250 Quadratmeter misst die Fassade des Kunstzentrums Pierre
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250 Quadratmeter misst die Fassade des Kunstzentrums Pierre
R U LT KU Foto Rainer Sohlbank 250 Quadratmeter misst die Fassade des Kunstzentrums Pierre Arnaud in Lens bei Crans-Montana. Sie besteht aus gläsernen Solarpanels. 58 ORT DER R EFL EXION Die Glasfassade spiegelt See und Berge – und liefert gleichzeitig Energie. Spiegeln und stärken sollen auch die Ausstellungen in der Fondation Pierre Arnaud in Lens. Text: Monique 59 Ryser KU LT U R P erlen wachsen unsichtbar in den Muscheln der Austern. Erst wenn man die harte Schale au!richt, kommen diese Wunderwerke der Natur zum Vorschein. Ein bisschen ähnlich ist es mit dem Kunstzentrum der Fondation Pierre Arnaud in Lens. Von der kurvigen Strasse aus, die von Sion nach Crans-Montana führt, verdeckt ein Dachgarten mit einer leichten Neigung zur Strasse hin das aussergewöhnliche Gebäude. Wer würde hier, im kleinen Dorf Lens, ein Kunstmuseum von internationalem Ruf vermuten? Zu verdanken hat die 4000-Seelen-Gemeinde das Museum dem Franzosen Pierre Arnaud (1922–1996). Er wurde in Südfrankreich geboren, war während des Zweiten Weltkriegs Kämpfer der Résistance und verbrachte einen grossen Teil seines Lebens in Marokko, wo er sein Geld mit dem Verkauf von Schiffen machte. Als Bergsteiger entdeckte er das Wallis und verliebte sich in die Region. In Crans-Montana erwarb er ein kleines Chalet, erwarb weitere Parzellen und baute für sich und seine Familie ein Wohnhaus. In die Schweiz übersiedelt, gelang ihm eine Erfolgsstory mit dem Fotolabo Club, einer Firma, die er an Valora verkau#e. Seine Tochter Sylvie und sein Schwiegersohn Daniel Salzmann waren es, die 2007 in seinem Namen eine Sti#ung gründeten, die 2013 zum Kunstzentrum Lens führte. «Mein Schwiegervater war ein Mann von grosser Einfachheit, sehr bescheiden, der ein Leben lang viel ge- arbeitet hat. Er liebte die klassische Musik und liebte die Malerei: Für ihn waren die Bilder, die er gesammelt hat, emotional wertvoll. Er liebte sie und fragte nicht nach deren Wert.» In der Sammlung, die von Sylvie und Daniel Salzmann weitergeführt wurde, befinden sich vor allem Bilder, die das Wallis und die Schweiz, die Landscha#en und Bewohner, in einer teilweise idealistischen Schönheit darstellen. Vertreten sind neben eher unbekannten Malern auch Künstler wie Cuno Amiet und Félix Vallo$on. Mit der Sti#ung Pierre Arnaud und dem Kunstzentrum strebt das Ehepaar Salzmann vor allem eines an. «Wir wollen mit Hilfe der Kunst den Dialog zwischen den Kulturen fördern», so Daniel Salzmann. «Dieser Dialog soll zum Nachdenken anregen sowie das Lokale und Regionale in Zusammenhang mit der Universalität der Menschen stellen.» Das Wallis sei prädestiniert für diese Symbiose, so der studierte Arzt und heutige Geschä#smann und Investor: «Das Wallis ist tief in seinen Traditionen verwurzelt, und gleichzeitig kommen seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Gäste aus der ganzen Welt hierher und haben zur Entwicklung und zum Wallis, wie es heute ist, beigetragen.» Auf zwei Ebenen und einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern kuratiert die Sti#ung pro Jahr mehrere Ausstellungen. Bis im Oktober waren unter dem Titel «Weisser Mann – Schwarzer Mann» Werke von weissen und schwarzen 60 Fotos HO «Das Wallis ist prädestiniert für die Symbiose zwischen Tradition und Wandel» 1 2 1 Carl Gustav Carus’ «Vision d’une ville imaginaire» ist eines der Ikonenbilder der Ausstellung «Romantik». 2 Daniel Salzmann und seine Frau Sylvie haben die Sti!ung gegründet. www.fondationpierrearnaud.ch Öffnungszeiten: Mi#woch bis Sonntag, 10 bis 19 Uhr Künstlern zu sehen. Ab dem 19. Dezember startet die Ausstellung «Romantik – Melancholie der Steine», unter anderem mit Werken von Alexandre Calame, Gustave Doré, Francisco Goya, Victor Hugo, John Ruskin und Caspar Wolf. «Heute reicht ein traditionelles touristisches Angebot nicht mehr», ist Daniel Salzmann überzeugt. Man müsse den Gästen Mehrwert bieten. Ein Kunstzentrum sei dafür ideal, «denn in den Ferien hat man Zeit, sich mit Kultur auseinanderzusetzen und eine Ausstellung zu besuchen». Das Museum werde von Gästen aus aller Welt besucht, den Einwohnern aus der Region, aber auch von Kunstfreunden, die extra für eine Ausstellung anreisten. Die Sti!ung will aber auch Kunstvermi"lung betreiben, für Erwachsene wie auch für Kinder, und bietet neben geführten Ausstellungsbesuchen zusätzlich Vorträge, Diskussionen, Musik, Tanz und Performance an. «Wir sehen unsere Rolle darin, Kultur weiterzugeben, zu vermi"eln, anzustecken. Kultur soll uns motivieren, nachzudenken und – im besten Fall – bessere Menschen zu werden», so der Sti!ungsratspräsident. Die Fondation Pierre Arnaud setzt aber nicht nur kulturelle Akzente, sondern hat auch architektonisch eine Meisterleistung vollbracht: Das Zentrum wurde vom einheimischen Architekten JeanPierre Emery aus Beton, Holz und Glas gebaut. «Das Gebäude ist stark in seinem Ausdruck und gleichzeitig diskret», beschreibt es Salzmann. Denn so un61 scheinbar es von hinten wirkt, so gewaltig ist es auf seiner südlichen Front: Eine 250 Quadratmeter grosse Fassade aus Glas reflektiert bei jeder Wi"erung den kleinen Lac du Louché, an dessen Ufer es steht, und die imposante Bergwelt. Was wie normales Glas aussieht, sind in Wirklichkeit Solarpanels, die das Sonnenlicht in Energie umwandeln. 15 000 Kilowa"stunden Strom kommen so pro Jahr zusammen. Die Fassade ist auch Wärmeisolation und filtert das Licht, damit die Kunstwerke geschützt sind. Nachts können darauf zudem Lichtspiele erzeugt werden. Einen eigenständigen Ruf hat sich das Museumsrestaurant Indigo mit seinen 14 GaultMillau-Punkten erworben. Mit einzigartiger Aussicht auf See und Berge bietet es neben Snacks auch Mi"agsmenus und abends eine exklusive Menukarte. Die Weinkarte besteht ausschliesslich aus Walliser Weinen. Die Glasfassade, in der sich die Landscha! wie ein Gemälde spiegelt, hä"e Pierre Arnaud sicher gefallen: Sie zeigt «sein» Wallis, das er in langen Wanderungen erkundete. Doch nicht nur die Landscha! ha"e es ihm angetan. «Er liebte auch die einfache und direkte Art der Walliser», erinnert sich Daniel Salzmann, der die herzliche und direkte Art der Walliser ebenso schätzt. «Auch wenn sie manchmal sehr direkt sind und die Neigung haben, einen Konflikt in Kauf zu nehmen, sta" zu verhandeln. Aber nichts und niemand ist perfekt, oder?», meint er schmunzelnd.