die vermessung des vulkans
Transcrição
die vermessung des vulkans
1 Luftaufnahme (7.4.2010) profile vom ersten Vulkanausbruch Fimmvörduháls (20.03. bis 12.04.2010) zwischen den Gletschern Eyjafjallajökull und Mýrdalsjökull. N R. 3 • 2 0 1 0 24 LMU-Forschung über den Eyjafjallajökull-Ausbruch Die Vermessung des Vulkans Viele Wochen lang hielt der isländische Vulkan Eyjafjallajökull im Frühjahr nicht nur Flugreisende, sondern auch Forscher in Atem. An der LMU waren zum Beispiel Geologen, Vulkanologen und Meteorologen mit verschiedenen Messungen beschäftigt – und gewannen spannende Einblicke in das Wesen des Vulkans und die Folgen seines Ausbruchs. Dr. Ulrich Münzer kennt den Eyjafjallajökull aus verschiedensten Perspektiven: von Satellitenbildern aus dem Weltraum, von Flügen aus einer einmotorigen Maschine und auch von Erkundungen zu Fuß. Seit vielen Jahren schon überwacht Ulrich Münzer der Sektion Geologie (Geologische Fernerkundung) des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU subglaziale Vulkane auf Island. Eine Besonderheit der Region sei das verhängnisvolle Zusammenspiel von Feuer und Eis: „Bricht ein Vulkan aus, den ein Gletscher bedeckt, werden Unmengen von Eis abgeschmolzen.“ Diese verwüsten dann als sogenannte Gletscherläufe mit bis zu 300.000 Kubikmetern pro Sekunde wie beim Katla-Ausbruch im Jahr 1918 das periglaziale Vorland. Auch können gewaltige Lavaströme oder Ascheniederschläge bewohnte Regionen bedrohen. „Unser Ziel ist es, ein Frühwarnsystem an subglazialen Vulkanen auf Island unter Einbindung der satellitengestützten Fernerkundung aufzubau- en“, erklärt Ulrich Münzer. „Mit Hilfe der Radarsatellitentechnik können wir auch bei schlechter Witterung kleinste Veränderungen der Eisoberflächen und der Morphologie feststellen.“ Im Rahmen des Forschungsprojektes „Monitoring of glaciovolcanic interactions in Iceland utilizing TerraSAR-X“, dessen Leiter Ulrich Münzer ist, wird das Gebiet um den Gletscher EyjafjallajökullMýrdalsjökull vom hochauflösenden deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X aufgenommen. Seit dem Ausbruch am Eyjafjallajökull am 14. April geschieht dies nahezu täglich, um die Veränderungen der Ausbruchstelle im bis zu 200 Meter dicken Eis zu beobachten. So konnten erstmals nur einen Tag nach dem Ausbruch auf einer Radaraufnahme die exakte Lage und Größe der Eruption sowie eine erste Prognose abgegeben werden. „Die enormen Ascheauswürfe und schlechten Witterungsverhältnisse machten jegliche Begehung oder Befliegung während der ersten beiden Eruptionstage nahezu unmöglich“, so Münzer. „Umso wichtiger waren diese ersten Radaraufnahmen des TerraSAR-X mit einer Bodenauflösung von bis zu drei Metern.“ Somit konnte den isländischen Behörden und dem Katastrophenschutz eine wichtige Entscheidungshilfe aus der LMU übermittelt werden. Darüber hinaus kooperiert die Geologische Fernerkundung der LMU unter anderem mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen profile und den Glaziologen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull war für Münzer keine Überraschung. „Wir hatten schon darauf gewartet“, sagt der Geologe. Denn mit der neuen Satellitengeneration des TerraSAR-X kann durch die schnelle Datenaufnahme und -lieferung ein „Near-Real-Time-Monitoring“ bei Naturereignissen durchgeführt werden. Dabei werden die Satellitendaten zusammen mit vielen anderen geowissenschaftlichen Daten in einem geografischen Informationssystem (GIS) ausgewertet. Im Rahmen des aktuellen Forschungsvorhabens konzentriert sich das Team um Ulrich Münzer auf den circa 25 Kilometer entfernten Vulkan Katla, der unter einer bis zu 800 Meter dicken Eisschicht des Mýrdalsjökulls liegt – und dessen erneute Eruption „eigentlich überfällig“ ist. Der Gletscher über dem Vulkan wird nun per Radarsatellit kontinuierlich aufgenommen und überwacht. Modellhafte Katastrophen An einem anderen Ort des Departments für Geound Umweltwissenschaften, im Keller der Theresienstraße 41, gehören Naturkatastrophen zum Alltag. Vier Vulkanmodelle brechen abwechselnd aus – und liefern dem Team um Professor Donald Bruce Dingwell aufschlussreiche Informationen über das Wesen der Vulkane. „Wir analysieren experimentell die ,Todesursachen’ von Magma“, erklärt Dingwell, der international als führender Spezialist auf dem Gebiet der experimentellen Vulkanologie gilt. Seine Modelle haben optisch nichts mit den Originalen gemein: In einem kleinen Ofen verbirgt sich ein Stahlrohr mit Gaszufuhr, obenauf sitzt eine drei Meter hohe Metalltonne. Doch das Prinzip ist dasselbe: Gestein wird auf 900 Grad Celsius erhitzt und unter Druck gesetzt – und dann als flüssiges Material schlagartig freigelassen. Die vielleicht wichtigste Komponente seiner Forschung sei die Seismizität des Magmas, also die Erdbebenhäufigkeit und -stärke der Gesteins- schmelze, erläutert Dingwell. „Durch die im Labor erstellte Statistik der Erdbeben versuchen wir, eine Vulkanseismizität zu modellieren, die als Frühwarnsignal dienen kann. Zudem zerquetschen wir – wiederum experimentell – Magma.“ Durch verschiedene Monitoringsysteme simulieren die Vulkanologen dabei im Labor die Bruchprozesse, die sich bei vulkanischen Ausbrüchen abspielen. Noch ist jedoch nicht jede Frage gelöst, das Modell nicht auf den Vulkanberg übertragbar. Meist entstehen bei den artifiziellen Vulkanausbrüchen Brocken – manchmal aber auch solche Asche, wie sie nach dem Ausbruch auf Island wochenlang den internationalen Flugverkehr lahmlegte. Wie Dingwell den Eyjafjallajökull in einem vulkanologischen Steckbrief einordnen würde? „Klein, nicht höchst explosiv, subglazial, basaltisch-trachytisch – und durch diese Eigenschaften vulkanologisch an sich weniger interessant.“ Logistisch war Dingwell vom Ausbruch des Eyjafjallajökull allerdings stark betroffen. „Zu jener Zeit wollte ich eigentlich nach Mexiko fliegen – zum Vulkan Popocatepetl.“ „Die Wolken verstehen“ Die Aschebelastung der Luft, die zeitweise den Flugverkehr lahmlegte, erforscht der Atmosphärenphysiker Professor Bernhard Mayer zusammen mit seinen Kollegen vom Meteorologischen Institut der LMU. „Für uns sind die optischen Eigenschaften von Belang“, erklärt der Wissenschaftler, „denn wir interessieren uns generell für die Klimawirkung von Aerosol, also allen Arten von Partikeln in der Atmosphäre.“ Eine große Rolle in der Forschung spielt dabei der Einfluss auf die Wolken, deren Gesetzmäßigkeiten Mayer und seine Kollegen auch in aschefreien Zeiten untersuchen. „Denn die Wolken sind nach wie vor der größte Unsicherheitsfaktor bei der Prognose des zukünftigen Klimas.“ Gemessen wird das Aerosol mit dem „Lidar“System („Light Detection and Ranging“) – einer 1 Vulkanmodelle liefern dem Team um Professor Donald Bruce Dingwell aufschlussreiche Informationen über das Wesen der Vulkane. N R. 3 • 2 0 1 0 25 5 Ausschnitt einer Bildszene einen Tag nach dem Vulkanausbruch, aufgenommen vom Radarsatelliten 1 Ascheauswurf aus der eisbe- TerraSAR-X. deckten Caldera des Eyjafjallajö- profile kull-Vulkans (19.04.2010). Der gleichnamige 80 Quadratkilometer große Gletscher ist bis zu 200 Meter mit Eis bedeckt. Der Ausbruch führte auch zu gewaltigen Schmelzwasserfluten. N R. 3 • 2 0 1 0 26 1 Professor Donald Bruce Dingwell, Professor Bernhard Mayer und Dr. Ulrich Münzer (von oben nach unten). Kombination aus Laser und Teleskop. Der Laser sendet einen Lichtpuls in die Atmosphäre, wo die Strahlung an jedem einzelnen Partikel wie ein Echo reflektiert wird. Das Teleskop sammelt und zählt diese Lichtechos. Die mit dem Teleskop eingefangenen Daten werden im Computer zu Rohsignalen, die dann von Hand ausgewertet werden. „Das Messen und Aufzeichnen geht recht flott“, erklärt Bernhard Mayer. „Daraus aber quantitative Informationen zu ziehen – insbesondere die Aschekonzentration pro Kubikmeter, die die Ministerien oder Airlines benötigen –, das erfordert viel Hirnschmalz und dauert länger.“ Misst man mittels Lidarsystem die Laufzeit des Echosignals, erfährt man zudem nicht nur, wie viele Partikel vorhanden sind, sondern auch in welcher Höhe. Mit weiteren Messungen kann man auch entscheiden, um was es sich handelt: Sulfat-Tröpfchen, Wüstensand – oder eben Vulkanasche. Drei Messsysteme stehen den LMU-Meteorologen zur Verfügung: ein einfaches, robustes auf dem Dach direkt über dem Lehrstuhl an der Theresienstraße 37, das ständig in Betrieb ist. Außerdem zwei Systeme in der Außenstelle in Maisach, westlich von München. Diese beiden Forschungssysteme sind hochkomplex, erfordern ständige Betreuung und Nachjustierung. Die grundlegendste Veränderung einer aschebelasteten Wolke: Sie ist heller. „Das klingt widersprüchlich, man sollte ja annehmen, dass sie mit mehr Asche eher dunkler ist.“ Tatsächlich führen zusätzliche Partikel in der Luft zur Bildung von mehr, aber dafür kleineren Wolkentröpfchen. Diese reflektieren mehr Sonnenstrahlung als wenige große Tröpfchen, wodurch die Wolke heller erscheint. Aus Sicht des Wissenschaftlers bietet die Aschebelastung sehr interessante Phänomene, „die uns helfen, die Wolken besser zu verstehen.“ So konnten die Meteorologen beobachten, dass sich Eisteilchen bei Temperaturen bildeten, die eigentlich nicht niedrig genug waren. „Daraus lernt man, dass Vulkanasche ein guter Eiskondensationskern ist, sich also sehr gut Eiskristalle daran bilden können.“ Während der Zeit der stärksten Aschebelastung überwachten Mayers Kollegen Dr. Volker Freudenthaler und Silke Groß zehn Tage lang kontinuierlich in Maisach die Systeme im Schichtbetrieb und stellten die Messergebnisse direkt ins Internet. Er selbst fand in den ersten drei Wochen nach dem Vulkanausbruch in seinem E-Mail-Fach mehr als 500 E-Mails zu diesem Thema von Wissenschaftlern aus ganz Europa. Bei der Beobachtung der Aschewolke arbeitete sein Lehrstuhl zudem eng mit internationalen Kollegen und Einrichtungen zusammen – zum Beispiel mit dem Europäischen Lidarmessnetz EARLINET und besonders mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), das das Forschungsflugzeug „Falcon“ besitzt. Die gemeinsamen Ergebnisse wurden in einer Expertenrunde bei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer vorgestellt. Mayer und seine Kollegen hoffen nun auf stärkere finanzielle Förderung, um das Lidarsystem in Maisach automatisch betreiben zu können. „Die Kosten wären ein Bruchteil von denen, die bei einer mehrtägigen Flughafensperrung entstehen.“■ ajb