Mobbing, Moslems, Mitbestimmung

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Mobbing, Moslems, Mitbestimmung
U N A B H Ä N G I G E
Montag, 16. 6. 2008
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TA G E S Z E I T U N G
diepresse.com
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F Ü R
Ö S T E R R E I C H
Mo 25 / 1,30 Euro
SONDERAUSGABE
Montag, 16. Juni 2008, Seite 1
Null Bock auf Politik?
Sitznachbar Muslim
Alltägliche Gewalt
Wählen mit 16 – wie wichtig
ist das eigentlich den
Betroffenen selbst?
Integration in der Schule –
wie kann es gelingen,
wo gibt es Hürden?
Wie Schulen auf Mobbing
und Vandalismus
reagieren.
2-5
6-8
9-11
Mobbing, Moslems, Mitbestimmung
I „PRESSE“ MACHT SCHULE. Schüler machen Zeitung:
I DREI HEISSE THEMEN. Was tun gegen Gewalt? Wie
Zwölf prämierte Seiten, von Jungredakteuren gestaltet.
gelingt Integration? Und was bringt Wählen mit 16?
ALLE TEILNEHMER
Höhepunkt der Projektarbeit: In der „Presse“-Redaktion die eigene Zeitungsseite selbst redigieren. Im Bild: Teilnehmerinnen aus dem Wiener GRG 17.
WIEN. Einmal selber richtig Zeitung
machen! Nicht Schülerzeitung,
sondern in einer echten Tageszeitung. Und auch nicht nur ein nettes Artikelchen, sondern eine ganze Seite gestalten, Bilder, Texte,
Grafiken, Kommentare, alles. Dazu
haben auch heuer wieder „Die
Presse“ und das Bildungsministerium eingeladen – und mehr als 80
Schulklassen haben geantwortet.
Das Projekt „,Presse‘ macht
Schule“ ist damit in der heurigen
Neuauflage noch erfolgreicher als
im Jahr 2007, als es zum ersten
Mal lief. Damals hatten knapp 60
Schulen darum gewetteifert, wer
eine von zehn Seiten in der „Presse“ gestalten darf.
Beschäftigung mit den Medien
allgemein und dem Genre Tageszeitung im Besonderen, aber auch
ein vertieftes Nachdenken über
aktuelle Problemstellungen und
nicht zuletzt multidisziplinäres Ar-
beiten an einem spannenden Projekt – das alles bietet das „Presse“Projekt den Schülern und natürlich auch den engagierten Lehrern. Bildungsministerin Claudia
Schmied formuliert ihr Interesse
an dem Projekt so: „Es ist wichtig,
dass sich die jungen Menschen in
der Schule mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen aus
ihrer unmittelbaren Lebenswelt
EXPERTEN IN DER JURY
Peter Filzmaier, Politologe,
Donau-Universität Krems
Q Kurt Scholz, em. Stadtschulratspräsident, „Presse“-Autor
Q Christiane Spiel, Bildungspsychologin, Universität Wien
Q Heidrun Strohmeyer, Sektionschefin im Bildungsministerium
Q
aktiv auseinandersetzen.“ Der bewusste und reflektierte Umgang
mit Medien sei eine Schlüsselkompetenz für mündige Bürger in der
Wissensgesellschaft.
Drei solche aktuelle Fragestellungen wurden den Schülern zur
Auswahl gestellt: „Null Bock auf
Politik. Was bringt Wählen mit
16?“, „Sitznachbar Muslim: Wie
kann Integration (besser) funktionieren?“ und „Mobbing, Vandalismus, Happy Slapping – alltägliche
Kavaliersdelikte?“
Der lange Weg zum Sieg
Am 2. April wählte eine Jury aus
den Projektvorschlägen die zehn
vielversprechendsten aus – eine
aufgrund des hohen Niveaus der
Einreichungen äußerst schwierige
und letztendlich natürlich auch
subjektive Entscheidung. Mit der
Juryentscheidung begann die heiße Phase: Jede der zehn ausge-
[ Bruckberger ]
wählten Klassen wurde von einem
„Presse“-Redakteur besucht, und
so konnten die Zeitungsseiten
noch in den einzelnen Schulen finalisiert werden. Da wurde das
Layout festgelegt, über Bild- und
Grafikformate gesprochen – und
in den meisten Fällen mussten die
Klassen mit schwerem Herzen auf
einen großen Teil der erarbeiteten
Inhalte verzichten, weil auf eine
Zeitungsseite dann eben doch weniger draufpasst, als man glaubt.
Endphase – und für viele der
Höhepunkt – war dann die Reise
der Projektanten in die Redaktionsräume der „Presse“, um unter
fachlicher Anleitung aus einem in
allen Details ausgearbeiteten Projektvorschlag eine richtige „Prese“-Seite zu machen.
Das Ergebnis liegt hier vor. Wir
von der „Presse“ denken, dass es
sich sehen lassen kann – als rundum gelungene Zeitungsseiten.
Über 80 Klassen haben mitgemacht, zehn von ihnen kamen in die „Presse“ – aus Kärnten, Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien.
BURGENLAND:
R BG/BRG Mattersburg
R BG/BRG Neusiedl am See
R BHAK/BHAS Neusiedl am See
R HAK/HAS/AUL Mattersburg
KÄRNTEN:
R BG/BRG Mössingerstraße Kft.
R BG/BRG Perau Villach
R BG/BRG Villach St. Martin
R BORG Spittal/Drau
R HLW St. Veit/Glan
NIEDERÖSTERREICH:
R BG Babenbergerring Wr. Neustadt
R BG Rechte Kremszeile Krems
R BG Zehnergasse Wr. Neustadt
R BG/BRG Krems Piaristengasse
R BG/BRG Tulln
R BG/BRG Wieselburg
R BHAK/BHAS Retz
R BHAK/BHAS Amstetten
R BHAK/BHAS St. Pölten
R BRG/BORG St. Pölten
R BG Mödling Bachgasse
R BI für Sozialpädagogik Baden
R HAK Neunkirchen
R HTL Sankt Pölten
R Konrad Lorenz Gymnasium Gänserndorf
R Militärrealgymnasium Wr. Neustadt
R ORG Englische Fräulein Krems
OBERÖSTERREICH:
R Akademisches Gymnasium Linz
R BG/BRG Freistadt
R BHAK Linz-Auhof
R BHAK Steyr
R BHAK/BHAS Eferding
R BORG Perg
R BRG Traun
R HAK Linz Rudigierstraße
R HBLA Elmberg
R BG Vöcklabruck
SALZBURG:
R BHAK/BHAS Tamsweg
R Christian Doppler Gymnasium Sbg.
R HBLA Saalfelden
R Tourismusschulen Salzburg-Kleßheim
R HLW Hallein
STEIERMARK:
R Akademisches Gymnasium Graz
R BG/BRG Köflach
R BHAK Judenburg
R BHAK Voitsberg
R BHAK/BHAS Grazbachgasse Graz
R BHAK Liezen
R Gymnasium und ORG der Ursulinen Graz
R HAK Feldkirchen
R HLW Deutschlandsberg
R HLW Hartberg
R HLW Mureck
TIROL:
R BG/BRG/SRG Reithmannstraße, Ibk.
R HBLA Kufstein,
VORARLBERG:
R BHAK/BHAS Feldkirch
WIEN:
R BG 11 Geringergasse
R BHAK 13
R BHAK 22
R Biling. ORG/Schulverein „Komenský’’
R GRG 17 Parhamerplatz
R GRG Stubenbastei
R HLW 10
R HTL1 Masch.ingenieurw. und El.technik
R Intern. BusinessCollege Hetzendorf
R Rainergymnasium
R Schulen des bfi
R Schumpeter BHAK/BHAS
R Theresianische Akademie
R VBS HAK/HAS Floridsdorf
R Vienna Business School
R HAK I Akademiestraße
[ Bäck, Bruckberger ]
PREISE: Deutschland, Italien, Slowenien € 2,-, Belgien € 2,80; HRK 14, ČZK 65, SK 80, Ft 390. „DIE PRESSE“, 1030 Wien, Hainburger Str. 33; PF 33. ) (01) 514 14. Fax: DW 400 (Redaktion); DW 250 (Anzeigen). ABO: ) (01) 514 14 DW 70, Fax: DW 71. Verlagspostamt: 1030 Wien, P.b.b. Zulassungsnummer: 02Z032748T
PRESSE MACHT SCHULE
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Montag, 16. Juni 2008
Wählen mit 16:
Unsere Chance!
Wahlrecht
für Jugendliche im
In- und Ausland
Die rechtliche Situation in
Österreich, Slowenien, der
Schweiz und Deutschland.
ANALYSE. Seit einem Jahr dürfen Österreichs
Jugendliche wählen. Mehr als die Hälfte der
neuen Wähler zeigt inzwischen
Interesse an der Politik.
VON BERNHARD ABWERZGER,
PETER KNAPP, JULIAN WILDPANER,
UND ARNO UNTERLERCHNER
L
ange wurde in Österreich
darüber diskutiert. Schließlich wurde das aktive Wahlalter im Zuge der Wahlrechtsreform 2007 bei Nationalrats-,
Bundespräsidenten- und Europawahlen in Österreich von 18
Jahre auf 16 Jahre gesenkt. Das
bedeutet, dass jeder österreichische Staatsbürger, der spätestens
am Tag der Wahl das 16. Lebensjahr vollendet hat, berechtigt ist,
seine Stimme abzugeben. Österreich ist der erste Staat in Europa, der seinen jungen Bürgern
das Wählen mit 16 ermöglicht.
Auch weltweit finden sich nicht
viele Staaten, in denen 16-Jährige wählen dürfen.
Das passive Wahlalter wird erreicht, wenn der Bewerber am
Stichtag der Wahl die österreichische Staatsbürgerschaft be-
VON HANNO DOUSCHAN,
FLORIAN GRABER, MATTHIAS MAYER,
ALEXANDER PAYER
UND MARTIN RINGSWIRTH
M
it dem 6. Juni 2007 wurde ein lange diskutiertes
Thema in die Tat umgesetzt: Jugendliche dürfen
nun auch bei bundesweiten Wahlen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr
ihre Stimme abgeben.
Auch die führenden
Politiker
Kärntens
waren für diese Reform. Aber ist Österreichs Jugend
wirklich bereit
dafür?
Laut Kärntens Jugendreferentin
Gaby Schaunig
muss die Antwort „Ja“ lauten,
weil die Gruppe
der
Jugendlichen
andere Anforderungen
als Erwachsene stellt und
dadurch die Politiker mit
neuen Aufgaben konfrontiert.
Diese Seite wurde von
der 8S ORG für
Leistungssport aus Spittal
an der Drau gestaltet.
sitzt und am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat. Vor der
Reform musste man das 19. Lebensjahr vollendet haben.
„Mehr auf Jugend eingehen“
Politische Bildung
Ein Großteil der Bevölkerung Österreichs geht mit dieser Aussage
aber leider nicht konform. Immer
wieder stößt man auf Argumente
wie: „den Jugendlichen fehlt es an
der nötigen Reife“.
Josef Martinz hingegen, Vorsitzender der Kärntner ÖVP, meint,
dass die Politiker mehr auf die Anliegen und Anregungen der Jugendlichen eingehen sollten.
Sicher gibt es Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren, die sich
mäßig oder gar nicht für Politik
begeistern, was bei dem Politzirkus, der derzeit in Österreich Station macht, nicht verwunderlich
ist. Es gibt aber mindestens genauso viele, die sehr wohl ein re-
Um für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren zu dürfen,
muss
man
österreichischer
Staatsbürger sein und spätestens
mit Ablauf des Tages der Wahl das
35. Lebensjahr vollendet haben.
Um die Jugendlichen besser
auf die Wahlen vorzubereiten,
setzt sich Bildungsministerin
Claudia Schmied für ein eigenes
Fach „Politische Bildung“ ein. Alternative dazu wäre Politische
Bildung als Leitlinie, die in allen
Fächern – mehr oder weniger –
mitberücksichtigt werden muss,
oder als Teil einer Fächerkombination, wie es sie derzeit bei Geschichte und Sozialkunde sowie
Biologie und Umweltkunde gibt.
ges Interesse am politischen Geschehen im Staat haben.
Nach einer Studie der DonauUniversität Krems, geleitet von Peter Filzmaier, haben sich drei
Fünftel der befragten Jugendlichen als politisch interessiert bezeichnet.
Kärntens
Landeshauptmann
Jörg Haider kritisiert zwar auch
das politische Chaos auf Bundesebene, jedoch äußert er sich unpräzise und weicht den ihm gestellten Fragen aus.
Kindische Streitereien
Da sich schon die Elternteile der
Politik überdrüssig fühlen, können
diese ihren Kindern keine vernünftige Einstellung zu diesem gewichtigen Thema vermitteln. In
den Schulen dürfen sich die Lehrer auch nur geringfügig zum Thema Politik äußern, wodurch auch
diese Informationsquelle für die
Jugend gewissermaßen verloren
geht. Die Meinungen der Teenager
Österreichs werden zu einem großen Teil von den Medien beeinflusst. Dort werden aber meist nur
die negativen Seiten der jetzigen
Regierung dargestellt.
Auch Gaby Schaunig ist der
Meinung, dass die Gesellschaft
nicht „politikverdrossen“, sondern
eher „Politiker verdrossen“ ist.
Obwohl es viele Erwachsene
nicht wahrhaben wollen, Jugendliche sind heute um ein vielfaches
reifer als zu Zeiten Bruno Kreiskys.
Deshalb sollte man sie auch dementsprechend behandeln.
Im Grunde sind sich die Politiker alle einig, dass viel mehr auf
die Jugendlichen geachtet werden
sollte, denn die Jugend hält die
Zukunft in ihren Händen.
Landeshauptmann Jörg Haider
meint, dass es höchste Zeit wurde,
die Jugend wirklich einen Teil dieser Zukunft in ihren Händen halten zu lassen, denn die heutige Jugend sei schließlich die Zukunft.
····························································································································
Wahlrecht in anderen Ländern
In Slowenien besitzen alle Bürger,
die das 18. Lebensjahr vollendet
haben, das aktive und passive
Wahlrecht für das Parlament.
Bei den nationalen Wahlen in
der Schweiz ist jeder Schweizer
Staatsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt.
Auf kantonaler und kommunaler
Ebene sind, von der lokalen Gesetzgebung abhängig, teils auch
niedergelassene Angehörige anderer Staaten (Ausländerstimmrecht) zur aktiven Wahl zugelassen. Gleichzeitig haben Kantone
und Gemeinden ein abweichendes Mindestalter für das Wahlrecht. Beides wird von einigen politischen Parteien als problematisch betrachtet, da damit keine
Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflichten verbunden sei. Die
Gemeinden des Kantons Glarus
haben als erste das aktive Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren
erlaubt. Das passive Wahlrecht
bleibt weiterhin bei 18 Jahren.
In Deutschland ist jeder Deutsche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt. In
Deutschland haben alle Bürger ab
18 Jahren das passive Wahlrecht
auf kommunaler und Bundesebene. Auf Landesebene liegt das Alter für die Wählbarkeit in Hessen
bei 21 Jahren, in allen übrigen
Bundesländern bei 18 Jahren.
16-Jährige wählen: Aber ist Österreichs Jugend bereit dafür? Weder Politologen
[ Clemens Fabry ]
noch Politiker haben darauf klare Antworten.
„Politik schwer zu verstehen“
Interview: Meinungen zweier 16-Jähriger.
VON ANNA-MARIA GOBALD,
ALINA GRISCHNIG, SAMIRA TAUBMANN
UND CARMEN THALMANN
Die Presse: Wie beurteilen Sie die
heutige Politik?
Madleine Strauß: Als Jugendlicher
ist es sehr schwer, die heutige Politik zu verstehen.
Florian Pleschberger: Momentan ist
die Koalition sehr zerstritten und
es gibt viele Streitfragen.
Was halten Sie davon, dass man
mit 16 Jahren wählen darf?
Strauß: Ich finde es gut, dass Jugendliche nun ein Mitspracherecht haben.
Pleschberger: Das finde ich schlecht,
weil sich die Jugend in diesem Alter nicht wirklich für die Politik interessiert.
Halten Sie sich für reif genug, um
wählen zu gehen oder glauben Sie,
dass Sie noch zu wenig Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln
konnten?
Strauß: Ich fühle mich noch nicht
reif genug, da ich noch zu wenig
Erfahrung mit der Politik habe.
Pleschberger: Ja, weil ich mich mit
meinen 16 Jahren recht gut in der
Politik auskenne.
Haben Sie vor, bei der nächsten
Wahl, bei der dieses neue Wahlrecht in Kraft tritt, Ihre Stimme abzugeben?
Strauß: Nein, weil ich die Ziele der
verschiedenen Parteien nicht genug kenne.
Pleschberger: Ja, weil das Wählen
dazugehört, obwohl die Stimme
des Einzelnen wenig ausgibt.
Montag, 16. Juni 2008
PRESSE MACHT SCHULE
3
–
MEINUNG
LAURA
VOGGENEDER
Politisch Lied –
garstig Lied
S
eit gut einem Jahr dürfen
wir Jugendlichen mitsingen. Hat schon mal jemand daran gedacht, dass viele von uns
gar nicht singen können? Viele
haben den Stimmbruch mit
schmächtigen 16 Jahren noch
nicht hinter sich, die Stimme
vieler ist auf solch eine große
Aufgabe nicht vorbereitet. Es
muss ja nicht gleich ein Solo
sein, doch im Stimmengewirr
des Chores Österreich zählt
jede Stimme – ein falscher Ton
kann ein ganzes Stück verderben.
Stimmen gehören ausgebildet und das ist unter den Ju-
Wir wollten’s wissen: Die 7b-Klasse des BG/BRG Freistadt befragte 173 OberstufenschülerInnen zu Wählen ab 16 und Politischer Bildung in der Schule.
[ Johann Bergthaler ]
Schüler fühlen sich reif für Wahl ab 16
UMFRAGE. Gymnasiale Oberstufe fordert mehr Politische Bildung im Unterricht.
VON FRANZISKA KOLMBAUER
UND BETTINA SCHINNERL
FREISTADT. Wir wollen’s wissen:
Unter diesem Motto startete die
7b-Klasse des BG/BRG Freistadt
eine schulinterne Umfrage mit
dem Ziel, das politische Interesse
unserer Oberstufenschüler auszuloten. Dazu wurde 173 Jugendlichen ein Fragebogen im Multiple
Choice-Stil vorgelegt. Die Ergebnisse waren großteils sehr überraschend. So gaben etwa mehr als
zwei Drittel der Befragten an, sich
reif genug zu fühlen, den Gang zur
Wahlurne zu beschreiten.
Nun stellt sich jedoch berechtigterweise die Frage, ob denn Jugendliche informiert genug sind,
sich aktiv an der Zusammensetzung des Nationalrates zu beteiligen. Leise Zweifel tauchten allerdings wegen eines Detailergebnisses auf: Einige wenige unserer Mitschüler sind doch tatsächlich der
Meinung, dass Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel unsere Unterrichtsministerin sei (siehe Grafik).
Sein – überwiegend doch korrektes – Faktenwissen bezieht der
Großteil der Adoleszenten hauptsächlich aus Radio, Fernsehen und
Internet. Der Wunsch, dieses Wissen zu vertiefen, besteht: Die
Mehrheit würde ein Unterrichtsfach „Politische Bildung“ begrüßen. Derzeit ist es zwar möglich,
ein solches zu besuchen, allerdings nur auf freiwilliger Basis.
AUF EINEN BLICK
7b-Klasse des BG/BRG
Freistadt hat für die Aktion
„Presse macht Schule“ zwei
Umfragen zum Thema Wählen
mit 16 gemacht: unter
Oberstufenschülern des
Gymnasiums Freistadt und unter
Bürgermeistern des Bezirks
Freistadt im nördlichen Mühlviertel.
Q Beteiligung: Bei der Schülerbefragung machten immerhin
insgesamt 173 Mädchen und
Burschen mit. Auf den Fragebogen an die Ortschefs, bei dem
für ein Schulprojekt auch weitere
Auskünfte zur jeweiligen
Gemeinde (etwa Angebot an
Kinderbetreuungseinrichtungen,
Freizeitanlagen) eingeholt wurden,
haben 17 Bürgermeister
geantwortet.
Auffallend ist, dass dieses Angebot vorwiegend von männlichen
Schülern in Anspruch genommen
wird. Das hat uns besonders erstaunt, wenn man bedenkt, dass
laut unserer Umfrage mehr Schülerinnen als Schüler einen solchen
Gegenstand befürworten.
Distanz zu Gemeindepolitik
Ein Grund für die positive Haltung vieler Jugendlicher gegenüber dem Fach „Politische BilDiese Seite wurde von
der 7b-Klasse des BG/BRG
Freistadt gestaltet.
dung“ ist, dass die meisten von
ihnen dem Bildungssystem in der
Schule mehr Vertrauen schenken
als politischen Institutionen wie
der EU oder dem Parlament. Fast
alle unserer Befragten würden –
eigenen Angaben zufolge – ein gut
überlegtes Kreuzchen einem unbedachten, spontanen vorziehen.
Hinsichtlich aktiver Beteiligung
am politischen Geschehen in der
eigenen Gemeinde zeigen sich viele der jungen Erwachsenen eher
distanziert und zurückhaltend.
Desinteresse an der Gemeindepolitik wird hier deutlich sichtbar.
Eigeninitiative und Engagement? –
Fehlanzeige. So glänzen mehr als
80 Prozent durch ihre Absenz bei
parteipolitisch orientierten Veranstaltungen jeglicher Art.
Interessant ist auch, was die Jugendlichen selbst von ihrer „Null
Bock-auf-Politik-Einstellung“ halten. Zuvor muss man allerdings
erwähnen, dass 76 Prozent der
Oberstufenschüler an unserem
Gymnasium sich sehr wohl Gedanken zu politischen Themen
machen, politische Ereignisse bewusst wahrnehmen und ihre Gedanken dazu auch austauschen.
Damit bilden sie augenscheinlich
eine Ausnahme, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Teenagern.
Die wahren Gründe des fehlenden Engagements sind vermutlich
mangelnde Lust und Neugierde,
sich selbst Informationen zu be-
····························································································································
2 young – 2 bled?!
Q Die
Ansichten zweier „görlies“: Wählen – voi zach.
tigerlilly90: und, bist gestern dann
noch wählen gwesn?
sweedie16: job, war aber voi zach.
tigerlilly90: why däd? *g*
sweedie16: da waren lauter so oldies . . . und die depatn abkürzungen! Hab mi gar nimma auskennt.
Den HC- den haßen hawara :-) hätt ich ja noch kennt, aber der is
ja gar net aufn zettl gstandn!
tigerlilly90: Is des net da h&m?
sweedie16: Jo – HPM is ah draufgstaundn, i hob ma dacht, des is a
schreibfehler? warst du a bei dera
fadn partie?
tigerlilly90: Jo, d’Mali l3 und i waren gemeinsam . . oida, da waren
so viele leudz, drum samma gemeinsam in so a ding . . . weißt eh,
was i mein . . . in die kantine einigangen. Die ham nachher alle so
komisch gschaut, wie ma die zettln
in des box-dings ghaut haum.
sweedie16: hobts ihr in namen eh
draufgschriebn?
tigerlilly 90: job, aber wir waren
zerst verwirrt, weil da nirgends so a
„Name: ____“ - dings war.
sweedie16: und wen hast dann
gwählt?
tigerlilly90: naja, grün. Erstens is mei
lieblingsfarbe und zweitens wars ka
abkürzung . . . und drittens hab i
ma dacht, der alte bundeskanzler –
wast eh, da haider - war eh ganz
gut, der kanns eh wieder werden.
sweedie16 Daniela Scheiblhofer (l.)
tigerlilly90 Theresa Lammerhuber
schaffen. Dies, obwohl die neuen
Medien genügend Möglichkeiten
bieten würden. Spannender als
Gemeindepolitik sind für die Jugend offensichtlich andere Betätigungsfelder: Freunde, Fortgehen,
Fernsehen.
Die Diskussion über die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre
hat jedoch einen förderlichen Nebeneffekt. Durch sie wird nicht
nur das allgemeine Bewusstsein
für das Gemeinwesen und die
Führung eines Staates gesteigert,
sondern es wird auch Jüngeren die
Option geboten, am politischen
Leben teilzunehmen.
Man wird ernst genommen
Ist man direkt zur Mitarbeit angesprochen, fühlt man sich entsprechend ernst genommen. Die Heranwachsenden im Alter zwischen
16 und 18 Jahren sind eine große
Gruppe, deren Interessen bisher
lediglich in geringem Ausmaß berücksichtigt wurden. Jetzt werden
sie durch das frühere Mitbestimmungsrecht in politischen Belangen auch rechtzeitig mit der Demokratie und den demokratischen
Grundsätzen vertraut gemacht.
Dies ist wichtig, weil dadurch der
Wert der Demokratie erkannt und
die Gefahr, extreme politische Ansichten zu übernehmen, geringer
wird.
Viele Jungwähler werden jedoch
in ihrem Wahlverhalten noch stark
von ihren Eltern beeinflusst und
können sich deshalb keine eigene
Meinung über die einzelnen Parteien bilden. Auch lässt sich die
heutige Mediengeneration durch
geschickte Argumentation und
Manipulation stärker beeinflussen
als Erwachsene.
Einige Jugendliche sind mit ihrer persönlichen Situation sicher
unzufrieden und werden zu Protestwählern. Statistiken belegen:
je jünger, umso größer der Anteil
an Protestwählern.
Geködert von Politikern?
Möglicherweise haben 16-Jährige
noch zu wenig Lebenserfahrung.
Sie lassen sich mitunter von Beteuerungen der Politiker ködern,
die ihnen das Blaue vom Himmel
versprechen. Falsche Versprechungen von tatsächlich umsetzbaren Ideen zu unterscheiden, ist
auch eine Erfahrungssache. Skepsis ist angebracht.
Ob denn die jungen Erwachsenen an der nächsten Wahl teilnehmen werden? Die meisten Wahlberechtigten des Freistädter Gymnasiums haben es zumindest vor.
Der Chor Österreich – Wo
bleibt die Stimmausbildung
für 16-Jährige?
gendlichen oft nicht der Fall.
Mitzusingen hat für viele keinen großen Reiz, lieber summt
man still vor sich hin und
schummelt sich immer wieder
durch den großen Auftritt hindurch.
Daher ist Stimmausbildung
vonnöten! Jeder kann singen,
egal ob laut oder leise, ob
falsch oder richtig – das ist Ansichtssache - nur trauen muss
man sich.
Außerdem ist 16 ein schwieriges Alter. Welche Stimme der
eigenen Stimmlage entspricht,
ist oft nicht leicht herauszuhören. Es fordert viel Geduld und
intensives Training den richtigen Platz im Chor zu finden.
Individuelle Ausbildung ist
vor allem deshalb unerlässlich,
um den Vorurteilen vieler entgegenzuarbeiten, die behaupten, Jugendliche singen sowieso nur im Tenor der Eltern mit.
Von wegen, mein Vater ist Bass
und meine Mutter Sopran.
···························································
Keine Rede von
„Null Bock“ in
Gemeinden
Bürgermeister befürworten
bei einer Befragung
Wählen ab 16.
FREISTADT (g.b./b.o./i.s.) Im Rahmen des vom Bundesgymnasium
Freistadt durchgeführten Presseprojektes zum Thema „Wählen
ab 16“ wurden 17 Ortchefs des
Bezirks Freistadt befragt. Während sich viele Jugendliche im Alter zwischen 18 und 24 Jahren
gegen das Wahlrecht ab 16 ausgesprochen haben, stimmten die
Bürgermeister des Bezirkes Freistadt mit einer eindeutigen Mehrheit von 16 zu eins dafür. Das
Problem ist somit nicht das fehlende Vertrauen der Ortchefs in
die Jugend, sondern das fehlende
Engagement der Jugendlichen.
Der Bürgermeister der Gemeinde Windhaag, Alfred Klepatsch,
bringt es auf den Punkt: „Wie
schaffen wir es, dass die Jugend
ihre Wünsche/Forderungen/Erwartungen formuliert und sich
dabei auch einbringt?“
Die Umfrage brachte noch ein
überraschendes Detail zu Tage:
Politik ist nicht, wie man erwarten würde, ausschließlich Sache
„reifer“ Männer. Das Durchschnittsalter von 29 Jahren der
Gemeinderäte/innen im Bezirk
Freistadt beweist zumindest auf
Gemeindeebene, dass von „Null
Bock auf Politik“ keine Rede sein
kann.
PRESSE MACHT SCHULE
4
PRO
VON PAUL
BROMBERGER
Zukunft selbst
bestimmen
Jede Stimme zählt
JUGEND-UMFRAGE. Grüne und SPÖ abgeschlagen. 16- bis 18-Jährige
tendieren zur ÖVP. Auch FPÖ ist für Junge attraktiv.
E
in großer Vorteil, den Wählen mit 16 gebracht hat,
sind die vielen neuen Wähler.
Bei den Landtagswahlen in
Niederösterreich beispielsweise waren zirka 40.000 Jugendliche wahlberechtigt. Die vielen
neu zu vergebenden Stimmen
beeinflussten auch den Wahlkampf der Parteien, da in diesem vermehrt auch die Jugend
angesprochen wurde.
Schon seit langem fordert
die Jugend politisches Mitspracherecht. Diese Initiative versucht auch in gewissem Ausmaß, dieses Bedürfnis umzusetzen. Mit der Erlaubnis, ab 16
wählen zu dürfen, konnte dieser Forderung endlich nachgekommen werden.
Wählen mit 16 hat auch den
Sinn, junge Menschen näher an
ihre staatsbürgerlichen Pflichten
heranzuführen. Zu diesen gehört natürlich auch das Wählen.
Die Initiative setzt genau in dem
Alter an, in dem politische Entscheidungen einen jungen Menschen gravierend betreffen. Beispiele dafür sind Themen wie
Lehre, höhere Schulausbildung
oder Wehrdienst.
Nicht zuletzt gilt es auch, das
politische Interesse der Jugend
zu wecken. Wie man anhand
der hohen Wahlbeteiligung der
16- und 17-Jährigen erkennen
kann, gelang es, die Jugend näher an die Politik heranzuführen
und die Aufmerksamkeit für politische Themen anzuregen. Auf
lange Sicht ist sie die nachkommende Generation, und dementsprechend haben sich die
Parteien derer angenommen.
Ein weiterer Grundsatz der
Initiative war auch, die Jugendlichen zur Wahl zu bringen, deren 18. Geburtstag kurz nach
dem Wahltag stattfand. Ihnen
konnte zum ersten Mal das gebührende Mitspracherecht gegeben werden, welches zuvor
vielen verwehrt geblieben war.
Montag, 16. Juni 2008
KONTRA
VON
ALEXANDRA BAJER
Wie die
Alten sungen . . .
E
VON BIRGIT FLIESSER
UND ANJA BERGER
WR. NEUSTADT. Die Parteien waren
sich einig: Die ÖVP sieht „Wählen
ab 16“ positiv, um ein Gleichgewicht zwischen Alt und Jung zu
schaffen. Auch die SPÖ ist dafür,
da Interesse für die Politik gesteigert werden soll. Die Grünen sind
für Wählen mit 16, weil junge
Menschen schon früh mit Entscheidungen konfrontiert würden.
Schüler der 6a des Militärrealgymnasiums wollten von allen im
Parlament vertretenen Parteien
wissen, wie ihre Programme für
die Jugend aussehen. Geantwortet
haben nur FPÖ und BZÖ; von der
ÖVP kam lediglich eine Bestätigung, dass die Mail gelesen wurde.
Die FPÖ sieht Wählen mit 16
positiv: „Wir sind der Meinung,
dass mit 16 Jahren ein grundlegendes politisches Verständnis bei
den Jugendlichen vorhanden ist
und dieses Interesse an Politik
durch ein Wählen mit 16 noch verstärkt wird“, lautet ein Statement
des Büros H. C. Strache. Der Bundesobmann des BZÖ, Robert
Stark, stellt ein Konzept der Partei
vor, um die Jugend für die Politik
zu interessieren: „Ein Grundpfeiler
war die Zustimmung für die Sen-
kung des Wahlalters. Das BZÖ hat
somit zugestimmt!“
Bei einer Umfrage am Wiener
Neustädter Hauptplatz wurden
120 Jugendliche im Alter von 16
bis 18 Jahren zu ihrem Wahlverhalten befragt.
Bei den 16-Jährigen ist die ÖVP
beliebter als die FPÖ. Die SPÖ und
die Grünen kommen nicht an. Bei
den ältesten Gruppen führt die
ÖVP; FPÖ und SPÖ liegen knapp
zusammen. Nur bei den 18-Jährigen stehen die Grünen an zweiter
Stelle. Angeführte Gründe, warum
die Grünen regieren sollten, sind
Die 6A des Militärrealgymnasiums in
Wr. Neustadt gestaltete diese Seite
www.milrg.at
AUF EINEN BLICK
Q Wahlpaket.
Im Juni 2007 führte
das Parlament in einer Reform
unter anderem die Briefwahl und
Wählen mit 16 ein. Durch die
Senkung des Wahlalters wurde der
Wählerkreis um 180.000 Personen
erweitert.
der Umweltschutz und ihre überzeugenden Wahlkampagnen.
Die einwanderungskritische Politik der FPÖ findet bei Jugendlichen besonderen Zuspruch, weil
junge Menschen häufig mit den
Neuerungen um die Zuwanderung
konfrontiert werden.
Die SPÖ wurde wegen der Arbeiterpolitik und der Sozialistischen
Jugend erwähnt: Diese tritt für eine
Gesellschaft ein, in der niemand
wegen Herkunft, Hautfarbe oder
Geschlecht benachteiligt wird.
Die ÖVP-gesinnten Befragten
stimmten für die Partei aufgrund
ihres Einsatzes für die Landwirte
und wegen Niederösterreichs Landeshauptmanns Erwin Pröll, der
die Abfederung der Teuerung unterstützt.
Die Meinung über Wählen mit
16 ist bei den 120 Befragten geteilt.
Die Hälfte der 16-Jährigen ist gegen diese Neuerung, da die Jugend
wenig Information über die Parteien erhält und wenig Interesse besteht. Die anderen möchten die
Chance nutzen, einen ansprechenden Vertreter zu wählen.
Die 17- und 18-Jährigen sind dagegen, dass 16-Jährige wählen dürfen: Sie glauben, dass die 16-Jährigen aus dem Bauch ihre Stimme
abgeben und wenig Ahnung haben.
in großer Nachteil von
Wählen mit 16 ist nicht nur
das fehlende Wissen über die
einzelnen Parteien, sondern
auch ein mangelndes Interesse.
Viele Schulen versuchen deshalb, mit der unverbindlichen
Übung „Politische Bildung“ die
Interessen zu wecken und das
Wissen der Jugendlichen über
Politik zu steigern. Jugendliche
werden oftmals überschätzt
und wissen meistens weniger
über Politik als Erwachsene.
Die Gefahr bei nicht vorhandenem Wissen ist oft, dass sich
16-Jährige leicht manipulieren
lassen. Die meisten Politiker
versuchen somit, möglichst
viele Jugendliche zu bewegen,
das Kreuz an der für sie richtigen Stelle zu machen. Jugendliche in diesem Alter lassen sich
leicht durch ihre Eltern oder
Wahlkampfreden beeinflussen
und kreuzen meistens die von
ihren Eltern gewählte Partei an.
Somit kann das Wahlergebnis
verfälscht werden.
Außerdem ist es für viele
16-Jährige schwer zu wissen,
welchen Politikern sie glauben
dürfen, und wie viel von dem
Gesagten ernst zu nehmen ist.
Es scheint zumindest den Jugendlichen so, dass Politiker
diese Unreife nutzen, um Jugendliche zu manipulieren.
Nicht nur das fehlende Wissen und mangelndes Interesse
sind Gründe gegen Wählen mit
16. In diesem Alter hat man
auch noch keine eigene Meinung und hört auf Freunde
und Familie.
Viele Jugendliche sind für
Wählen mit 16, weil sie mitbestimmen und etwas verändern
wollen. Jedoch beträgt die Anzahl der jugendlichen Wähler
nur zwei Prozent, und manche
Experten sind der Meinung,
dass sich durch die geringe Beteiligung nicht viel ändern
wird.
······························································································································································································································································································································
Bundespräsident Strache?
Wie gut Jugendliche über Politik Bescheid wissen.
VON JOHANNES GINTHÖR
UND THOMAS THALER
WR. NEUSTADT. Das politische Wissen der 16- bis 18-Jährigen wurde
im Raum Wr. Neustadt durch eine
Umfrage auf die Probe gestellt. Die
Militärrealgymnasiasten hatten einige knifflige Fragen über das aktive und passive Wahlrecht sowie
über bekannte Politiker in ihrem
Sortiment. Anfangs waren sie jedoch etwas schockiert. Tatsächlich
gibt es Schüler und Lehrlinge, die
schon wählen dürfen, aber nicht
einmal wissen, wer der Bundespräsident ist, und wie er heißt. Einige hievten FPÖ-Parteichef H. C.
Strache und Niederösterreichs
Landeshauptmann Erwin Pröll so-
gar ins Amt des Bundespräsidenten. Zum Glück waren dies Ausnahmefälle.
Bei der Auswertung der Umfrage stellte sich dann heraus, dass
der Großteil der Jugendlichen
nicht so schlecht über die allgemeine politische Situation in Österreich informiert ist. Markant ist,
dass die Jüngeren besser informiert sind als die Älteren: Die
18-Jährigen schneiden bedeutend
schlechter ab als die 16 bzw. 17
Jahre alten Befragten.
Bestmöglich vorbereitet
Das liegt wohl an dem Fach „Politische Bildung – Wählen mit 16“,
in dem die Jugendlichen bestmöglich auf eine moderne, kritische
und unabhängige Wahl vorbereitet
werden.
Insbesonders die Lehrlinge beklagten, dass ihnen dieses zusätzlich erworbene Wissen fehle. Sie
wären froh, wenn auch sie die
Möglichkeit bekämen, so einfach
gezieltere Informationen über die
Politik zu erhalten.
Die Jugend in Österreich reagiert auf die Herausforderung des
doch sehr niedrigen Wahlalters erfreulich gut, obwohl die 18-Jährigen großteils nicht viel davon halten, dass so junge Menschen bereits wahlberechtigt sind und eine
Rückänderung im Wahlgesetz begrüßen würden.
WUSSTEN SIE, DASS
I Österreich das einzige europäische Land ist, in dem 16-jährige
Jugendliche das Privileg besitzen,
bundesweit auf allen Ebenen wählen zu dürfen?
I in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel Italien,
Großbritannien und Frankreich jeder Staatsbürger für die Wahlberechtigung das Mindestwahlalter
von 18 Jahren vollendet haben
muss?
I weltweit nur in Brasilien, Kuba
und Nicaragua schon mit 16 Jahren gewählt werden darf, hingegen
in Südkorea und auf den Seychellen mit 17 Jahren?
I die soziale Schichtzugehörigkeit
auch bei Jugendlichen die Wahlentscheidung bestimmt?
I es in der Antike schon verschiedene Formen von Wahlen gab,
etwa als Attische Demokratie, die
allerdings Sklaven und andere
Stände nicht einschloss?
I die Integrationspolitik das häufigste Wahlmotiv bei den Jugendlichen ist?
I das aktive Wahlrecht jenes
Recht darstellt, das jeden Bürger
befugt, sich mittels Stimmabgabe
an der Wahl zu beteiligen?
I das passive Wahlrecht angibt,
wer wählbar ist, also wer für ein
Amt kandidieren darf?
I jeder EU-Bürger in Österreich,
aufgrund des Beitritts Österreichs
zur Europäischen Union 1995, das
aktive und passive Wahlrecht auf
Gemeindeebene besitzt?
I Frauen erst seit dem 20. November 1918 wählen dürfen?
Schachern um die Jugend
ÖVP wollte Briefwahl, SPÖ votierte für die Jugend.
VON ELIAM SCHENKER
WR. NEUSTADT. Die Senkung des
Wahlalters wurde schon seit den
80ern diskutiert. In den 90ern
weckte dieses Thema das Interesse
von Teilen aller Parteien. 1999
wurde sie erstmals durch die FPÖ
beantragt, jedoch von der Koalition (ÖVP/SPÖ) abgelehnt.
Die ÖVP war lange Zeit gegen
Wählen mit 16, doch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin
Pröll forderte vor den NÖ-Landtagswahlen vom 9. März 2008 eine
rasche Umsetzung der im Koalitionspakt fixierten Demokratiereform (Wählen mit 16, Briefwahl
u. a.), die auch die Senkung des
Wahlalters vorsah.
Das eigentliche Problem lag darin: Falls die Wahlrechtsreform im
Nationalrat nicht rechtzeitig beschlossen worden wäre, wäre eine
verzögerte Einführung der Briefwahl, für die sich die ÖVP einsetzte, eingetreten. Um der Volkspartei
die Briefwahl zu genehmigen, forderte die SPÖ eine Zustimmung
zu Wählen mit 16.
Lediglich die FPÖ stimmte gegen die Wahlrechtsreform, da sie
in „altgroßkoalitionärem Stil“ entstanden sei: Es handelt sich um
den kleinsten gemeinsamen Nenner von ÖVP und SPÖ. Die SPÖ
bekomme die Senkung des Wahlalters als Geschenk und stimme
im Gegenzug der ÖVP-Forderung
nach Einführung der Briefwahl zu.
Mit 16 gingen sie zur Wahl: [1] Andrea Feuchtenhofer, [2] Thomas
Blaschka, [3] Alexandra Bajer, [4] Marko Platzer, [5] Eliam Schenker, [6] Daniel
Fröschl, [7] Markus Hanisch, [8] Ullrich Benc und [9] Gregor Berthold. [ Fabry ]
PRESSE MACHT SCHULE
Montag, 16. Juni 2008
5
–
Politik zum Selbermachen
EXPERIMENT. Die aktivste Form, an der Politik teilzunehmen, ist, eine Partei zu gründen.
Schülerinnen der HAK St. Pölten haben die Gründung der Partei „eyes 4 future“ simuliert.
kreis erreicht werden, damit ein
Abgeordneter in das Parlament
einziehen darf. Diese Hürde ist
zwar nicht einfach zu nehmen,
dennoch sinnvoll, um eine Zersplitterung des Parlaments in kleine Parteien zu verhindern.
Die nächste Frage für die Redakteure war, was Jugendliche über
die Idee einer Jugendpartei denken, und was sie sich davon erwarten. Aus diesem Grund wurde
eine Umfrage durchgeführt. Die
Mehrheit der Befragten gab an,
dass sie sich mehr Engagement für
Themen wie Umweltschutz, Soziales und Tierschutz wünscht. Auf
Grund
dieses
Ergebnisses
beschloss man, die Wahlwerbung
vor allem auf diese Bereiche zu
konzentrieren.
ST. PÖLTEN. „Jugendliche haben absolut kein Interesse an der Politik!“
Diese und ähnliche Aussagen bekam man in letzter Zeit häufig zu
hören. Doch wie groß ist der
Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen wirklich? Bei einer Umfrage in der Handelsakademie
St. Pölten im April 2008 haben 80
Prozent großes Interesse an Politik
geäußert. Eine zentrale Frage
scheint jedoch immer wieder auf:
„Wie kann man als Jugendlicher in
der Politik mitmischen?“ Auf dieses Problem gingen die Redakteurinnen des „Wood Street Journals“,
der Schülerzeitung der BHAK
St. Pölten, genauer ein und kamen
zu folgender Idee: Sie gründeten
eine eigene Partei.
Erste Schritte zur eigenen Partei
Wie so oft war der Entschluss
schnell gefasst, für die praktische
Umsetzung fehlte jedoch noch das
theoretische Wissen. Die nötigen
Informationen kamen – nicht
überraschend – vom besten
Freund des Schülers, dem Internet. Doch auch dieses ist nicht allwissend, und so mussten die
Redakteurinnen feststellen, dass
man auch einige Informationen
vom Bundesministerium für Inneres benötigt.
Dort erfuhren sie dann, dass
sich die rechtlichen Grundlagen
für Parteien im Parteiengesetz von
1975 und dem Vereinsgesetz finden. Das Parteiengesetz gibt Auskunft über Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung von Parteien. Eine Partei benötigt eine
Satzung, die in einer periodischen
Druckschrift veröffentlicht und
beim Innenministerium hinterlegt
werden muss. Dadurch erlangt die
Partei eine eigene Rechtspersönlichkeit. In der Satzung werden die
Ziele, die Organe und die Außenvertretung der Partei und die
Rechte und Pflichten der Mitglieder festgelegt. „Das klingt ja eigentlich relativ einfach!“, dachte
man sich und setzte durch das
Ausformulieren einer Satzung den
ersten Schritt zur eigenen Partei.
Nach der Bewältigung dieser
Aufgabe kam der nächste Schritt:
Gebühren von rund 60 Euro waren
noch notwendig, um den Traum
einer eigenen Partei zur Realität
werden zu lassen.
Nach intensiven Überlegungen
über den Parteinamen einigte
man sich auf „eyes 4 future“. Dieser Name deutet auf das Ziel der
Partei hin, nämlich in Zukunft die
Interessen der Jugend verstärkt in
der Politik zu berücksichtigen.
Das Ziel ist hochgesteckt
Bei einer Nationalratswahl müssen 320.000 Stimmen oder die absolute Mehrheit in einem Wahl-
Wer soll das alles bezahlen?
Mit offenen Augen in die Zukunft: Wahlplakat der Jugendpartei der BHAK St. Pölten. 250 Schüler wurden nach ihrer Meinung dazu befragt.
[ Montage: Madeleine Kern ]
Wahlwerbung kostet viel Geld, für
eine Partei ist sie lebensnotwendig. Politische Parteien finanzieren
sich durch Beiträge ihrer Mitglieder, Spenden und Zuschüsse aus
dem Budget. Dies stellt natürlich
gerade für eine Jugendpartei ein
großes Problem dar, denn die potenziellen Wähler und Mitglieder
verfügen in der Regel nicht über
die erforderlichen Mittel. Denn
um mit finanzieller Unterstützung
vom Bund rechnen zu können,
muss die Partei den Einzug ins
Parlament schaffen. Sonst gibt es
nur noch für Parteien, die bei der
Nationalratswahl mindestens ein
Prozent der Stimmen erreicht haben, einen Zuschuss zu den Wahlkampfkosten. Dadurch soll die
Parteienvielfalt in Österreich gefördert werden.
Schritte in die richtige Richtung
DAS PROJEKT „EYES 4 FUTURE“
Q Sieben
Schülerinnen der BHAK
St. Pölten haben zu Studienzwecken die Jugendpartei „eyes 4
future“ ins Leben gerufen, um zu
zeigen, wie politische
Mitbestimmung in einer Demokratie
möglich ist.
Q Das
Q Die
Beratung bei der Ausarbeitung von
Bundesgesetzen, Abstimmen
bei Gesetzesvorschlägen,
Budgetbewilligung, „Lobbying“ für
die Anliegen der eigenen Partei
betreiben, Kontrolle der Bundesregierung.
wichtigsten Informationen
wurden dem Vereins- und Parteigesetz entnommen und vom Innenministerium erfragt.
theoretische Ziel war, in den
Nationalrat gewählt zu werden. Die
Aufgaben eines Nationalratsabgeordneten sind:
Zwar existiert jedoch noch keine
spezielle Jugendpartei, doch gibt
es bereits viele Jugendfraktionen
der einzelnen Parteien. Entgegen
der Annahme, dass die Mitglieder
dieser Jugendgruppierungen kein
Mitspracherecht haben und somit
nichts bewirken können, gibt es
einige Erfolge, die diese Behauptung widerlegen. Weiters ist die
Unabhängigkeit von der Großpartei ein wichtiger Schritt zur Eigenständigkeit.
Im Laufe der Nachforschungen
entdeckten die Schülerinnen aus
St. Pölten, dass auch eine kleine
Partei trotz weniger Stimmen viel
in der Politik bewirken kann.
Denn die Opposition kann auf die
Regierung einen derart hohen
Druck ausüben, sodass sie auch
ihre Anliegen in die Politik miteinfließen lassen können.
Auf eine Partei wie „eyes 4 future“ müssen die Jugendlichen in
Österreich noch warten – oder sie
werden initiativ und nehmen die
eigene Zukunft selbst in die Hand.
MEINUNG
SARAH
GUGERELL
Es ging uns
schlechter
W
arum wird ständig über
das Desinteresse der Jugend an der Politik geklagt?
Sind sie am politischen Geschehen wirklich nicht interessiert? Diese Frage sollte nicht
nur an Jugendliche gerichtet
werden. Auch bei Erwachsenen
findet man oft ein beträchtliches Defizit an politischem
Wissen. Sie gehen zwar wählen,
sind aber häufig absolut ahnungslos, wenn sie zum Beispiel nach dem Namen eines
Ministers oder nach den Aufgaben der Abgeordneten des Nationalrates gefragt werden. Natürlich gibt es auch bei den Jugendlichen „schwarze Schafe“,
aber wo gibt es die nicht?!
Warum soll man überhaupt
wählen, und weshalb sollte gerade eine einzelne Stimme etwas verändern? Jeder, der nicht
wählt, lässt andere für ihn bestimmen. Keine Partei kann
ohne Stimmen überleben, um
die Anliegen ihrer Sympathisanten zu vertreten.
Alle Wahlberechtigten sollten deshalb von ihrem demokratischen
Wahlrecht
Gebrauch machen. Denn Wählen
ist kein selbstverständliches
Privileg. Im Gegenteil, es hat
Jahrhunderte gedauert, bis sich
in der Monarchie die Demokratie und somit das, zuerst nur
für Männer gültige, Wahlrecht
durchsetzen konnte. Die Frauen hingegen mussten für ihr
Mitbestimmungsrecht
noch
ein Jahrzehnt kämpfen.
A
bgesehen davon ist die persönliche Lebensweise in
demokratischen Ländern wesentlich freier und offener als in
Ländern mit autoritären Regimen. Aus aktuellem Anlass wird
das in Staaten wie Burma, China oder Nordkorea deutlich.
Viele 16-Jährige haben jedoch den Schritt zur Wahlurne
nicht gewagt, weil sie laut eigenen Angaben nicht genügend
über ihr Wahlrecht und die damit verbundene Verantwortung
informiert wurden. Hier gibt es
großen Aufholbedarf an Informationen in den Schulen und
natürlich auch durch die Medien. Letztere sollten vor allem
ihre Reichweite und ihren Einfluss positiv auf den Informationsstand ihrer Zielgruppe
ausnützen.
Allerdings ist politische Bildung auch eine Holschuld, und
Jugendliche sollten sich ihrer
Selbstverantwortlichkeit
bewusst sein.
[email protected]
Diese Seite wurde von
der Schülerzeitungsredaktion des
„Wood Street Journal“
der BHAK St. Pölten
gestaltet.
„Eine Partei, die Rechte und
Interessen der Jugendlichen
vertritt, gibt es noch nicht,
und ich würde diese Idee
unterstützen.“
„Die Partei sollte nur in den
die Jugend betreffenden
Bereichen agieren, für die
restlichen Bereiche gibt es
die derzeitigen Parteien.“
„Ich finde es gut, wenn eine
Partei Jugendthemen
anspricht, denn diese
Themen sind essenziell für
die Zukunft.“
„Ich würde eine Jugendpartei
befürworten, zweifle jedoch
an der Durchsetzungskraft
gegenüber anderen
Parteien.“
Elisabeth Wieland, 16 Jahre
Michael Weinreich, 17 Jahre
Laura Enk, 18 Jahre
Thomas Urbanek, 17 Jahre
Mitgewirkt haben:
Julia Großhagauer,
Sarah Gugerell,
Madeleine Kern,
Gözde Gerdan,
Gizem Gerdan,
Sarah Prchal und
Beate Rieger,
unterstützt durch
MMag. Elisabeth Sterkl.
PRESSE MACHT SCHULE
6
Montag, 16. Juni 2008
Lernen und
Verantwortung
übernehmen
Eine erfolgreiche
Integrationsgeschichte.
VON AZAD ACIKBAS
UND DOMINIK SCHATZ
Mustafa O. war vor 26 Jahren der
einzige Muslim unter 1200 Schülern und Schülerinnen, als er im
Alter von zehn Jahren an ein
Innsbrucker Gymnasium kam.
Sein Vater war, wie viele damalige
Migranten, als Gastarbeiter angeworben worden und deshalb mit
der Familie nach Österreich gezogen. Heute hat Mustafa O. eine
florierende kleine Kette von Lebensmittelsupermärkten. Damit
hat er für sich und seine Familie
eine Existenz geschaffen – eine
Verantwortung, derer er sich
schon in der Schule bewusst war.
So kann Integration funktionieren: Gemeinsam Abenteuer zu erleben, aber auch von- und miteinander zu lernen führt zu besserem Zusammenhalt.
„Kulturen müssen vermischt werden!“
WIR-GEFÜHL. Buddys, Streitschlichter, gemeinsame Abenteuer – das ist ein Anfang.
VON DANIEL KRAKER
UND MARTIN WOLF
Die Schule als Chance
Sein Bildungsweg war eine wichtige Voraussetzung für seinen Erfolg, und zum Thema Integration
in der Schule hat er natürlich
eine Menge zu sagen. „So wie
zum Streiten mehr als eine Person gehört, gehören auch zur Integration mehr als eine Person.
Die eine Person muss sich integrieren wollen, und die andere
offen für andere Kulturen sein
und auch ohne Vorurteile dem
anderen helfen“, meint er.
Der Schlüssel zu erfolgreicher
Integration sieht O. in der Sprache. Da kann in der Schule durch
entsprechende Förderung viel
getan werden – aber da geschieht
bei Weitem noch nicht genug.
Auch fände es O. gut, wenn es
mehr Lehrer mit migrantischer
Herkunft gäbe. Allerdings sollte
es seiner Einschätzung nach
nicht mehr als ein Sechstel Migrantenkinder in einer Schulklasse geben, damit es nicht zu Lagerbildungen kommt.
[ S. Riedler, P. Fally ]
K
ulturen müssen vermischt
werden“, sagt Mohammed
Fahad, Betreiber eines Jugendlokals in Innsbruck. Sein Ziel
war es, mit seinem Lokal die verschiedenen Kulturen zusammenzuführen, und das Zusammensein
von „Einheimischen“ und „Ausländern“ funktioniert dort einwandfrei.
Bei uns in der Schule gibt es
Klassen, in denen die muslimischen Schüler so gut integriert
sind, dass sie gar nicht auffallen.
Auch der Direktor sieht in den
Muslimen keine Problemgruppe.
Allerdings muss man bedenken,
dass es nur wenige Muslime bei
uns gibt. Daher sind die Rahmenbedingungen gut, noch dazu, weil
die meisten der Muslime schon
der zweiten Generation in Österreich angehören.
Das heißt aber nicht, dass es
keine Probleme gibt.
Die muslimischen Schüler haben untereinander einen sehr
starken Zusammenhalt. Man sieht
sie immer beieinander stehen.
Beim Buffet, im Hof und vor dem
Eingang. Sie bleiben unter sich,
kein anderer stellt sich dazu. Man
hat das Gefühl, man ist nicht erwünscht. Das wird dadurch verstärkt, dass die Muslime untereinander Türkisch sprechen. Dieses
Verhalten zeigt kein großes Interesse an Integration.
Wenn die Muslime aber einzeln
unterwegs sind, mischen sie sich
unter die Leute, bemühen sich
nicht aufzufallen, sprechen natürlich Deutsch, sind aufgeschlossener und wirken viel sympathischer.
Sonst kommt der große Bruder
Muslimische
Schüler
haben
grundsätzlich ein anderes Freizeitverhalten. Sie gehen in andere Lokale, trinken keinen Alkohol und
gehen auch mit Mädchen anders
um. Das macht ein Miteinander
oft schwierig.
Wenn die Kleinen mit zehn Jahren an unsere Schule kommen,
sind kulturelle Unterschiede noch
nicht sehr ausgeprägt – abgesehen
davon, dass jeder weiß, man darf
muslimische Mädchen nicht ärgern, sonst holen sie ihre großen
Brüder, und das kann schlimm
werden. Im Lauf der Zeit verstärken sich jedoch die Differenzen.
Allerdings liegt darin auch die
Chance gegenzusteuern, z. B.
gleich am Anfang den kleinen
Mädchen beizubringen, dass sie
ihre Probleme selber lösen können.
Wie das geht, vermitteln den
Kindern sogenannte „Buddys“,
das sind ältere Schülerinnen und
Schüler, die sie betreuen und ihnen bei ihren Schwierigkeiten helfen. Außerdem gibt es bei uns das
sogenannte „Soziale Lernen“, bei
manchen Schülern zwar gar nicht
beliebt, wenn man schon wieder
über die Klassengemeinschaft reden muss und gemeinschaftsfördernde Spiele spielt, und das am
Nachmittag, in der Freizeit. Aber
die Mehrheit der Schüler ist überzeugt, dass das über Jahre hinweg
sehr viel bringt.
Wenn es doch einmal zu gröberen Konflikten kommt, vor allem
zwischen Schülern aus verschiedenen Klassen, haben wir noch
Mediatoren – speziell als Streitschlichter ausgebildete Schülerinnen und Schüler.
In unserer Klasse ist eine Methode zu Förderung der Integration besonders beliebt: gemeinsam wegfahren und etwas miteinander unternehmen. Natürlich
kann man auch im Unterricht in
den einzelnen Fächern sehr viel
lernen, für dieses Projekt etwa
über den Einfluss der muslimischen Kultur auf die Entwicklung
des Abendlandes oder die Bedeutung der Türkei für die EU. Wenn
man weg ist von zu Hause, aus
dem Alltag, lernt man den anderen auch ganz anders kennen.
Unsere Befragungen (Interviews
von Klassenvorständen, Fragebögen an alle Klassen) zeigen noch
eine andere Seite: Viele unserer
Muslime schätzen sich zwar als integriert, aber klar benachteiligt
ein. Das heißt, wir sind noch meilenweit von tatsächlicher Akzeptanz und Chancengleichheit entfernt. Wir stehen erst am Anfang.
MEINUNG
zitiert
FLORIAN MEISCHL
UND PAUL FALLY
„Ich sitze neben einem
islamischen Jungen und kann ihn
supergut leiden, er ist mein
Freund. Er ist gar nicht anders
als andere.“
Lehrerinnen
ohne Autorität?
Martin, 11 Jahre
I
ch lasse mir von Ihnen
nichts sagen“, meint ein
muslimischer Schüler zu seiner
Lehrerin. Sie versucht, höflich
ihren Schüler umzustimmen,
dieser zeigt sich aber unbeeindruckt. Mit diesem Problem
müssen weibliche Lehrpersonen zurechtkommen, da manche männliche Muslime Frauen
nicht als Autorität anerkennen.
Ein solches Verhalten mag verständlich sein, weil es auf eine
andere Kultur und eine andere
Einstellung zu Frauen zurückzuführen ist. Aber was tun?
In der Schule sind die Burschen bei uns überwiegend mit
weiblichen Lehrpersonen konfrontiert. Die Lösung kann nur
sein, dass die Schule als Ganzes,
also Lehrerinnen und Lehrer
gemeinsam mit der Direktion,
den Schülern den nötigen Respekt gegenüber weiblichen
Lehrpersonen beibringt. Damit
lernen sie gleichzeitig einen anderen Umgang mit Frauen und
Mädchen insgesamt, was für
ein Leben in Österreich auf jeden Fall nötig ist. Außerdem
kann auch der eine oder andere
nichtmuslimische Macho in so
einer Schulkultur etwas lernen.
Diese Seite wurde von der 6e
des Reithmann-Gymnasiums
in Innsbruck gestaltet. Endredaktion: Azad Acikbas, Caglar
Calayir, Mustafa Duran.
Kopftuch und Integration – vereinbar?
„Viele Leute glauben, dass
muslimische Kinder aus der
Türkei kommen. Aber manche
sind so wie ich in Österreich
geboren und aufgewachsen. Mein
Papa ist Muslim, meine Mama ist
Christin. Ich finde das toll!“
Muslima in Innsbruck – und ihre Bemühungen um Akzeptanz.
Kemal, 11 Jahre
vorsieht. Auch können sie hier
einen Beruf ihrer Wahl ausüben.
Doch vor allem sehen es die Mädchen als Vorteil, dass sie in Österreich in Sicherheit und Freiheit leben können, und dass es ihnen
wirtschaftlich besser geht. Trotzdem möchten sie den Kontakt zu
ihrem Heimatland nicht missen.
Für Muslima hat die Familie einen
sehr hohen Stellenwert, der Zusammenhalt untereinander ist viel
größer, als wir es kennen.
„Manche Kinder können Muslime
nicht gut leiden. Wenn ein paar
streiten, kann es zu
Beschimpfungen kommen. Zum
Beispiel: „Verschwinde, du
blöder Türke!“ Die Türken
schimpfen auf Türkisch zurück,
zum Beispiel: „Esek!“
(bedeutet Esel) oder
„Inek“ (bedeutet Kuh).
Aber eigentlich wollen wir,
dass alle gut miteinander
auskommen.“
VON LIA THALER
UND SANDRA AUSSERLECHNER
Keiner will es wahrnehmen, trotzdem geschieht es jeden Tag: Muslimische Mädchen werden missachtet und gemobbt. Es gibt sogar
dramatische Übergriffe. An einer
Innsbrucker Busstation wurden
eine 15-Jährige und ihre Schwester bedroht. Zwei ältere Mädchen
beschimpften sie als Asoziale und
zogen ein Messer hervor. Nur
durch Glück kamen die beiden
Schwestern ohne Verletzungen
davon. Solche Vorfälle sind gar
nicht so selten. Denn oft stoßen
das andere Aussehen und die andere Kultur auf Inakzeptanz und
lösen Aggression aus.
An unserer Schule ist die Situation nicht so schlimm. Die meisten muslimischen Mädchen werden als „Österreicherinnen“ angesehen. Viele leben schon seit ihrer
Geburt hier und möchten ihr Leben in Österreich verbringen. In
Österreich können sie sich eine
Zukunft aufbauen, die nicht unbedingt einen Mann an ihrer Seite
Ein Teil der Kultur
Für die Familie ist es sehr wichtig,
dass die Mädchen ihren Ruf und
den ihrer Familie nicht schädigen.
Sie dürfen sich nicht zu oft in der
Öffentlichkeit sehen lassen, vor allem nicht mit Männern. Außerdem müssen sie unauffällige Kleidung tragen und oftmals auch ein
Kopftuch.
Doch es gibt auch Eltern, die
ihre Töchter unabhängig von den
strengen religiösen Regeln erziehen und es ihnen ermöglichen,
ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu führen. Trotzdem ent-
scheiden sich manche dieser Mädchen bewusst für das Kopftuch.
Der Hintergrund dafür, dass sie
das Kopftuch tragen, ist, dass die
Mädchen stolz auf ihr Heimatland
und auf den Islam sind.
Doch genau dies macht es ihnen andererseits schwer, sich zu
integrieren und von anderen aufgenommen zu werden. Auch werden sie oftmals wegen ihres anderen
Erscheinungsbildes als
fremd wahrgenommen.
Ein weiterer [ Martin, 11 Jahre ]
Nachteil ist, dass das Kopftuch
hinderlich ist, wie z. B. beim Sport
oder bei einer anderen Tätigkeit,
und die Mädchen können nicht so
gut mit den anderen mitmachen.
In der Schule geht es ganz besonders darum, die muslimischen
Mädchen zu respektieren. Was
zählt, ist die Person und nicht das
Äußere. Ihre Kultur hat gerade
zum Thema Frau, Mann und Familie viel zu bieten, über das es
sich lohnt nachzudenken.
Bedran, 11, und Dario, 10
„Meine Freundin und ich waren
unzertrennlich, aber seit einem
Jahr muss sie ein Kopftuch
tragen. Sie kommt nicht mehr
hinaus zum Spielen, sie darf
auch nicht mehr zum TaekwondoKurs gehen. Ich finde das
schlimm, weil sie keine Freunde
mehr hat, und ich bin traurig, weil
wir nicht mehr spielen können.“
Berfin, 10 Jahre
Montag, 16. Juni 2008
PRESSE MACHT SCHULE
7
Wer braucht schon Religion?
Front gegen Unterricht
UMFRAGE. Schüler, Eltern und Lehrer sind gegen Religionsunterricht.
Fixe Gebetszeiten bisher nur hypothetisches Problem in Schule.
VON THOMAS PETSCHINA, ALEXANDRA
STAUFFER UND ANJA ZALEWSKI
R
eligionsunterricht ist unwichtig. Klingt provokant, ist
aber empirisch belegt – zumindest im kleinen Rahmen. Eine
Umfrage am BG11 Geringergasse
hat ergeben, dass an Religionsunterricht gar kein Interesse besteht.
Das Überraschende daran: Nicht
nur Schüler, sondern auch Lehrer
und Eltern sind dieser Meinung.
Mehr als drei Viertel aller Befragten äußerten sich negativ gegenüber dem Religionsunterricht
(s. Grafik). Sie sind der Meinung,
dass Religion nur auf freiwilliger
Basis als Unterrichtsfach gewählt
werden sollte. Auch 70 Prozent aller befragten Lehrer waren der
Meinung, dass Religion freiwillig
angeboten werden sollte.
Wo liegen nun die Gründe für
derartige Ergebnisse? Sind uns
heutzutage religiöse Inhalte und
Wertevermittlung im Religionsunterricht wirklich egal? Das dann
auch wieder nicht – zumindest
gibt es auf letzteren Punkt eine
deutliche Antwort seitens der Lehrer: Denn obwohl ein Großteil der
Lehrer sich gegen den Religionsunterricht ausspricht, vertreten sie
trotz allem die Meinung, dass unterschiedlichste Werte mit Schülern besprochen werden sollten –
57 Prozent sprachen sich für die
Einführung von Ethikunterricht
als Alternative zum Religionsunterricht aus.
Wichtig für die Umsetzung dieses Vorhabens wäre allerdings eine
professionelle Ausbildung der
Lehrer. Da ein Ethikunterricht zur
Zeit nur im Rahmen eines Schulprojekts umgesetzt werden kann,
müssten Lehrer ihre Ausbildung
zusätzlich zum normalen Unterricht absolvieren. Dabei ergibt
sich eine vielfältige Problematik,
vor allem um die Themen Geld
und Personal wird gestritten.
Klares Votum für Ethikunterricht
In diesem Punkt sind sich die Lehrer auf jeden Fall einig: Ethikunterricht sollte eingeführt werden.
Unsicherer diesbezüglich sind sich
die Eltern. Knapp mehr als die
Hälfte hat sich in der Umfrage für
einen Ethikunterricht ausgesprochen; 46 Prozent waren trotz der
Entscheidung gegen verpflichtenden Religionsunterricht auch der
Meinung, dass kein Ethikunterricht angeboten werden sollte.
Auch die Mehrheit der Schüler
hat sich dieser Meinung angeschlossen – sie wollen weder einen
Religions- noch einen Ethikunterricht. Die totale Ablehnung der
Schüler scheint – zumindest aus
Schülersicht – nachvollziehbar,
denn wer will schon ein zusätzliches Unterrichtsfach haben?
Muslime: Beten in der Klasse?
Der Religionsunterricht – oder
Ethikunterricht als Ersatz – ist allerdings nur ein Aspekt der Problematik rund um Religion und Schule. Im Rahmen der Umfrage wurden Schüler auch befragt, ob sie
sich in ihrer Religionsausübung
durch die Schule eingeschränkt
fühlen. Das Ergebnis: Schüler mit
römisch-katholischem
Glauben
sehen diesbezüglich keine Probleme, allerdings stellen einige Glaubensgemeinschaften strenge Regeln an ihre Angehörigen. Der Islam, beispielsweise, besitzt vorgeschriebene Gebetszeiten (fünf Mal
Beten am Tag). Dies könnte unter
Umständen zu Konflikten bei der
Gebetsausübung führen – es
könnte zu Kollisionen mit der Unterrichtszeit kommen. Wäre es tatsächlich möglich, dass Muslime
im Unterricht ihren Gebetsteppich
ausbreiten, hätte das möglicherweise Folgen für den Unterricht –
und könnte für manche Schüler
und Lehrer eine Überschreitung
der Toleranzgrenze bedeuten.
Aus diesem Grund wäre ein
„Gebetsraum“ eine mögliche Lösung, um einerseits mehr Privatsphäre bei der Ausübung religiöser
Praktiken, als auch einen Ort zum
Zurückziehen zu haben. Jedoch ist
die Umsetzung fraglich, da den
meisten Schulen die Mittel fehlen.
Claudia Valsky, Direktorin des
BG11, ist der Meinung, dass ein
„Meditationsraum“ oder „Ruheraum“ eine passendere Bezeichnung für solch einen Raum wäre,
da es auch Schüler ohne Religionsbekenntnis gibt.
Eine Frage bleibt offen: Würden
Schüler eine solchen Raum nutzen
und zu schätzen wissen? Eine Lösung dazu muss jedenfalls gefunden werden – von den Schulen,
vom Gesetzgeber oder von Gerichten: In Deutschland hat ein Gericht einem Schüler Recht gegeben, der sein Recht auf Religionsausübung in der Schule vor dem
Gesetz eingefordert hat.
Die strengen Gebetsregeln für Muslime sind mit den Unterrichtszeiten an Öster[ Teresa Zötl ]
reichs Schulen oft unvereinbar.
······························································································································································································································································································································
Einfalt statt
Vielfalt: Die ersten
Ansätze
Ethik in der Schule:
2010 als neues Fach
Für friedliches Zusammenleben der Religionen gab es
schon früh Stimmen aus
klerikalen Kreisen.
Mehr Moralerziehung soll für die Jugend angeboten
werden. Schule in Simmering plant Projekt.
N
ikolaus von Kues, ein
christlicher Philosoph und
Theologe des 15. Jahrhunderts schreibt visionär über die
Unterscheidung der wahren und
der falschen Religionen:
„ . . . denn nicht bist Du, der Du
die unbegrenzte Stärke bist, irgendetwas von dem, was Du geschaffen hast noch kann ein Geschöpf einen Gedanken Deiner
Unendlichkeit erfassen, da kein
Verhältnis zwischen dem Begrenzten und dem Unbegrenzten existiert. Du aber, Allmächtiger Gott,
Du kannst Dich, der Du jeglichem
Denken unsichtbar bist, nur auf
diese Weise, in der Du begriffen
werden kannst, und dem Du Dich
zeigen willst, offenbaren. Verbirg’
Dich nicht länger, Herr!
Wenn Du dich dazu herablässt,
werden Schwert, Neid, Hass und
alle weiteren Übel weichen; und
alle werden erkennen, dass es nur
eine Religion geben kann, eine – in
all ihren verschiedenen Formen.“
Nikolaus von Kues schrieb sein
Werk „De pace fidei“ kurz nach
dem Fall von Konstantinopel
(1453). Diese Ansichten bedeuteten eine radikale Umkehr vom damals gängigen Bild von Muslimen
als Kinder des Teufels – „des tuvelis kint“ (Rolandslied, 12. Jh.). Diese Stelle bildete auch die Grundlage für Entstehung und Durchführung dieses Schulprojekts.
I
ch finde es gut und wichtig,
dass dieses Thema diskutiert
wird“, meint Claudia Valsky,
Direktorin des BG11. Religionsfreiheit ist für sie sehr wichtig: „Wenn
Kopftücher aus religiösen Gründen getragen werden, ist das völlig
in Ordnung. Wird das Mädchen allerdings dazu gezwungen empfinde ich es als Einschränkung der
persönlichen Freiheit.“
Nicht nur die Problematik zwischen den verschiedenen Glaubensbekenntnissen spiele eine
Rolle, zur Religionsfreiheit zählt
für sie auch die Entscheidung zum
Atheismus.
Einen Gebetsraum wolle sie als
solchen an ihrer Schule nicht realisieren, da es auch Menschen
gibt, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Als Meditations- oder Ruheraum fände sie
solch einen Ort allerdings wertvoll. Wegen dringendem Platzmangel am BG11 sei er allerdings
vorerst nicht realisierbar.
Direktorin Valsky: „Lieber Ruhe- und
[ Privat ]
Meditations- als Gebetsraum.“
mittelt werden. Es gibt auch Werte
außerhalb von Religionen“, so die
Direktorin. Sie plant bereits, Ethikunterricht als Schulversuch einzuführen. Momentan sei sie damit
beschäftigt, Ausbildungsmöglichkeiten für Lehrer zu finden. Sie ist
optimistisch, den Schulversuch
mit Zustimmung der Schulpartner
im Schuljahr 2010/11 einzuführen.
“Werte außerhalb von Religionen“
Am BG11 wird neben römisch-katholischem und evangelischem
auch islamischer Religionsunterricht angeboten. „Ob ein Religionsunterricht angeboten wird,
ist von der Anzahl an Schülern, die
ihn besuchen wollen, abhängig“,
sagt Valsky. Der Religionsunterricht wird auf jeden Fall beibehalten, einen Ethikunterricht hält sie
allerdings für notwendig. „Es ist
wichtig, dass Schülern Werte ver-
Diese Seite wurde von der 8a-d
(Gruppe Latein) des BG 11 Geringergasse gestaltet. Endredaktion:
Abd El Rahman Abd El Gawad,
Daniel Elsner, Dino Kecanovic,
Thomas Petschina, Martin
Schwengerer, Bernhard Reischl,
Mladen Jolovic, Robert Paulak,
Alexandra Stauffer, Anja Zalewski,
Kurdwin Ayub, Cornelia Banerji.
PRESSE MACHT SCHULE
8
Montag, 16. Juni 2008
MEINUNG
CLAUDIA
JESNER
Teufelskreis
Sprachdefizit
W
enn man in einem beliebigen Gasthaus das Thema „Ausländer“ anschneidet,
bekommt man meistens Ausdrücke wie Schnorrer, Kriminelle, Jobräuber usw. zurückgeworfen. Doch sind das alles nur
Vorurteile?
Die meisten der Ausländer
haben ihr Heimatland unfreiwillig verlassen, entweder weil
Krieg herrschte, oder weil sie in
ihrem Geburtsland keine Zukunft für sich sahen. Es ist wohl
selbstverständlich, dass es für
jene, die den Schritt wagen, in
ein Land zu ziehen, in dem sie
weder Sprache noch Kultur
Nein zu Kopftuchverbot – darüber soll jede Person selbst entscheiden.
[ Bettina Geiersperger ]
„Ich darf im Sommer Bikinis tragen“
VON TERESA WINTER
UND CHRISTINA SCHLICK
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, eine Interviewpartnerin zu
finden, ist es gelungen, einer Muslimin Fragen zu stellen, die sie
anonym beantwortet hat:
Seit wann lebst du in Österreich?
Mit drei Monaten bin ich mit meiner Familie nach Österreich gekommen und im Lungau aufgewachsen.
Ist dir die Ausübung von religiösen
Bräuchen wichtig, und wie ernst
nimmst du es mit deiner Religion?
Mir persönlich ist meine Religion
sehr wichtig. Den Fastenmonat
„Ramadan“ halte ich ein, um das
Leid der Armen zu erkennen. Einmal in meinem Leben möchte ich
eine Pilgerfahrt nach Mekka unternehmen, jedoch nicht nur aus
religiösen Gründen, sondern auch,
weil ich in meinem Leben noch
sehr viel erleben möchte und äußerst reisefreudig bin.
Fühlst du dich benachteiligt oder
gekränkt, weil es im Lungau keine
Moschee gibt?
Im Lungau gibt es einige Gebetsräume für Muslime. Aufgrund der
fehlenden Moschee fühle ich mich
keineswegs benachteiligt, da der
Lungau wenig Einwohner hat und
außerdem nicht genügend Platz
vorhanden ist.
Wie gehen deine andersgläubigen
Freunde damit um, dass du Muslimin bist?
Meine Freunde akzeptieren mei-
INTERVIEW. Eine junge Muslimin über den
Islam und Kleidungsvorschriften: „Menschen
sind Menschen – egal welcher Religion.“
nen Glauben. Es stellte nie ein
Problem für sie dar, dass ich einer
anderen Religion angehöre.
Bist du für ein Kopftuchverbot etwa
in Schulen?
Nein, ich bin für kein Kopftuchverbot, da jede Person für sich
selbst entscheiden und seine eigene Meinung vertreten soll.
Wie unterscheidet sich dein Leben
als Muslimin vom Leben deiner
christlichen Freunde?
Mein Leben als Muslimin unterscheidet sich keineswegs vom Leben anderer österreichischer Mädchen. Der einzige Unterschied besteht in den Feiertagen, außerdem
bin ich zweisprachig in meiner Familie aufgewachsen. Ich muss
mich keinen Kleidungsvorschriften unterordnen; so wie jedes
Mädchen darf ich zum Beispiel im
Sommer einen Bikini tragen.
Fühlst du dich durch religiöse Symbole anderer Religionen als Muslimin angegriffen?
Nein, ich fühle mich nicht im Geringsten von religiösen Symbolen
anderer Religionen angegriffen. Es
ist mir vollkommen egal.
Wie reagierst du auf Äußerungen,
die den Islam diskriminieren – zum
Beispiel politische Werbeplakate
(„Daham statt Islam“)?
Solche Äußerungen finde ich diskriminierend und in der Öffentlichkeit fehl am Platz. Darüber hinaus greifen derartig erniedrigende Aussagen den Islam an und
sind extrem unpassend.
Wurdest du von Fremden aufgrund
deiner Religion schon diskriminiert?
Auf Grund meiner Religion wurde
ich noch nie von jemandem diskriminiert und herabgesetzt. In
der Volksschule war es für meine
damaligen Klassenkameraden ungewohnt, dass ich einer anderen
Religion und Kultur angehöre.
hängt sehr stark von den verschiedenen Kulturen ab und hat keinen
Zusammenhang mit der Religion.
In meinem Umfeld sind Männer
und Frauen gleichberechtigt,
männliche Personen werden auf
keinen Fall bevorzugt.
Würdest du deine Religion wechseln? Warum!
Nein. Ich bin mit meiner Religion
groß geworden und verfüge schon
über einiges an Wissen. Unabhängig von der Religion meiner Eltern
würde ich den muslimischen Glauben beibehalten. Abschließend einige Worte, die zum Nachdenken
anregen sollen: „Menschen sind
Menschen – egal welcher Religion.“
Könntest du dir vorstellen, einen
Andersgläubigen zu heiraten? Was
würden deine Eltern/Verwandten
davon halten?
Ich bevorzuge eher die Heirat mit
einem Muslim, da mir meine Religion wichtig ist und ich dies beibehalten möchte. Meine Eltern
hätten kein Problem mit der Eheschließung mit einem Andersgläubigen, denn es ist meine Entscheidung für das weitere Leben.
Was denkst du über die Stellung der
Frauen im Islam? Fühlst du dich in
bestimmten Bereichen unterdrückt
oder bevorzugt?
Die Stellung der Frau im Islam
Für die Kinder kann es
nichts Schlimmeres geben
als ihre „Ghettos“.
noch Religion verstehen, sehr
schwierig ist, ein neues Leben
zu beginnen.
Es ist verständlich, dass Ausländer in einem fremden Land
Anschluss suchen zu anderen
Familien mit gleichem Schicksal. Auf diese Weise entstehen
leicht „Ghettos“ mit der gesamten benötigten Infrastruktur.
Für die meisten Musliminnen
ist es dann gar nicht mehr nötig, die fremde Sprache, also
Deutsch, zu lernen.
Doch für die Kinder, die später in die deutschsprachigen
Schulen gehen müssen, kann
es nichts Schlimmeres geben
als diese „Ghettos“. Denn wenn
sie nur gebrochenes Deutsch
sprechen können, werden sie
auch den Unterricht nicht verstehen, und dann kommt es
nur allzu oft zu einem Schulabbruch. Das wiederum hat die
Folge, dass manche ausländische Jugendliche keine ausreichende Bildung besitzen, um
einen Beruf zu erlernen. Ergebnis dieses „Teufelskreises“ ist,
dass die Jugendlichen keine
Zukunftsperspektiven
sehen
und in vielen Fällen auf die
schiefe Bahn geraten. Da ihnen
in solchen Fällen der Staat unter die Arme greift, entstehen
wieder unangenehme Gefühle
der Einheimischen gegenüber
den Ausländern.
Trotz all dieser auftretenden
Schwierigkeiten muss uns bewusst sein, dass Muslime in
unserer Gesellschaft nicht nur
eine Belastung, sondern vor allem Menschen sind, die in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für uns alle darstellen.
Der Islam, das unbekannte Wesen
Absage an Kopftuchverbot
Wissenswertes über die zweitgrößte Religionsgemeinschaft der Welt.
Umfrage: Bräuche wichtig für Religionsausübung.
VON JULIA SIEBENHOFER
TAMSWEG. Abgesehen von Vorurteilen ist häufig nicht viel über den Islam bekannt. Der Islam (ca. 1,3 Milliarden Gläubige) ist wie das Christentum eine abrahamitische monotheistische Religion, deren Wurzeln
im ersten Teil der Hebräischen Bibel,
der Tora, zu finden sind. Wie im
Christentum gibt es im Islam verschiedene Richtungen, wie die Sunniten (90%), die Schiiten und kleinere, wie die Aleviten (am meisten
„verwestlicht“).
Übersetzt bedeutet „Islam“: „Unterwerfung unter“ oder „Hingabe an
Gott“. Muslime sind im Angesicht
Gottes Menschen, die selbst verantwortlich sind für ihr Handeln und
die gegen Ungerechtigkeit kämpfen.
Dafür spiegelt Allah („der einzige
Gott“), wie der Name schon sagt,
den Eingottglauben in reinster Form
wider. Allah ist Schöpfer der Welt,
allmächtig, allwissend, allgütig und
allgegenwärtig, der Verzeiher und
Helfer auf Erden. Nach der AufersteDiese Seite wurde
von der 4 b-Klasse
der HAK Tamsweg
gestaltet.
hung der Toten kommen die Menschen (wie im Christentum) in den
Himmel oder in die Hölle.
Ein Buch ist von zentraler Bedeutung für jeden Gläubigen: Im Koran
sind die Prophezeiungen Gottes an
Mohammed aufgeschrieben. Umstritten ist die Scharia, das „Gesetz-
buch“ der Muslime mit Grundrechten des Menschen als Individuum.
Für europäische Begriffe sind diese
Gesetze aber sehr grausam, da das
Prinzip „Aug’ um Aug’, Zahn um
Zahn“ herrscht.
Ein sehr kontroversielles Thema
ist das Verhältnis zwischen den
Geschlechtern. Laut Koran sind
Mann und Frau zwar verschieden,
aber gleichberechtigt. Doch alleine das Brautgeld zeigt, dass die
Frau in dieser Gesellschaft viel weniger wert ist als der Mann. Der
Mann ist eher für die Pflichten
nach außen (Beruf usw.) zuständig, die Frau übernimmt die
Pflichten nach innen (Familie).
Das Schleiergebot für die Frau soll
absolute Keuschheit, Bescheidenheit und das Vermeiden jeglicher
Begierde bei Männern sichern.
TAMSWEG (v.p/m.s.) An der HAK/
HAS Tamsweg wurde von der 4b
HAK eine Umfrage durchgeführt,
bei der die Schüler Fragen über ihren eigenen Glauben und den der
Mitschüler beantworteten. Auf die
Frage, wie wichtig ihnen ihre eigene Religion sei, ergab sich für
Muslime und Christen eine gleichermaßen hohe Bedeutung. Bei
Schülern, die dem Christentum
angehören, kristallisierte sich jedoch im Unterschied zu den Muslimen heraus, dass manchen von
ihnen ihr Glaube wenig bedeutet.
Weiters zeigte sich, dass das
Ausüben von religiösen Bräuchen
für jeden Anhänger seiner Religion
wichtig ist. Allerdings merkt man,
dass diese Prozedur für christliche
Schüler einen nicht so hohen Stellenwert in ihrem Leben hat.
Außerdem fühlen sich beide Religionen nicht von der jeweils anderen Glaubensrichtung angegriffen oder bedroht. Zu einem Kopftuchverbot in Schulen sagte die
überwältigende Mehrheit der
Muslime „Nein“. Von den Christen
war nur eine knappe Mehrheit gegen ein Kopftuchverbot.
Bei der Frage, wie sie dem jeweils anderen Glauben gegenüberstehen, ergaben sich einige
Abweichungen. Die muslimischen
Schüler haben kein Problem mit
Andersgläubigen und sind bereit,
eine andere Religion zu akzeptieren. Viele Christen teilen diese tolerante Sichtweise, doch manche
sind von ungerechtfertigten Vorurteilen geprägt und verlangen von
Muslimen, dass sie sich ihnen anpassen sollen.
PRESSE MACHT SCHULE
Montag, 16. Juni 2008
Gemeinsam gegen Gewalt
FRIENDS 4 YOU. Ein Projekt gegen Mobbing, Vandalismus und Happy-Slapping, das von
Schülern des Piaristengymnasiums Krems erfolgreich durchgeführt wird
9
INTERVIEW
„Gewalt aus
Langeweile und
Überfluss“
Schulexperten im Gespräch
VON C. SCHOBER, V. STIEGER,
F. SWOBODA und V. KLAMMINGER
Die Schulsozialarbeiterin des
Projekts X-Point, einer Anlaufstelle für Jugendliche, Emily Bono, sowie Mag. Ruth Ledwinka,
die Psychologie, Philosophie und
Sport in Krems unterrichtet, stehen der 6GR des Gymnasiums
Piaristengasse Rede und Antwort.
S
eit dem Schuljahr 2005/06
läuft im BG/BRG Piaristengasse unter der Leitung von
Professor Mag. Christian Roher
das schulinterne Projekt „Friends
4 you“. Schülerinnen und Schüler
der Oberstufe betreuen je ein bis
zwei Kinder aus ersten Klassen,
helfen ihnen, sich in der Schule
einzuleben, und üben Vorbildwirkung aus. Sobald Probleme, vor allem in Bezug auf Mobbing, auftreten, setzen sich die „Friends“ mit
aller Kraft ein. An der Schule gab
es schon einige Vorfälle bezüglich
Mobbing und Gewalt, doch seit
diesem Projekt ist das Schulklima
friedlicher und persönlicher.
Was versteht man unter Mobbing, Happy-Slapping und Vandalismus?
I Bei Mobbing handelt es sich um
negative Handlungen gegen eine
bestimmte Person über einen längeren Zeitraum. Die Täter, die
meist aus schwierigen Familienverhältnissen stammen, schikanieren und diskriminieren die Opfer, die oft schwach, ängstlich oder
einfach „anders“ sind. In Extremfällen kommt es zu Gewalt.
I Im Gegensatz dazu werden bei
„Happy Slapping“ (engl. etwa für
„fröhliches Dreinschlagen“) wahllos unbekannte Personen attackiert. Die Tat wird mit einem Mobiltelefon oder einer Videokamera
festgehalten. Experten vermuten,
dass dieses Phänomen auf die zunehmende Gewaltverherrlichung
in Fernsehserien wie Jackass oder
Dirty Sanchez zurückzuführen ist.
Erstmals trat Happy-Slapping in
den 70er Jahren in England auf,
doch erst seit 2004 häufen sich die
Vorfälle und breiten sich auch auf
dem europäischen Festland aus.
I Auch Vandalismus kommt in
Krems oft vor, wobei bewusst
fremdes Eigentum zerstört wird.
Laut Aussage des Direktors des
Piaristengymnasiums, Mag. Johann Sohm, „schaut’s am Bahnhofshäusl besser aus als im Mädchenklo“. Letztes Jahr musste ein
ganzer Gang neu gestrichen werden, dies verursachte Kosten von
ca. 14.000 Euro, erklärt Direktor
Sohm. Mit diesem Geld könnten
drei Klassen mit neuen Möbeln
ausgestattet werden.
Schockierende Ergebnisse
Eine Umfrage an unserer Schule
zu Beginn des zweiten Semesters
im Schuljahr 2007/08, in der alle
rund 650 Schüler befragt wurden,
brachte erschreckende Ergebnisse:
Wie kann es zu Mobbing kommen?
Mag. Ruth Ledwinka: Mobbing hat
seine Ursachen oft in der puren
Langeweile der heutigen Wohlstandsgesellschaft, sowie in der
Zukunfts- und Perspektivelosigkeit der Jugendlichen unterer sozialer Schichten.
Emily Bono: Es gibt meistens einen
kleinen Konflikt, der von Mobbingtätern aufgebauscht wird.
Der eigentliche Streit spielt dann
bald keine Rolle mehr.
Findet sich eine Ursache für Mobbing in gewaltverherrlichenden
Filmen?
Ledwinka: Zum Einen reinigen solche Filme den Charakter, zum
Anderen werden Hemmschwellen überwunden, wodurch es zu
vermehrten Gewaltakten unter
Jugendlichen kommt.
Warum fällt es den Opfern oft so
schwer, Hilfe anzunehmen?
Bono: Viele fühlen sich mitschuldig und suchen den Fehler bei
sich selbst. Ihr Selbstvertrauen ist
stark angeknackst und sie fürchten, alles nur noch schlimmer zu
machen, wenn sie sich an jemanden wenden.
Ledwinka: Manchen Jugendlichen
ist es peinlich, Schwäche zuzugeben. Auf jeden Fall sollte man ihnen helfen, professionelle, psychologische Hilfe anzunehmen.
Happy Slapping – dank dem Schulprojekt „Friends 4 you“ kein Thema mehr. Eine Umfrage am BG/BRG Piaristengasse ergab,
[ Foto: Clemens Fabry ]
dass Gewalt aber trotzdem ein Thema bleibt.
Ganze 85 Prozent der Schüler kennen jemanden, der Mobbing betreibt. Beinahe 70 Prozent geben
an, dass in ihrer Klasse gemobbt
wird. Mehr als die Hälfte behauptet von sich, etwas dagegen zu unternehmen. Die Schüler aus den
unteren Klassen holen sich hauptsächlich Rat bei ihren Eltern, die
Älteren hingegen wenden sich
großteils an Freunde.
Viele Kinder und Jugendliche
haben jedoch oft zu viel Angst davor, sich zu öffnen oder sich jemandem anzuvertrauen. Für diejenigen beinhaltet diese Seite
einen „Erste Hilfe-Kasten“, der Lösungsvorschläge anbietet.
Mobbing erfolgreich vorbeugen zu können, müssen
folgende Warnsignale beachtet
werden: häufiges Fehlen, keine
Freunde, Isolation, Ausgrenzung.
6GR des BG/BRG
Piaristengasse Krems
Betty Baumgartner, K. Brandstetter, Stefan Burischek, L. Feigl, Vali
Klamminger, Isa Lintner, Agnes
Mantler, Christiane Schober, Vicky
Stieger, Fabienne Swoboda, Agnes
Tiefenbacher, Lisa Vogler, Vera
Böck, Jo Brunner, Anna Gattinger,
Paul Gausterer, Beni Heidl, Stefanie
Kandera, Klemens Kremser, Lukas
Moser, Christine Neubauer, Roman
Pichler, Johanna Pozniak, Philip
Schwanzelberger, Lisi Wagner, Eva
Wimmer, Mag. Klaudia Zeller
Die Stadt Krems wirkt dem Vandalismus erfolgreich entgegen
VON CHRISTINE NEUBAUER, EVA-MARIA
WIMMER, STEFANIE KANDERA UND
ELISABETH WAGNER
Q Wenn
KREMS. Die Jugendkoordinatorin
der Stadt Krems, Simone Göls, sowie der Abteilungsinspektor der
Kriminalabteilung der Kremser
Polizei, Leopold Steiner, sind sich
einig, dass Vandalismus meist mit
übermäßigem
Alkoholkonsum
oder sogar Drogenmissbrauch gekoppelt ist. „Jugendliche, die Vandalismus betreiben, kommen
meist aus einem problematischen
Elternhaus, in dem man sich zu
wenig Zeit für die Sprösslinge
nimmt, oder nehmen kann“,
meint der Kriminalpolizist Leopold Steiner.
Verdacht auf Mobbing
besteht, ist es am besten, sich
Unterstützung von Eltern, Lehrern,
Beratungsstellen, etc. zu holen. Im
schlimmsten Fall sollte man auch
therapeutische Hilfe in Anspruch
nehmen.
Projekt „Friends 4 You“
hat das Piaristengymnasium Krems
in Niederösterreich als Hilfe für die
Schüler der ersten Klassen
entwickelt. Seit drei Jahren stehen
ausgewählte Oberstufenschüler
diesen als Bezugspersonen
freiwillig mit Rat und Tat zur Seite.
Durch diese Unterstützung sollen
Konflikte vermieden oder
gemeinsam gelöst werden. Die
Erstklässler sind von ihren
„Friends“ überaus begeistert.
Nicht klagen! Handeln!
Q Damit
auf das Problem
aufmerksam gemacht wird, sollten
Lehrer die Konflikte offenlegen,
indem sie Gelegenheiten für
ehrliche Gespräche anbieten. Dies
kann nur erreicht werden, wenn die
Lehrer Handlungsbereitschaft
zeigen und gegebenenfalls
Schulungen besuchen.
Q Das
gestaltung
VA N D A L I S M U S
HILFE-KASTEN
Q Um
„FRIENDS 4 YOU“
Weiters berichtet er, dass Jugendliche, welche bei Vandalenakten erwischt werden, lange an
Schadens-Wiedergutmachungen
zahlen. So wie ein Lehrling zum
Beispiel, der im Rausch eine mittelalterliche Statue beschädigte
und auch heute noch, zwei Jahre
später, die teure Restauration abzahlt. Gerichtliches Vorgehen gegen jugendliche Täter wird meist
eingestellt, sie kommen oftmals
mit Schadens-Wiedergutmachungen, Verwarnungen und/oder mit
Sozialarbeiten davon.
Zudem werden solche Vergehen
im Strafregister gespeichert und
können von einem zukünftigen
Arbeitgeber eingesehen werden.
Ein Eintrag in ein derartiges Regis-
ter mindert sicherlich die Chancen am Arbeitsmarkt und hinterlässt keinen guten Eindruck.
„Doch meist werden die Täter gar
nicht erwischt“, bedauert Simone
Göls, „ dann müssen die Opfer für
die Schäden aufkommen, auch
wenn es sich nur um umgeworfene Blumentöpfe handelt.“ Mit
Hilfe vermehrter Polizeipatrouillen, Türsteher und mit mehr Security-Personal in Discotheken im
Lokalviertel der Stadt versucht
man die Schäden zu minimieren.
Durch das Handeln der Stadt
Krems gab es in den letzten Jahren, nicht wie in anderen Städten,
immer mehr, sondern eine nach
unten tendierende Zahl an Vandalenakten.
Weshalb hat Vandalismus in letzter Zeit deutlich zugenommen?
Ledwinka: Der Eigentumsbegriff
hat sich massiv verändert. Wir
haben einen Überfluss an Gütern, sodass wir unser Eigentum
und das Eigentum anderer nicht
mehr wertschätzen und somit die
Hemmschwelle zur Zerstörung
gesunken ist.
MEINUNG
KATHI
BRANDSTETTER
UND LISA FEIGL
Gewalt ist
Elternsache
N
ie im Leben hätten wir gedacht, dass auch an unserer Schule massiv gemobbt
wird. Die Umfrageergebnisse
waren schockierend. Nun stellt
sich natürlich die Frage: WAS
und vor allen Dingen WIE
kann man etwas ändern? Denn
es MUSS etwas geschehen. Viel
zu viele schauen tagtäglich
weg, weil sie auch gar nicht
wissen, was zu tun ist. Wir
denken, das heikle Thema
muss früh genug aufs Tapet gebracht werden. Dies sollte sowohl Sache der Schule als auch
der Eltern sein. Der Grundstein
zur Vermeidung von Vandalismus, Mobbing und Gewalt von
Jugendlichen wird zu großen
Teilen schon in der frühen Erziehung gelegt. Den Kindern
muss der Eigentumsbegriff
und die Wertschätzung anderer in der heutigen Zeit besonders intensiv ans Herz gelegt
werden.
PRESSE MACHT SCHULE
10
INTERVIEW
„Leuten fehlt
Zivilcourage“
Strafrichter Helmut Wlasak
spricht über seine
Erfahrungen mit Mobbing.
Die Presse: Was ist der häufigste
Grund für Mobbing?
Helmut Wlasak: Die meisten Mobbingfälle äußern sich im Alltag
durch sexuelle Angriffe und
Stalking. Viele Mordfälle geschehen aus Eifersucht und die Opfer
sind vorwiegend Frauen.
Woran erkennt man als Außenstehender eine Mobbing-Situation,
gibt es typische Erkennungsmerkmale?
Wlasak: Der Täter provoziert
durch lautes, aggressives Anpöbeln, und die Opfer versuchen
sich ihren Freiraum zu schaffen,
oft vergeblich.
Würden Sie als Außenstehender in
ein Mobbing-Gewaltsituation eingreifen?
Wlasak: Ja, ich greife in so eine Situation ein, da ich durch meinen
Beruf ein Gespür für solche Situationen entwickelt habe.
Warum greifen Ihrer Meinung
nach manche Menschen nicht bei
solchen Situationen ein?
Wlasak: Ich denke, manche Leute
besitzen keine Zivilcourage.
Ändert sich das Gewaltverhalten
durch Drogeneinfluss?
Wlasak: Drogen sind Gefühlsverstärker, also werden Jugendliche,
die im Vorhinein schon aggressiv
sind, nach dem Drogenkonsum
noch aggressiver. Drogen verstärken den Grundzustand.
Greifen Jugendliche zu Drogen,
weil sie Mobbingopfer sind?
Wlasak: Aus Erfahrung weiß ich,
dass Jugendliche meist zu Drogen greifen, weil sie überfordert
sind – oder auch einfach nur aus
Langeweile. Viele befinden sich
auch einfach nur im falschen
Freundeskreis, aber in manchen
Fällen kann auch Mobbing ein
Grund sein.
Wie gehen Sie mit Tätern und Täterinnen um?
Wlasak: Man sollte den Täter bewusst darauf ansprechen und
ihm klare Grenzen ziehen.
Denken Sie, dass Eltern Bescheid
wissen, wenn ihre Kinder verbal
und körperlich attackiert werden?
Wlasak: Eltern wissen immer zu
wenig darüber Bescheid. In den
meisten Familien fehlt die Kommunikationsbasis. Die Eltern
sollten versuchen, immer mit ihren Kindern im Gespräch zu bleiben.
Wie sehen Sie die Rolle der LehrerInnen im Zusammenhang mit
Gewalt? Was sollen sie tun?
Wlasak: Lehrer müssen Vorbilder
sein. Sie sollten Krisensituationen erkennen können und nicht
versuchen, diese zu vertuschen.
Der Lehrer sollte niemals Partei
ergreifen, und er muss für beide
Seiten des Konflikts ein offenes
Gehör haben.
Mobbing: „Bis einer stirbt!“
GEWALT. Befragungen unter Schülern bringen aufschlussreiche Ergebnisse.
MURECK. Das Ergebnis war erschütternd: Ein Viertel der im
Rahmen eines Schulprojekts an
der HLW Mureck befragten Schüler gab an, schon einmal körperlich angegriffen worden zu sein.
Wächst da ein soziales Problem in
unseren Schulen heran? Gehört
Mobbing mittlerweile zum Klassen-Alltag?
Um Antworten zu finden, entwickelten wir, der 3. Jahrgang der
HLW Mureck, Fragebögen und
einen Interviewleitfaden zum Thema „Mobbing – Gewalt an Schulen“. Darin stellten wir allgemeine
und persönliche Fragen zum Thema. Die Umfrage wurde an fünf
Schulen durchgeführt.
Was versteht man eigentlich unter dem Begriff „Mobbing“? Mobbing ist eine Form von Gewalt, die
vor allem in Schulen und am Arbeitsplatz vorkommt. Die Bedeutung des Begriffs „Mobbing“ hat
sich in den letzten Jahrzehnten
stark gewandelt. Mobbing bezieht
sich heute auf Verhaltensmuster
und nicht auf eine einzelne Handlung. Es kann verbal durch Beschimpfung, nonverbal (zum Beispiel durch Vorenthalten von Informationen) oder physisch durch
Verprügeln ausgeübt werden.
[ Cornelia Sammer ]
Allein gelassen. Viele Schüler werden Opfer von Mobbing. Dagegen gibt es Mittel – zum Beispiel Zivilcourage.
[ Marlies Breuss ]
Gesundheitliche Schäden
Mobbing hat weitreichende negative Folgen für die Gesundheit und
für die berufliche und private Situation des Opfers. Regelmäßige
feindselige Angriffe rufen negative
Gefühle und starke Verunsicherung bei den Betroffenen hervor,
besonders schlimm sind die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche.
An zwei Projekttagen beschäftigten wir uns intensiv mit diesem
Thema und machten die Umfrage.
Bei der Auswertung der Fragebögen fiel besonders auf, dass Mobbing in jeder Schule und Klasse
vorkommen kann.
Die meisten Schüler sind der
Meinung, dass sie ein gutes Klassenklima haben, aber es gibt doch
ein paar, die sich in ihrer Schule
nicht sicher fühlen und Angst vor
anderen Schülern haben. Mehr als
ein Viertel aller Schüler finden,
dass in ihrer Klasse Gewalt
herrscht. Fast jeder ist schon einmal verspottet, ausgelacht, beschimpft oder beleidigt worden.
Bedenklich ist, dass es in jeder
Klasse einen oder mehrere Schüler
gibt, die gezielt auf ihre Mitschüler
losgehen. Trotz allem haben die
meisten viele Freunde in der Klasse und werden auch nicht von
Freundschaften ausgeschlossen.
die Schüler unbeaufsichtigt sind.
Dann herrscht Chaos in den Klassen, die Schüler und Schülerinnen
beschimpfen sich und lachen einander aus. Auch körperliche Gewalt ist keine Seltenheit mehr.
Diese Seite wurde vom
3. Jahrgang der
HLW Mureck gestaltet.
Alle Schüler sagten, dass jeder von
ihnen schon einmal gemobbt worden sei – dass aber jeder von ihnen auch schon einmal jemanden
gemobbt habe.
Zusätzlich zu den Umfragen in
Schulklassen interviewten wir
Lehrerinnen. Auch sie meinten,
dass Schüler immer häufiger
durch Hänseleien und verbale Gewalt unter Druck gesetzt werden.
Körperliche Gewalt nimmt zu
Es gibt auch Schüler und Schülerinnen, die oft gehänselt werden.
Die Schüler einer Hauptschule
meinten im Interview, dass es
Mobbing jeden Tag in ihrer Schule
gibt, meistens in den Pausen, wo
Am schlimmsten sei es in den ersten und zweiten Klassen, da sich
die Schüler hier in einer neuen
Umgebung befinden und von neuen Leuten umgeben sind. Auch
nehme körperliche Gewalt an der
Schule zu.
Konsequenzen ziehen die Lehrerinnen und Lehrer, indem sie
mit den einzelnen Schülern oder
mit der ganzen Klasse über das
Problem reden. Wenn dies nicht
hilft, wird auch die Schulpsychologin eingeschaltet.
Dass Mobbing ein wichtiges
Thema ist, zeigt die Antwort eines
12-jährigen Hauptschülers. Auf die
Frage, wie weit Mobbing gehen
kann, sagte er: „Bis einer stirbt“.
·····························································································································································································································································
Mobbing im Kindergarten?
Experten sprechen von einem neuen Begriff für ein altes Phänomen.
MURECK. „Mobbing“ wird in letzter
Zeit immer öfter zum Thema gemacht. Ob nun am Arbeitsplatz, in
Schulen, sogar in Kindergärten: Jeder spricht darüber. Doch wie
steht es wirklich um Mobbing in
südsteirischen Schulen? Um diese
und andere Fragen zu beantworten, sind vier Schülerinnen (Madeleine Wutte, Michaela Thierschädl, Manuela Bolha und Monika Hütter) bis zu den Wurzeln
gegangen und haben Kindergartenpädagoginnen der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik
und eine Lehrerin der Höheren
Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Mureck interviewt.
„Mobbing“ hieß früher „Hänseln“
Richter Helmut Wlasak
Montag, 16. Juni 2008
Die Pädagoginnen, die zwischen
zwölf und fünfundzwanzig Jahren
Berufserfahrung haben, erklärten
im Interview, dass Mobbing für sie
ein „neuer Begriff für ein altes
Phänomen“ sei. Mobbing hieß früher Hänseln oder sekkieren. Sie
sind der Meinung, dass „Mobbing“ bei Kindergartenkindern
noch kein relevantes Verhaltensmuster sei. Bei älteren Kindern
sieht es da schon anders aus: In
Schulen wird des Öfteren Bekanntschaft mit Mobbing gemacht. Diesbezüglich wurde deutlich, dass Buben eher zu körperlicher, Mädchen eher zu verbaler
Gewalt neigen. Als Mobbing kann
aber auch schon bezeichnet werden, wenn ein Kind oder eine
Gruppe bewusst über längere Zeit
andere Kinder diskriminiert.
Gewalt nimmt nicht zu
Was kann man dagegen tun? Einhellig meinen die Pädagoginnen,
dass kein universelles Mittel dagegen existiert, dass aber durch erhöhte Aufmerksamkeit für Mobbing-Phänomene und eine genaue
und sensible Beobachtung seiner
Umwelt viel Leid verhindert werden könnte.
Generell ist hervorzuheben,
dass von den Pädagoginnen in
den letzten Jahren kein Anstieg
von Gewalt festgestellt werden
konnte. Auch Kinder aus anderen
Nationen oder Kinder mit einem
anderen Religionsbekenntnis werden in die Gruppen einbezogen
und sind nicht benachteiligt.
ZIVILCOURAGE: TIPPS
I Konkrete Hilfe suchen: Sprechen Sie Leute gezielt an, sagen
Sie, dass sie Ihnen helfen sollen.
I Telefonischer Notruf: Nennen
Sie Ihren vollständigen Namen,
wo was passiert ist, von wo aus Sie
anrufen und warten Sie auf weitere Fragen.
I Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und entspannt, vermeiden Sie
schnelle Bewegungen.
I Solidarität: Bauen Sie Blickkontakt mit dem Opfer auf.
I Gespräch suchen: Suchen Sie
das Gespräch mit dem Täter und
sehen Sie ihn mit festem Blick an.
I Nicht drohen oder beleidigen:
Kritisieren Sie das Verhalten des
Täters, ohne ihn anzugreifen.
I Kein Körperkontakt: Fassen Sie
den Täter nicht an.
I Kreatives Handeln: Kann die Situation entscheidend beeinflussen.
I Zeugen: Prägen Sie sich Merkmale des Täters ein und stellen Sie
sich als Zeuge zur Verfügung.
www.eingreifen.de
BUCHTIPP
Spirale der Gewalt
Für junge Leute, die sich näher
mit dem Thema „Mobbing in der
Schule“ beschäftigen möchten,
empfehlen wir ein Jugendbuch.
„Teufelshände“ von Heide Boonen
zeigt, was für schreckliche Folgen
Mobbing in der Schule für Schüler
und Schülerinnen haben kann.
Manon kommt in eine neue
Schule. Von Anfang an wird sie
von ihren Mitschülern und Mitschülerinnen nicht akzeptiert und
schließlich gemobbt.
Sie wird von den Schulkollegen
gequält und verprügelt. Und keiner hat den Mut, ihr zu helfen.
Manon wehrt sich und schlägt
eine Mitschülerin zusammen.
Werden nun die Täter noch brutaler? Ist es eine Lösung, Gewalt mit
Gegengewalt zu beantworten?
Teufelshände.
Heide Boonen
Carlsen
128 Seiten
€ 6,70
Montag, 16. Juni 2008
PRESSE MACHT SCHULE
11
„Ich bin
misstrauischer
geworden“
„HAPPY SLAPPING“. Ein Opfer packt aus – wie
es mit den Folgen einer Attacke lebt.
WIEN. Es kann überall geschehen,
auch Du könntest der Nächste
sein: Gewalt, Misshandlung, das
Ganze dann aufnehmen und ins
Internet stellen – verniedlichend
wird dieses relativ neue Phänomen „Happy Slapping“ genannt.
„Happy“ ist dabei allerdings gar
nichts, cool genauso wenig. Es ist
ein Verbrechen, das tiefe Narben
bei den Opfern hinterlässt, sowohl
sichtbare als auch unsichtbare.
Narben, die erst nach langer
Zeit verheilen. Wenn überhaupt.
Diese Seite wurde von
der 7 B und 7 C des Parhamergymnasiums
Wien gestaltet. MitarbeiterInnen: Tina
Antony, Jenni Entrich,
Marko Ikic, Denis Malachowski, Fiona Matzka,
Bahar Özcicek, Sophie
Reitbrecht, Tim Schön,
Teresa Schukert, Sandra
Vögler, Maja Vukoja.
Davon legt ein exklusives Interview Zeugnis ab, das das Redaktionsteam „Parhamerplatz“ geführt hat. Hier packt ein Opfer
aus.
Unsere 15-jährige Gesprächspartnerin will anonym bleiben, ist
aber bereit, ihr Schweigen zu brechen. Mit ihrem Mut, an die Öffentlichkeit zu treten, will sie Jugendliche dazu bringen, nicht
mehr mitzumachen. Das Mädchen berichtet von einem Vorfall
im vergangenen Jahr. Auch heute,
ein Jahr später, ist sie immer noch
eingeschüchtert, kann kaum noch
Vertrauen zu anderen aufbauen.
Warst du schon einmal „Happy
Slapping“-Opfer?
Ja war ich, aber ich versuche es zu
verdrängen.
Wie kam es zu dem Vorfall?
Ich war auf einer Party und einige
Leute haben mich in einer unangenehmen Situation gefilmt. Als
ich dies bemerkte, hab ich sie darum gebeten, das Video gleich zu
löschen, und es nicht ins Internet
zu stellen. Sie haben es jedoch
nicht gelöscht.
Ist das Video aus dem Netz genommen worden?
Ja, nachdem wir mit der Vertrauensperson geredet haben und sie
gesagt hat, dass sie das Video löschen müssen.
Hast du dann etwas unternommen?
Eigentlich wollte ich es allein regeln, aber ich bemerkte, dass es
nicht ging. Also suchte ich mir Hilfe. Mir fielen die Peer-Mediatoren
ein. Zugleich aber auch eine Professorin, zu der ich ein gutes Verhältnis habe und der ich vertrauen
kann.
Wie hast du dich währenddessen
gefühlt, wie unmittelbar danach
und wie, als du erfahren hast, dass
das Video ins Netz gestellt wurde?
Ich hatte zuerst Angst, weil ich
verwirrt war und nicht gewusst
habe, was ich machen soll. Ich war
aber auch sehr sauer, weil ich das
von diesen Personen nicht erwartet hätte. Besonders, dass sie mir
so etwas antun könnten.
Hat sich die Situation nach dem
Vorfall wieder gebessert? Wie verhalten sich deine Mitschüler/innen dir
gegenüber bzw. du ihnen gegenüber?
Naja , . . Ich gehe bei den Leuten,
die beteiligt waren, eher auf Distanz, weil mir klar wurde, wie sie
sind.
Sie tun so, als ob nie etwas gewesen
wäre?
Zuschlagen und Uploaden – „Happy Slapping“ wird häufiger und hinterlässt oft auf Jahre Spuren bei den Opfern.
Unsere Freundschaft wie vorher
ist für mich nicht mehr möglich,
da ich nicht mehr vertrauen kann.
Wie geht es dir jetzt?
Ja, ich hab versucht, es zu verdrängen und versuche nicht mehr, darüber nachzudenken.
AUF EINEN BLICK
Q „Happy
Slapping“: Was steckt
hinter diesem Phänomen, das
mehr und mehr um sich greift?
Schüler des Gymnasiums
Parhamerplatz in Wien-Hernals
lassen hier ein Opfer zu Wort
kommen – und beleuchten: Was
denkt dieses Opfer, wie sieht sie
die Täter? Welche rechtlichen
sowie psychologischen Folgen hat
eine derartige Attacke. Und: Was
rät sie anderen Opfern.
Hat sich dein Verhalten in der Klasse gegenüber allen anderen geändert?
Ich bin vorsichtiger und auch
misstrauischer bei der Auswahl
meines Freundeskreises geworden.
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Was würdest du anderen „Happy
Slapping“-Opfern raten ?
Ich rate ihnen, dass sie aus dem
Erlebten kein Geheimnis machen,
und sich jemandem anvertrauen
sollen.
Was wörtlich übersetzt
„fröhliches Schlagen“ heißt,
hat gravierende Folgen – für
Opfer ebenso wie für Täter.
Kennst du noch andere Stellen, an
die du dich in solchen Situationen
wenden kannst?
Vertrauenspersonen, Peer-Mediatoren, „Rat auf Draht“. Sonst kenne ich niemanden – das Thema
wird ja nicht so oft angesprochen
und erscheint auch in den Medien
nicht so oft.
Dankeschön für dieses Interview.
Bitte.
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Es mangelt an Selbstwertgefühl
Welche Folgen eine „Happy Slapping“-Attacke für Täter und Opfer hat.
Eine Umfrage am Parhamerplatz
in den sechsten, siebten und achten Klassen hat ergeben, dass 16
Prozent aller befragten Schüler
mindestens einmal bereits Opfer
einer „Happy Slapping“-Attacke
geworden sind. Ganze 49,30% der
Befragten wissen über dieses Phänomen Bescheid.
Die meisten dokumentierten
Fälle tragen sich auf der Straße zu
– mehr als ein Drittel, exakt 37,10
Prozent. Wegschauen ist dabei
nicht an der Tagesordnung: Die
Zahl der Zeugen, die Hilfe holen,
ist mit 64,24% hoch. Allerdings
zeigt die Befragung auch, dass jeder Achte (genau 12,1 Prozent) zugibt, sich „Happy Slapping“-Videos
im Internet angeschaut oder sie
sogar weitergeschickt zu haben.
WIEN. Die Täter von Gewalttaten
wie „Happy Slapping“ sehen in der
Weitergabe von gewalttätigen oder
pornografischen Videos häufig
„nur“ eine „visualisierte“ Mutprobe. Jugendliche können aber dabei
Straftaten mit beträchtlichen Folgen begehen.
Eine solche Attacke stellt eine
Straftat nach dem Strafgesetzbuch
dar, wie dies etwa auch Raub oder
Körperverletzung sind. Strafbar
macht sich auch, wer eine solche
Handlung fotografiert oder filmt
und anschließend das Material
anderen ohne Einwilligung des
Abgebildeten zugänglich macht.
Außerdem kann nicht nur der aktive Täter, sondern auch die filmende Person bestraft werden.
Der Besitz allein ist nicht strafbar,
jedoch dürfen diese Videos nicht
verbreitet werden.
Bis zu einem Jahr Haft
Strafmündigen Personen – also Jugendlichen, die älter als 14 sind –
drohen auch Freiheitsstrafen, die
mehrere Wochen dauern können.
Das Urteil kann auch auf gemeinnützige Arbeit und Anti-Gewalt-
Training lauten. Bei Erwachsenen
reichen die Freiheitsstrafen bis zu
einem Jahr.
In der Praxis stellt sich dann allerdings auch die Frage, ob Freiheitsstrafen bei Jugendlichen pädagogisch sinnvoll sind. Und der
Ausschluss aus dem Unterricht
wird einem „Happy-Slapper“ wohl
eher wenig ausmachen.
Auch die psychologischen Hintergründe von „Happy Slapping“
sind zu beachten. Jene die sich
einer „Happy Slapping“-Attacke
schuldig machen oder daran mitwirken, weisen in den meisten Fällen mangelndes Selbstwertgefühl
auf. Sie sind nicht in der Lage, mit
ihren Gefühlen und Bedürfnissen
umzugehen oder diese anderen
gegenüber auszudrücken.
Macht und Kontrolle
Die Peer-Mediatoren sind eine Gruppe
von Schülern am GRG Parhamerplatz,
die dafür ausgebildet ist, Mitschülern in
kleineren oder größeren Konflikten beizustehen und ihnen bei der Erarbeitung
von Lösungen zu helfen. Eine weitere
Aufgabe ist die Prävention, größeren
zwischenmenschlichen Problemen vorzubeugen. Dazu werden in einzelnen
Klassen immer wieder Stunden mit sozialem Lernen gestaltet.
[ GRG 17 ]
Weil sie in den Gruppen von
Gleichaltrigen häufig kein Ansehen erlangen, scheint ihnen der
einzige Weg, Selbstvertrauen und
Anerkennung nur durch Gewaltaktionen zu erreichen. Deshalb ist
das Ziel von „Happy Slapping“
nicht der körperliche Angriff, sondern vielmehr das Demütigen des
Opfers, das häufig aus dem sozialen Umfeld der Täter stammt. Im
Internet demütigen sie die Opfer
ein weiteres Mal und bleiben dabei anonym – dies verschafft ihnen ein Gefühl von Macht und
Kontrolle.
Zivilcourage: Die
Entscheidung fällt
erst im Ernstfall
WIEN. Bei „Happy Slapping“
(= fröhliches Schlagen) ist gar
nichts fröhlich: Es ist eine gezielte,
gewalttätige Attacke auf unbeteiligte Menschen.
Meist werden die Opfer zufällig
ausgewählt. Der Übergriff findet
unerwartet statt und meist an
nicht belebten Schauplätzen. Die
Opfer werden psychisch, häufig
auch körperlich attackiert. Diese
Szenen werden vor allem mit Handys, seltener mit Videokameras
gefilmt. Die Täter verschwinden
nach ihren Anschlägen und überlassen ihre verstörten, häufig auch
schwer verletzten Opfer allein ihrem Schicksal. Danach werden die
Filme ins Internet gestellt oder mit
Handys verbreitet.
Sowohl das Empfangen, Weiterleiten wie auch das Beobachten von
„Dreharbeiten“ kann Folgen nach
sich ziehen (siehe nebenstehenden
Artikel). Nicht das Opfer hat Grund
sich zu schämen, sondern die Täter.
Wenn uns der Mut verlässt
Im Mittelpunkt steht dabei auch,
wie wir – Mitschüler, die Augenzeugen werden – mit solchen Situationen umgehen. Es mag vielleicht bequemer sein, einfach weg
zu schauen – aber das ist nicht der
richtige Weg.
Manchmal überlegt man sich
im Vorhinein, wie man beim Beobachten einer solchen Tat reagieren könnte. Doch ob man dann
tatsächlich so handelt, entscheidet
sich erst im Ernstfall. Vor Eintreten
einer konkreten Situation ist Zivilcourage für uns etwas Selbstverständliches. In der Realität verlässt
uns dann leicht der Mut und man
schafft es nicht, nach seinen Prinzipien zu handeln – es erscheint
einfacher, weg zu schauen.
Lustig ist das genauso wenig wie
das „fröhliche Schlagen“ – am wenigsten für jene, die zu Opfern der
Attacke werden.