Antidepressiva - Jürgen Vogt, Facharzt für Neurologie und
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Antidepressiva - Jürgen Vogt, Facharzt für Neurologie und
Antidepressiva Trizyklische Antidepressiva (TZA) Auch im Vergleich mit neuen Antidepressiva haben die TZA eine gute Wirksamkeit auf verschiedene depressive Symptome wie depressive Stimmung, Schlafstörung, Unruhe, Angst, Antriebsminderung und Selbstmordgefährdung. Bei schweren Depressionen sehen viele Psychiater und Nervenärzte eine Überlegenheit der TZA in der Wirksamkeit gegenüber den neueren Antidepressiva. Die verschiedenen TZA haben unterschiedlich ausgeprägte Wirkungen auf Angst, Schlafverhalten und Antrieb. Dosisempfehlungen gehen bis über 200mg Tagesdosis. Bei ambulanter Behandlung werden solch hohe Dosen selten erreicht. Bei leicht- bis mittelgradiger Ausprägung der Depression reichen aus eigener Erfahrung oft niedrige Dosen (10-50 mg). Nebenwirkungen der TZA: Dosisabhängig kommt es häufig zur Gewichtszunahme, deshalb wird eine ausgewogene, fettund kohlehydratarme Ernährung und regelmäßiger Sport empfohlen. Problematisch sind die Nebenwirkungen der TZA auf das vegetative Nervensystem: Schneller Puls (Tachycardie), Herzrhythmusstörungen, erniedrigter Blutdruck (Hypotonie), Verstopfung, Erhöhung des Augeninnendruckes (bei bekanntem grünen Star), Blasenentleerungsstörung bei Prostatavergrößerung. In höheren Dosen oder bei Älteren oder Menschen mit Hirnerkrankungen kann es auch zu Schläfrigkeit (Sedierung), Verwirrtheit (Delir), sehr selten auch zu epileptischen Anfällen.kommen. Deshalb ist, insbesondere bei Einnahme anderer Medikamente, Herz/Kreislauferkrankungen, grünem Star, Prostatavergrößerung, Diabetes, oder höherem Alter Vorsicht geboten. Zu Beginn der Behandlung und im Behandlungsverlauf 1-2 mal jährlich sollten Kontrollen von EKG und Leberwerten erfolgen. Vorteil der TZA: Verschiedene Dosierungen von 10-100mg oder retard-Präperate sind für die Standardsubstanzen erhältlich. Kostengünstig. Der Wirkungseintritt der antidepressiven Wirkung dauert in der Regel 2-6 Wochen nach Behandlungsbeginn. TZA verursachen keine Abhängigkeit. Amitryptilin: ist das Standardantidepressivum mit beruhigender und schlafanstossender und guter antidepressiver Wirkung, deshalb oft Einnahme abends oder zur Nacht. Zusätzlich Wirkung auf verschiedene Schmerzerkrankungen wie Neuralgien, Wirbelsäulen/Muskel-, Spannungskopfschmerz, Migräne usw. Günstig ist die Möglichkeit zur vorsichtigen Eindosierung mit Tropfen. Amitryptilinoxid: hat eine Wirkung wie Amitryptilin aber geringere Nebenwirkungen. Doxepin: ist eher als beruhigend und angstlösendes Antidepressivum in Gebrauch, häufig benutzt bei Angststörungen sowie bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Dosen bis 300 mg sind möglich bei guter Verträglichkeit. Aus eigener Erfahrung ist die antidepressive Wirkung nicht ausgeprägt. Imipramin: wirkt leicht beruhigend, eher antriebsfördernd und stimmungsaufhellend und ist nachgewiesen wirksam bei Angststörungen. Wenn es unter der abendlichen Einnahme zu Schlafstörungen kommt ist die morgendliche und mittägliche Einnahme sinnvoll. Bei Angststörungen helfen oft schon Dosen 20-75 mg. Gelegentlich kommt es zur starken Unruhe. Clomipramin: ist ein antriebssteigerndes und deutlich stimmungsaufhellendes TZA und hat auch eine deutliche angst- u.- zwangslösende Wirkung. Sinnvoll zur Vermeidung von Schlafstörungen anfangs morgendliche oder mittägliche Gaben oder retard Tabletten. Trimipramin ist ein beruhigendes und angstlösendes TZA, es wirkt nicht deutlich antidepressiv. Auch aus eigener Erfahrung gelegentlich gute Wirkung bei psychotisch geprägten Ängsten. Weiterhin gute Erfahrungen zur Schlafanbahnung bei Ein- und Durchschlafstörungen und bei Angststörungen, gute Dosierungsmöglichkeit durch Gabe von Tropfen. Tetrazyklische Antidepressiva Mianserin (10-120mg): wirkt sedierend, in kleinen Dosen oft guter Schlafanstoß, gute Verträglichkeit, gerade auch bei Älteren. Problem wie bei den bislang besprochenen Antidepressiva Gewichtszunahme sowie die seltene Blutbildstörung(1:5000-10000) , Blutbildkontrollen notwendig. SSRI (Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer Alle SSRI wirken bei Angst (Panikattacken/Agoraphobie, weniger Soziophobie bzw. generalisierten Ängsten), Zwängen (aus eigener Erfahrung mäßig gute Wirkung) und depressive Symptomatik (Antriebsstörung, depressive Stimmung, Anhedonie (Lustlosigkeit)) sowie bei Bulimie und auch bei emotionaler Instabilität (Borderlinesyndrom bzw. Impulsivität). Wichtig ist das die Kombination von SSRI mit anderen ebenfalls auf das Serotoninsystem wirkendes Antidepressiva wie Clomipramin, Moclobemid, Venlafaxin und auch Trazodon möglichst vermieden werden sollte wegen der Gefahr eines sogenannten Serotininsyndroms. (Link Serotoninsyndrom). Fluoxetin (10-60mg): hat eine gute antidepressive, spezifisch angst- und zwangslösende Wirkung. Nachteilig ist die nicht selten auftretende Antriebssteigerung und Unruhe, Schlafstörung, Übelkeit, Durchfall. Wegen der langen Verweildauer des Fluoxetins im Körper (tagelange Halbwertzeit) kann es zur verstärkten Wirkung kommen. Ältere Menschen sollten, wenn überhaupt, nur mit geringen Dosen behandelt werden sollten. Eine Kombination mit Beruhigungsmitteln (Benzodiazepinen) ist sinnvoll zu Behandlungsbeginn. Vorsicht bei Selbstmordgefährdung geboten. Durch Hemmung der Leberenzyme (Cytochrom P450) kann es kann es bei gleichzeitiger Gabe zur Plasmaspiegelerhöhung von trizyklischen Antidepressiva (TZA), Clozapin (Leponex) oder Herzmedikamenten (Antiarrhythmika) kommen. Bei Kombination mit Lithium kann es zu verstärkten Nebenwirkungen kommen. Deshalb sollte Fluoxetin nur mit Vorsicht in Kombination mit anderen Medikamenten eingesetzt werden. Im Zweifelsfall ist immer ein Facharzt für Psychiatrie oder Nervenheilkunde zu konsultieren. Fluvoxamin (12,5-300 mg) und Paroxetin (Tagonis, Seroxat: 10-60mg): haben ebenfalls eine gut dokumentierte antidepressive Wirksamkeit bei fehlender Sedation, wobei beide Substanzen auch bei Zwangssyndromen und Fluvoxamin bei Angststörungen sowie der Bulimie eingesetzt werden kann. Auch diese beiden Substanzen können relevant die Spiegel anderer Medikamente erhöhen. Sertralin (25-100 mg): in der Wirkung den anderen SSRI vergleichbar, die hemmende Wirkung auf die Leberenzyme (Cytochrom P450) ist geringer als bei den alten SSRI, weshalb die Kombination mit verschiedenen über dieses Enzymsystem abgebauten Medikamenten weniger risikohaft ist. Citalopram (10-40 mg): hemmt im Vergleich mit anderen SSRI noch weniger die Lebenenzyme und ist diesbezüglich das sicherste SSRI. Die Wirkung antidepressive Wirkung als auch die angst- und zwangslösende Wirkung ist mit den anderen SSRI vergleichbar. Die antriebssteigernde Wirkung erscheint weniger ausgeprägt als bei Fluoxetin, Paroxetin oder Sertralin. Escitalopram (Cipralex: 5-20mg): ist eine bessere verträgliche und in niedrigerer Dosis wirksamere Variante des Citaloprams 1.3. NaSSA (spezifisches noradrenerges und serotonerges Andidepressivum) Mirtazapin (Remergil 15-45 mg): dem Mianserin verwandtes, stark sedierendes, gut schlafanstossendes, neueres Antidepressivum mit guter Verträglichkeit. Nachteil ist die oft geklagte Gewichtszunahme und Sedierung tagsüber. Einnahme sollte zur Nacht erfolgen. 1.5. Duale Antidepressiva: SNRI (Selektiv noradrenerg/serotonerg wirkende Antidepressiva) Venlaflaxin (Trevilor 37,5-300mg): hat ähnlich wie trizyklische Antidepressiva eine hemmende Wirkung auf die Nordrenalin und Serotoninwiederaufnahme, allerdings ohne relevante Wirkung auf andere Rezeptorsysteme. Die Substanz gehört zu neuen Gruppe der SNRI. An Nebenwirkungen sind Übelkeit, Schwindel, Unruhe, Appetitmangel und Blutdruckanstieg zu nennen. Auch hier zu Behandlungsbeginn Kombination mit Benzodiazepinen bei Unruhe sinnvoll. Duloxetin (Cymbalta 20-60 mg): duales neues Antidepressivum mit einer guten Wirksamkeit auch bei Depressionen, die mit anderen Antidepressiva nicht gebessert wurden. Bemerkenswert die Wirkung auf neurogene Schmerzerkrankungen wie Spannungskopfschmerz, Fibromyalgie, Polyneuropathien usw. Gewichtszunahme selten. Nebenwirkungen: Unruhe, Übelkeit, Kopfschmerz. 1.6. NRI (selektiv noradrenerg) Reboxetin (Edronax: 4-12mg): stark antriebssteigerndes Antidepressivum das insbesondere bei gehemmten antriebsgeminderten Depressionen zum Einsatz kommt und teils gute Wirkung zeigt. Nebenwirkungen Unruhe, Agitation, Schlafstörungen, Mundtrockenheit. 1.7. MAO-Hemmer (MAOI) In Deutschland ist der selektive MAO-A Hemmstoff Moclobemid (75-600 mg) am meisten im Gebrauch. Die Substanz ist im allgemeinen gut verträglich und hat eine anriebssteigernde Wirkung. Als subjektiv störend wird von Patienten besonders zum Behandlungsbeginn eine allgemeine Unruhe bis zur Agitiertheit beschrieben, weshalb bis zum Wirkungseintritt eine begleitende sedierende Medikation mit Benzodiazepinen üblich ist. Auf eine besondere Diät muss nicht geachtet werden, dennoch sollten tyraminreiche Käsesorten gemieden werden. Möglicherweise ist die Substanz besonders zur Behandlung der atypischen Depression und der sozialen Phobie geeignet. Auch gehemmt-depressive Syndrome und hysteriforme Störungen können besondere Indikation zur Behandlung sein. Die noch nicht ausreichend dokumentierte Kombinationsbehandlung mit TZA führt zur Wirkungspotenzierung und kann bei Therapieresistenz versucht werden. 1.8. Andere Antidepressiva Trazodon (25-200mg): sedierendes, angstlösendes neueres Antidepressivum, das gut nachts zur Schlafanbahnung gegeben werden kann. Hervorzuheben ist die fehlende anticholinerge Wirkkomponente, weshalb keine Erhöhung des Augeninnendruckes bzw. Störung der Blasen/Prostatafunktion beobachtet wird. An Nebenwirkungen ist die morgendliche Sedierung zu nennen. Gewichtszunahme ist deutlich seltener als bei anderen sedierenden Antidepressiva. Sehr selten Priapismus. Trazodon ist sinnvoll bei Patienten mit Erektionsstörung/Libidomangel. Agomelatin (Valdoxan): ist ein neuartiges Antidepressivum das als erstes Antidepressivum überhaupt eine Wirkung auf das Melatoninsystem im Gehirn hat und dadurch schlaffördernd wirkt, was insbesondere bei Depressionen mit Ein- und Durchschlafstörung günstig ist. Eine antidepressive Wirkung ist darüber hinaus in den Zulassungsstudien belegt. Wegen möglicher Erhöhung der Leberwerte sollte bei diesem neuen Antidepressivum regelmäßige Kontrollen der Leberwerte erfolgen. 20.08.09 Jürgen Vogt (Copyright)