Neuere Deutsche Literaturwissenschaft
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Neuere Deutsche Literaturwissenschaft
1 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Inhaltsverzeichnis Erzählliteratur 1800-1914 ....................................................................................................................... 2 Einführung in den englischen Roman des 19. Jahrhunderts ............................................................... 2 Die Aktualität viktorianischer Romane ............................................................................................ 2 Periodisierung, Genres und Entwicklungstendenzen...................................................................... 2 The Victorian Frame of Mind: Mentalitätsgeschichtliche Rahmenbedingungen ............................ 3 Soziale und literarische Rahmenbedingungen ................................................................................ 5 Realismusdebatte und literarische Tabus ....................................................................................... 5 Merkmale und Bauformen des realistischen Erzählens .................................................................. 5 Der Roman im Zeitalter der Romantik (1800-1830)............................................................................ 7 Der Schauerroman: Charles Maturin und Mary Shelley ................................................................. 7 Der Siegeszug des historischen Romans: Sir Walter Scott .............................................................. 8 Weibliche Sitten- und Erziehungsromane: Jane Austen, Mary Brunton und Susan Ferrier ........... 8 Der prä- und frühviktorianische Roman (1830-1858) ......................................................................... 9 Sozialromane ................................................................................................................................. 10 Komik, Sentimentalität und Sozialkritik: Charles Dicken’s Frühwerk und seine mittlere Schaffensphase.............................................................................................................................. 10 Der parodistische Gesellschaftsroman: William Makepiece Thackeray ....................................... 12 Der hochviktorianische Roman (1859-1880)..................................................................................... 12 Historische Romane und Romanzen ............................................................................................. 12 Realistische Gesellschaftsromane: Anthony Trollope ................................................................... 12 Sozialkritik im Roman: Charles Dickens’ Spätwerk ........................................................................ 13 Sensation novels ............................................................................................................................ 13 Psychologischer Realismus und Multiperspektivität: George Eliot ............................................... 14 Der englische Roman zwischen Viktorianismus und Moderne (1880-1900) .................................... 14 Religiöser Skeptizismus und fiktionale Autobiographie ................................................................ 14 Negative Bildungsromane und Regionalromane........................................................................... 15 Naturalismus ................................................................................................................................. 15 Die New Woman Fiction: Sarah Grand und George Egerton ........................................................ 15 Populäre Romanzen und ein Wiederaufleben der Gothic Novel: Marie Corelli und Bram Stoker 16 Viktorianische Utopien: Edward Bulwer-Lytton, William Morris, Samuel Butler, H.G. Wells....... 16 Vom viktorianischen Roman zu Fiction of Empire ......................................................................... 17 Die Erprobung neuer Erzählformen im Ästhetizismus: Walter Pager und Oscar Wilde ............... 17 Ausblick: Das Erbe der viktorianischen Erzähltradition im Roman des 20. Jahrhunderts............. 18 Richard Leinstein 2 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Erzählliteratur 1800-1914 Quelle: Vera Nünning, Der englische Roman des 19. Jahrhunderts Einführung in den englischen Roman des 19. Jahrhunderts Die Aktualität viktorianischer Romane Ehemals als repressiv und reaktionär verschriehene Viktorianer Werte: Unternehmungsgeist, Selbständigkeit, öffentliche Ordnung, Familiengeist, strikte Sexualmoral (Erlebten und Margaret Thatcher eine Renaissance) Romane galten als seichte Unterhaltungsform Romane bedienten (wie heute das Fernsehen) breitgefächerten Publikumsgeschmack Neben populären Romanzen erfreuten sich Werke, die zu aktuellen Themen Stellung bezogen, großer Beliebtheit. Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bürgertum durch die in den Romanen präsentierten, unkonventionellen Lebensentwürfe provoziert. Rasanter soziokultureller Wandel Während zu Beginn des 19. Jhd. noch Kutschen und Segelschiffe favorisierte Transportmittel waren, so gab es gegen Ende des Jahrhunderts schon die Eisenbahn. Ebenso: Entwicklung des Telegraphen, die Photographie verbreitete sich, Tennis spielen und Fahrrad fahren wurden beliebte Beschäftigungen. Erste Grammophone und Filme Gas- und elektrische Beleuchtung Immer hektischer werdende Welt Periodisierung, Genres und Entwicklungstendenzen Königin Viktoria regierte von 1837 bis 1901 Chronologische Einteilung des 19. Jhd: Anfang 1830er Jahre als Epochengrenze aufgrund einschneidender politischer Reformen. Ende 1850er: Wandel von der früh- zur mittviktorianischen Einstellung o Charles Darwin: The Origin of Species o Stuart Mills: On Liberty 1870er, 1880er: Neue, den viktorianischen Horizont überschreitende Denk- und Lebensweise 1890er: Naughty Nineties: Blüte des Ästhetizismus und entgegengesetzte naturalistische Tendenzen: typischer Ausdruck der fin de siècle-Stimmung Wirklichkeitsbezug der Romane Viele Künstler lehnten im Zuge der Dekadenz Realismus ab, wollten ihre Werke nicht in den Dienst des moralischen Zwecks stellen. Dennoch bildete sich starker Wirklichkeitsbezug in vielen englischen Romanen des 19. Jhd. aus o Komplexes Wechselverhältnis zwischen Realität und Romanen (Als Antwortprinzip zu verstehen) o Viele Romane behandeln nur einen spezifischen Ausschnitt der Realität Neue Synthesen Literatur als „reintegrierender Interdiskurs“ Viele Romane entziehen sich einer eindeutigen Gattungszuordnung Richard Leinstein 3 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts The Victorian Frame of Mind: Mentalitätsgeschichtliche Rahmenbedingungen Das viktorianische Weltbild Dogmatismus und Rigidität o Engstirnigkeit (Als Reaktion auf raschen gesellschaftlichen Wandel Unsicherheit) o Annahme, die Menschen seien in der Lage die Wirklichkeit zu durchschauen Heroes and hero-worship o Popularität von Priestern, die Werte nahebrachten und „vorlebten“ (Im Idealfall) o Bewunderung von Helden Vorbildfunktion o Antike stand hoch im Kurs, in der Schule Essays über Ehre, Ruhm, Heldentum Ernsthaftigkeit o Seriousness und ernestness wurden zu Schlüsselbegriffen o Religiöse Wurzeln, denn Aufrichtigkeit, Gewissenhaftigkeit, Wachsamkeit galten als unerläßliche christliche Werte. o Ausgeprägte Neigung zur Heuchelei, die jedoch wiederum angeprangert wurde. Übersicht Emotional Attitudes o Optimism o Anxiety Intellectual Attitudes o The Critical Spirit – And the Will to Believe o Anti-Intellectualism o Dogmatism o Rigidity Moral Attitudes o The Commercial Spirit o The Worship of Force o Earnestness o Enthusisasm o Hero-Worship Es gibt jedoch kein „einheitliches“ Viktorianisches Bewußtsein! (Gesellschaftliche / Regionale Unterschiede) Bedeutung der Religion Trennung zwischen Church (Anglikanische Staatskirche) und Chapel (protestantische Nonkonformisten) Religion spielt große Rolle! Das Janusgesicht des Viktorianismus Das Ideal der self-help o Selbstbildung, mit Mitteln haushalten, alleine zurechtkommen. o Anprangerung von Faulheit o Annahme: Eine Zivilisation kann sich nur dann weiterentwickeln, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Age of Reform o Zeit zwischen 1820 und 1880 wird von Historikern so bezeichnet o Wahlreformen, neue Gesetze, Installation von Verwaltungsapparaten in Städten o Beschränkung der Arbeitszeit von Frauen und Kindern Richard Leinstein 4 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts o Reorganisation der Armenfürsorge o Einführung der allgemeinen Schulpflicht Fortschrittsglaube Verherrlichung des Mittelalters o Kritik an Zuständen in Fabriken, Anonymität Kontroverse Diskussion von Kulturthemen o Self-renunciation: Unterdrückung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Selfsacrifice, self-discipline, Genuss und Vergnügen galten als suspekt. o Altruismus (=sich Einsetzen für das Gemeinwohl): Unterdrückung egoistischer Gefühle (v.a. bei Mädchen) o Familienkult: Familie als Hort der Gefühle und der Moral, Aufwertung der Häuslichkeit durch Trennung von Zuhause / Arbeit, Betonung persönlicher Bindungen, Liebe als Basis guter Ehe o The Angel in the House: Idealisierung der Ehefrau und Mutter. Zuhause sollten Frauen ihren Sanftmut und ihre Ruhe und Tugendhaftigkeit aufrecht erhalten können. Problem: Frauen bekamen verantwortungsvolle Aufgaben übertragen, sie blieben aber ihren Männern untergeordnet. o Wandel des familiären Zusammenlebens: Die Clubs kamen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode Nur für Männer o Stellung der Frau: Relativ große häusliche Macht, doch keine juristische. Demographisch bedingter Frauenüberschuss. Oft Ausweg nur in Prostitution, die im 19. Jhd. zum gesellschaftlichen Problem wurde. o Macht der gesellschaftlichen Normen: Öffentlicher Druck hatte große Macht hoher Grad an Konformität vonnöten, um soziale Sanktionen zu vermeiden. In den Romanen häufig als Gefängnismetaphorik verarbeitetes engmaschiges Netz aus Normen. Viktorianische Leitbegriffe Allgemeinmenschliche Werte Normen für Männer Frauenbilder Kollektive Selbstbilder Self-renunciation Self-improvement Duty: Herstellung von Pflichtbewusstsein Paternalism: Pflicht des Mannes, sich um Schutzbefohlene zu kümmern und im Gegenzug Gehorsam zu verlangen Gentlemanliness: auf Reichtum basierend, moralische Stärke mit zuvorkommenden Umgangsformen verbinden Chivalry: Ritterlichkeit, besonders im Umgang mit Frauen Muscular Christianity: männliche Christlichkeit mit Stärke und Tatendrang, große Bedeutung von Krieg und Kampf, Zurückdrängung von Gefühlen. Angel in the House: Fallen Woman: Prostituierte oder Frau mit unehelichem Kind New Woman: seit 1880 Bezeichnung für Frauen, die Zugang zu Bildung forderten, Sport trieben, sich im Beruf bewährten und sich durch Selbständigkeit auszeichneten. Liberty: als politisches Ideal der eigenen Nation angesehen Empire: bis 1870 verpönt, dann Bestandteil britischen Richard Leinstein 5 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Selbstverständnisses The White Man’s Burden: Glaube, andere Ethnien „zilisieren“ zu müssen Soziale und literarische Rahmenbedingungen Evangelicalism und der Kampf gegen die Unterhaltung Mittlere Schichten wollten gesitteten, strikten Lebenswandel durchsetzen Reformation-of-manners Bewegung im Zusammenhang mit religiöser Erneuerung o Befreiung von Sklaven, Verbesserung der Situationen in den Gefängnissen Unterhaltung und Vergnügen als Zeitverschwendung Puritanismus und Dissent Protestanten, die nicht der anglikanischen Staatskirche angehören. Befürwortung eines asketischen, sinnenfeindlichen Lebenswandels Puritaner. Diese Bezeichnung wir heute abgelehnt, da es eine Bezeichnung für protestantische Nonkonformisten des 17. Jhds ist und diese sollen mit den Dissentern nicht über einen Kamm geschoren werden. Die Hegemonie der mittleren Schichten Bemühen, Werte von Respektabilität, Pflichtbewusstsein, Selbsthilfe, Disziplin unteren Schichten nahezubringen Erfolgreich Lesepublikum Schulpflicht wurde erst 1880 eingeführt! Zu Beginn des Jahrhunderts hatten nur die mittleren und oberen Schichten Zeit und Geld für die Lektüre von Romanen Zunächst kamen threedecker auf den Markt, billigere einbändige Ausgaben erst später Leihbibliotheken Romane als Fortsetzungen in Zeitungen o Indirekte Zensur, da bei Missfallen Leserbriefe an die Zeitungen geschickt wurden Öffentliche Zensur war nahezu wirkungslos, die private Zensur viel effektiver. (Kommerzielle Interessen) Realismusdebatte und literarische Tabus Prodesse aut delectare stand im Mittelpunkt der Anforderungen, doch viele Leser erwarteten Anderes. Charles Darwin etwa erwartete angenehmen Zeitvertreib. Viele Autoren wehren sich gegen diesen belehrenden Anspruch von Literatur. Problem: Unterschiedliche Auffassungen, was „Realismus“ ist o Forderung um die Ausweitung des Stoffes um Inhalte, die nicht nur für die englische Mittelschicht „alltäglich“ und somit realistisch sind. o Einteilung von Stoffen in die realistische novel und die antirealistische romance. o Diese Unterscheidung darf nicht überbetont werden, da auch Charles Dickens der Ideal or Romantic School zuzuordnen ist. Der Übergang ist eher fließend. Furcht vor der Korrumpierung des Lesers Tabuisierung von Themen Merkmale und Bauformen des realistischen Erzählens Grundprinzip Handlungsverlauf Stark ausgeprägter Wirklichkeitsbezug, große Lebensnähe, Mimesis Ereignisreicher, kausallogisch verknüpfter Plot; die einzelnen Episoden gehen Richard Leinstein 6 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Figuren Raumdarstellung Ebene der Vermittlung Verschleierung der Fiktionalität folgerichtig auseinander hervor. Lebensecht, nach damaligen psychologischen Kenntnissen glaubwürdig Viele Realitätsreferenzen auf die zeitgenössische Wirklichkeit und Details über die Einrichtung von Häusern, technische Errungenschaften, modische Kleidung etc. die auf eine romanexterne Wirklichkeit verweisen („Heteroreferentialität“) Transparenz und Unauffälligkeit der erzählerischen Vermittlung; Sprache und Stil erscheinen wie ein durchsichtiges Medium, durch das das Geschehen wie durch eine Fensterscheibe betrachtet werden kann. Erwecken des Eindrucks, als hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen – oder hätten sich zumindest so zutragen können. Mehrsträngige Handlungsführung Zeitdarstellung: Hauptsächlich chronologisch (Nur punktuell für Rückblenden durchbrochen) | In sensation novels (Enthüllen von Verbrechen und Geheimnissen) analytisches Erzählen) Illusionistische Raumdarstellung mit häufig symbolischer Bedeutung Funktionen der Raumdarstellung: Häufig zur Figurencharakterisierung Tendenz zur Individualisierung von Figuren (v.a. die persönlichen Anlagen von Figuren treten in den Mittelpunkt). Manchmal jedoch Typisierung, Idealisierung. Bei Individualisierung musste auch die Sprache dem Charakter der Figur angepasst werden. Sprache als class marker. Figuren als Normrepräsentanten(stellen oft Ausbund an Tugend dar) Übernehmen oft Mentorfunktion Große Bedeutung von Kleidung und Körpersprache Annahme, der Leser müsse sich in die Figuren hineinversetzen können, sich mit den Figuren identifizieren können, damit der Roman wertvoll ist. „Doktrin der gerechten Symathieverteilung“ Gute Figuren positiv, schlechte Figuren negativ, abstoßend. Poetische Gerechtigkeit: Gute Figuren müssten belohnt, schlechte bestraft werden. Form und Inhalt: Fortschrittsglaube spiegelte sich in teleologischer Handlungsführung wieder. Kontrastierung von selbstlosen und egoistischen Figuren. Love-and-marriage-Plots spiegeln die Bedeutung der Familie wieder. Dominante Erzählmodelle: Erst Ende des 19. Jhd. fanden Experimente mit der personalen Erzählsituation statt, bis dahin herrschten zwei Dominante Modelle vor: fiktionale Autobiographie, auktorialer Erzähler. Teilweise Infragestellung des Wahrheitsanspruchs (Brontë: Wuthering Heights): Mehrere IchErzähler, die nicht in der Lage sind, eine „wahrheitsgetreue“ Darstellung der von ihnen beobachteten Ereignisse zu liefern. Merkmale der auktorialen Erzählsituation Erzähler steht außerhalb der erzählten Welt, ist nicht am Geschehen auf der Ebene der Figuren beteiligt Außenperspektive auf die Figuren herrscht vor Erzählerbericht und Kommentar als vorherrschende Erzählweisen Erzähler ist „explizit“, d.h. wird als individualisierter Sprecher und als (fiktive) Person fassbar. Erzähler erfüllt eine Reihe von erzähltechnischen Funktionen o Beschreibt den Schauplatz (Beschreibung) o Ordnet das Geschehen zeitlich ein Richard Leinstein 7 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts o Führt die Figuren und charakterisiert sie o Schildert die Ereignisse (Bericht) Erzähler setzt sich mit den Figuren und ihren Handlungen auseinander o Gibt Erklärungen für ihr Verhalten o Bewertet die Figuren und ihre Handlungen o Macht kritische, humoristische und ironische Kommentare Erzähler verfügt über übermenschliche Fähigkeiten und ist in verschiedener Hinsicht privilegiert o Hat Einblick in das Bewusstsein aller Figuren o Hat Überblick über den gesamten vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Handlungsverlauf (Rückblicke und Vorausdeutungen) o Kann gleichzeitig an mehreren Schauplätzen sein bzw. weiß über das Geschehene an verschiedenen Orten Bescheid (fiktive Allgegenwart) Erzähler reflektiert über die Ebene der erzählerischen Vermittlung o Spricht über sich und gibt seine Einstellung preis o Spricht den fiktiven Leser direkt an (Leseranreden) o Thematisiert den Erzählvorgang und reflektiert über das Erzählen Erzähler verallgemeinert und belehrt die Leser durch Sentenzen Im 19. Jhd. oft übergeordnete verbindliche Deutungs- und Ordnungsinstanz Erkenntnistheoretischer Skeptizismus ist ein Grund dafür, weshalb sich gegen Ende des Jhd. immer weniger auktoriale Erzähler finden. Der Roman im Zeitalter der Romantik (1800-1830) Verbreitetes Bild der Romantik ist v.a. durch die Lyrik geprägt, intensive Natur- und Landschaftsbeschreibung, philosophische Dichtung Shelleys. Es wurden aber auch Romane geschrieben! Peacock: eigenwillige satirische Romane Der Schauerroman: Charles Maturin und Mary Shelley Schauerroman als dominant wirkungsästhetisches Genre School of Terror und School of Horror: Durch eindringliche Schilderung von Ängsten und Nöten des Opfers Angstzustände beim Leser hervorrufen School of Horror Raum Zeit Figurendarstellung Figurenkonstellation Handlung Themen Entlegen, einsam, alt, verwahrlost, düster, mit unterirdischen Gewölben und labyrinthischen Gängen; oftmals in Italien oder Spanien, beliebt waren auch Folterkammern der Inquisition. Gegenwart oder nahe Vergangenheit Nuancierte, ambivalente Charakterisierung der Hauptfiguren, keine Typisierung oder Schwarz-Weiß-Zeichnung, psychologische Bewusstseinsdarstellung. Enge Wechselbeziehung zwischen Peiniger und Opfer, streckenweise fügt auf das Opfer dem Schurken Leid zu Häufung von mysteriösen, übernatürlichen Ereignissen; kalkulierter Spannungsaufbau mit vielen Spannungsbögen Exploration von tiefen, bedingungslos ausgelebten Gefühlen wie Rache, Richard Leinstein 8 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Gier, Sexualität und Stolz Missachtung der Regeln der poetic justice Das Böse erscheint oft als Ausdruck der verdrängten inneren Triebe des Schurken, ist also im Menschen selbst angelegt. o Innere wie äußere Wirklichkeit vermitteln den Eindruck des Chaotischen, Abgründigen Mary Shelley: Frankenstein Ambivalente Beurteilung des Geschehens Es gibt keinen übergeordneten Erzähler, die Beteiligten (inklusive das Monster) erzählen selbst. Die Schaffung des Monsters aus Leichenteilen spiegelt das Motiv der mysteriösen Geburt wider Tiefgreifende Wissenschaftskritik Das nicht zufällig namenlose Monster wird zum Doppelgänger seines Schöpfers. (Auch psychisch!) Charles Maturin: Melmoth the Wanderer Pakt mit dem Teufel, Angst- und Schreckenserregende Szenen, sehr anziehend aber dennoch diaboligscher Melmoth Der Siegeszug des historischen Romans: Sir Walter Scott Definition: Abstand von mindestens 2 Generationen (60 Jahre) zum Zeitpunkt des Erzählens Einbeziehung eines historisch verbürgten Sachverhalts Problem einer präzisen Definition, somit wird das als historischer Roman bezeichnet, was mit den Mitteln der Fiktion etwas beschreibt, das dem Bereich der Geschichte zugeordnet ist. Waverly als erster historischer Roman o Mittlerer Held Scott wies politischen Gegebenheiten eine untergeordnete Bedeutung zu, er konzentrierte sich auf private! Weibliche Sitten- und Erziehungsromane: Jane Austen, Mary Brunton und Susan Ferrier Geringes Ansehen des Romans zu jener Zeit, deshalb „erziehendes Moment“ als Entschuldigung Viele weibliche Entwicklungsromane tragen schwer an dieser Last der moralischen Belehrung Jane Austen o Ironischer Ton, Ambivalenz o Eng begrenzter Wirklichkeitsausschnitt o Handlung im ländlichen Süden Englands situiert o Realistische Romane, zurücktretender Auktorialer Erzähler o Geschehen wird häufig aus Sicht der Figuren wiedergegeben (Leser lernt zunächst [Fehl]einschätzungen der Figuren kennen o Erzählte Welt wird gleichzeitig von außen und von innen geschildert (Vereinigung Stil FIELDING & RICHARDSON ) Richard Leinstein 9 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts o o o o Häufiger Gebrauch der „erlebten Rede“ (freie indirekte Gedankenwiedergabe), bei der der Erzähler Bewusstseinsprozessen einer Figur in deren Sprache Ausdruck verleiht. Themen: Partnerwahl und Eheschließung Voraussetzungen: gegenseitiger Respekt, zueinander passender Charakter, ausreichendes Vermögen Decorum, die Macht der gesellschaftlichen Konventionen entscheidet, was man tut, wie man über andere denkt. Die verbale Kommunikation erfolgt nach den strikten Regeln der sozialen Hierarchie, auch und insbesondere in der Familie, und des Schichtenspezifischen Kodex. Fragestellung: Fortschrittlich oder Konservativ? Ambivalent. Fortschrittlich Durchgängig weibliche Erzählperspektive „unfeminine“ Intelligenz und Scharfzüngigkeit Bloßstellung eitel-tyrannischer Patriarchen Traditionalistisch Happy Endings Passiv-geduldige Protagonistinnen Dominanz des sozialen decorum gegenüber individualistischen Bestrebungen. Weibliche Erziehungsromane Nicht Selbstentfaltung der Heldinnen im Zentrum, sondern Anerkennung sozialer und ethischer Grundwerte Gynozentrische Texte, die eine vorwiegend moraldidaktische Intention haben Erziehung zu Rationalität und Selbstdisziplin Der prä- und frühviktorianische Roman (1830-1858) Mitte 19. Jhd. langsame Ausweitung der Leserschaft Silver-fork-novels: detaillierte Beschreibung des Lebensstils der Oberschicht, oberflächlich und stark typisierte Figuren. Stock figure: o Kaltherzige Schönheit o Leidenschaftlicher Liebhaber o Modebewusster Dandy o Sucht nach exquisitem Vergnügen und Luxus Newgate-novels: Romane über Verbrechen o Romantisierend, Verbrecher als Gentleman Richard Leinstein 10 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Sozialromane Raumdarstellung Zeit Handlungsverlauf Figurendarstellung Explorer-Figuren Konversionen Sympathielenkung Propagandistische Wirkungsintention Viele Wirklichkeitsbezüge und minuziöse Schilderung der Zustände in Arbeitervierteln weisen auf den Naturalismus voraus Dominanter Gegenwartsbezug und zumeist chronologische Darstellung Liebesgeschichte verquickt mit sozialer Problematik Individualisierende Darstellung von Figuren aus unteren Schichten Figuren aus mittleren Schichten lernen durch Erkundungen der „anderen Nation“ das Leid der Unterschichten erstmals kennen Figuren aus mittleren Schichten erkennen die Dringlichkeit der Hilfe; Gewerkschaftler und Chartisten schwären der Gewalt ab und erkennen die Notwendigkeit verständnisvoller Zusammenarbeit mit den oberen Schichten Verständnis für „gute“, unverschuldet in Not geratene Arme; Tendenz zu Sentimentalität und Melodramatik. Einstellungswandel der mittleren und oberen Schichten zur sozialen Problematik; Aufruf zu Pflichtbewusstsein und tatkräftigem Christentum. Komik, Sentimentalität und Sozialkritik: Charles Dicken’s Frühwerk und seine mittlere Schaffensphase Familiäre Gefühle und Häuslichkeit Fast ausschließlich auf ihn zurückzuführende Reetablierung des Weihnachtsfestes Dickens gals als thoroughly English (u.a. Antikatholozismus) Strikte Einhaltung viktorianischer Tabus Schaffensphasen o Frühwerk: Elemente der Komödie, des Melodramas und des Märchens. Episodisch strukturierte Handlung. Klare Unterteilung in gute Helden und abgrundtief böse Schurken. o Mittlere Schaffensphase: Komik und albtraumhaftes tritt zurück, das Groteske unter gesellschaftskritischen und psychologischen Vorzeichen erscheint. Stärkere Historisierung der Erzählwelt, größerer Realismus der Darstellung. o Späte Phase: Zunehmend düsterer Ton, atmosphärische Dichte, Reichtum an Symbolen und Metaphern, satirischer Darstellungsmodus trotz Metaphern. Gemeinsamkeiten in Dickens Romanen Eindeutige Charakterisierung der Figuren durch Sprachduktus, Redewendungen, auffallende körperliche Merkmale, Gestik, Gewohnheiten, sinntragende Namen. unabhängig von sozialer Herkunft! Anschauliche, oft subjektiv gefärbte Raumdarstellung Fast alle Romane erzählen entweder vom Versuch eines Kindes, einen Platz in der Welt zu finden, oder von den Anstrengungen von Erwachsenen, eine gesellschaftliche Position zu erringen und zu bewahren. Beinahe alle Werke gehen davon aus, dass die materiellen Bedingungen und die materialistische Einstellung der Menschen dem individuellen Glücksverlangen im Weg stehen. Talent Dickens’, Figuren zu schaffe, die zwar grotesk überzeichnet, aber dennoch glaubwürdig sind. Richard Leinstein 11 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Illustrationen Hoher Stellenwert von Illustrationen Veranschaulichung und Deutung des Romangeschehens! The Pickwick Papers Geringer Preis Große Leserschaft Schnelles Eingehen auf Publikumswünsche Oliver Twist Tradition der Newgate novel, vermischt mit Schaueroman und Märchen Satire auf die zeitgenössische Sozialgesetzgebung Sentiment und Wirkungsintention Sterbeszenen als beliebte Elemente puritanischer Kinderbuchliteratur Culture of affect als willkommenes Gegengewicht zur utilitaristisch-rationalistischen Stimmung Annahne: Durch Rührung kann tatkräftige Nächstenliebe provoziert werden Merkmale des Bildungsromans (Dickens: David Copperfield) Hauptfigur Verhältnis Protagonist Fiktive Wirklichkeit Suche (quest) Erzählsituation Ort Zeit Plot Leitidee der Humanität Held oder Heldin sind entwicklungsfähig und sensibel gegenüber ihrer psychischen und emotionalen Entwicklung; sie verfügen über die Fähigkeiten der Selbsterfahrung, Selbsterkenntnis und Selbstkritik Held bzw. Heldin befindet sich anfangs in einem Konflikt mit den Normen der Gesellschaft Die aktive Suche der zentralen Figur unterscheidet den Bildung- vom Erziehungsroman; Ziel der Suche ist die eigene (psychische) Identität Häufig Ich-Erzählung oder personale Erzählsituation Oftmals Reise- bzw. Schauplatzwechsel als Illustration der Weiterentwicklung der Figur Umfasst nicht nur den Prozess der Sozialisation (wie im Adoleszenzroman), sonder Kindheit, Jugend und das – wenn auch teils nur frühe – Erwachsenenalter des Helden oder der Heldin Die Lebensgeschichte der zentralen Figur wird linear, meist chronologisch, dargestellt; im Vordergrund stehen Konflikte, die zur Identitätsbildung beitragen. Keine unproblematische Aussöhnung zwischen Individualität und gesellschaftlichen Normen; Selbstverwirklichung im Rahmen gesellschaftlicher Anforderungen als Ziel; die Leitidee der Humanität stellt den entscheidenden Unterschied zum rein prozessuralen Entwicklungsroman dar Richard Leinstein 12 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Der parodistische Gesellschaftsroman: William Makepiece Thackeray „Ein Roman dient der nüchternen Wiedergabe der Wirklichkeit“ „Man kann nur das darstellen, was man aus eigener Anschauung kennt“ römische Poetologie Vanity Fair: Ein Roman ohne Helden o Keine poetische Gerechtigkeit, es ist möglich sich eine respektable gesellschaftliche Position zu erschwindeln o Illusionsbrechung: Im Vorwort werden die Protagonisten als Marionetten beschrieben o Auktorialer Erzähler mit satirischen Kommentaren Typisch: Kontrast zwischen guten und schlechten Frauenfiguren Wandte sich gegen happy endings Unterminierung der viktorianischen Normen- und Geschlechterbeziehung Bemühen, Illusionen aller Art aufzudecken. Die einzige Bastion, die ihm standhielt, war das Frauenbild seiner Zeit. Der hochviktorianische Roman (1859-1880) Charles Darwin, On the Origin of Species Verwendet zur Rechtfertigung von Individualismus, Sozialismus, Religion, Skeptizismus Sozialdarwinismus (Herbert Spencer: survival of the fittest) o Viktorianischer Wert des self-help geht einher mit Darwinismus! Idee der Eugenik (Rassenhygiene) Veränderung der Stellung der Frau Beginn zaghafter Reformen Diskussion um politische Rechte der Frau o Es wurde Frauen erleichtert, die Scheidung zu erwirken (war jedoch nur dann möglich, wenn dem Mann neben Ehebruch noch andere Delikte wie extreme Grausamkeit oder Inzest vorgeworfen werden konnten) o Einrichtung von women’s colleges Kinder als wichtige Adressaten von Romanen Lewis Carroll: Alice’s Adventures in Wonderland (Dieser Roman befreite Kinderbücher von der Bürde der Moral) o Primäre Ausrichtung: Kinder durch komische Subversion unterhalten. Historische Romane und Romanzen History as a drama of violent conflicts Darstellung privater Erlebnisse durchschnittlicher Figuren Realistische Gesellschaftsromane: Anthony Trollope Eintreten für realistische Darstellungskonventionen Heteroreferentialität, kausalfinaler Plot Unheroische Figuren. Kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen Bestimmung von Gentlemanliness im Zentrum von Trollopes Werk Illustration des Kontrasts zwischen alten und neuen Werten o Traditionelle, zunehmend als altmodisch geltenden Werte Richard Leinstein 13 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts o Ehrlichkeit Interesselosigkeit Integrität Einfachheit Güte Altruismus Patronage Neue Werte (Erweisen sich in Trollopes Romanen als unterlegen) Materialismus Egoismus Kommerzielle Werte Sozialkritik im Roman: Charles Dickens’ Spätwerk Kennzeichen von Dickens’ Spätwerk Konkrete Missstände als Anzeichen des Gesamtzustandes der englischen Gesellschaft (Mit Isolation, Repression, Entfremdung an der Tagesordnung) Komische und märchenhafte Motive verschwinden zwar nicht vollständig, bekommen aber eine andere Funktion Figuren gewinnen an Komplexität was die Einteilung in Gut und Böse anbelangt Dickens trug dem Wunsch nach weniger Sentimentalität Rechnung, Einführung von Personen mit stiff upper lip, komplexe Plotstrukturen Psychologisierung Skepsis gegenüber sozialem Aufstieg Enge Kontrastrelationen zwischen Figuren Problematisierung von Identitäten, Selbstfindungsprozessen Umsetzung von Gefühlen und Leidenschaften in Handlung, symbolische Szenen oder Projektionen auf Doppelgänger und andere Gestalten. Great Expectations: Komplexer Bildungsroman Ambivalente Darstellung des sozialen Aufstiegs Einschätzung Dickens’ Zeitgenossen schätzten [Frühwerk] o Komik o Überschäumende Fabulierkunst o Darstellung von Gefühlen, Idealisierung von Häuslichkeit Heute wird geschätzt [Spätwerk] o Sozialkritik o Satire o Psychologische Tiefe o Symbolik Sensation novels Newgate novels, gothic novels als wichtige Vorläufer Darstellung der häuslichen Welt mittlerer Schichten Konzentration auf Verbrechen Evozierung einer mysteriösen Atmosphäre, Darstellung extremer Leidenschaften und Handlungen mit alltäglichen Schauplätzen und Figuren des realistischen Romans verbunden Richard Leinstein 14 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Themen o Intrigen und soziale Auswirkungen auf Ehen, Erbschaften, sozialen Status o Identität von Figuren als Problem o Ärzte und Rechtsanwälte spielen bei der Aufdeckung der Geheimnisse eine große Rolle o Identität wird als soziales Konstrukt erkennbar. o Ambivalenz der Moral o Oft Neudefinierung der „Reinheit“ von Frauen o Große Bedeutung juristischer Fiktionen The Moonstone (Wilkie Collins) o Erste Elemente der Detektivgeschichte Psychologischer Realismus und Multiperspektivität: George Eliot Mary Ann Evans schrieb unter dem Pseudonym George Eliot Prodesse aut delectare, doch Künstler in erster Linie in ästhetischer Funktinon. Realismusverständnis: Aufwertung des Alltäglichen Extensiver Gebrauch der erlebten Rede Subtile Analyse der Motive und Desillusionierungsprozesse der dargestellten Charaktere Darstellung von Sexualität durch Andeutung und Aussparung Woman Question o Abschaffung der Diskriminierung von Frauen o Schilderung der psychischen Verformungen, die Frauen durch gesellschaftliche Zwänge und mangelnde Bildung erleiden. Der englische Roman zwischen Viktorianismus und Moderne (18801900) Der durch Darwins Forschung mit angeregte Fortschrittsglaube wurde in den 1880er Jahren durch die Idee des Verfalls ergänzt Befürchtung der drohenden Degeneration Großbritanniens Auffassung, dass Entwicklung nicht immer mit Fortschritt gleichzusetzen ist! Angebliche Verweichlichung der Männer zu Stubenhockern Angebliche Dekadenz der Oberschichten Überall wurde Zeichen der Degeneration gewittert Neues Selbstbewusstsein der Romanciers Erbittert geführte Realismusdebatte Ästhetizisten nahmen eine ablehnende Haltung zu allen etablierten Kunstauffassungen ein Abkehr von viktorianischen Normen, bewusstes Durchbrechen von Tabus Religiöser Skeptizismus und fiktionale Autobiographie Nach Darwin: Skepsis an Genesis Fortschritte der Bibelkritik, die Glauben an buchstäbliche Wahrheit erschütterte novels of doubt Skeptizistische Romane bestehen idR. aus 3 Teilen Religiöse Zweifel, Schilderung der Auseinandersetzung Protagonist Gemeinde Begründung der „Konversion“ zum Zweifel, werben um Verständnis Richard Leinstein 15 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Protagonist findet Halt in neuer Weltanschauung Negative Bildungsromane und Regionalromane Negativer Bildungsroman Zunehmende Kritik an etablierten Werten (Christliche Werte, Ehe, Familie) Keine Einigkeit über Bildungsideale mehr Negation der Gesellschaft (Protagonisten werden nicht in Gesellschaft integriert) „Negative Romane“: Ihnen fehlt eine Alternative zum viktorianischen Gesellschafts- und Normenentwurf. Regionalroman Grenzen Regionalroman Dialektroman fließend Meist steht ländliche Gegend und deren Problem mit Modernisierung im Focus Betonung der Entfremdung von Individuen Thomas Hardys Werke beinhalten fremde Sichtweisen auf vermeintlich Bekanntes, wobei der Prozess des Beobachtens eine dominante Rolle einnimmt. Naturalismus Sprengung viktorianischer Tabus, Beschreibung von unwürdigen Lebensumständen in Slums, Körperlichkeit, Sexualität Photographie als Modell für die Darstellung Ideal der Objektivität Zurücktreten des Erzählers, Geschehen wird oft aus der Perspektive von Figuren Erzählsituation geschildert Sprache Figuren- und situationsadäquate Sprache, kaum Wertungen oder Sprachbilder des Erzählers Plot des Verfalls Soziale und biologische Gegebenheiten determinieren den Handlungsverlauf Schlussgebung Verzicht auf das happy ending Figuren Dominanz von Figuren aus den unteren Schichten bzw. von gesellschaftlichen Außenseitern Themen Alltag insbesondere der unteren Schichten, kompromisslose Darstellung von sozialen Missständen und Durchbrechung von Tabus Zeit Dominanter Gegenwartsbezug, chronologische Erzählweise Raum Präzise Raumdarstellung von meist englischen Schauplätzen (Großstadtmilieu und Slums) Degeneration als erblicher Defekt Sozialkritisches Engagement Publikumsreaktionen: Die Autoren haben ihr Ziel, die Menschen aufzurütteln, erreicht. Gissing bestritt die Möglichkeit, die Wahrheit objektiv darstellen zu können. Die New Woman Fiction: Sarah Grand und George Egerton Veränderung der rechtlichen und sozialen Position von Frauen Neue Berufsmöglichkeiten (Sekretärin) Neues Selbstbewusstsein vieler junger Frauen Forderung der Gleichstellung der Geschlechter Forderung des Rechts auf Selbstverwirklichung Richard Leinstein 16 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Eintreten für Wahlrecht für Frauen Bewährung in traditionell männlichen Bereichen (Wissenschaft, Sport, Beruf) Tragen von rational dresses Zeigen Neuer Bewegungsfreiheit (Fahrradfahren, Tennis spielen) Kritik! Forderung nach Gleichheit in sexuellen Beziehungen, Kritik am double standard Wirkung der New Woman novels Bereicherung der englischen Literatur um innovative Figuren und Themen Neue Wirklichkeitsentwürfe und Lebensformen werden zur Diskussion gestellt, die in der Literatur des 20. Jahrhunderts einen wichtigen Platz einnehmen Populäre Romanzen und ein Wiederaufleben der Gothic Novel: Marie Corelli und Bram Stoker Dracula hat einige beunruhigende Gemeinsamkeiten mit dem ihn bekämpfenden guten Engländer Viele Interpretationen Draculas haben psychoanalytischen Ausgangspunkt (Aktivierung tiefer, unbewusster Ängste) Anderer Interpretationsansatz: Dracula im Kontext der Angst des Zerfalls des Britischen Empire durch rohe, primitive Gewalten denen die rationalisierten, kultivierten Briten fast wehrlos gegenüberstanden Viktorianische Utopien: Edward Bulwer-Lytton, William Morris, Samuel Butler, H.G. Wells Genrekonventionen Erzählsituation Handlungsstruktur Struktur des Reise- und Abenteuerromans, Integration von Elementen des Schauerromans und von fantasies Ich-Erzähler berichtet über die eigenen Erlebnisse in einer fremden Welt, die er häufig allein kennen gelernt hat. Dreischritt: Reise zur und Ankunft in der utopischen Welt Erkundigung von deren Besonderheiten Abreise bzw. Flucht Wirklichkeitsbezug Figurenkonstellation Stock charakters Dialoge Zeit Raum Zeitkritik Bedeutende Themen Viele heteroreferentielle Bezüge; präzise Beschreibungen von Raum, Sitten, Figuren Spannung zwischen Außenseiter (Ich-Erzähler) und konformistischer Umwelt; dominant „flat characters“ Utopischer Reisender, utopische Geliebte, utopischer Führer Ich-Erzähler fungiert als prosaische Figur; große Bedeutung von aufklärenden Gesprächen über die utopische Welt Darwinistische Kriterien zufolge fortgeschrittene Entwicklungsstufe der Figuren, häufig Zukunft Räumliche (meist auch zeitliche) Isolation der utopischen Welt Implizite Kritik an viktorianischen Zuständen durch den Gegensatz zwischen 19. Jhd. und einer alternativen Welt Soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheit, der Wert von Maschinen und die Gefahr der völligen Abhängigkeit von immer unverständlicherer Technologie Richard Leinstein 17 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Didaktische Ausrichtung Entwurf einer alternativen soziopolitischen Welt als Modell, Satire oder Warnung. H. G. Wells: The Time Machine Degeneration als Effekt übertriebener Kultiviertheit Verlust von Intellekt und physischer Stärke in der Zukunft H.G. Wells: The War of the Worlds Marsmenschen wollen in England ein grausames, tyrannisches Regime errichten Marsmenschen haben hochtechnisierte, effiziente Waffen, weisen aber auffallende Ähnlichkeiten mit den vermeintlich primitiven „Wilden“ auf, die von zivilisierten Briten oft gewaltsam unterworfen und in das Empire integriert wurden Aussage: Angesichts der ruthless and utter destruction indigener Völker könnten sich die Engländer nicht beschweren, if the Martians warred in the same spirit. Illustration, dass der grausame Prozess der Kolonialisierung/Ausbeutung umgekehrt und auf brutale Weise gerächt werden könnte. Vom viktorianischen Roman zu Fiction of Empire Da vielfach der Verlust von Männlichkeit etc. in England befürchtet wurde, kehrte man Romanen den Rücken, die häusliche Themen, Umgangsformen und Gefühle behandelten und stattdessen konzentrierte man sich auf britische Helden, die sich in fernen Ländern und unter „primitiven“ Umständen verloren geglaubte „männliche“ Tugenden zurückerobern. Preisung von spannenden Abenteuergeschichten, um Angst vor Verweichlichung entgegenzuwirken. Romanzen (Ritter etc.) erlangten Wieder Popularität. Die male quest romance (Meist „allegorized jouneys into the self“) Anti-intellektuelle Protagonisten, Akzentuierung von Tugenden wie Ehre, Freundschaft, praktische Erfindungsgabe, Mut, physische Stärke. Neuer Imperialismus und Rassismus Organisationen wie die Boy Scouts sollten junge Engländer vor Verweichlichung bewahren und auf zentrale männliche Werte einschwören. Viktorianische Angst vor der Macht von Frauen Robert Louis Stevenson: The Strange Case of Dr Jekill and Mr Hyde Interesse am Unbewussten Doppelte Identität verbunden mit Degerationsängsten Stevensons Geschichten sind oft vielfältiger als zunächst offensichtlich Joseph Conrad: Heart of Darkness Thematisierung der Angst der Engländer, ihre Zivilisierung abstreifen und selbst zu Wilden werden zu können The conquest of earth, which mostly means the taking it away from those who have a different complexion or slightly flatter noses than ourselves, is not a pretty thing when you look into it too much. Die Erprobung neuer Erzählformen im Ästhetizismus: Walter Pager und Oscar Wilde Vertreten einer amoralischen, autonomen Kunstauffassung Form hat große Bedeutung Richard Leinstein 18 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Ästhetizismus und Dekadenz beschreiben das selbe Phänomen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Hochschätzung des Ästhetizismus geht mit Ablehnung viktorianischer Werte einher Abstand zur bürgerlichen Wirklichkeit, Brechung von Tabus, Faszination an Randzonen der Gesellschaft. Transformation des Lebens in Kunst: Dandies Kultivierte, meist passiv-rezeptive Ästheten versuchten, ihr Leben in ein Kunstwerk zu verwandeln Ästhetizismus stellt zentrale Grundsätze der viktorianischen Kunstauffassung auf den Kopf Annahme: Grundsätzliche Trennung von Kunst und gesellschaftlichen Verwertungszusammenhängen Kunst hat mit Moral nichts zu tun Form hat größere Bedeutung als Inhalt Kunst soll im Betrachter ein Gefühl für das Schöne anregen, sonst nichts. Das Kunstwerk ist keine mimetische Nachahmung, sondern eine Leinwand, auf die die Leser ihre eigenen Auffassungen projizieren. Wilde und Pater schätzten Romanzen höher als realistische Romane Kulturthema Homosexualität Reine Männergesellschaften in clubs und public schools Bewunderung männlicher Physis, Männlichkeitskult Aufwertung der griechischen Antike Zentrale Themen in Wildes Werk Doppelgängermotiv (Picture of Dorian Gray) Kunst/Leben Ästhetik/Ethik Individuum/Gesellschaft Narzissmus, Homosexualität, Kult des Ichs und Identitätsverlust. Dichtes Metaphernnetz Dorian Gray: Extensiver Gebrauch erlebter Rede Ambivalenz und Amoralität Sympathielenkung zugunsten Dorians, aber: Portrait illustriert moralischen Verfall deutlich Schlussgebung mit poetischer Gerechtigkeit (Dorian wird bestraft) Widersprüchliche Kommentare: Zurückführung des Verhaltens Dorians auf allgemein menschliche Bedürfnissen, aber: auch scharfe Verurteilung. Das Werk entzieht sich eindeutigen moralischen Wertungen und überlässt es dem Leser, seine eigenen Interpretationen auf das Werk zu projizieren. Ausblick: Das Erbe der viktorianischen Erzähltradition im Roman des 20. Jahrhunderts Merkmale von Romanen der Moderne Zurücktreten der Erzählinstanz Bevorzugung der personalen Weniger Kommentare, geringer ausgeprägte Wahrnehmung auktorialer Funktionen Figuren als interne Fokalisierungsinstanzen, häufigere Richard Leinstein 19 Examensvorbereitung | Englische Literaturwissenschaft | Roman des 18. Jahrhunderts Erzählsituation Annäherung von Subjekt und Objekt Bedeutung der Form Verwendung von erlebter Rede, impressionistische Passagen Durchdringung von subjektiven Bewusstseinszuständen und von außen kommenden Eindrücken der Objekte Größere Bedeutung von Stil und Struktur, Metaphern und Leitmotive als kohärenzstiftende Mittel Verschachtelung von Erzählungen, intradiegetische Erzählungen, Komplexität der Vermittlung Verwendung von unglaubwürdigen Erzählern und „trüben Reflektoren“ Durchbrechung der Chronologie, Fragmentarisierung der Abkehr vom linearen Plot Handlung Das happy ending wird seltener, weitgehender Verzicht auf Offenes Ende poetic justice Akzentuierung sexueller Gefühle, naturalistische Darstellung von Durchbrechung von Tabus Animalischem und von gesellschaftlichen Randzonen Geringere Ausprägung heteroreferentieller Bezüge, weniger Anti-mimetische Konzeption detaillierte Raum- und Milieudarstellung Abkehr von sozialreformerischen Anliegen und moralischer Amoralische Konzeption Belehrung Keine klare Zäsur zwischen Viktorianismus und Moderne Richard Leinstein