräuchertem Lachs aus dem Wildfang, wunderbare kleine Bratwürstel, geräucherter Hering, deftiger black pudding, ja sogar das porridge gerät hier mit viel Zimt zur Delikatesse. Dazu Kannenweise dunkler Tee mit einem Tanningehalt jenseits von Gut und Böse. Das ist eine echte Herausforderung für uns Festlandeuropäer. Doch eine Köstliche! Bringt man dies hinter sich, kann man auch den Rest des Tages locker sehen! Wir bummeln noch einmal durch die Grafton Street, jene Einkaufsmeile mit ihren eleganten Ladenfronten, Cafés, Straßenmusikanten, Entertainern, bunten Blumenmarkt und Predigern, die ab und an noch glühende Reden über Sitte und Moral schwingen. Das ist lebendige Literatur. Natürlich sind auch die Auslagen der Buchhandlungen dekoriert mit Joyce- und Beckett-Werken. Für Literaturfreunde ist Dublin nämlich ein wahres Paradies. Auch in Museen und Theatern und am Bloomsday feiert die City ihre Schriftsteller James Joyce, Oskar Wilde und Samuel Beckett. Auf deren Spuren begibt sich auch, wer das Trinity College besucht. Die Schriftsteller sind nur drei von vielen berühmten Absolventen der Universität. 1592 gegründet, ist sie die älteste Irlands. Der monumentale Bau, in dem auch heute noch 15.000 Jugendliche studieren, wirkt wie eine Kulisse aus einem Harry Potter Film. Nach einem Rundgang über den Campus besuchen wir die alte Bibliothek, wo „das Buch von Kells“, eine Abschrift der vier Evangelien, zu bewundern ist. Geht man von dort aus eine Treppe hinauf, gelangt man in den Long Room, der Hauptkammer der Old Library. In dieser Halle duftet es richtig nach Wissen und Erzählungen. Rund 200.000 der ältesten Bücher stehen hier, fein geordnet in hohen Regalen, die bis an die Decke reichen. Nicht nur das Gemütliche und Überschaubare, sondern auch Geschichte und Tradition prägen das Leben in Irlands Hauptstadt. Den besonderen Reiz macht genau diese Mischung aus, der sie letztlich den wirtschaftlichen Umbruch und das neue moderne Leben verdankt. Westbury Hotel Westbury Hotel Westbury Hotel Westbury Hotel VON Magazine 1/2009 Westbury Hotel 1 Ritz Carlton Ritz Carlton Nur 15 Meilen von Dublin entfernt, erlebt man Irland dann von seiner anderen Seite: schroffe Felsküsten, ausgedehnte Strände, dunkle Moore und struppige Hecken stehen für die raue, aber intakte Natur des Landes. Da flackern dann langsam Wiesen auf, gehen in Golf Fairways über und hunderte Jahre alte Buchen bilden plötzlich eine Allee, die zu einem prachtvollen Hotel, das in seiner Mächtigkeit an Schönbrunn erinnert, führt. Mit Luxusressorts war es im gastlichen Land unweit von Dublin bisher recht bescheiden bestellt. Bis das Ritz Carlton ein großartiges Landhotel mit Golfplatz, einem sensationellen Spa, feinster Küche und totaler Ruhe behutsam in die Landschaft gesetzt hat. An atemberaubenden Glenns und den Gebirgsausläufern des County Wicklow befindet sich die Region Powerscourt mit dem aristokratischen "Garden of Powerscourt." Und genau inmitten dieses vierhundert Hektar großen Parks versteckt sich das palladianisch inspirierte Anwesen. Dass es schnell zu einem beliebten Event- und Weekendhotel geworden ist, liegt unter anderem daran, dass man hier weitgehend auf trendige Innovationen und modern-zeitgeistigen Schnick-Schnack verzichtet hat. Die Innenarchitektur des siebenstöckigen Gebäudes dominiert mit georgianischen Designelementen, erkennbar durch die beeindruckende Lobby in der vierten Etage und mit einem allgegenwärtigen Panorama-Ausblick auf die Landschaft des Powerscourt Gardens und den Sugarloaf Mountain. In den Gästezimmer und Suiten mit einer durchschnittlichen Größe von 68 Quadratmetern kommt mit den speziell gefertigten Möbel in Blau-Crème oder Grün-Bordeaux-Crème in Kombination mit den flauschigen Teppichen und soliden Holzeinbauten schnell country life feeling auf. Unsere zum Garten mit dem runden Weiher ausgerichtete Suite ist nicht nur megageräumig, die Betten mit den riesigen Kissen sind sogar anderthalbmal so breit wie üblich und queentauglich. Der irische Regen flüstert uns bald nicht nur schnell in den Schlaf, sondern weckt uns auch prasselnd am nächsten Morgen wieder. Vor dem Fenster hängen Nebelschleier. Klassisch-irisches Wetter! Wir bestellen uns in Ruhe ein üppiges Frühstück aufs Zimmer, versinken in die schweren Polstermöbel und schmökern in der Irish Independent. Eigentlich ist das ein idealer Tag zum Träumen am offenen Kamin. Doch irgendwann sollte man doch unbedingt in den Park. Und mittags, als sich dann endlich die ersten Lichtstrahlen zwischen den Nebel drängen, können wir nun in die feuchtkalte Luft nach draußen. Mit Gummistiefeln, Barbour-Jacke und Schirm spazieren wir wie Charles & Camilla in den berühmten Powerscourt Garden. Neben ausladenden Weideflächen, Golfrasen mit Eichen, Buchen und Stechpalmen bewaldet, und exotischen Gewächsen aus subtropischen Gegenden ist der ausgedehnten Park Beweisstück für das feuchte, aber milde Klima, das sich im Jahresverlauf meistens zwischen 0 und 20 °C bewegt. Tautropfen hängen in den vielen uralten Bäumen und Baumgruppen wie Zypressen, Pinien, Eukalypten bis hin zu Rhododendren, die hier ein Dickicht aus knorrigen alten Megabüschen mit armdicken Zweigen sind. Der Rasen ist weich wie ein Bettvorleger und geschoren, gebürstet und gekämmt wie ein grün eingefärbtes Hundefell. Wir dürfen die glamourösen Parkanlagen, einem Juwel viktorianischer Gartenbaukultur, fast ganz alleine genießen und begegnen nur einer handvoll Lustwandlern, bevor sich langsam bei uns Hunger bemerkbar macht und wir in Gordon Ramsays Dependance einfallen. Es ist sein erstes Restaurant in Irland und zugleich die erste Kooperation mit Ritz-Carlton. Das lichtdurchflutete Restaurant beeindruckt durch eine große Terrasse, dicke grüne Flauschteppiche mit floralen Motiven auf geöltem Eichenparkett, durch zartgrün tapezierte Wände, dunkle Holzstühle mit Seidenbezügen in Grün und Rosé sowie mit zwei privaten Speisezimmern, die ebenfalls zum intimen Dinieren einladen. Der in der Küche fest eingebaute Chef’s Table hat sich bereits vor der Eröffnung zu einem Geheimtipp in der kulinarischen Szene Irlands entwickelt. Zuvor wärmen wir uns aber schnell noch am gemütlichen Lobbykamin auf. „What can I get you to drink, Madame? Ist es nicht noch zu früh für einen Whiskey? Nein. „A Jameson please!“ Der goldbraune, dreimal destillierte, irische Gerstensaft funkelt bald im schweren Waterford-Glas. Wasser wird in einer Karaffe daneben gestellt. Der Gast muss sich in Irland nämlich selbst die gewünschte Menge Wasser zugießen, besagt ein alter Spruch. „Never take another mans wife or water another mans whiskey! “ Und der hat hier im streng katholischen Irland, wo Sitte, Moral und Kirche immer noch die Grundfesten der Gesellschaft bilden, noch seine Gültigkeit. Ritz Carlton 1 VON Magazine 1/2009 VON TravelStory Ritz Carlton Ritz Carlton Ritz Carlton VON Magazine 1/2009 1