Wir sind nur Landschaft, nicht Land

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Wir sind nur Landschaft, nicht Land
Datum: 19.03.2011
Bieler Tagblatt
2501 Biel
032/ 321 91 11
www.bielertagblatt.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 25'181
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 38.3
Abo-Nr.: 38003
Seite: 23
Fläche: 71'278 mm²
Wir sind nur Landschaft, nicht Land
Die Videoinstallation
eines chilenischen
Künstlers taucht den
Bieler Juraplatz noch drei
Monate lang in Azurblau.
Sie gehört zur gestern
eröffneten Ausstellung
«Dislocaciön»
im Kunstmuseum Bern.
zeigt wurde - nun ist das Werk schen Interessen ins Synthetische
mit der Ausstellung mitgezogen gewandelte. Ein Auswuchs auch
und Rupcich sehr zufriedem mit der Globalisierung. «Manche haldem Ort in Biel, der es «noch stär- ten <Big Pool> für ein touristisches
ker wirken lässt», wie er findet. Video», sagt Rupcich, «andere seEine Installation, die vom Mitbe- hen, dass da etwas komisch ist».
gründer von Lokal-int., Enrique
Mtuioz Garcia, angeregt und von Chiles Brüche
Ingrid Wildi Merino ausgewählt Mit Brüchen in der Geschichte
und der Gesellschaft Chiles bewurde.
schäftigen sich auch die Werke
der
chilenisch-europäischen
Der Protagonist: Ein Pool
Das blaue Idyll vermittelt seine Künstler in Bern. Sie wurden eiBotschaft leise. Zögerlich schlei- gens für die Ausstellung geschafCLARA BRACHVOGEL
Kristallldares Wasser, Bilder wie chen sich Zweifel ein: Wo befin- fen. Ingrid Wildi Merino startete
aus einem Tourismusmagazin,: den wir uns? Wer schwimmt wo? Ende 2007 mit dem Projekt,
Sie wiederholen sich alle 6 Minu- Desorientierung wird durch die wählte die Künstler sorgfältig aus.
ten und 30 Sekunden, ein Takt, Wahl der Perspektive, aber auch Es folgte ein analytischer Prozess.
der sich harmonisch zu den Ab- durch doppelte Horizontlinien er- Die Arbeit von Wildi Merino war
fahrtszeiten der Busse hier am Ju- zeugt. Ein Riesenpool, direkt nemit vielen Befragungen in der Beraplatz fügt. Die Videoinstallation ben dem Pazifik - wozu? Birgt die völkerung verbunden. Sie unterdes Chilenen Nicoläs Rupcich Künstlichkeit, mit der er die Land- sucht an spezielle Orte gebunzeigt einen der grössten Swim- schaft durchzieht, die er ihr über-
mingpools der Welt - einen gan- stülpt, nicht auch etwas Seltsazen Kilometer lang, gefüllt mit 250 mes, Bizarres, gar Monströses?
Ein Boot treibt ins Bild, darauf
Millionen Litern Wasser. Der Film
ein
Mann, der Dreck vom Wasser
ist eine Erweiterung der Ausstelfischt. Reinigungsarbeiten am
lung «Dislocaci6n - Kulturelle Verortung in Zeiten der Globalisie- Pool, die in der unbelebten Ne-
rung», die gestern im Kunstmuseum Bern eröffnet wurde und
von der Künstlerin Ingrid Wildi
Merino und Kathleen Bühler laira-
bensaison im März 2009 von Rupcich und dem Architekten Emilio
Marin festgehalten und einer lan-
gen Post-Produktion unterzogen
dene, lokale Identitäten. Andere
Arbeiten erzählen von der Pinochet-Diktatur. Camilio Yäfiez erinnert mit den Videoprojektionen
«Estadio nacional» an die Zeit,
wo in dem Stadion ein Konzentrationslager installiert war, im
Hintergrund erzählt ein melancholisches Volkslied von Armut
und Freiheit
Der in Bern geborene und in
wurden, die Künstliches noch
fiert wird. Dislocaci6n, das Wort
Künstlicher machte, das Blau Paris lebende Thomas Hirschverweist auf den medizinischen noch
blauer, als es ohnehin schon horn fasste die Brüche Chiles
Begriff der Ausrenkung, ein
war. Genauso falsch, wie die Re- wiederum in einem zerstörten
schmerzlicher Vorgang, bei dem klame in den Reisekatalogen: Statuss ymbol der oberen Mitteldie Knochen verdreht werden.
klasse zusammen (siehe Bild).
Historische Ausrenkungen der «Fake images», sagt der Künstler Die Ausstellung in Bem ist eine
Welt und der Menschen in ihr auf Englisch.
ästhetische Auseinandersetzung
Dann zitiert er aus dem Gedicht
«Chile» seines Landsmannes Nisondern die Weltgeschichte.
Der junge Videokünstler zeigte canor Parra: «Wir glauben, wir
«Big Pool» bereits, als «Disloca- seien ein Land, aber in Wirklichci6n» anlässlich der 200-Jahr- keit sind wir nur eine Landschaft.»
Feier in Chile 2010 in Santiago ge- Die Landschaft in «Big Pool» ist
eine manipulierte, von ökonomi-
kennt nicht nur die chilenische,
Medienbeobachtung
Medienanalyse
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mit einem Land, das eben doch
nicht nur Landschaft ist, sondern
von und mit seiner Geschichte
lebt und davon zu erzählen
weiss.
ARGUS der Presse AG
Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
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Argus Ref.: 41881096
Ausschnitt Seite: 1/3
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Auf den Bus warten und eintauchen: «Big Pool» von Nicolas Rupcich gehört zur Ausstellung «Dislocatiön» (bis zum 19. Juni täglich von 19
bis 23 Uhr); Im Kunstmuseum Bern wird u.a. ein zerteilter und mit Klebeband zusammengefügter Ford Ranger gezeigt: Symbol gestörter
Bilder: zvg
Funktionalität, nicht ohne eine Prise Humor («Made in Tunnel of Politics» von Thomas Hirschhorn).
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Medientyp: Tages- und Wochenpresse
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Nicoläs Rupcich
geb. 1981 in Santiago de
Chile, lebt und arbeitet dort
schuf «Big Pool» (2009),
das an der Dislocace in
Santiago 2010 und u.a. an
der Beijing Bienale 2009 gezeigt wurde.
Diverse Ausstellungen in
Spanien, Brasilien, den USA,
Frankreich und Israel. Das Video «The Pool» unter www.rupcich.cl/video.php
(cb1)
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Ingrid Wildi Merino
Künstlerin und Kuratorin
der «Dislocaciön».
geb.1963 in Santiago, emigrierte 1981 in die Schweiz
wohnte lange im Atelier Robert, Dozentin an Kunsthochschulen in Genf und Madrid,
lebt in Biel; schuf für «Dislocaci6n» filmische Essays über
Chiles industriellen Norden,
wo sie Interviews zum Thema
Identität führte.
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