Vorsicht! Demokratie!
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Vorsicht! Demokratie!
Vorsicht! Demokratie! von MiMo: Kennen Sie die GreenTec Awards? Nein? Macht nichts, bis vor kurzem kannte ich sie auch nicht. Es handelt sich um Preise, die seit 2008 für technische Innovationen im Bereich Umweltschutz vergeben werden. Zu den Unterstützern gehören die Zeitschrift Wirtschaftswoche und die Fernsehsendung Galileo. Die Preise sind nicht finanzieller Art – der Anreiz für die Bewerber liegt in der Publicity, u.a. in der Übertragung der Preisverleihung auf Pro7, verbunden mit einem Einspielfilm zu jedem Finalisten. Die jeweils drei Finalisten werden in jeder Kategorie wie folgt ermittelt: zwei direkt durch die Jury, einer durch eine Abstimmung im Internet. So waren zumindest die öffentlich bekanntgegebenen Regeln, auch für die diesjährige Preisverleihung. Bis dann, Schockschwerenot, in der Internetabstimmung ein politisch nicht gewünschtes Ergebnis herauskam. In einer Kategorie gewann nämlich der Dual Fluid Reaktor des Berliner Instituts für FestkörperKernphysik. Dieser Reaktor ist so konzipiert, dass er abgebrannte Brennelemente aus herkömmlichen Reaktoren zur Energieerzeugung nutzt. Zugleich vernichtet er diesen Atommüll, was geradeangesichts der Endlagerproblematik für die Macher eines Umweltpreises von Interesse sein sollte. Das sah man dort aber anders. Reaktor? Atom? Das ist doch pfui! Also änderte man die Regeln flugs, erklärte das Abstimmungsergebnis für ungültig, und übertrug der Jury – bestehend u.a. aus Galileo-Moderator Aiman Abdallah, Sabine Christiansen, den Schauspielerinnen Nina Eichinger und Ursula Karven sowie dem ehemaligen Fußballprofi Christoph Metzelder – das alleinige Recht, die Finalisten auszuwählen. Demokratie? Shtonk! Es ist aber auch ein Dilemma – demokratische Abstimmungen haben nun mal die mögliche Nebenwirkung, dass das Wahlvolk nicht so abstimmt, wie es von ihm erwartet wird. In diesem Punkt befinden sich die Macher der GreenTec Awards auch in guter, oder soll ich sagen: in schlechter Gesellschaft. Im Mai dieses Jahres gab es bei Bürgerbefragungen in mehreren Anliegergemeinden des von der grün-roten Landesregierung gewollten Nationalparks Nordschwarzwald eindeutig ablehnende Ergebnisse. Der grüne Landwirtschaftsminister Bonde erklärte daraufhin: „Das sind unverbindliche Meinungsbilder.“ Seine Parteifreundin, die Staatsrätin Erler, gefiel sich in Spitzfindigkeiten: „Bürgerbeteiligung heißt Prozesse mitzugestalten, nicht sie zu entscheiden.“ – Wo kommen wir denn auch hin, wenn die Bürger auf einmal selber entscheiden wollen? Auch auf europäischer Ebene werden Abstimmungsergebnisse ja gerne mal ignoriert, wenn sie anders ausfallen als erwartet und gewünscht. Oder man lässt, wie 2009 in Irland, das Wahlvolk so lange abstimmen, bis das Ergebnis passt. Zumindest bei den GreenTec Awards hatte sich immerhin die Justiz einmal eingeschaltet. In zweiter Instanz hatte das Kammergericht Berlin die rückwirkende Regeländerung für rechtswidrig erklärt. Leider hat das Landgericht die damit verbundene einstweilige Verfügung am Mittwoch aufgehoben. Schade – gerne hätte ich am Freitag mal Pro7 eingeschaltet. Aber vielleicht kann sich das Berliner Kammergericht, offenbar eine Oase der Rechtstaatlichkeit, auch mal für umstrittene Nationalparks in Baden-Württemberg interessieren. Oder, besser noch, für die Demokratiedefizite der EU. Link zum Dual Fluid Reaktor: http://dual-fluid-reaktor.de/ Interview auf Freiewelt.net mit Dr. Götz Ruprecht vom IFK: http://www.freiewelt.net/interview/darf-ein-kernreaktor-umwelt technologie-sein-10007736/