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PRAXIS | UNFALLAKTE 2 1 | Abgestürzt: Nach dem Öffnen der Haube gerät die Maschine in eine instabile Fluglage, aus der die Piloten keinen Ausweg finden 2 | Schließt nicht richtig: Der Verriegelungsmechanismus zeigt Spuren von starker Abnutzung 3 | Eingehakt: Um die Haube im Flug wieder zu schließen, wären 10 bis 20 Kilo Zugkraft nötig Vulla conullan eugait: amcortie tisi tat accummod tet, quisim eugait prat, vel el doleniam zzriuscing enisl il eniamcore te consectem diamet dolor iuscidun. 1 Leitwerk im Lee D E F E K T E V E R R I EG E L U N G Bei einem Schulungsflug springt plötzlich die Cockpithaube auf. Den Piloten gelingt es nicht, die Situation zu entschärfen TEXT Samuel Pichlmaier T üren können bei alten Autos im Winter ein unangenehmes Eigenleben entwickeln: Es kommt vor, dass der Verschluss vereist ist und während der Fahrt durch die Heizungswärme auftaut und plötzlich aufspringt. Den Fahrer kann das trotz kaltem Fahrtwind ordentlich ins Schwitzen bringen – bis nach einem kurzen Stopp alles wieder gut verriegelt ist. Im Flugzeug ist ein solches Szenario ungleich dramatischer: Tiefdecker mit großen kuppelartigen Kanzeln kann es unter Umständen regelrecht aus der Bahn werfen, 74 www.fliegermagazin.de #3.2013 wenn sich die Haube im Flug öffnet und dadurch die Aerodynamik am Leitwerk stört. Beim UL-Tiefdecker Eurostar öffnet die große Haube nach vorn, sie wird oben am Haubenrahmen mit einem Griff hinter und über den Köpfen der Insassen verriegelt. Das Muster gilt als unkritisch und wird daher von Vereinen gern zur Schulung eingesetzt. So auch am 20. Mai 2011 auf dem Sonderlandeplatz Stralsund an der mecklenburgischen Ostseeküste. Probleme in der Platzrunde Ein Fluglehrer macht dort am frühen Nachmittag mit seinem Schüler den Vorflugcheck und betankt die Vereinsmaschine, einen Eurostar EV97. Der 41-Jährige hat zwar viele Jahre Erfahrung als Segelflieger und auf Reisemotorseglern, doch auf Ultraleichtflugzeugen sind bislang nur 65 Stunden in seinem Flugbuch eingetragen. Sein 47-Jähriger Schützling steht noch am Anfang der UL-Ausbildung. Um 14.39 Uhr starten die beiden von der Piste 23 zu einem Schulungsflug. Die Maschine dreht erst eine ausgedehnte Platzrunde, dann wird der Anflug auf die 900-Meter-Graspiste trainiert. Nach dem Aufsetzen schiebt der Flugschüler den Gashebel wieder nach vorn und startet durch. Über Funk meldet er anschließend die geplante Abschlusslandung auf der »23« und dreht in den Querabflug. Vermutlich in diesem Moment öffnet sich die Kabinen- 3 haube. Der kalte Fahrtwind trifft Pilot und Fluglehrer überraschend und noch dazu in einer kritischen Flugphase mit nur geringer Höhe. Der Haubenverschluss ist für den links sitzenden Flugschüler und den Fluglehrer gleichermaßen schwer erreichbar: Sie müssten die Haube am Verriegelungshebel mit einem Kraftaufwand von 10 bis 20 Kilogramm nach unten ziehen, den Hebel dann gleichzeitig drehen und nach hinten drücken – unter diesen Umständen ein schwieriges Manöver, zumal die Piloten angeschnallt sind. Der Besatzung bleibt nur wenig Zeit, um das Problem in den Griff zu bekommen, denn die Maschine beginnt bereits, sich gefährlich aufzuschaukeln. Auch die Steuerung ist durch Vibrationen am Heck wahrscheinlich stark eingeschränkt. Fluglehrer und Schüler sind mit der Situation offenbar überfordert; der Pilot verliert in einer Höhe von etwa 150 Metern die Kontrolle über das UL, das Rettungsgerät wird nicht ausgelöst. Der Tiefdecker kippt vornüber und stürzt in einer steilen Flugbahn dem Boden entgegen. Fast senkrecht schlägt er auf einem Acker nahe der Ortschaft Groß Kedingshau- 4 | Ganzmetaller: Der tchechische Eurostar gilt als solider Zweisitzer mit gutmütigen Flugeigenschaften sen auf. Beide Insassen werden durch die Wucht des Aufpralls sofort getötet. Die Zerstörung ist immens: Ein Teil des Hauptfahrwerks ist in die Zelle hineingedrückt, das Bugrad abgeknickt. Die rechte Tragfläche ist vom Rumpf abgerissen, die linke liegt verdreht neben dem Hauptwrack. Höhen- und Seitenleitwerk sind stark deformiert, das Cockpit ist offen, der Haubenrahmen liegt etwa eineinhalb Meter von der Kabine entfernt. Bei den Ermittlungen am Wrack finden Mitarbeiter der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) erhebliche Abnutzungsspuren an der Kabinenverriegelung: Verschlusshaken und Zapfenbeschlag weisen deutliche Schleifspuren auf, der Haken ist außerdem an der Spitze verformt. Es hakt – nicht zum ersten Mal Andere Vereinspiloten berichten in anschließenden Befragungen, dass die Probleme beim Schließen der Eurostar-Haube bereits bekannt waren. Die Verriegelung sei in der Vergangenheit schon des öfteren aufgegangen. Die BFU-Ermittler stoßen auf Eurostar-Unfälle in der Schweiz und in Australien mit gleicher Ursache: Die Kabinenhauben hatten sich auch hier im Flug geöffnet. Beim tschechischen Hersteller Evektor ist das Problem seit langem bekannt; im Jahr 2004 ergaben Versuchsflüge mit geöffneter Haube, dass sich der Tiefdecker bei einem solchen Vorfall in einer amplitudenförmigen Flugbahn aufschaukelt. Gemessen wurden zudem Vibrationen am Heck, die die Steuerung beeinträchtigten. Nach Meinung des Herstellers hielten sich die Kräfte von 10 bis 20 Kilo, die der Pilot zum Wiederverschließen der Haube aufbringen muss, aber »in einem annehmbaren Rahmen«. Eine fragwürdige Einschätzung. 2006 wurde dennoch ein Bulletin für die Muster Eurostar und Sportstar herausgegeben, in dem der Hersteller eine Anweisung zur Umrüstung des Haubenverschlusses veröffentlichte. Weshalb diese Prozedur in Deutschland bis zu dem Unfall in Stralsund noch nicht umgesetzt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Auf eine Sicherheitsempfehlung der BFU reagierte der Deutsche Aero Club (DAeC) erst Anfang 2012 mit einer entsprechenden Lufttüchtigkeitsanweisung (LTA). Für die UL-Besatzung aus Stralsund kam das zu spät. Bei der pathologischen Untersuchung an der Universitätsklinik Greifswald stellte man auffällige Verletzungen an der linken Hand des Flugschülers fest, die darauf schließen lassen, dass er sich beim Aufschlag an einem Gegenstand festgehalten haben muss. Möglicherweise war es der Steuerknüppel, mit dem er versuchte, die Maschine doch noch abzufangen. Oder aber er hielt den Verriegelungshebel der Kabinenhaube fest umklammert, die er nicht mehr schließen konnte. www.fliegermagazin.de #3.2013 FOTOS: BUNDESSTELLE FÜR FLUGUNFALLUNTERSUCHUNG, ARCHIV FLIEGERMAGAZIN 4 75