Mobbing, Moslems, Mitbestimmung
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Mobbing, Moslems, Mitbestimmung
U N A B H Ä N G I G E Montag, 16. 6. 2008 0 TA G E S Z E I T U N G diepresse.com 0 F Ü R Ö S T E R R E I C H Mo 25 / 1,30 Euro SONDERAUSGABE Montag, 16. Juni 2008, Seite 1 Null Bock auf Politik? Sitznachbar Muslim Alltägliche Gewalt Wählen mit 16 – wie wichtig ist das eigentlich den Betroffenen selbst? Integration in der Schule – wie kann es gelingen, wo gibt es Hürden? Wie Schulen auf Mobbing und Vandalismus reagieren. 2-5 6-8 9-11 Mobbing, Moslems, Mitbestimmung I „PRESSE“ MACHT SCHULE. Schüler machen Zeitung: I DREI HEISSE THEMEN. Was tun gegen Gewalt? Wie Zwölf prämierte Seiten, von Jungredakteuren gestaltet. gelingt Integration? Und was bringt Wählen mit 16? ALLE TEILNEHMER Höhepunkt der Projektarbeit: In der „Presse“-Redaktion die eigene Zeitungsseite selbst redigieren. Im Bild: Teilnehmerinnen aus dem Wiener GRG 17. WIEN. Einmal selber richtig Zeitung machen! Nicht Schülerzeitung, sondern in einer echten Tageszeitung. Und auch nicht nur ein nettes Artikelchen, sondern eine ganze Seite gestalten, Bilder, Texte, Grafiken, Kommentare, alles. Dazu haben auch heuer wieder „Die Presse“ und das Bildungsministerium eingeladen – und mehr als 80 Schulklassen haben geantwortet. Das Projekt „,Presse‘ macht Schule“ ist damit in der heurigen Neuauflage noch erfolgreicher als im Jahr 2007, als es zum ersten Mal lief. Damals hatten knapp 60 Schulen darum gewetteifert, wer eine von zehn Seiten in der „Presse“ gestalten darf. Beschäftigung mit den Medien allgemein und dem Genre Tageszeitung im Besonderen, aber auch ein vertieftes Nachdenken über aktuelle Problemstellungen und nicht zuletzt multidisziplinäres Ar- beiten an einem spannenden Projekt – das alles bietet das „Presse“Projekt den Schülern und natürlich auch den engagierten Lehrern. Bildungsministerin Claudia Schmied formuliert ihr Interesse an dem Projekt so: „Es ist wichtig, dass sich die jungen Menschen in der Schule mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen aus ihrer unmittelbaren Lebenswelt EXPERTEN IN DER JURY Peter Filzmaier, Politologe, Donau-Universität Krems Q Kurt Scholz, em. Stadtschulratspräsident, „Presse“-Autor Q Christiane Spiel, Bildungspsychologin, Universität Wien Q Heidrun Strohmeyer, Sektionschefin im Bildungsministerium Q aktiv auseinandersetzen.“ Der bewusste und reflektierte Umgang mit Medien sei eine Schlüsselkompetenz für mündige Bürger in der Wissensgesellschaft. Drei solche aktuelle Fragestellungen wurden den Schülern zur Auswahl gestellt: „Null Bock auf Politik. Was bringt Wählen mit 16?“, „Sitznachbar Muslim: Wie kann Integration (besser) funktionieren?“ und „Mobbing, Vandalismus, Happy Slapping – alltägliche Kavaliersdelikte?“ Der lange Weg zum Sieg Am 2. April wählte eine Jury aus den Projektvorschlägen die zehn vielversprechendsten aus – eine aufgrund des hohen Niveaus der Einreichungen äußerst schwierige und letztendlich natürlich auch subjektive Entscheidung. Mit der Juryentscheidung begann die heiße Phase: Jede der zehn ausge- [ Bruckberger ] wählten Klassen wurde von einem „Presse“-Redakteur besucht, und so konnten die Zeitungsseiten noch in den einzelnen Schulen finalisiert werden. Da wurde das Layout festgelegt, über Bild- und Grafikformate gesprochen – und in den meisten Fällen mussten die Klassen mit schwerem Herzen auf einen großen Teil der erarbeiteten Inhalte verzichten, weil auf eine Zeitungsseite dann eben doch weniger draufpasst, als man glaubt. Endphase – und für viele der Höhepunkt – war dann die Reise der Projektanten in die Redaktionsräume der „Presse“, um unter fachlicher Anleitung aus einem in allen Details ausgearbeiteten Projektvorschlag eine richtige „Prese“-Seite zu machen. Das Ergebnis liegt hier vor. Wir von der „Presse“ denken, dass es sich sehen lassen kann – als rundum gelungene Zeitungsseiten. Über 80 Klassen haben mitgemacht, zehn von ihnen kamen in die „Presse“ – aus Kärnten, Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien. BURGENLAND: R BG/BRG Mattersburg R BG/BRG Neusiedl am See R BHAK/BHAS Neusiedl am See R HAK/HAS/AUL Mattersburg KÄRNTEN: R BG/BRG Mössingerstraße Kft. R BG/BRG Perau Villach R BG/BRG Villach St. Martin R BORG Spittal/Drau R HLW St. Veit/Glan NIEDERÖSTERREICH: R BG Babenbergerring Wr. Neustadt R BG Rechte Kremszeile Krems R BG Zehnergasse Wr. Neustadt R BG/BRG Krems Piaristengasse R BG/BRG Tulln R BG/BRG Wieselburg R BHAK/BHAS Retz R BHAK/BHAS Amstetten R BHAK/BHAS St. Pölten R BRG/BORG St. Pölten R BG Mödling Bachgasse R BI für Sozialpädagogik Baden R HAK Neunkirchen R HTL Sankt Pölten R Konrad Lorenz Gymnasium Gänserndorf R Militärrealgymnasium Wr. Neustadt R ORG Englische Fräulein Krems OBERÖSTERREICH: R Akademisches Gymnasium Linz R BG/BRG Freistadt R BHAK Linz-Auhof R BHAK Steyr R BHAK/BHAS Eferding R BORG Perg R BRG Traun R HAK Linz Rudigierstraße R HBLA Elmberg R BG Vöcklabruck SALZBURG: R BHAK/BHAS Tamsweg R Christian Doppler Gymnasium Sbg. R HBLA Saalfelden R Tourismusschulen Salzburg-Kleßheim R HLW Hallein STEIERMARK: R Akademisches Gymnasium Graz R BG/BRG Köflach R BHAK Judenburg R BHAK Voitsberg R BHAK/BHAS Grazbachgasse Graz R BHAK Liezen R Gymnasium und ORG der Ursulinen Graz R HAK Feldkirchen R HLW Deutschlandsberg R HLW Hartberg R HLW Mureck TIROL: R BG/BRG/SRG Reithmannstraße, Ibk. R HBLA Kufstein, VORARLBERG: R BHAK/BHAS Feldkirch WIEN: R BG 11 Geringergasse R BHAK 13 R BHAK 22 R Biling. ORG/Schulverein „Komenský’’ R GRG 17 Parhamerplatz R GRG Stubenbastei R HLW 10 R HTL1 Masch.ingenieurw. und El.technik R Intern. BusinessCollege Hetzendorf R Rainergymnasium R Schulen des bfi R Schumpeter BHAK/BHAS R Theresianische Akademie R VBS HAK/HAS Floridsdorf R Vienna Business School R HAK I Akademiestraße [ Bäck, Bruckberger ] PREISE: Deutschland, Italien, Slowenien € 2,-, Belgien € 2,80; HRK 14, ČZK 65, SK 80, Ft 390. „DIE PRESSE“, 1030 Wien, Hainburger Str. 33; PF 33. ) (01) 514 14. Fax: DW 400 (Redaktion); DW 250 (Anzeigen). ABO: ) (01) 514 14 DW 70, Fax: DW 71. Verlagspostamt: 1030 Wien, P.b.b. Zulassungsnummer: 02Z032748T PRESSE MACHT SCHULE 2 Montag, 16. Juni 2008 Wählen mit 16: Unsere Chance! Wahlrecht für Jugendliche im In- und Ausland Die rechtliche Situation in Österreich, Slowenien, der Schweiz und Deutschland. ANALYSE. Seit einem Jahr dürfen Österreichs Jugendliche wählen. Mehr als die Hälfte der neuen Wähler zeigt inzwischen Interesse an der Politik. VON BERNHARD ABWERZGER, PETER KNAPP, JULIAN WILDPANER, UND ARNO UNTERLERCHNER L ange wurde in Österreich darüber diskutiert. Schließlich wurde das aktive Wahlalter im Zuge der Wahlrechtsreform 2007 bei Nationalrats-, Bundespräsidenten- und Europawahlen in Österreich von 18 Jahre auf 16 Jahre gesenkt. Das bedeutet, dass jeder österreichische Staatsbürger, der spätestens am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet hat, berechtigt ist, seine Stimme abzugeben. Österreich ist der erste Staat in Europa, der seinen jungen Bürgern das Wählen mit 16 ermöglicht. Auch weltweit finden sich nicht viele Staaten, in denen 16-Jährige wählen dürfen. Das passive Wahlalter wird erreicht, wenn der Bewerber am Stichtag der Wahl die österreichische Staatsbürgerschaft be- VON HANNO DOUSCHAN, FLORIAN GRABER, MATTHIAS MAYER, ALEXANDER PAYER UND MARTIN RINGSWIRTH M it dem 6. Juni 2007 wurde ein lange diskutiertes Thema in die Tat umgesetzt: Jugendliche dürfen nun auch bei bundesweiten Wahlen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr ihre Stimme abgeben. Auch die führenden Politiker Kärntens waren für diese Reform. Aber ist Österreichs Jugend wirklich bereit dafür? Laut Kärntens Jugendreferentin Gaby Schaunig muss die Antwort „Ja“ lauten, weil die Gruppe der Jugendlichen andere Anforderungen als Erwachsene stellt und dadurch die Politiker mit neuen Aufgaben konfrontiert. Diese Seite wurde von der 8S ORG für Leistungssport aus Spittal an der Drau gestaltet. sitzt und am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat. Vor der Reform musste man das 19. Lebensjahr vollendet haben. „Mehr auf Jugend eingehen“ Politische Bildung Ein Großteil der Bevölkerung Österreichs geht mit dieser Aussage aber leider nicht konform. Immer wieder stößt man auf Argumente wie: „den Jugendlichen fehlt es an der nötigen Reife“. Josef Martinz hingegen, Vorsitzender der Kärntner ÖVP, meint, dass die Politiker mehr auf die Anliegen und Anregungen der Jugendlichen eingehen sollten. Sicher gibt es Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren, die sich mäßig oder gar nicht für Politik begeistern, was bei dem Politzirkus, der derzeit in Österreich Station macht, nicht verwunderlich ist. Es gibt aber mindestens genauso viele, die sehr wohl ein re- Um für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren zu dürfen, muss man österreichischer Staatsbürger sein und spätestens mit Ablauf des Tages der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet haben. Um die Jugendlichen besser auf die Wahlen vorzubereiten, setzt sich Bildungsministerin Claudia Schmied für ein eigenes Fach „Politische Bildung“ ein. Alternative dazu wäre Politische Bildung als Leitlinie, die in allen Fächern – mehr oder weniger – mitberücksichtigt werden muss, oder als Teil einer Fächerkombination, wie es sie derzeit bei Geschichte und Sozialkunde sowie Biologie und Umweltkunde gibt. ges Interesse am politischen Geschehen im Staat haben. Nach einer Studie der DonauUniversität Krems, geleitet von Peter Filzmaier, haben sich drei Fünftel der befragten Jugendlichen als politisch interessiert bezeichnet. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider kritisiert zwar auch das politische Chaos auf Bundesebene, jedoch äußert er sich unpräzise und weicht den ihm gestellten Fragen aus. Kindische Streitereien Da sich schon die Elternteile der Politik überdrüssig fühlen, können diese ihren Kindern keine vernünftige Einstellung zu diesem gewichtigen Thema vermitteln. In den Schulen dürfen sich die Lehrer auch nur geringfügig zum Thema Politik äußern, wodurch auch diese Informationsquelle für die Jugend gewissermaßen verloren geht. Die Meinungen der Teenager Österreichs werden zu einem großen Teil von den Medien beeinflusst. Dort werden aber meist nur die negativen Seiten der jetzigen Regierung dargestellt. Auch Gaby Schaunig ist der Meinung, dass die Gesellschaft nicht „politikverdrossen“, sondern eher „Politiker verdrossen“ ist. Obwohl es viele Erwachsene nicht wahrhaben wollen, Jugendliche sind heute um ein vielfaches reifer als zu Zeiten Bruno Kreiskys. Deshalb sollte man sie auch dementsprechend behandeln. Im Grunde sind sich die Politiker alle einig, dass viel mehr auf die Jugendlichen geachtet werden sollte, denn die Jugend hält die Zukunft in ihren Händen. Landeshauptmann Jörg Haider meint, dass es höchste Zeit wurde, die Jugend wirklich einen Teil dieser Zukunft in ihren Händen halten zu lassen, denn die heutige Jugend sei schließlich die Zukunft. ···························································································································· Wahlrecht in anderen Ländern In Slowenien besitzen alle Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, das aktive und passive Wahlrecht für das Parlament. Bei den nationalen Wahlen in der Schweiz ist jeder Schweizer Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt. Auf kantonaler und kommunaler Ebene sind, von der lokalen Gesetzgebung abhängig, teils auch niedergelassene Angehörige anderer Staaten (Ausländerstimmrecht) zur aktiven Wahl zugelassen. Gleichzeitig haben Kantone und Gemeinden ein abweichendes Mindestalter für das Wahlrecht. Beides wird von einigen politischen Parteien als problematisch betrachtet, da damit keine Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflichten verbunden sei. Die Gemeinden des Kantons Glarus haben als erste das aktive Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren erlaubt. Das passive Wahlrecht bleibt weiterhin bei 18 Jahren. In Deutschland ist jeder Deutsche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt. In Deutschland haben alle Bürger ab 18 Jahren das passive Wahlrecht auf kommunaler und Bundesebene. Auf Landesebene liegt das Alter für die Wählbarkeit in Hessen bei 21 Jahren, in allen übrigen Bundesländern bei 18 Jahren. 16-Jährige wählen: Aber ist Österreichs Jugend bereit dafür? Weder Politologen [ Clemens Fabry ] noch Politiker haben darauf klare Antworten. „Politik schwer zu verstehen“ Interview: Meinungen zweier 16-Jähriger. VON ANNA-MARIA GOBALD, ALINA GRISCHNIG, SAMIRA TAUBMANN UND CARMEN THALMANN Die Presse: Wie beurteilen Sie die heutige Politik? Madleine Strauß: Als Jugendlicher ist es sehr schwer, die heutige Politik zu verstehen. Florian Pleschberger: Momentan ist die Koalition sehr zerstritten und es gibt viele Streitfragen. Was halten Sie davon, dass man mit 16 Jahren wählen darf? Strauß: Ich finde es gut, dass Jugendliche nun ein Mitspracherecht haben. Pleschberger: Das finde ich schlecht, weil sich die Jugend in diesem Alter nicht wirklich für die Politik interessiert. Halten Sie sich für reif genug, um wählen zu gehen oder glauben Sie, dass Sie noch zu wenig Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln konnten? Strauß: Ich fühle mich noch nicht reif genug, da ich noch zu wenig Erfahrung mit der Politik habe. Pleschberger: Ja, weil ich mich mit meinen 16 Jahren recht gut in der Politik auskenne. Haben Sie vor, bei der nächsten Wahl, bei der dieses neue Wahlrecht in Kraft tritt, Ihre Stimme abzugeben? Strauß: Nein, weil ich die Ziele der verschiedenen Parteien nicht genug kenne. Pleschberger: Ja, weil das Wählen dazugehört, obwohl die Stimme des Einzelnen wenig ausgibt. Montag, 16. Juni 2008 PRESSE MACHT SCHULE 3 – MEINUNG LAURA VOGGENEDER Politisch Lied – garstig Lied S eit gut einem Jahr dürfen wir Jugendlichen mitsingen. Hat schon mal jemand daran gedacht, dass viele von uns gar nicht singen können? Viele haben den Stimmbruch mit schmächtigen 16 Jahren noch nicht hinter sich, die Stimme vieler ist auf solch eine große Aufgabe nicht vorbereitet. Es muss ja nicht gleich ein Solo sein, doch im Stimmengewirr des Chores Österreich zählt jede Stimme – ein falscher Ton kann ein ganzes Stück verderben. Stimmen gehören ausgebildet und das ist unter den Ju- Wir wollten’s wissen: Die 7b-Klasse des BG/BRG Freistadt befragte 173 OberstufenschülerInnen zu Wählen ab 16 und Politischer Bildung in der Schule. [ Johann Bergthaler ] Schüler fühlen sich reif für Wahl ab 16 UMFRAGE. Gymnasiale Oberstufe fordert mehr Politische Bildung im Unterricht. VON FRANZISKA KOLMBAUER UND BETTINA SCHINNERL FREISTADT. Wir wollen’s wissen: Unter diesem Motto startete die 7b-Klasse des BG/BRG Freistadt eine schulinterne Umfrage mit dem Ziel, das politische Interesse unserer Oberstufenschüler auszuloten. Dazu wurde 173 Jugendlichen ein Fragebogen im Multiple Choice-Stil vorgelegt. Die Ergebnisse waren großteils sehr überraschend. So gaben etwa mehr als zwei Drittel der Befragten an, sich reif genug zu fühlen, den Gang zur Wahlurne zu beschreiten. Nun stellt sich jedoch berechtigterweise die Frage, ob denn Jugendliche informiert genug sind, sich aktiv an der Zusammensetzung des Nationalrates zu beteiligen. Leise Zweifel tauchten allerdings wegen eines Detailergebnisses auf: Einige wenige unserer Mitschüler sind doch tatsächlich der Meinung, dass Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel unsere Unterrichtsministerin sei (siehe Grafik). Sein – überwiegend doch korrektes – Faktenwissen bezieht der Großteil der Adoleszenten hauptsächlich aus Radio, Fernsehen und Internet. Der Wunsch, dieses Wissen zu vertiefen, besteht: Die Mehrheit würde ein Unterrichtsfach „Politische Bildung“ begrüßen. Derzeit ist es zwar möglich, ein solches zu besuchen, allerdings nur auf freiwilliger Basis. AUF EINEN BLICK 7b-Klasse des BG/BRG Freistadt hat für die Aktion „Presse macht Schule“ zwei Umfragen zum Thema Wählen mit 16 gemacht: unter Oberstufenschülern des Gymnasiums Freistadt und unter Bürgermeistern des Bezirks Freistadt im nördlichen Mühlviertel. Q Beteiligung: Bei der Schülerbefragung machten immerhin insgesamt 173 Mädchen und Burschen mit. Auf den Fragebogen an die Ortschefs, bei dem für ein Schulprojekt auch weitere Auskünfte zur jeweiligen Gemeinde (etwa Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen, Freizeitanlagen) eingeholt wurden, haben 17 Bürgermeister geantwortet. Auffallend ist, dass dieses Angebot vorwiegend von männlichen Schülern in Anspruch genommen wird. Das hat uns besonders erstaunt, wenn man bedenkt, dass laut unserer Umfrage mehr Schülerinnen als Schüler einen solchen Gegenstand befürworten. Distanz zu Gemeindepolitik Ein Grund für die positive Haltung vieler Jugendlicher gegenüber dem Fach „Politische BilDiese Seite wurde von der 7b-Klasse des BG/BRG Freistadt gestaltet. dung“ ist, dass die meisten von ihnen dem Bildungssystem in der Schule mehr Vertrauen schenken als politischen Institutionen wie der EU oder dem Parlament. Fast alle unserer Befragten würden – eigenen Angaben zufolge – ein gut überlegtes Kreuzchen einem unbedachten, spontanen vorziehen. Hinsichtlich aktiver Beteiligung am politischen Geschehen in der eigenen Gemeinde zeigen sich viele der jungen Erwachsenen eher distanziert und zurückhaltend. Desinteresse an der Gemeindepolitik wird hier deutlich sichtbar. Eigeninitiative und Engagement? – Fehlanzeige. So glänzen mehr als 80 Prozent durch ihre Absenz bei parteipolitisch orientierten Veranstaltungen jeglicher Art. Interessant ist auch, was die Jugendlichen selbst von ihrer „Null Bock-auf-Politik-Einstellung“ halten. Zuvor muss man allerdings erwähnen, dass 76 Prozent der Oberstufenschüler an unserem Gymnasium sich sehr wohl Gedanken zu politischen Themen machen, politische Ereignisse bewusst wahrnehmen und ihre Gedanken dazu auch austauschen. Damit bilden sie augenscheinlich eine Ausnahme, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Teenagern. Die wahren Gründe des fehlenden Engagements sind vermutlich mangelnde Lust und Neugierde, sich selbst Informationen zu be- ···························································································································· 2 young – 2 bled?! Q Die Ansichten zweier „görlies“: Wählen – voi zach. tigerlilly90: und, bist gestern dann noch wählen gwesn? sweedie16: job, war aber voi zach. tigerlilly90: why däd? *g* sweedie16: da waren lauter so oldies . . . und die depatn abkürzungen! Hab mi gar nimma auskennt. Den HC- den haßen hawara :-) hätt ich ja noch kennt, aber der is ja gar net aufn zettl gstandn! tigerlilly90: Is des net da h&m? sweedie16: Jo – HPM is ah draufgstaundn, i hob ma dacht, des is a schreibfehler? warst du a bei dera fadn partie? tigerlilly90: Jo, d’Mali l3 und i waren gemeinsam . . oida, da waren so viele leudz, drum samma gemeinsam in so a ding . . . weißt eh, was i mein . . . in die kantine einigangen. Die ham nachher alle so komisch gschaut, wie ma die zettln in des box-dings ghaut haum. sweedie16: hobts ihr in namen eh draufgschriebn? tigerlilly 90: job, aber wir waren zerst verwirrt, weil da nirgends so a „Name: ____“ - dings war. sweedie16: und wen hast dann gwählt? tigerlilly90: naja, grün. Erstens is mei lieblingsfarbe und zweitens wars ka abkürzung . . . und drittens hab i ma dacht, der alte bundeskanzler – wast eh, da haider - war eh ganz gut, der kanns eh wieder werden. sweedie16 Daniela Scheiblhofer (l.) tigerlilly90 Theresa Lammerhuber schaffen. Dies, obwohl die neuen Medien genügend Möglichkeiten bieten würden. Spannender als Gemeindepolitik sind für die Jugend offensichtlich andere Betätigungsfelder: Freunde, Fortgehen, Fernsehen. Die Diskussion über die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre hat jedoch einen förderlichen Nebeneffekt. Durch sie wird nicht nur das allgemeine Bewusstsein für das Gemeinwesen und die Führung eines Staates gesteigert, sondern es wird auch Jüngeren die Option geboten, am politischen Leben teilzunehmen. Man wird ernst genommen Ist man direkt zur Mitarbeit angesprochen, fühlt man sich entsprechend ernst genommen. Die Heranwachsenden im Alter zwischen 16 und 18 Jahren sind eine große Gruppe, deren Interessen bisher lediglich in geringem Ausmaß berücksichtigt wurden. Jetzt werden sie durch das frühere Mitbestimmungsrecht in politischen Belangen auch rechtzeitig mit der Demokratie und den demokratischen Grundsätzen vertraut gemacht. Dies ist wichtig, weil dadurch der Wert der Demokratie erkannt und die Gefahr, extreme politische Ansichten zu übernehmen, geringer wird. Viele Jungwähler werden jedoch in ihrem Wahlverhalten noch stark von ihren Eltern beeinflusst und können sich deshalb keine eigene Meinung über die einzelnen Parteien bilden. Auch lässt sich die heutige Mediengeneration durch geschickte Argumentation und Manipulation stärker beeinflussen als Erwachsene. Einige Jugendliche sind mit ihrer persönlichen Situation sicher unzufrieden und werden zu Protestwählern. Statistiken belegen: je jünger, umso größer der Anteil an Protestwählern. Geködert von Politikern? Möglicherweise haben 16-Jährige noch zu wenig Lebenserfahrung. Sie lassen sich mitunter von Beteuerungen der Politiker ködern, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Falsche Versprechungen von tatsächlich umsetzbaren Ideen zu unterscheiden, ist auch eine Erfahrungssache. Skepsis ist angebracht. Ob denn die jungen Erwachsenen an der nächsten Wahl teilnehmen werden? Die meisten Wahlberechtigten des Freistädter Gymnasiums haben es zumindest vor. Der Chor Österreich – Wo bleibt die Stimmausbildung für 16-Jährige? gendlichen oft nicht der Fall. Mitzusingen hat für viele keinen großen Reiz, lieber summt man still vor sich hin und schummelt sich immer wieder durch den großen Auftritt hindurch. Daher ist Stimmausbildung vonnöten! Jeder kann singen, egal ob laut oder leise, ob falsch oder richtig – das ist Ansichtssache - nur trauen muss man sich. Außerdem ist 16 ein schwieriges Alter. Welche Stimme der eigenen Stimmlage entspricht, ist oft nicht leicht herauszuhören. Es fordert viel Geduld und intensives Training den richtigen Platz im Chor zu finden. Individuelle Ausbildung ist vor allem deshalb unerlässlich, um den Vorurteilen vieler entgegenzuarbeiten, die behaupten, Jugendliche singen sowieso nur im Tenor der Eltern mit. Von wegen, mein Vater ist Bass und meine Mutter Sopran. ··························································· Keine Rede von „Null Bock“ in Gemeinden Bürgermeister befürworten bei einer Befragung Wählen ab 16. FREISTADT (g.b./b.o./i.s.) Im Rahmen des vom Bundesgymnasium Freistadt durchgeführten Presseprojektes zum Thema „Wählen ab 16“ wurden 17 Ortchefs des Bezirks Freistadt befragt. Während sich viele Jugendliche im Alter zwischen 18 und 24 Jahren gegen das Wahlrecht ab 16 ausgesprochen haben, stimmten die Bürgermeister des Bezirkes Freistadt mit einer eindeutigen Mehrheit von 16 zu eins dafür. Das Problem ist somit nicht das fehlende Vertrauen der Ortchefs in die Jugend, sondern das fehlende Engagement der Jugendlichen. Der Bürgermeister der Gemeinde Windhaag, Alfred Klepatsch, bringt es auf den Punkt: „Wie schaffen wir es, dass die Jugend ihre Wünsche/Forderungen/Erwartungen formuliert und sich dabei auch einbringt?“ Die Umfrage brachte noch ein überraschendes Detail zu Tage: Politik ist nicht, wie man erwarten würde, ausschließlich Sache „reifer“ Männer. Das Durchschnittsalter von 29 Jahren der Gemeinderäte/innen im Bezirk Freistadt beweist zumindest auf Gemeindeebene, dass von „Null Bock auf Politik“ keine Rede sein kann. PRESSE MACHT SCHULE 4 PRO VON PAUL BROMBERGER Zukunft selbst bestimmen Jede Stimme zählt JUGEND-UMFRAGE. Grüne und SPÖ abgeschlagen. 16- bis 18-Jährige tendieren zur ÖVP. Auch FPÖ ist für Junge attraktiv. E in großer Vorteil, den Wählen mit 16 gebracht hat, sind die vielen neuen Wähler. Bei den Landtagswahlen in Niederösterreich beispielsweise waren zirka 40.000 Jugendliche wahlberechtigt. Die vielen neu zu vergebenden Stimmen beeinflussten auch den Wahlkampf der Parteien, da in diesem vermehrt auch die Jugend angesprochen wurde. Schon seit langem fordert die Jugend politisches Mitspracherecht. Diese Initiative versucht auch in gewissem Ausmaß, dieses Bedürfnis umzusetzen. Mit der Erlaubnis, ab 16 wählen zu dürfen, konnte dieser Forderung endlich nachgekommen werden. Wählen mit 16 hat auch den Sinn, junge Menschen näher an ihre staatsbürgerlichen Pflichten heranzuführen. Zu diesen gehört natürlich auch das Wählen. Die Initiative setzt genau in dem Alter an, in dem politische Entscheidungen einen jungen Menschen gravierend betreffen. Beispiele dafür sind Themen wie Lehre, höhere Schulausbildung oder Wehrdienst. Nicht zuletzt gilt es auch, das politische Interesse der Jugend zu wecken. Wie man anhand der hohen Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen erkennen kann, gelang es, die Jugend näher an die Politik heranzuführen und die Aufmerksamkeit für politische Themen anzuregen. Auf lange Sicht ist sie die nachkommende Generation, und dementsprechend haben sich die Parteien derer angenommen. Ein weiterer Grundsatz der Initiative war auch, die Jugendlichen zur Wahl zu bringen, deren 18. Geburtstag kurz nach dem Wahltag stattfand. Ihnen konnte zum ersten Mal das gebührende Mitspracherecht gegeben werden, welches zuvor vielen verwehrt geblieben war. Montag, 16. Juni 2008 KONTRA VON ALEXANDRA BAJER Wie die Alten sungen . . . E VON BIRGIT FLIESSER UND ANJA BERGER WR. NEUSTADT. Die Parteien waren sich einig: Die ÖVP sieht „Wählen ab 16“ positiv, um ein Gleichgewicht zwischen Alt und Jung zu schaffen. Auch die SPÖ ist dafür, da Interesse für die Politik gesteigert werden soll. Die Grünen sind für Wählen mit 16, weil junge Menschen schon früh mit Entscheidungen konfrontiert würden. Schüler der 6a des Militärrealgymnasiums wollten von allen im Parlament vertretenen Parteien wissen, wie ihre Programme für die Jugend aussehen. Geantwortet haben nur FPÖ und BZÖ; von der ÖVP kam lediglich eine Bestätigung, dass die Mail gelesen wurde. Die FPÖ sieht Wählen mit 16 positiv: „Wir sind der Meinung, dass mit 16 Jahren ein grundlegendes politisches Verständnis bei den Jugendlichen vorhanden ist und dieses Interesse an Politik durch ein Wählen mit 16 noch verstärkt wird“, lautet ein Statement des Büros H. C. Strache. Der Bundesobmann des BZÖ, Robert Stark, stellt ein Konzept der Partei vor, um die Jugend für die Politik zu interessieren: „Ein Grundpfeiler war die Zustimmung für die Sen- kung des Wahlalters. Das BZÖ hat somit zugestimmt!“ Bei einer Umfrage am Wiener Neustädter Hauptplatz wurden 120 Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren zu ihrem Wahlverhalten befragt. Bei den 16-Jährigen ist die ÖVP beliebter als die FPÖ. Die SPÖ und die Grünen kommen nicht an. Bei den ältesten Gruppen führt die ÖVP; FPÖ und SPÖ liegen knapp zusammen. Nur bei den 18-Jährigen stehen die Grünen an zweiter Stelle. Angeführte Gründe, warum die Grünen regieren sollten, sind Die 6A des Militärrealgymnasiums in Wr. Neustadt gestaltete diese Seite www.milrg.at AUF EINEN BLICK Q Wahlpaket. Im Juni 2007 führte das Parlament in einer Reform unter anderem die Briefwahl und Wählen mit 16 ein. Durch die Senkung des Wahlalters wurde der Wählerkreis um 180.000 Personen erweitert. der Umweltschutz und ihre überzeugenden Wahlkampagnen. Die einwanderungskritische Politik der FPÖ findet bei Jugendlichen besonderen Zuspruch, weil junge Menschen häufig mit den Neuerungen um die Zuwanderung konfrontiert werden. Die SPÖ wurde wegen der Arbeiterpolitik und der Sozialistischen Jugend erwähnt: Diese tritt für eine Gesellschaft ein, in der niemand wegen Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht benachteiligt wird. Die ÖVP-gesinnten Befragten stimmten für die Partei aufgrund ihres Einsatzes für die Landwirte und wegen Niederösterreichs Landeshauptmanns Erwin Pröll, der die Abfederung der Teuerung unterstützt. Die Meinung über Wählen mit 16 ist bei den 120 Befragten geteilt. Die Hälfte der 16-Jährigen ist gegen diese Neuerung, da die Jugend wenig Information über die Parteien erhält und wenig Interesse besteht. Die anderen möchten die Chance nutzen, einen ansprechenden Vertreter zu wählen. Die 17- und 18-Jährigen sind dagegen, dass 16-Jährige wählen dürfen: Sie glauben, dass die 16-Jährigen aus dem Bauch ihre Stimme abgeben und wenig Ahnung haben. in großer Nachteil von Wählen mit 16 ist nicht nur das fehlende Wissen über die einzelnen Parteien, sondern auch ein mangelndes Interesse. Viele Schulen versuchen deshalb, mit der unverbindlichen Übung „Politische Bildung“ die Interessen zu wecken und das Wissen der Jugendlichen über Politik zu steigern. Jugendliche werden oftmals überschätzt und wissen meistens weniger über Politik als Erwachsene. Die Gefahr bei nicht vorhandenem Wissen ist oft, dass sich 16-Jährige leicht manipulieren lassen. Die meisten Politiker versuchen somit, möglichst viele Jugendliche zu bewegen, das Kreuz an der für sie richtigen Stelle zu machen. Jugendliche in diesem Alter lassen sich leicht durch ihre Eltern oder Wahlkampfreden beeinflussen und kreuzen meistens die von ihren Eltern gewählte Partei an. Somit kann das Wahlergebnis verfälscht werden. Außerdem ist es für viele 16-Jährige schwer zu wissen, welchen Politikern sie glauben dürfen, und wie viel von dem Gesagten ernst zu nehmen ist. Es scheint zumindest den Jugendlichen so, dass Politiker diese Unreife nutzen, um Jugendliche zu manipulieren. Nicht nur das fehlende Wissen und mangelndes Interesse sind Gründe gegen Wählen mit 16. In diesem Alter hat man auch noch keine eigene Meinung und hört auf Freunde und Familie. Viele Jugendliche sind für Wählen mit 16, weil sie mitbestimmen und etwas verändern wollen. Jedoch beträgt die Anzahl der jugendlichen Wähler nur zwei Prozent, und manche Experten sind der Meinung, dass sich durch die geringe Beteiligung nicht viel ändern wird. ······························································································································································································································································································································ Bundespräsident Strache? Wie gut Jugendliche über Politik Bescheid wissen. VON JOHANNES GINTHÖR UND THOMAS THALER WR. NEUSTADT. Das politische Wissen der 16- bis 18-Jährigen wurde im Raum Wr. Neustadt durch eine Umfrage auf die Probe gestellt. Die Militärrealgymnasiasten hatten einige knifflige Fragen über das aktive und passive Wahlrecht sowie über bekannte Politiker in ihrem Sortiment. Anfangs waren sie jedoch etwas schockiert. Tatsächlich gibt es Schüler und Lehrlinge, die schon wählen dürfen, aber nicht einmal wissen, wer der Bundespräsident ist, und wie er heißt. Einige hievten FPÖ-Parteichef H. C. Strache und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll so- gar ins Amt des Bundespräsidenten. Zum Glück waren dies Ausnahmefälle. Bei der Auswertung der Umfrage stellte sich dann heraus, dass der Großteil der Jugendlichen nicht so schlecht über die allgemeine politische Situation in Österreich informiert ist. Markant ist, dass die Jüngeren besser informiert sind als die Älteren: Die 18-Jährigen schneiden bedeutend schlechter ab als die 16 bzw. 17 Jahre alten Befragten. Bestmöglich vorbereitet Das liegt wohl an dem Fach „Politische Bildung – Wählen mit 16“, in dem die Jugendlichen bestmöglich auf eine moderne, kritische und unabhängige Wahl vorbereitet werden. Insbesonders die Lehrlinge beklagten, dass ihnen dieses zusätzlich erworbene Wissen fehle. Sie wären froh, wenn auch sie die Möglichkeit bekämen, so einfach gezieltere Informationen über die Politik zu erhalten. Die Jugend in Österreich reagiert auf die Herausforderung des doch sehr niedrigen Wahlalters erfreulich gut, obwohl die 18-Jährigen großteils nicht viel davon halten, dass so junge Menschen bereits wahlberechtigt sind und eine Rückänderung im Wahlgesetz begrüßen würden. WUSSTEN SIE, DASS I Österreich das einzige europäische Land ist, in dem 16-jährige Jugendliche das Privileg besitzen, bundesweit auf allen Ebenen wählen zu dürfen? I in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Italien, Großbritannien und Frankreich jeder Staatsbürger für die Wahlberechtigung das Mindestwahlalter von 18 Jahren vollendet haben muss? I weltweit nur in Brasilien, Kuba und Nicaragua schon mit 16 Jahren gewählt werden darf, hingegen in Südkorea und auf den Seychellen mit 17 Jahren? I die soziale Schichtzugehörigkeit auch bei Jugendlichen die Wahlentscheidung bestimmt? I es in der Antike schon verschiedene Formen von Wahlen gab, etwa als Attische Demokratie, die allerdings Sklaven und andere Stände nicht einschloss? I die Integrationspolitik das häufigste Wahlmotiv bei den Jugendlichen ist? I das aktive Wahlrecht jenes Recht darstellt, das jeden Bürger befugt, sich mittels Stimmabgabe an der Wahl zu beteiligen? I das passive Wahlrecht angibt, wer wählbar ist, also wer für ein Amt kandidieren darf? I jeder EU-Bürger in Österreich, aufgrund des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union 1995, das aktive und passive Wahlrecht auf Gemeindeebene besitzt? I Frauen erst seit dem 20. November 1918 wählen dürfen? Schachern um die Jugend ÖVP wollte Briefwahl, SPÖ votierte für die Jugend. VON ELIAM SCHENKER WR. NEUSTADT. Die Senkung des Wahlalters wurde schon seit den 80ern diskutiert. In den 90ern weckte dieses Thema das Interesse von Teilen aller Parteien. 1999 wurde sie erstmals durch die FPÖ beantragt, jedoch von der Koalition (ÖVP/SPÖ) abgelehnt. Die ÖVP war lange Zeit gegen Wählen mit 16, doch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll forderte vor den NÖ-Landtagswahlen vom 9. März 2008 eine rasche Umsetzung der im Koalitionspakt fixierten Demokratiereform (Wählen mit 16, Briefwahl u. a.), die auch die Senkung des Wahlalters vorsah. Das eigentliche Problem lag darin: Falls die Wahlrechtsreform im Nationalrat nicht rechtzeitig beschlossen worden wäre, wäre eine verzögerte Einführung der Briefwahl, für die sich die ÖVP einsetzte, eingetreten. Um der Volkspartei die Briefwahl zu genehmigen, forderte die SPÖ eine Zustimmung zu Wählen mit 16. Lediglich die FPÖ stimmte gegen die Wahlrechtsreform, da sie in „altgroßkoalitionärem Stil“ entstanden sei: Es handelt sich um den kleinsten gemeinsamen Nenner von ÖVP und SPÖ. Die SPÖ bekomme die Senkung des Wahlalters als Geschenk und stimme im Gegenzug der ÖVP-Forderung nach Einführung der Briefwahl zu. Mit 16 gingen sie zur Wahl: [1] Andrea Feuchtenhofer, [2] Thomas Blaschka, [3] Alexandra Bajer, [4] Marko Platzer, [5] Eliam Schenker, [6] Daniel Fröschl, [7] Markus Hanisch, [8] Ullrich Benc und [9] Gregor Berthold. [ Fabry ] PRESSE MACHT SCHULE Montag, 16. Juni 2008 5 – Politik zum Selbermachen EXPERIMENT. Die aktivste Form, an der Politik teilzunehmen, ist, eine Partei zu gründen. Schülerinnen der HAK St. Pölten haben die Gründung der Partei „eyes 4 future“ simuliert. kreis erreicht werden, damit ein Abgeordneter in das Parlament einziehen darf. Diese Hürde ist zwar nicht einfach zu nehmen, dennoch sinnvoll, um eine Zersplitterung des Parlaments in kleine Parteien zu verhindern. Die nächste Frage für die Redakteure war, was Jugendliche über die Idee einer Jugendpartei denken, und was sie sich davon erwarten. Aus diesem Grund wurde eine Umfrage durchgeführt. Die Mehrheit der Befragten gab an, dass sie sich mehr Engagement für Themen wie Umweltschutz, Soziales und Tierschutz wünscht. Auf Grund dieses Ergebnisses beschloss man, die Wahlwerbung vor allem auf diese Bereiche zu konzentrieren. ST. PÖLTEN. „Jugendliche haben absolut kein Interesse an der Politik!“ Diese und ähnliche Aussagen bekam man in letzter Zeit häufig zu hören. Doch wie groß ist der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen wirklich? Bei einer Umfrage in der Handelsakademie St. Pölten im April 2008 haben 80 Prozent großes Interesse an Politik geäußert. Eine zentrale Frage scheint jedoch immer wieder auf: „Wie kann man als Jugendlicher in der Politik mitmischen?“ Auf dieses Problem gingen die Redakteurinnen des „Wood Street Journals“, der Schülerzeitung der BHAK St. Pölten, genauer ein und kamen zu folgender Idee: Sie gründeten eine eigene Partei. Erste Schritte zur eigenen Partei Wie so oft war der Entschluss schnell gefasst, für die praktische Umsetzung fehlte jedoch noch das theoretische Wissen. Die nötigen Informationen kamen – nicht überraschend – vom besten Freund des Schülers, dem Internet. Doch auch dieses ist nicht allwissend, und so mussten die Redakteurinnen feststellen, dass man auch einige Informationen vom Bundesministerium für Inneres benötigt. Dort erfuhren sie dann, dass sich die rechtlichen Grundlagen für Parteien im Parteiengesetz von 1975 und dem Vereinsgesetz finden. Das Parteiengesetz gibt Auskunft über Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung von Parteien. Eine Partei benötigt eine Satzung, die in einer periodischen Druckschrift veröffentlicht und beim Innenministerium hinterlegt werden muss. Dadurch erlangt die Partei eine eigene Rechtspersönlichkeit. In der Satzung werden die Ziele, die Organe und die Außenvertretung der Partei und die Rechte und Pflichten der Mitglieder festgelegt. „Das klingt ja eigentlich relativ einfach!“, dachte man sich und setzte durch das Ausformulieren einer Satzung den ersten Schritt zur eigenen Partei. Nach der Bewältigung dieser Aufgabe kam der nächste Schritt: Gebühren von rund 60 Euro waren noch notwendig, um den Traum einer eigenen Partei zur Realität werden zu lassen. Nach intensiven Überlegungen über den Parteinamen einigte man sich auf „eyes 4 future“. Dieser Name deutet auf das Ziel der Partei hin, nämlich in Zukunft die Interessen der Jugend verstärkt in der Politik zu berücksichtigen. Das Ziel ist hochgesteckt Bei einer Nationalratswahl müssen 320.000 Stimmen oder die absolute Mehrheit in einem Wahl- Wer soll das alles bezahlen? Mit offenen Augen in die Zukunft: Wahlplakat der Jugendpartei der BHAK St. Pölten. 250 Schüler wurden nach ihrer Meinung dazu befragt. [ Montage: Madeleine Kern ] Wahlwerbung kostet viel Geld, für eine Partei ist sie lebensnotwendig. Politische Parteien finanzieren sich durch Beiträge ihrer Mitglieder, Spenden und Zuschüsse aus dem Budget. Dies stellt natürlich gerade für eine Jugendpartei ein großes Problem dar, denn die potenziellen Wähler und Mitglieder verfügen in der Regel nicht über die erforderlichen Mittel. Denn um mit finanzieller Unterstützung vom Bund rechnen zu können, muss die Partei den Einzug ins Parlament schaffen. Sonst gibt es nur noch für Parteien, die bei der Nationalratswahl mindestens ein Prozent der Stimmen erreicht haben, einen Zuschuss zu den Wahlkampfkosten. Dadurch soll die Parteienvielfalt in Österreich gefördert werden. Schritte in die richtige Richtung DAS PROJEKT „EYES 4 FUTURE“ Q Sieben Schülerinnen der BHAK St. Pölten haben zu Studienzwecken die Jugendpartei „eyes 4 future“ ins Leben gerufen, um zu zeigen, wie politische Mitbestimmung in einer Demokratie möglich ist. Q Das Q Die Beratung bei der Ausarbeitung von Bundesgesetzen, Abstimmen bei Gesetzesvorschlägen, Budgetbewilligung, „Lobbying“ für die Anliegen der eigenen Partei betreiben, Kontrolle der Bundesregierung. wichtigsten Informationen wurden dem Vereins- und Parteigesetz entnommen und vom Innenministerium erfragt. theoretische Ziel war, in den Nationalrat gewählt zu werden. Die Aufgaben eines Nationalratsabgeordneten sind: Zwar existiert jedoch noch keine spezielle Jugendpartei, doch gibt es bereits viele Jugendfraktionen der einzelnen Parteien. Entgegen der Annahme, dass die Mitglieder dieser Jugendgruppierungen kein Mitspracherecht haben und somit nichts bewirken können, gibt es einige Erfolge, die diese Behauptung widerlegen. Weiters ist die Unabhängigkeit von der Großpartei ein wichtiger Schritt zur Eigenständigkeit. Im Laufe der Nachforschungen entdeckten die Schülerinnen aus St. Pölten, dass auch eine kleine Partei trotz weniger Stimmen viel in der Politik bewirken kann. Denn die Opposition kann auf die Regierung einen derart hohen Druck ausüben, sodass sie auch ihre Anliegen in die Politik miteinfließen lassen können. Auf eine Partei wie „eyes 4 future“ müssen die Jugendlichen in Österreich noch warten – oder sie werden initiativ und nehmen die eigene Zukunft selbst in die Hand. MEINUNG SARAH GUGERELL Es ging uns schlechter W arum wird ständig über das Desinteresse der Jugend an der Politik geklagt? Sind sie am politischen Geschehen wirklich nicht interessiert? Diese Frage sollte nicht nur an Jugendliche gerichtet werden. Auch bei Erwachsenen findet man oft ein beträchtliches Defizit an politischem Wissen. Sie gehen zwar wählen, sind aber häufig absolut ahnungslos, wenn sie zum Beispiel nach dem Namen eines Ministers oder nach den Aufgaben der Abgeordneten des Nationalrates gefragt werden. Natürlich gibt es auch bei den Jugendlichen „schwarze Schafe“, aber wo gibt es die nicht?! Warum soll man überhaupt wählen, und weshalb sollte gerade eine einzelne Stimme etwas verändern? Jeder, der nicht wählt, lässt andere für ihn bestimmen. Keine Partei kann ohne Stimmen überleben, um die Anliegen ihrer Sympathisanten zu vertreten. Alle Wahlberechtigten sollten deshalb von ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch machen. Denn Wählen ist kein selbstverständliches Privileg. Im Gegenteil, es hat Jahrhunderte gedauert, bis sich in der Monarchie die Demokratie und somit das, zuerst nur für Männer gültige, Wahlrecht durchsetzen konnte. Die Frauen hingegen mussten für ihr Mitbestimmungsrecht noch ein Jahrzehnt kämpfen. A bgesehen davon ist die persönliche Lebensweise in demokratischen Ländern wesentlich freier und offener als in Ländern mit autoritären Regimen. Aus aktuellem Anlass wird das in Staaten wie Burma, China oder Nordkorea deutlich. Viele 16-Jährige haben jedoch den Schritt zur Wahlurne nicht gewagt, weil sie laut eigenen Angaben nicht genügend über ihr Wahlrecht und die damit verbundene Verantwortung informiert wurden. Hier gibt es großen Aufholbedarf an Informationen in den Schulen und natürlich auch durch die Medien. Letztere sollten vor allem ihre Reichweite und ihren Einfluss positiv auf den Informationsstand ihrer Zielgruppe ausnützen. Allerdings ist politische Bildung auch eine Holschuld, und Jugendliche sollten sich ihrer Selbstverantwortlichkeit bewusst sein. [email protected] Diese Seite wurde von der Schülerzeitungsredaktion des „Wood Street Journal“ der BHAK St. Pölten gestaltet. „Eine Partei, die Rechte und Interessen der Jugendlichen vertritt, gibt es noch nicht, und ich würde diese Idee unterstützen.“ „Die Partei sollte nur in den die Jugend betreffenden Bereichen agieren, für die restlichen Bereiche gibt es die derzeitigen Parteien.“ „Ich finde es gut, wenn eine Partei Jugendthemen anspricht, denn diese Themen sind essenziell für die Zukunft.“ „Ich würde eine Jugendpartei befürworten, zweifle jedoch an der Durchsetzungskraft gegenüber anderen Parteien.“ Elisabeth Wieland, 16 Jahre Michael Weinreich, 17 Jahre Laura Enk, 18 Jahre Thomas Urbanek, 17 Jahre Mitgewirkt haben: Julia Großhagauer, Sarah Gugerell, Madeleine Kern, Gözde Gerdan, Gizem Gerdan, Sarah Prchal und Beate Rieger, unterstützt durch MMag. Elisabeth Sterkl. PRESSE MACHT SCHULE 6 Montag, 16. Juni 2008 Lernen und Verantwortung übernehmen Eine erfolgreiche Integrationsgeschichte. VON AZAD ACIKBAS UND DOMINIK SCHATZ Mustafa O. war vor 26 Jahren der einzige Muslim unter 1200 Schülern und Schülerinnen, als er im Alter von zehn Jahren an ein Innsbrucker Gymnasium kam. Sein Vater war, wie viele damalige Migranten, als Gastarbeiter angeworben worden und deshalb mit der Familie nach Österreich gezogen. Heute hat Mustafa O. eine florierende kleine Kette von Lebensmittelsupermärkten. Damit hat er für sich und seine Familie eine Existenz geschaffen – eine Verantwortung, derer er sich schon in der Schule bewusst war. So kann Integration funktionieren: Gemeinsam Abenteuer zu erleben, aber auch von- und miteinander zu lernen führt zu besserem Zusammenhalt. „Kulturen müssen vermischt werden!“ WIR-GEFÜHL. Buddys, Streitschlichter, gemeinsame Abenteuer – das ist ein Anfang. VON DANIEL KRAKER UND MARTIN WOLF Die Schule als Chance Sein Bildungsweg war eine wichtige Voraussetzung für seinen Erfolg, und zum Thema Integration in der Schule hat er natürlich eine Menge zu sagen. „So wie zum Streiten mehr als eine Person gehört, gehören auch zur Integration mehr als eine Person. Die eine Person muss sich integrieren wollen, und die andere offen für andere Kulturen sein und auch ohne Vorurteile dem anderen helfen“, meint er. Der Schlüssel zu erfolgreicher Integration sieht O. in der Sprache. Da kann in der Schule durch entsprechende Förderung viel getan werden – aber da geschieht bei Weitem noch nicht genug. Auch fände es O. gut, wenn es mehr Lehrer mit migrantischer Herkunft gäbe. Allerdings sollte es seiner Einschätzung nach nicht mehr als ein Sechstel Migrantenkinder in einer Schulklasse geben, damit es nicht zu Lagerbildungen kommt. [ S. Riedler, P. Fally ] K ulturen müssen vermischt werden“, sagt Mohammed Fahad, Betreiber eines Jugendlokals in Innsbruck. Sein Ziel war es, mit seinem Lokal die verschiedenen Kulturen zusammenzuführen, und das Zusammensein von „Einheimischen“ und „Ausländern“ funktioniert dort einwandfrei. Bei uns in der Schule gibt es Klassen, in denen die muslimischen Schüler so gut integriert sind, dass sie gar nicht auffallen. Auch der Direktor sieht in den Muslimen keine Problemgruppe. Allerdings muss man bedenken, dass es nur wenige Muslime bei uns gibt. Daher sind die Rahmenbedingungen gut, noch dazu, weil die meisten der Muslime schon der zweiten Generation in Österreich angehören. Das heißt aber nicht, dass es keine Probleme gibt. Die muslimischen Schüler haben untereinander einen sehr starken Zusammenhalt. Man sieht sie immer beieinander stehen. Beim Buffet, im Hof und vor dem Eingang. Sie bleiben unter sich, kein anderer stellt sich dazu. Man hat das Gefühl, man ist nicht erwünscht. Das wird dadurch verstärkt, dass die Muslime untereinander Türkisch sprechen. Dieses Verhalten zeigt kein großes Interesse an Integration. Wenn die Muslime aber einzeln unterwegs sind, mischen sie sich unter die Leute, bemühen sich nicht aufzufallen, sprechen natürlich Deutsch, sind aufgeschlossener und wirken viel sympathischer. Sonst kommt der große Bruder Muslimische Schüler haben grundsätzlich ein anderes Freizeitverhalten. Sie gehen in andere Lokale, trinken keinen Alkohol und gehen auch mit Mädchen anders um. Das macht ein Miteinander oft schwierig. Wenn die Kleinen mit zehn Jahren an unsere Schule kommen, sind kulturelle Unterschiede noch nicht sehr ausgeprägt – abgesehen davon, dass jeder weiß, man darf muslimische Mädchen nicht ärgern, sonst holen sie ihre großen Brüder, und das kann schlimm werden. Im Lauf der Zeit verstärken sich jedoch die Differenzen. Allerdings liegt darin auch die Chance gegenzusteuern, z. B. gleich am Anfang den kleinen Mädchen beizubringen, dass sie ihre Probleme selber lösen können. Wie das geht, vermitteln den Kindern sogenannte „Buddys“, das sind ältere Schülerinnen und Schüler, die sie betreuen und ihnen bei ihren Schwierigkeiten helfen. Außerdem gibt es bei uns das sogenannte „Soziale Lernen“, bei manchen Schülern zwar gar nicht beliebt, wenn man schon wieder über die Klassengemeinschaft reden muss und gemeinschaftsfördernde Spiele spielt, und das am Nachmittag, in der Freizeit. Aber die Mehrheit der Schüler ist überzeugt, dass das über Jahre hinweg sehr viel bringt. Wenn es doch einmal zu gröberen Konflikten kommt, vor allem zwischen Schülern aus verschiedenen Klassen, haben wir noch Mediatoren – speziell als Streitschlichter ausgebildete Schülerinnen und Schüler. In unserer Klasse ist eine Methode zu Förderung der Integration besonders beliebt: gemeinsam wegfahren und etwas miteinander unternehmen. Natürlich kann man auch im Unterricht in den einzelnen Fächern sehr viel lernen, für dieses Projekt etwa über den Einfluss der muslimischen Kultur auf die Entwicklung des Abendlandes oder die Bedeutung der Türkei für die EU. Wenn man weg ist von zu Hause, aus dem Alltag, lernt man den anderen auch ganz anders kennen. Unsere Befragungen (Interviews von Klassenvorständen, Fragebögen an alle Klassen) zeigen noch eine andere Seite: Viele unserer Muslime schätzen sich zwar als integriert, aber klar benachteiligt ein. Das heißt, wir sind noch meilenweit von tatsächlicher Akzeptanz und Chancengleichheit entfernt. Wir stehen erst am Anfang. MEINUNG zitiert FLORIAN MEISCHL UND PAUL FALLY „Ich sitze neben einem islamischen Jungen und kann ihn supergut leiden, er ist mein Freund. Er ist gar nicht anders als andere.“ Lehrerinnen ohne Autorität? Martin, 11 Jahre I ch lasse mir von Ihnen nichts sagen“, meint ein muslimischer Schüler zu seiner Lehrerin. Sie versucht, höflich ihren Schüler umzustimmen, dieser zeigt sich aber unbeeindruckt. Mit diesem Problem müssen weibliche Lehrpersonen zurechtkommen, da manche männliche Muslime Frauen nicht als Autorität anerkennen. Ein solches Verhalten mag verständlich sein, weil es auf eine andere Kultur und eine andere Einstellung zu Frauen zurückzuführen ist. Aber was tun? In der Schule sind die Burschen bei uns überwiegend mit weiblichen Lehrpersonen konfrontiert. Die Lösung kann nur sein, dass die Schule als Ganzes, also Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit der Direktion, den Schülern den nötigen Respekt gegenüber weiblichen Lehrpersonen beibringt. Damit lernen sie gleichzeitig einen anderen Umgang mit Frauen und Mädchen insgesamt, was für ein Leben in Österreich auf jeden Fall nötig ist. Außerdem kann auch der eine oder andere nichtmuslimische Macho in so einer Schulkultur etwas lernen. Diese Seite wurde von der 6e des Reithmann-Gymnasiums in Innsbruck gestaltet. Endredaktion: Azad Acikbas, Caglar Calayir, Mustafa Duran. Kopftuch und Integration – vereinbar? „Viele Leute glauben, dass muslimische Kinder aus der Türkei kommen. Aber manche sind so wie ich in Österreich geboren und aufgewachsen. Mein Papa ist Muslim, meine Mama ist Christin. Ich finde das toll!“ Muslima in Innsbruck – und ihre Bemühungen um Akzeptanz. Kemal, 11 Jahre vorsieht. Auch können sie hier einen Beruf ihrer Wahl ausüben. Doch vor allem sehen es die Mädchen als Vorteil, dass sie in Österreich in Sicherheit und Freiheit leben können, und dass es ihnen wirtschaftlich besser geht. Trotzdem möchten sie den Kontakt zu ihrem Heimatland nicht missen. Für Muslima hat die Familie einen sehr hohen Stellenwert, der Zusammenhalt untereinander ist viel größer, als wir es kennen. „Manche Kinder können Muslime nicht gut leiden. Wenn ein paar streiten, kann es zu Beschimpfungen kommen. Zum Beispiel: „Verschwinde, du blöder Türke!“ Die Türken schimpfen auf Türkisch zurück, zum Beispiel: „Esek!“ (bedeutet Esel) oder „Inek“ (bedeutet Kuh). Aber eigentlich wollen wir, dass alle gut miteinander auskommen.“ VON LIA THALER UND SANDRA AUSSERLECHNER Keiner will es wahrnehmen, trotzdem geschieht es jeden Tag: Muslimische Mädchen werden missachtet und gemobbt. Es gibt sogar dramatische Übergriffe. An einer Innsbrucker Busstation wurden eine 15-Jährige und ihre Schwester bedroht. Zwei ältere Mädchen beschimpften sie als Asoziale und zogen ein Messer hervor. Nur durch Glück kamen die beiden Schwestern ohne Verletzungen davon. Solche Vorfälle sind gar nicht so selten. Denn oft stoßen das andere Aussehen und die andere Kultur auf Inakzeptanz und lösen Aggression aus. An unserer Schule ist die Situation nicht so schlimm. Die meisten muslimischen Mädchen werden als „Österreicherinnen“ angesehen. Viele leben schon seit ihrer Geburt hier und möchten ihr Leben in Österreich verbringen. In Österreich können sie sich eine Zukunft aufbauen, die nicht unbedingt einen Mann an ihrer Seite Ein Teil der Kultur Für die Familie ist es sehr wichtig, dass die Mädchen ihren Ruf und den ihrer Familie nicht schädigen. Sie dürfen sich nicht zu oft in der Öffentlichkeit sehen lassen, vor allem nicht mit Männern. Außerdem müssen sie unauffällige Kleidung tragen und oftmals auch ein Kopftuch. Doch es gibt auch Eltern, die ihre Töchter unabhängig von den strengen religiösen Regeln erziehen und es ihnen ermöglichen, ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen. Trotzdem ent- scheiden sich manche dieser Mädchen bewusst für das Kopftuch. Der Hintergrund dafür, dass sie das Kopftuch tragen, ist, dass die Mädchen stolz auf ihr Heimatland und auf den Islam sind. Doch genau dies macht es ihnen andererseits schwer, sich zu integrieren und von anderen aufgenommen zu werden. Auch werden sie oftmals wegen ihres anderen Erscheinungsbildes als fremd wahrgenommen. Ein weiterer [ Martin, 11 Jahre ] Nachteil ist, dass das Kopftuch hinderlich ist, wie z. B. beim Sport oder bei einer anderen Tätigkeit, und die Mädchen können nicht so gut mit den anderen mitmachen. In der Schule geht es ganz besonders darum, die muslimischen Mädchen zu respektieren. Was zählt, ist die Person und nicht das Äußere. Ihre Kultur hat gerade zum Thema Frau, Mann und Familie viel zu bieten, über das es sich lohnt nachzudenken. Bedran, 11, und Dario, 10 „Meine Freundin und ich waren unzertrennlich, aber seit einem Jahr muss sie ein Kopftuch tragen. Sie kommt nicht mehr hinaus zum Spielen, sie darf auch nicht mehr zum TaekwondoKurs gehen. Ich finde das schlimm, weil sie keine Freunde mehr hat, und ich bin traurig, weil wir nicht mehr spielen können.“ Berfin, 10 Jahre Montag, 16. Juni 2008 PRESSE MACHT SCHULE 7 Wer braucht schon Religion? Front gegen Unterricht UMFRAGE. Schüler, Eltern und Lehrer sind gegen Religionsunterricht. Fixe Gebetszeiten bisher nur hypothetisches Problem in Schule. VON THOMAS PETSCHINA, ALEXANDRA STAUFFER UND ANJA ZALEWSKI R eligionsunterricht ist unwichtig. Klingt provokant, ist aber empirisch belegt – zumindest im kleinen Rahmen. Eine Umfrage am BG11 Geringergasse hat ergeben, dass an Religionsunterricht gar kein Interesse besteht. Das Überraschende daran: Nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer und Eltern sind dieser Meinung. Mehr als drei Viertel aller Befragten äußerten sich negativ gegenüber dem Religionsunterricht (s. Grafik). Sie sind der Meinung, dass Religion nur auf freiwilliger Basis als Unterrichtsfach gewählt werden sollte. Auch 70 Prozent aller befragten Lehrer waren der Meinung, dass Religion freiwillig angeboten werden sollte. Wo liegen nun die Gründe für derartige Ergebnisse? Sind uns heutzutage religiöse Inhalte und Wertevermittlung im Religionsunterricht wirklich egal? Das dann auch wieder nicht – zumindest gibt es auf letzteren Punkt eine deutliche Antwort seitens der Lehrer: Denn obwohl ein Großteil der Lehrer sich gegen den Religionsunterricht ausspricht, vertreten sie trotz allem die Meinung, dass unterschiedlichste Werte mit Schülern besprochen werden sollten – 57 Prozent sprachen sich für die Einführung von Ethikunterricht als Alternative zum Religionsunterricht aus. Wichtig für die Umsetzung dieses Vorhabens wäre allerdings eine professionelle Ausbildung der Lehrer. Da ein Ethikunterricht zur Zeit nur im Rahmen eines Schulprojekts umgesetzt werden kann, müssten Lehrer ihre Ausbildung zusätzlich zum normalen Unterricht absolvieren. Dabei ergibt sich eine vielfältige Problematik, vor allem um die Themen Geld und Personal wird gestritten. Klares Votum für Ethikunterricht In diesem Punkt sind sich die Lehrer auf jeden Fall einig: Ethikunterricht sollte eingeführt werden. Unsicherer diesbezüglich sind sich die Eltern. Knapp mehr als die Hälfte hat sich in der Umfrage für einen Ethikunterricht ausgesprochen; 46 Prozent waren trotz der Entscheidung gegen verpflichtenden Religionsunterricht auch der Meinung, dass kein Ethikunterricht angeboten werden sollte. Auch die Mehrheit der Schüler hat sich dieser Meinung angeschlossen – sie wollen weder einen Religions- noch einen Ethikunterricht. Die totale Ablehnung der Schüler scheint – zumindest aus Schülersicht – nachvollziehbar, denn wer will schon ein zusätzliches Unterrichtsfach haben? Muslime: Beten in der Klasse? Der Religionsunterricht – oder Ethikunterricht als Ersatz – ist allerdings nur ein Aspekt der Problematik rund um Religion und Schule. Im Rahmen der Umfrage wurden Schüler auch befragt, ob sie sich in ihrer Religionsausübung durch die Schule eingeschränkt fühlen. Das Ergebnis: Schüler mit römisch-katholischem Glauben sehen diesbezüglich keine Probleme, allerdings stellen einige Glaubensgemeinschaften strenge Regeln an ihre Angehörigen. Der Islam, beispielsweise, besitzt vorgeschriebene Gebetszeiten (fünf Mal Beten am Tag). Dies könnte unter Umständen zu Konflikten bei der Gebetsausübung führen – es könnte zu Kollisionen mit der Unterrichtszeit kommen. Wäre es tatsächlich möglich, dass Muslime im Unterricht ihren Gebetsteppich ausbreiten, hätte das möglicherweise Folgen für den Unterricht – und könnte für manche Schüler und Lehrer eine Überschreitung der Toleranzgrenze bedeuten. Aus diesem Grund wäre ein „Gebetsraum“ eine mögliche Lösung, um einerseits mehr Privatsphäre bei der Ausübung religiöser Praktiken, als auch einen Ort zum Zurückziehen zu haben. Jedoch ist die Umsetzung fraglich, da den meisten Schulen die Mittel fehlen. Claudia Valsky, Direktorin des BG11, ist der Meinung, dass ein „Meditationsraum“ oder „Ruheraum“ eine passendere Bezeichnung für solch einen Raum wäre, da es auch Schüler ohne Religionsbekenntnis gibt. Eine Frage bleibt offen: Würden Schüler eine solchen Raum nutzen und zu schätzen wissen? Eine Lösung dazu muss jedenfalls gefunden werden – von den Schulen, vom Gesetzgeber oder von Gerichten: In Deutschland hat ein Gericht einem Schüler Recht gegeben, der sein Recht auf Religionsausübung in der Schule vor dem Gesetz eingefordert hat. Die strengen Gebetsregeln für Muslime sind mit den Unterrichtszeiten an Öster[ Teresa Zötl ] reichs Schulen oft unvereinbar. ······························································································································································································································································································································ Einfalt statt Vielfalt: Die ersten Ansätze Ethik in der Schule: 2010 als neues Fach Für friedliches Zusammenleben der Religionen gab es schon früh Stimmen aus klerikalen Kreisen. Mehr Moralerziehung soll für die Jugend angeboten werden. Schule in Simmering plant Projekt. N ikolaus von Kues, ein christlicher Philosoph und Theologe des 15. Jahrhunderts schreibt visionär über die Unterscheidung der wahren und der falschen Religionen: „ . . . denn nicht bist Du, der Du die unbegrenzte Stärke bist, irgendetwas von dem, was Du geschaffen hast noch kann ein Geschöpf einen Gedanken Deiner Unendlichkeit erfassen, da kein Verhältnis zwischen dem Begrenzten und dem Unbegrenzten existiert. Du aber, Allmächtiger Gott, Du kannst Dich, der Du jeglichem Denken unsichtbar bist, nur auf diese Weise, in der Du begriffen werden kannst, und dem Du Dich zeigen willst, offenbaren. Verbirg’ Dich nicht länger, Herr! Wenn Du dich dazu herablässt, werden Schwert, Neid, Hass und alle weiteren Übel weichen; und alle werden erkennen, dass es nur eine Religion geben kann, eine – in all ihren verschiedenen Formen.“ Nikolaus von Kues schrieb sein Werk „De pace fidei“ kurz nach dem Fall von Konstantinopel (1453). Diese Ansichten bedeuteten eine radikale Umkehr vom damals gängigen Bild von Muslimen als Kinder des Teufels – „des tuvelis kint“ (Rolandslied, 12. Jh.). Diese Stelle bildete auch die Grundlage für Entstehung und Durchführung dieses Schulprojekts. I ch finde es gut und wichtig, dass dieses Thema diskutiert wird“, meint Claudia Valsky, Direktorin des BG11. Religionsfreiheit ist für sie sehr wichtig: „Wenn Kopftücher aus religiösen Gründen getragen werden, ist das völlig in Ordnung. Wird das Mädchen allerdings dazu gezwungen empfinde ich es als Einschränkung der persönlichen Freiheit.“ Nicht nur die Problematik zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen spiele eine Rolle, zur Religionsfreiheit zählt für sie auch die Entscheidung zum Atheismus. Einen Gebetsraum wolle sie als solchen an ihrer Schule nicht realisieren, da es auch Menschen gibt, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Als Meditations- oder Ruheraum fände sie solch einen Ort allerdings wertvoll. Wegen dringendem Platzmangel am BG11 sei er allerdings vorerst nicht realisierbar. Direktorin Valsky: „Lieber Ruhe- und [ Privat ] Meditations- als Gebetsraum.“ mittelt werden. Es gibt auch Werte außerhalb von Religionen“, so die Direktorin. Sie plant bereits, Ethikunterricht als Schulversuch einzuführen. Momentan sei sie damit beschäftigt, Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrer zu finden. Sie ist optimistisch, den Schulversuch mit Zustimmung der Schulpartner im Schuljahr 2010/11 einzuführen. “Werte außerhalb von Religionen“ Am BG11 wird neben römisch-katholischem und evangelischem auch islamischer Religionsunterricht angeboten. „Ob ein Religionsunterricht angeboten wird, ist von der Anzahl an Schülern, die ihn besuchen wollen, abhängig“, sagt Valsky. Der Religionsunterricht wird auf jeden Fall beibehalten, einen Ethikunterricht hält sie allerdings für notwendig. „Es ist wichtig, dass Schülern Werte ver- Diese Seite wurde von der 8a-d (Gruppe Latein) des BG 11 Geringergasse gestaltet. Endredaktion: Abd El Rahman Abd El Gawad, Daniel Elsner, Dino Kecanovic, Thomas Petschina, Martin Schwengerer, Bernhard Reischl, Mladen Jolovic, Robert Paulak, Alexandra Stauffer, Anja Zalewski, Kurdwin Ayub, Cornelia Banerji. PRESSE MACHT SCHULE 8 Montag, 16. Juni 2008 MEINUNG CLAUDIA JESNER Teufelskreis Sprachdefizit W enn man in einem beliebigen Gasthaus das Thema „Ausländer“ anschneidet, bekommt man meistens Ausdrücke wie Schnorrer, Kriminelle, Jobräuber usw. zurückgeworfen. Doch sind das alles nur Vorurteile? Die meisten der Ausländer haben ihr Heimatland unfreiwillig verlassen, entweder weil Krieg herrschte, oder weil sie in ihrem Geburtsland keine Zukunft für sich sahen. Es ist wohl selbstverständlich, dass es für jene, die den Schritt wagen, in ein Land zu ziehen, in dem sie weder Sprache noch Kultur Nein zu Kopftuchverbot – darüber soll jede Person selbst entscheiden. [ Bettina Geiersperger ] „Ich darf im Sommer Bikinis tragen“ VON TERESA WINTER UND CHRISTINA SCHLICK Nach anfänglichen Schwierigkeiten, eine Interviewpartnerin zu finden, ist es gelungen, einer Muslimin Fragen zu stellen, die sie anonym beantwortet hat: Seit wann lebst du in Österreich? Mit drei Monaten bin ich mit meiner Familie nach Österreich gekommen und im Lungau aufgewachsen. Ist dir die Ausübung von religiösen Bräuchen wichtig, und wie ernst nimmst du es mit deiner Religion? Mir persönlich ist meine Religion sehr wichtig. Den Fastenmonat „Ramadan“ halte ich ein, um das Leid der Armen zu erkennen. Einmal in meinem Leben möchte ich eine Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen, jedoch nicht nur aus religiösen Gründen, sondern auch, weil ich in meinem Leben noch sehr viel erleben möchte und äußerst reisefreudig bin. Fühlst du dich benachteiligt oder gekränkt, weil es im Lungau keine Moschee gibt? Im Lungau gibt es einige Gebetsräume für Muslime. Aufgrund der fehlenden Moschee fühle ich mich keineswegs benachteiligt, da der Lungau wenig Einwohner hat und außerdem nicht genügend Platz vorhanden ist. Wie gehen deine andersgläubigen Freunde damit um, dass du Muslimin bist? Meine Freunde akzeptieren mei- INTERVIEW. Eine junge Muslimin über den Islam und Kleidungsvorschriften: „Menschen sind Menschen – egal welcher Religion.“ nen Glauben. Es stellte nie ein Problem für sie dar, dass ich einer anderen Religion angehöre. Bist du für ein Kopftuchverbot etwa in Schulen? Nein, ich bin für kein Kopftuchverbot, da jede Person für sich selbst entscheiden und seine eigene Meinung vertreten soll. Wie unterscheidet sich dein Leben als Muslimin vom Leben deiner christlichen Freunde? Mein Leben als Muslimin unterscheidet sich keineswegs vom Leben anderer österreichischer Mädchen. Der einzige Unterschied besteht in den Feiertagen, außerdem bin ich zweisprachig in meiner Familie aufgewachsen. Ich muss mich keinen Kleidungsvorschriften unterordnen; so wie jedes Mädchen darf ich zum Beispiel im Sommer einen Bikini tragen. Fühlst du dich durch religiöse Symbole anderer Religionen als Muslimin angegriffen? Nein, ich fühle mich nicht im Geringsten von religiösen Symbolen anderer Religionen angegriffen. Es ist mir vollkommen egal. Wie reagierst du auf Äußerungen, die den Islam diskriminieren – zum Beispiel politische Werbeplakate („Daham statt Islam“)? Solche Äußerungen finde ich diskriminierend und in der Öffentlichkeit fehl am Platz. Darüber hinaus greifen derartig erniedrigende Aussagen den Islam an und sind extrem unpassend. Wurdest du von Fremden aufgrund deiner Religion schon diskriminiert? Auf Grund meiner Religion wurde ich noch nie von jemandem diskriminiert und herabgesetzt. In der Volksschule war es für meine damaligen Klassenkameraden ungewohnt, dass ich einer anderen Religion und Kultur angehöre. hängt sehr stark von den verschiedenen Kulturen ab und hat keinen Zusammenhang mit der Religion. In meinem Umfeld sind Männer und Frauen gleichberechtigt, männliche Personen werden auf keinen Fall bevorzugt. Würdest du deine Religion wechseln? Warum! Nein. Ich bin mit meiner Religion groß geworden und verfüge schon über einiges an Wissen. Unabhängig von der Religion meiner Eltern würde ich den muslimischen Glauben beibehalten. Abschließend einige Worte, die zum Nachdenken anregen sollen: „Menschen sind Menschen – egal welcher Religion.“ Könntest du dir vorstellen, einen Andersgläubigen zu heiraten? Was würden deine Eltern/Verwandten davon halten? Ich bevorzuge eher die Heirat mit einem Muslim, da mir meine Religion wichtig ist und ich dies beibehalten möchte. Meine Eltern hätten kein Problem mit der Eheschließung mit einem Andersgläubigen, denn es ist meine Entscheidung für das weitere Leben. Was denkst du über die Stellung der Frauen im Islam? Fühlst du dich in bestimmten Bereichen unterdrückt oder bevorzugt? Die Stellung der Frau im Islam Für die Kinder kann es nichts Schlimmeres geben als ihre „Ghettos“. noch Religion verstehen, sehr schwierig ist, ein neues Leben zu beginnen. Es ist verständlich, dass Ausländer in einem fremden Land Anschluss suchen zu anderen Familien mit gleichem Schicksal. Auf diese Weise entstehen leicht „Ghettos“ mit der gesamten benötigten Infrastruktur. Für die meisten Musliminnen ist es dann gar nicht mehr nötig, die fremde Sprache, also Deutsch, zu lernen. Doch für die Kinder, die später in die deutschsprachigen Schulen gehen müssen, kann es nichts Schlimmeres geben als diese „Ghettos“. Denn wenn sie nur gebrochenes Deutsch sprechen können, werden sie auch den Unterricht nicht verstehen, und dann kommt es nur allzu oft zu einem Schulabbruch. Das wiederum hat die Folge, dass manche ausländische Jugendliche keine ausreichende Bildung besitzen, um einen Beruf zu erlernen. Ergebnis dieses „Teufelskreises“ ist, dass die Jugendlichen keine Zukunftsperspektiven sehen und in vielen Fällen auf die schiefe Bahn geraten. Da ihnen in solchen Fällen der Staat unter die Arme greift, entstehen wieder unangenehme Gefühle der Einheimischen gegenüber den Ausländern. Trotz all dieser auftretenden Schwierigkeiten muss uns bewusst sein, dass Muslime in unserer Gesellschaft nicht nur eine Belastung, sondern vor allem Menschen sind, die in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für uns alle darstellen. Der Islam, das unbekannte Wesen Absage an Kopftuchverbot Wissenswertes über die zweitgrößte Religionsgemeinschaft der Welt. Umfrage: Bräuche wichtig für Religionsausübung. VON JULIA SIEBENHOFER TAMSWEG. Abgesehen von Vorurteilen ist häufig nicht viel über den Islam bekannt. Der Islam (ca. 1,3 Milliarden Gläubige) ist wie das Christentum eine abrahamitische monotheistische Religion, deren Wurzeln im ersten Teil der Hebräischen Bibel, der Tora, zu finden sind. Wie im Christentum gibt es im Islam verschiedene Richtungen, wie die Sunniten (90%), die Schiiten und kleinere, wie die Aleviten (am meisten „verwestlicht“). Übersetzt bedeutet „Islam“: „Unterwerfung unter“ oder „Hingabe an Gott“. Muslime sind im Angesicht Gottes Menschen, die selbst verantwortlich sind für ihr Handeln und die gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Dafür spiegelt Allah („der einzige Gott“), wie der Name schon sagt, den Eingottglauben in reinster Form wider. Allah ist Schöpfer der Welt, allmächtig, allwissend, allgütig und allgegenwärtig, der Verzeiher und Helfer auf Erden. Nach der AufersteDiese Seite wurde von der 4 b-Klasse der HAK Tamsweg gestaltet. hung der Toten kommen die Menschen (wie im Christentum) in den Himmel oder in die Hölle. Ein Buch ist von zentraler Bedeutung für jeden Gläubigen: Im Koran sind die Prophezeiungen Gottes an Mohammed aufgeschrieben. Umstritten ist die Scharia, das „Gesetz- buch“ der Muslime mit Grundrechten des Menschen als Individuum. Für europäische Begriffe sind diese Gesetze aber sehr grausam, da das Prinzip „Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn“ herrscht. Ein sehr kontroversielles Thema ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Laut Koran sind Mann und Frau zwar verschieden, aber gleichberechtigt. Doch alleine das Brautgeld zeigt, dass die Frau in dieser Gesellschaft viel weniger wert ist als der Mann. Der Mann ist eher für die Pflichten nach außen (Beruf usw.) zuständig, die Frau übernimmt die Pflichten nach innen (Familie). Das Schleiergebot für die Frau soll absolute Keuschheit, Bescheidenheit und das Vermeiden jeglicher Begierde bei Männern sichern. TAMSWEG (v.p/m.s.) An der HAK/ HAS Tamsweg wurde von der 4b HAK eine Umfrage durchgeführt, bei der die Schüler Fragen über ihren eigenen Glauben und den der Mitschüler beantworteten. Auf die Frage, wie wichtig ihnen ihre eigene Religion sei, ergab sich für Muslime und Christen eine gleichermaßen hohe Bedeutung. Bei Schülern, die dem Christentum angehören, kristallisierte sich jedoch im Unterschied zu den Muslimen heraus, dass manchen von ihnen ihr Glaube wenig bedeutet. Weiters zeigte sich, dass das Ausüben von religiösen Bräuchen für jeden Anhänger seiner Religion wichtig ist. Allerdings merkt man, dass diese Prozedur für christliche Schüler einen nicht so hohen Stellenwert in ihrem Leben hat. Außerdem fühlen sich beide Religionen nicht von der jeweils anderen Glaubensrichtung angegriffen oder bedroht. Zu einem Kopftuchverbot in Schulen sagte die überwältigende Mehrheit der Muslime „Nein“. Von den Christen war nur eine knappe Mehrheit gegen ein Kopftuchverbot. Bei der Frage, wie sie dem jeweils anderen Glauben gegenüberstehen, ergaben sich einige Abweichungen. Die muslimischen Schüler haben kein Problem mit Andersgläubigen und sind bereit, eine andere Religion zu akzeptieren. Viele Christen teilen diese tolerante Sichtweise, doch manche sind von ungerechtfertigten Vorurteilen geprägt und verlangen von Muslimen, dass sie sich ihnen anpassen sollen. PRESSE MACHT SCHULE Montag, 16. Juni 2008 Gemeinsam gegen Gewalt FRIENDS 4 YOU. Ein Projekt gegen Mobbing, Vandalismus und Happy-Slapping, das von Schülern des Piaristengymnasiums Krems erfolgreich durchgeführt wird 9 INTERVIEW „Gewalt aus Langeweile und Überfluss“ Schulexperten im Gespräch VON C. SCHOBER, V. STIEGER, F. SWOBODA und V. KLAMMINGER Die Schulsozialarbeiterin des Projekts X-Point, einer Anlaufstelle für Jugendliche, Emily Bono, sowie Mag. Ruth Ledwinka, die Psychologie, Philosophie und Sport in Krems unterrichtet, stehen der 6GR des Gymnasiums Piaristengasse Rede und Antwort. S eit dem Schuljahr 2005/06 läuft im BG/BRG Piaristengasse unter der Leitung von Professor Mag. Christian Roher das schulinterne Projekt „Friends 4 you“. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe betreuen je ein bis zwei Kinder aus ersten Klassen, helfen ihnen, sich in der Schule einzuleben, und üben Vorbildwirkung aus. Sobald Probleme, vor allem in Bezug auf Mobbing, auftreten, setzen sich die „Friends“ mit aller Kraft ein. An der Schule gab es schon einige Vorfälle bezüglich Mobbing und Gewalt, doch seit diesem Projekt ist das Schulklima friedlicher und persönlicher. Was versteht man unter Mobbing, Happy-Slapping und Vandalismus? I Bei Mobbing handelt es sich um negative Handlungen gegen eine bestimmte Person über einen längeren Zeitraum. Die Täter, die meist aus schwierigen Familienverhältnissen stammen, schikanieren und diskriminieren die Opfer, die oft schwach, ängstlich oder einfach „anders“ sind. In Extremfällen kommt es zu Gewalt. I Im Gegensatz dazu werden bei „Happy Slapping“ (engl. etwa für „fröhliches Dreinschlagen“) wahllos unbekannte Personen attackiert. Die Tat wird mit einem Mobiltelefon oder einer Videokamera festgehalten. Experten vermuten, dass dieses Phänomen auf die zunehmende Gewaltverherrlichung in Fernsehserien wie Jackass oder Dirty Sanchez zurückzuführen ist. Erstmals trat Happy-Slapping in den 70er Jahren in England auf, doch erst seit 2004 häufen sich die Vorfälle und breiten sich auch auf dem europäischen Festland aus. I Auch Vandalismus kommt in Krems oft vor, wobei bewusst fremdes Eigentum zerstört wird. Laut Aussage des Direktors des Piaristengymnasiums, Mag. Johann Sohm, „schaut’s am Bahnhofshäusl besser aus als im Mädchenklo“. Letztes Jahr musste ein ganzer Gang neu gestrichen werden, dies verursachte Kosten von ca. 14.000 Euro, erklärt Direktor Sohm. Mit diesem Geld könnten drei Klassen mit neuen Möbeln ausgestattet werden. Schockierende Ergebnisse Eine Umfrage an unserer Schule zu Beginn des zweiten Semesters im Schuljahr 2007/08, in der alle rund 650 Schüler befragt wurden, brachte erschreckende Ergebnisse: Wie kann es zu Mobbing kommen? Mag. Ruth Ledwinka: Mobbing hat seine Ursachen oft in der puren Langeweile der heutigen Wohlstandsgesellschaft, sowie in der Zukunfts- und Perspektivelosigkeit der Jugendlichen unterer sozialer Schichten. Emily Bono: Es gibt meistens einen kleinen Konflikt, der von Mobbingtätern aufgebauscht wird. Der eigentliche Streit spielt dann bald keine Rolle mehr. Findet sich eine Ursache für Mobbing in gewaltverherrlichenden Filmen? Ledwinka: Zum Einen reinigen solche Filme den Charakter, zum Anderen werden Hemmschwellen überwunden, wodurch es zu vermehrten Gewaltakten unter Jugendlichen kommt. Warum fällt es den Opfern oft so schwer, Hilfe anzunehmen? Bono: Viele fühlen sich mitschuldig und suchen den Fehler bei sich selbst. Ihr Selbstvertrauen ist stark angeknackst und sie fürchten, alles nur noch schlimmer zu machen, wenn sie sich an jemanden wenden. Ledwinka: Manchen Jugendlichen ist es peinlich, Schwäche zuzugeben. Auf jeden Fall sollte man ihnen helfen, professionelle, psychologische Hilfe anzunehmen. Happy Slapping – dank dem Schulprojekt „Friends 4 you“ kein Thema mehr. Eine Umfrage am BG/BRG Piaristengasse ergab, [ Foto: Clemens Fabry ] dass Gewalt aber trotzdem ein Thema bleibt. Ganze 85 Prozent der Schüler kennen jemanden, der Mobbing betreibt. Beinahe 70 Prozent geben an, dass in ihrer Klasse gemobbt wird. Mehr als die Hälfte behauptet von sich, etwas dagegen zu unternehmen. Die Schüler aus den unteren Klassen holen sich hauptsächlich Rat bei ihren Eltern, die Älteren hingegen wenden sich großteils an Freunde. Viele Kinder und Jugendliche haben jedoch oft zu viel Angst davor, sich zu öffnen oder sich jemandem anzuvertrauen. Für diejenigen beinhaltet diese Seite einen „Erste Hilfe-Kasten“, der Lösungsvorschläge anbietet. Mobbing erfolgreich vorbeugen zu können, müssen folgende Warnsignale beachtet werden: häufiges Fehlen, keine Freunde, Isolation, Ausgrenzung. 6GR des BG/BRG Piaristengasse Krems Betty Baumgartner, K. Brandstetter, Stefan Burischek, L. Feigl, Vali Klamminger, Isa Lintner, Agnes Mantler, Christiane Schober, Vicky Stieger, Fabienne Swoboda, Agnes Tiefenbacher, Lisa Vogler, Vera Böck, Jo Brunner, Anna Gattinger, Paul Gausterer, Beni Heidl, Stefanie Kandera, Klemens Kremser, Lukas Moser, Christine Neubauer, Roman Pichler, Johanna Pozniak, Philip Schwanzelberger, Lisi Wagner, Eva Wimmer, Mag. Klaudia Zeller Die Stadt Krems wirkt dem Vandalismus erfolgreich entgegen VON CHRISTINE NEUBAUER, EVA-MARIA WIMMER, STEFANIE KANDERA UND ELISABETH WAGNER Q Wenn KREMS. Die Jugendkoordinatorin der Stadt Krems, Simone Göls, sowie der Abteilungsinspektor der Kriminalabteilung der Kremser Polizei, Leopold Steiner, sind sich einig, dass Vandalismus meist mit übermäßigem Alkoholkonsum oder sogar Drogenmissbrauch gekoppelt ist. „Jugendliche, die Vandalismus betreiben, kommen meist aus einem problematischen Elternhaus, in dem man sich zu wenig Zeit für die Sprösslinge nimmt, oder nehmen kann“, meint der Kriminalpolizist Leopold Steiner. Verdacht auf Mobbing besteht, ist es am besten, sich Unterstützung von Eltern, Lehrern, Beratungsstellen, etc. zu holen. Im schlimmsten Fall sollte man auch therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Projekt „Friends 4 You“ hat das Piaristengymnasium Krems in Niederösterreich als Hilfe für die Schüler der ersten Klassen entwickelt. Seit drei Jahren stehen ausgewählte Oberstufenschüler diesen als Bezugspersonen freiwillig mit Rat und Tat zur Seite. Durch diese Unterstützung sollen Konflikte vermieden oder gemeinsam gelöst werden. Die Erstklässler sind von ihren „Friends“ überaus begeistert. Nicht klagen! Handeln! Q Damit auf das Problem aufmerksam gemacht wird, sollten Lehrer die Konflikte offenlegen, indem sie Gelegenheiten für ehrliche Gespräche anbieten. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Lehrer Handlungsbereitschaft zeigen und gegebenenfalls Schulungen besuchen. Q Das gestaltung VA N D A L I S M U S HILFE-KASTEN Q Um „FRIENDS 4 YOU“ Weiters berichtet er, dass Jugendliche, welche bei Vandalenakten erwischt werden, lange an Schadens-Wiedergutmachungen zahlen. So wie ein Lehrling zum Beispiel, der im Rausch eine mittelalterliche Statue beschädigte und auch heute noch, zwei Jahre später, die teure Restauration abzahlt. Gerichtliches Vorgehen gegen jugendliche Täter wird meist eingestellt, sie kommen oftmals mit Schadens-Wiedergutmachungen, Verwarnungen und/oder mit Sozialarbeiten davon. Zudem werden solche Vergehen im Strafregister gespeichert und können von einem zukünftigen Arbeitgeber eingesehen werden. Ein Eintrag in ein derartiges Regis- ter mindert sicherlich die Chancen am Arbeitsmarkt und hinterlässt keinen guten Eindruck. „Doch meist werden die Täter gar nicht erwischt“, bedauert Simone Göls, „ dann müssen die Opfer für die Schäden aufkommen, auch wenn es sich nur um umgeworfene Blumentöpfe handelt.“ Mit Hilfe vermehrter Polizeipatrouillen, Türsteher und mit mehr Security-Personal in Discotheken im Lokalviertel der Stadt versucht man die Schäden zu minimieren. Durch das Handeln der Stadt Krems gab es in den letzten Jahren, nicht wie in anderen Städten, immer mehr, sondern eine nach unten tendierende Zahl an Vandalenakten. Weshalb hat Vandalismus in letzter Zeit deutlich zugenommen? Ledwinka: Der Eigentumsbegriff hat sich massiv verändert. Wir haben einen Überfluss an Gütern, sodass wir unser Eigentum und das Eigentum anderer nicht mehr wertschätzen und somit die Hemmschwelle zur Zerstörung gesunken ist. MEINUNG KATHI BRANDSTETTER UND LISA FEIGL Gewalt ist Elternsache N ie im Leben hätten wir gedacht, dass auch an unserer Schule massiv gemobbt wird. Die Umfrageergebnisse waren schockierend. Nun stellt sich natürlich die Frage: WAS und vor allen Dingen WIE kann man etwas ändern? Denn es MUSS etwas geschehen. Viel zu viele schauen tagtäglich weg, weil sie auch gar nicht wissen, was zu tun ist. Wir denken, das heikle Thema muss früh genug aufs Tapet gebracht werden. Dies sollte sowohl Sache der Schule als auch der Eltern sein. Der Grundstein zur Vermeidung von Vandalismus, Mobbing und Gewalt von Jugendlichen wird zu großen Teilen schon in der frühen Erziehung gelegt. Den Kindern muss der Eigentumsbegriff und die Wertschätzung anderer in der heutigen Zeit besonders intensiv ans Herz gelegt werden. PRESSE MACHT SCHULE 10 INTERVIEW „Leuten fehlt Zivilcourage“ Strafrichter Helmut Wlasak spricht über seine Erfahrungen mit Mobbing. Die Presse: Was ist der häufigste Grund für Mobbing? Helmut Wlasak: Die meisten Mobbingfälle äußern sich im Alltag durch sexuelle Angriffe und Stalking. Viele Mordfälle geschehen aus Eifersucht und die Opfer sind vorwiegend Frauen. Woran erkennt man als Außenstehender eine Mobbing-Situation, gibt es typische Erkennungsmerkmale? Wlasak: Der Täter provoziert durch lautes, aggressives Anpöbeln, und die Opfer versuchen sich ihren Freiraum zu schaffen, oft vergeblich. Würden Sie als Außenstehender in ein Mobbing-Gewaltsituation eingreifen? Wlasak: Ja, ich greife in so eine Situation ein, da ich durch meinen Beruf ein Gespür für solche Situationen entwickelt habe. Warum greifen Ihrer Meinung nach manche Menschen nicht bei solchen Situationen ein? Wlasak: Ich denke, manche Leute besitzen keine Zivilcourage. Ändert sich das Gewaltverhalten durch Drogeneinfluss? Wlasak: Drogen sind Gefühlsverstärker, also werden Jugendliche, die im Vorhinein schon aggressiv sind, nach dem Drogenkonsum noch aggressiver. Drogen verstärken den Grundzustand. Greifen Jugendliche zu Drogen, weil sie Mobbingopfer sind? Wlasak: Aus Erfahrung weiß ich, dass Jugendliche meist zu Drogen greifen, weil sie überfordert sind – oder auch einfach nur aus Langeweile. Viele befinden sich auch einfach nur im falschen Freundeskreis, aber in manchen Fällen kann auch Mobbing ein Grund sein. Wie gehen Sie mit Tätern und Täterinnen um? Wlasak: Man sollte den Täter bewusst darauf ansprechen und ihm klare Grenzen ziehen. Denken Sie, dass Eltern Bescheid wissen, wenn ihre Kinder verbal und körperlich attackiert werden? Wlasak: Eltern wissen immer zu wenig darüber Bescheid. In den meisten Familien fehlt die Kommunikationsbasis. Die Eltern sollten versuchen, immer mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben. Wie sehen Sie die Rolle der LehrerInnen im Zusammenhang mit Gewalt? Was sollen sie tun? Wlasak: Lehrer müssen Vorbilder sein. Sie sollten Krisensituationen erkennen können und nicht versuchen, diese zu vertuschen. Der Lehrer sollte niemals Partei ergreifen, und er muss für beide Seiten des Konflikts ein offenes Gehör haben. Mobbing: „Bis einer stirbt!“ GEWALT. Befragungen unter Schülern bringen aufschlussreiche Ergebnisse. MURECK. Das Ergebnis war erschütternd: Ein Viertel der im Rahmen eines Schulprojekts an der HLW Mureck befragten Schüler gab an, schon einmal körperlich angegriffen worden zu sein. Wächst da ein soziales Problem in unseren Schulen heran? Gehört Mobbing mittlerweile zum Klassen-Alltag? Um Antworten zu finden, entwickelten wir, der 3. Jahrgang der HLW Mureck, Fragebögen und einen Interviewleitfaden zum Thema „Mobbing – Gewalt an Schulen“. Darin stellten wir allgemeine und persönliche Fragen zum Thema. Die Umfrage wurde an fünf Schulen durchgeführt. Was versteht man eigentlich unter dem Begriff „Mobbing“? Mobbing ist eine Form von Gewalt, die vor allem in Schulen und am Arbeitsplatz vorkommt. Die Bedeutung des Begriffs „Mobbing“ hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Mobbing bezieht sich heute auf Verhaltensmuster und nicht auf eine einzelne Handlung. Es kann verbal durch Beschimpfung, nonverbal (zum Beispiel durch Vorenthalten von Informationen) oder physisch durch Verprügeln ausgeübt werden. [ Cornelia Sammer ] Allein gelassen. Viele Schüler werden Opfer von Mobbing. Dagegen gibt es Mittel – zum Beispiel Zivilcourage. [ Marlies Breuss ] Gesundheitliche Schäden Mobbing hat weitreichende negative Folgen für die Gesundheit und für die berufliche und private Situation des Opfers. Regelmäßige feindselige Angriffe rufen negative Gefühle und starke Verunsicherung bei den Betroffenen hervor, besonders schlimm sind die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. An zwei Projekttagen beschäftigten wir uns intensiv mit diesem Thema und machten die Umfrage. Bei der Auswertung der Fragebögen fiel besonders auf, dass Mobbing in jeder Schule und Klasse vorkommen kann. Die meisten Schüler sind der Meinung, dass sie ein gutes Klassenklima haben, aber es gibt doch ein paar, die sich in ihrer Schule nicht sicher fühlen und Angst vor anderen Schülern haben. Mehr als ein Viertel aller Schüler finden, dass in ihrer Klasse Gewalt herrscht. Fast jeder ist schon einmal verspottet, ausgelacht, beschimpft oder beleidigt worden. Bedenklich ist, dass es in jeder Klasse einen oder mehrere Schüler gibt, die gezielt auf ihre Mitschüler losgehen. Trotz allem haben die meisten viele Freunde in der Klasse und werden auch nicht von Freundschaften ausgeschlossen. die Schüler unbeaufsichtigt sind. Dann herrscht Chaos in den Klassen, die Schüler und Schülerinnen beschimpfen sich und lachen einander aus. Auch körperliche Gewalt ist keine Seltenheit mehr. Diese Seite wurde vom 3. Jahrgang der HLW Mureck gestaltet. Alle Schüler sagten, dass jeder von ihnen schon einmal gemobbt worden sei – dass aber jeder von ihnen auch schon einmal jemanden gemobbt habe. Zusätzlich zu den Umfragen in Schulklassen interviewten wir Lehrerinnen. Auch sie meinten, dass Schüler immer häufiger durch Hänseleien und verbale Gewalt unter Druck gesetzt werden. Körperliche Gewalt nimmt zu Es gibt auch Schüler und Schülerinnen, die oft gehänselt werden. Die Schüler einer Hauptschule meinten im Interview, dass es Mobbing jeden Tag in ihrer Schule gibt, meistens in den Pausen, wo Am schlimmsten sei es in den ersten und zweiten Klassen, da sich die Schüler hier in einer neuen Umgebung befinden und von neuen Leuten umgeben sind. Auch nehme körperliche Gewalt an der Schule zu. Konsequenzen ziehen die Lehrerinnen und Lehrer, indem sie mit den einzelnen Schülern oder mit der ganzen Klasse über das Problem reden. Wenn dies nicht hilft, wird auch die Schulpsychologin eingeschaltet. Dass Mobbing ein wichtiges Thema ist, zeigt die Antwort eines 12-jährigen Hauptschülers. Auf die Frage, wie weit Mobbing gehen kann, sagte er: „Bis einer stirbt“. ····························································································································································································································································· Mobbing im Kindergarten? Experten sprechen von einem neuen Begriff für ein altes Phänomen. MURECK. „Mobbing“ wird in letzter Zeit immer öfter zum Thema gemacht. Ob nun am Arbeitsplatz, in Schulen, sogar in Kindergärten: Jeder spricht darüber. Doch wie steht es wirklich um Mobbing in südsteirischen Schulen? Um diese und andere Fragen zu beantworten, sind vier Schülerinnen (Madeleine Wutte, Michaela Thierschädl, Manuela Bolha und Monika Hütter) bis zu den Wurzeln gegangen und haben Kindergartenpädagoginnen der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik und eine Lehrerin der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Mureck interviewt. „Mobbing“ hieß früher „Hänseln“ Richter Helmut Wlasak Montag, 16. Juni 2008 Die Pädagoginnen, die zwischen zwölf und fünfundzwanzig Jahren Berufserfahrung haben, erklärten im Interview, dass Mobbing für sie ein „neuer Begriff für ein altes Phänomen“ sei. Mobbing hieß früher Hänseln oder sekkieren. Sie sind der Meinung, dass „Mobbing“ bei Kindergartenkindern noch kein relevantes Verhaltensmuster sei. Bei älteren Kindern sieht es da schon anders aus: In Schulen wird des Öfteren Bekanntschaft mit Mobbing gemacht. Diesbezüglich wurde deutlich, dass Buben eher zu körperlicher, Mädchen eher zu verbaler Gewalt neigen. Als Mobbing kann aber auch schon bezeichnet werden, wenn ein Kind oder eine Gruppe bewusst über längere Zeit andere Kinder diskriminiert. Gewalt nimmt nicht zu Was kann man dagegen tun? Einhellig meinen die Pädagoginnen, dass kein universelles Mittel dagegen existiert, dass aber durch erhöhte Aufmerksamkeit für Mobbing-Phänomene und eine genaue und sensible Beobachtung seiner Umwelt viel Leid verhindert werden könnte. Generell ist hervorzuheben, dass von den Pädagoginnen in den letzten Jahren kein Anstieg von Gewalt festgestellt werden konnte. Auch Kinder aus anderen Nationen oder Kinder mit einem anderen Religionsbekenntnis werden in die Gruppen einbezogen und sind nicht benachteiligt. ZIVILCOURAGE: TIPPS I Konkrete Hilfe suchen: Sprechen Sie Leute gezielt an, sagen Sie, dass sie Ihnen helfen sollen. I Telefonischer Notruf: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, wo was passiert ist, von wo aus Sie anrufen und warten Sie auf weitere Fragen. I Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und entspannt, vermeiden Sie schnelle Bewegungen. I Solidarität: Bauen Sie Blickkontakt mit dem Opfer auf. I Gespräch suchen: Suchen Sie das Gespräch mit dem Täter und sehen Sie ihn mit festem Blick an. I Nicht drohen oder beleidigen: Kritisieren Sie das Verhalten des Täters, ohne ihn anzugreifen. I Kein Körperkontakt: Fassen Sie den Täter nicht an. I Kreatives Handeln: Kann die Situation entscheidend beeinflussen. I Zeugen: Prägen Sie sich Merkmale des Täters ein und stellen Sie sich als Zeuge zur Verfügung. www.eingreifen.de BUCHTIPP Spirale der Gewalt Für junge Leute, die sich näher mit dem Thema „Mobbing in der Schule“ beschäftigen möchten, empfehlen wir ein Jugendbuch. „Teufelshände“ von Heide Boonen zeigt, was für schreckliche Folgen Mobbing in der Schule für Schüler und Schülerinnen haben kann. Manon kommt in eine neue Schule. Von Anfang an wird sie von ihren Mitschülern und Mitschülerinnen nicht akzeptiert und schließlich gemobbt. Sie wird von den Schulkollegen gequält und verprügelt. Und keiner hat den Mut, ihr zu helfen. Manon wehrt sich und schlägt eine Mitschülerin zusammen. Werden nun die Täter noch brutaler? Ist es eine Lösung, Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten? Teufelshände. Heide Boonen Carlsen 128 Seiten € 6,70 Montag, 16. Juni 2008 PRESSE MACHT SCHULE 11 „Ich bin misstrauischer geworden“ „HAPPY SLAPPING“. Ein Opfer packt aus – wie es mit den Folgen einer Attacke lebt. WIEN. Es kann überall geschehen, auch Du könntest der Nächste sein: Gewalt, Misshandlung, das Ganze dann aufnehmen und ins Internet stellen – verniedlichend wird dieses relativ neue Phänomen „Happy Slapping“ genannt. „Happy“ ist dabei allerdings gar nichts, cool genauso wenig. Es ist ein Verbrechen, das tiefe Narben bei den Opfern hinterlässt, sowohl sichtbare als auch unsichtbare. Narben, die erst nach langer Zeit verheilen. Wenn überhaupt. Diese Seite wurde von der 7 B und 7 C des Parhamergymnasiums Wien gestaltet. MitarbeiterInnen: Tina Antony, Jenni Entrich, Marko Ikic, Denis Malachowski, Fiona Matzka, Bahar Özcicek, Sophie Reitbrecht, Tim Schön, Teresa Schukert, Sandra Vögler, Maja Vukoja. Davon legt ein exklusives Interview Zeugnis ab, das das Redaktionsteam „Parhamerplatz“ geführt hat. Hier packt ein Opfer aus. Unsere 15-jährige Gesprächspartnerin will anonym bleiben, ist aber bereit, ihr Schweigen zu brechen. Mit ihrem Mut, an die Öffentlichkeit zu treten, will sie Jugendliche dazu bringen, nicht mehr mitzumachen. Das Mädchen berichtet von einem Vorfall im vergangenen Jahr. Auch heute, ein Jahr später, ist sie immer noch eingeschüchtert, kann kaum noch Vertrauen zu anderen aufbauen. Warst du schon einmal „Happy Slapping“-Opfer? Ja war ich, aber ich versuche es zu verdrängen. Wie kam es zu dem Vorfall? Ich war auf einer Party und einige Leute haben mich in einer unangenehmen Situation gefilmt. Als ich dies bemerkte, hab ich sie darum gebeten, das Video gleich zu löschen, und es nicht ins Internet zu stellen. Sie haben es jedoch nicht gelöscht. Ist das Video aus dem Netz genommen worden? Ja, nachdem wir mit der Vertrauensperson geredet haben und sie gesagt hat, dass sie das Video löschen müssen. Hast du dann etwas unternommen? Eigentlich wollte ich es allein regeln, aber ich bemerkte, dass es nicht ging. Also suchte ich mir Hilfe. Mir fielen die Peer-Mediatoren ein. Zugleich aber auch eine Professorin, zu der ich ein gutes Verhältnis habe und der ich vertrauen kann. Wie hast du dich währenddessen gefühlt, wie unmittelbar danach und wie, als du erfahren hast, dass das Video ins Netz gestellt wurde? Ich hatte zuerst Angst, weil ich verwirrt war und nicht gewusst habe, was ich machen soll. Ich war aber auch sehr sauer, weil ich das von diesen Personen nicht erwartet hätte. Besonders, dass sie mir so etwas antun könnten. Hat sich die Situation nach dem Vorfall wieder gebessert? Wie verhalten sich deine Mitschüler/innen dir gegenüber bzw. du ihnen gegenüber? Naja , . . Ich gehe bei den Leuten, die beteiligt waren, eher auf Distanz, weil mir klar wurde, wie sie sind. Sie tun so, als ob nie etwas gewesen wäre? Zuschlagen und Uploaden – „Happy Slapping“ wird häufiger und hinterlässt oft auf Jahre Spuren bei den Opfern. Unsere Freundschaft wie vorher ist für mich nicht mehr möglich, da ich nicht mehr vertrauen kann. Wie geht es dir jetzt? Ja, ich hab versucht, es zu verdrängen und versuche nicht mehr, darüber nachzudenken. AUF EINEN BLICK Q „Happy Slapping“: Was steckt hinter diesem Phänomen, das mehr und mehr um sich greift? Schüler des Gymnasiums Parhamerplatz in Wien-Hernals lassen hier ein Opfer zu Wort kommen – und beleuchten: Was denkt dieses Opfer, wie sieht sie die Täter? Welche rechtlichen sowie psychologischen Folgen hat eine derartige Attacke. Und: Was rät sie anderen Opfern. Hat sich dein Verhalten in der Klasse gegenüber allen anderen geändert? Ich bin vorsichtiger und auch misstrauischer bei der Auswahl meines Freundeskreises geworden. ··························································· Was würdest du anderen „Happy Slapping“-Opfern raten ? Ich rate ihnen, dass sie aus dem Erlebten kein Geheimnis machen, und sich jemandem anvertrauen sollen. Was wörtlich übersetzt „fröhliches Schlagen“ heißt, hat gravierende Folgen – für Opfer ebenso wie für Täter. Kennst du noch andere Stellen, an die du dich in solchen Situationen wenden kannst? Vertrauenspersonen, Peer-Mediatoren, „Rat auf Draht“. Sonst kenne ich niemanden – das Thema wird ja nicht so oft angesprochen und erscheint auch in den Medien nicht so oft. Dankeschön für dieses Interview. Bitte. ····························································································································································································································································· Es mangelt an Selbstwertgefühl Welche Folgen eine „Happy Slapping“-Attacke für Täter und Opfer hat. Eine Umfrage am Parhamerplatz in den sechsten, siebten und achten Klassen hat ergeben, dass 16 Prozent aller befragten Schüler mindestens einmal bereits Opfer einer „Happy Slapping“-Attacke geworden sind. Ganze 49,30% der Befragten wissen über dieses Phänomen Bescheid. Die meisten dokumentierten Fälle tragen sich auf der Straße zu – mehr als ein Drittel, exakt 37,10 Prozent. Wegschauen ist dabei nicht an der Tagesordnung: Die Zahl der Zeugen, die Hilfe holen, ist mit 64,24% hoch. Allerdings zeigt die Befragung auch, dass jeder Achte (genau 12,1 Prozent) zugibt, sich „Happy Slapping“-Videos im Internet angeschaut oder sie sogar weitergeschickt zu haben. WIEN. Die Täter von Gewalttaten wie „Happy Slapping“ sehen in der Weitergabe von gewalttätigen oder pornografischen Videos häufig „nur“ eine „visualisierte“ Mutprobe. Jugendliche können aber dabei Straftaten mit beträchtlichen Folgen begehen. Eine solche Attacke stellt eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch dar, wie dies etwa auch Raub oder Körperverletzung sind. Strafbar macht sich auch, wer eine solche Handlung fotografiert oder filmt und anschließend das Material anderen ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich macht. Außerdem kann nicht nur der aktive Täter, sondern auch die filmende Person bestraft werden. Der Besitz allein ist nicht strafbar, jedoch dürfen diese Videos nicht verbreitet werden. Bis zu einem Jahr Haft Strafmündigen Personen – also Jugendlichen, die älter als 14 sind – drohen auch Freiheitsstrafen, die mehrere Wochen dauern können. Das Urteil kann auch auf gemeinnützige Arbeit und Anti-Gewalt- Training lauten. Bei Erwachsenen reichen die Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr. In der Praxis stellt sich dann allerdings auch die Frage, ob Freiheitsstrafen bei Jugendlichen pädagogisch sinnvoll sind. Und der Ausschluss aus dem Unterricht wird einem „Happy-Slapper“ wohl eher wenig ausmachen. Auch die psychologischen Hintergründe von „Happy Slapping“ sind zu beachten. Jene die sich einer „Happy Slapping“-Attacke schuldig machen oder daran mitwirken, weisen in den meisten Fällen mangelndes Selbstwertgefühl auf. Sie sind nicht in der Lage, mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen umzugehen oder diese anderen gegenüber auszudrücken. Macht und Kontrolle Die Peer-Mediatoren sind eine Gruppe von Schülern am GRG Parhamerplatz, die dafür ausgebildet ist, Mitschülern in kleineren oder größeren Konflikten beizustehen und ihnen bei der Erarbeitung von Lösungen zu helfen. Eine weitere Aufgabe ist die Prävention, größeren zwischenmenschlichen Problemen vorzubeugen. Dazu werden in einzelnen Klassen immer wieder Stunden mit sozialem Lernen gestaltet. [ GRG 17 ] Weil sie in den Gruppen von Gleichaltrigen häufig kein Ansehen erlangen, scheint ihnen der einzige Weg, Selbstvertrauen und Anerkennung nur durch Gewaltaktionen zu erreichen. Deshalb ist das Ziel von „Happy Slapping“ nicht der körperliche Angriff, sondern vielmehr das Demütigen des Opfers, das häufig aus dem sozialen Umfeld der Täter stammt. Im Internet demütigen sie die Opfer ein weiteres Mal und bleiben dabei anonym – dies verschafft ihnen ein Gefühl von Macht und Kontrolle. Zivilcourage: Die Entscheidung fällt erst im Ernstfall WIEN. Bei „Happy Slapping“ (= fröhliches Schlagen) ist gar nichts fröhlich: Es ist eine gezielte, gewalttätige Attacke auf unbeteiligte Menschen. Meist werden die Opfer zufällig ausgewählt. Der Übergriff findet unerwartet statt und meist an nicht belebten Schauplätzen. Die Opfer werden psychisch, häufig auch körperlich attackiert. Diese Szenen werden vor allem mit Handys, seltener mit Videokameras gefilmt. Die Täter verschwinden nach ihren Anschlägen und überlassen ihre verstörten, häufig auch schwer verletzten Opfer allein ihrem Schicksal. Danach werden die Filme ins Internet gestellt oder mit Handys verbreitet. Sowohl das Empfangen, Weiterleiten wie auch das Beobachten von „Dreharbeiten“ kann Folgen nach sich ziehen (siehe nebenstehenden Artikel). Nicht das Opfer hat Grund sich zu schämen, sondern die Täter. Wenn uns der Mut verlässt Im Mittelpunkt steht dabei auch, wie wir – Mitschüler, die Augenzeugen werden – mit solchen Situationen umgehen. Es mag vielleicht bequemer sein, einfach weg zu schauen – aber das ist nicht der richtige Weg. Manchmal überlegt man sich im Vorhinein, wie man beim Beobachten einer solchen Tat reagieren könnte. Doch ob man dann tatsächlich so handelt, entscheidet sich erst im Ernstfall. Vor Eintreten einer konkreten Situation ist Zivilcourage für uns etwas Selbstverständliches. In der Realität verlässt uns dann leicht der Mut und man schafft es nicht, nach seinen Prinzipien zu handeln – es erscheint einfacher, weg zu schauen. Lustig ist das genauso wenig wie das „fröhliche Schlagen“ – am wenigsten für jene, die zu Opfern der Attacke werden.