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Latein4EU
Nr. 05 – MÄRZ 2007
ZEITSCHRIFT FÜR FREUNDE DER LATEINISCHEN SPRACHE UND EUROPÄISCHEN KULTUR
Mozartus pulchris
virginibus S: P: D:
(SEITE 3)
W. A. Mozarts
erste Oper: Apollo
et Hyacinthus
(SEITE 6)
Das Mozart-Album
mit Anna Netrebko
(SEITE 10)
Editorial
INHALT
naler Inhalt weit über das hinausgeht, was er
erlebt und erfahren haben konnte. So können
wir von dem Jüngling, der er immer war und
blieb, die letzten und tiefsten Geheimnisse von
Liebe und Tod, von Tragik, Schuld und Glück
erfahren. Er zwingt uns, in seelische Abgründe
zu schauen und kurz darauf in den Himmel;
vielleicht ein Griffel in der Hand Gottes.“
ANTON SCHNUR
PRAESES AMICORUM LINGUAE LATINAE
CARISSIMI LECTORES
O Muse, begleite mein Beginnen, dieses
Editorial zu verfassen, und führe es zu einem
glücklichen Ende!
Am Anfang standen die Musen, jene göttlichen
Wesen, an die sich epische, lyrische und dramatische Dichter (oder eben auch Verfasser
sonstiger Texte) um Eingebung wandten.Vergil
schrieb, besser: betete, am Beginn seiner Aeneis:
„Musa, mihi causas memora“ (Aen 1,8). Die
Musen hielten sich gerne auf Bergen auf, die
für inspirierte Orte gehalten wurden, so beispielsweise auf dem delphischen Parnass oder
dem böotischen Helikon. Trotzdem leitet sich
das Wort „Muse“ nicht von lat. mons (Berg) ab,
sondern ist mit dem lat. Wort mens (Geist) in
Zusammenhang zu bringen: Die Musen
werden als „Sinnende“ und „Erinnernde“
gedeutet. Die Tatsache, dass die Musen in der
griechischen Mythologie als Töchter des Zeus
und der Mnemosyne (Erinnerung) gelten, weist
ebenfalls in diese Richtung. Die 9-Zahl der
Musen – vgl. den bekannten Merkspruch
Kliometerthaleuerurpokal – wurde erst sehr
spät festgelegt. Vor allem aber waren die
Musen die Göttinnen der Dichter – jeder
Dichter hatte seine eigene Muse!
Der Mensch hat immer schon in der Kunst
Transzendenz erfahren, das Göttliche erspürt
oder zumindest erahnt. Nikolaus Harnoncourt
hat das zum Auftakt des vergangenen
Mozartjahres in seiner beeindruckenden und
zeitlosen Salzburger Festrede dargelegt: „Die
Kunst und mit ihr die Musik ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens,
sie ist uns geschenkt als Gegengewicht zum
Praktischen, zum Nützlichen, zum Verwertbaren. Es leuchtet mir ein, was manche
Philosophen sagen, dass es die Kunst und
eben die Musik ist, die den Menschen zum
Menschen macht. Sie ist ein unerklärliches
Zaubergeschenk, eine magische Sprache.“ Und
am Schluss der Rede: „Schon als Kind komponierte er (scil. Mozart) Werke, deren emotio-
2
Der Mensch wird also – eine Urerfahrung des
Menschen von Anbeginn seiner Existenz –
letztlich erst durch die Erfahrung des Göttlichen (in ihm selbst) wahrhaft zum
Menschen. Was Irenäus von Lyon schon in der
Antike in der mystischen Sprache der Religion
betete: „Einen wunderbaren Tausch hast du
vollzogen – Gott wurde Mensch, damit der
Mensch Gott werde“, wird in der mystischen
Erfahrung der Musik konkret spürbar.
Dieser faszinierende Brückenschlag über die
Jahrtausende führt uns zum Themenschwerpunkt dieses Heftes: Musik, Mozart und –
Latein. Was Ihnen das vor Kurzem beendete
Mozartjahr nicht bieten konnte, erfahren Sie
nun bei uns: Genießen Sie eine Reihe von
hintergründigen und spannenden Essays über
Sprachliches und Lateinisches, Psychologisches
und Mythologisches bei Mozart, sowohl in
seiner Musik als auch in seinen Briefen. Bereits
auf dem Titelblatt begrüßt Sie die wunderbare Netrebko, die Erscheinung des letzten
Festspielsommers in Salzburg – von da an wird
Sie das Thema Musik bis an den Schluss dieser Cursorausgabe begleiten. Bei einer solchen
Mischung aus Religion, lateinischer Sprache
und Musik (vgl. Amadeus!) eigentlich verwunderlich, dass wir Ihnen keinen Artikel zum
gregorianischen Choral bieten. Aber dazu ein
andermal ...
Lesen Sie sich durch diesen musikalischen
Frühlings-Cursor 2007 und teilen Sie uns mit,
was Sie davon halten!
Mir bleibt nur noch, meiner Muse zu danken,
dass sie mich glücklich an das Ende meines
Beginnens geführt hat...
Mit den besten Grüßen bin ich Ihr
Mozartus pulchris virginibus
S: P: D: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3
Christoph Brandhuber
Wolfgang Amadeus Mozarts erste
Oper: Apollo et Hyacinthus . . . . . . . . . . . 6
Gerhard Petersmann
„Sunden sie geschlaf“
Mozarts Balanceakte auf dem
Drahtseil der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . 9
Oswald Panagl
Nuntius Latinus: Simiae regnant . . . . . 10
Wolfram Kautzky
„Das Unbewusste ist viel moralischer,
als das Bewusste wahrhaben will“.
Mozarts Jugendopern
und die „ Tugenden“ . . . . . . . . . . . . . . . 11
Barbara Wintersteller
Orpheus, der magische Sänger
der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Ulla Zedrosser
Carpe noctem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Peter Glatz
Academia Latina – Euroclassica . . . . . . 16
Melanie Widmann
Eva Scough Tarandi
Historische Konzepte von Gehirn
und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Peter Grunert
Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Klaus Bartels
Quodlibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Mareike Einfalt
Musikrätsel, Linktipps, Buchtipp . . . . 23
Alfred Leeb und Peter Glatz
IMPRESSUM
Medieninhaber,
Herausgeber und Verleger:
Amici Linguae Latinae
Freunde der lateinischen Sprache
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E-Mail: [email protected]
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Anton Schnur
Titelfoto:
A. Netrebko, Deutsche Grammophon,
© Kasskara/DG
Bildverweis:
Seite 13: Hans Widmer, Odysseusverlag,
Schweiz; Seite 16: Johanna Altmann,
BG/BRG Piaristengasse Krems
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Mozartus pulchris
virginibus S: P: D:
Lateinische Dokumente aus dem
Alltag der Familie Mozart
Christoph Brandhuber
Am 14. November 1719 wird dem Augsburger Buchbindermeister Mozart ein Sohn
geboren, der auf die Namen Johann Georg Leopold getauft wird. Diesem seinem ältesten Sohnes ermöglicht der Vater ein Studium, während er die jüngeren Söhne das
Buchbinderhandwerk erlernen lässt. Leopold Mozart erwirbt sich am Augsburger
Jesuitengymnasium eine ausgezeichnete humanistische Bildung.
Noch keine fünf Jahre alt, steht Leopold
erstmals auf der Schulbühne des Augsburger Jesuitengymnasiums St. Salvator.
Die Rolle des Knaben Zasianellulus
macht ihn erstmals mit der lateinischen
Sprache vertraut. 1727 beginnt dann die
eigentliche Gymnasialzeit, die vor allem
lateinische Grammatik, Syntax, Poesie
und Rhetorik umfasst. Daran schließt
sich der Besuch des Katholischen
Lyceums. Latein ist für Leopold Mozart
zunächst Unterrichtssprache, aber auch
Sprache von Kunst und Kult. Als Sängerknabe bei den Augustinerchorherren von
Heilig Kreuz und bei den Benediktinern
von St. Ulrich und Afra muss er sich um
eine gute Lateinaussprache bemühen –
um eine „selbstbewusste deutsche Aussprache“ ohne „Zischen und Kauen“: Die
Mozarts sprachen kein Latein all’italiana.
In seiner Vaterstadt erhält Leopold
Mozart Violin- und Orgelunterricht. Es ist
bekannt, dass er in jungen Jahren im
Kloster Wessobrunn recht unvergleichlich
die Orgel geschlagen hat. Latein begleitet
auch Leopold Mozarts erste Schritte als
Komponist. Sein Lehrer, der
Benediktinerprior zu Irsee, P. Meinrad
Spieß (1683–1761), verfasste einen bedeutenden Tractatus Musicus CompositorioPracticus, den Leopold Mozart sorgfältig
studiert hat. Auch in späteren Jahren wird
er den ehrwürdigen P. Spieß gerne in
kompositorischen Fragen konsultieren.
Fehler, die ihm der betagte Pater ausbesserte, pflegte Leopold als die üblen
Früchte seines sanguinischen Temperamentes zu entschuldigen.
Nach dem frühen Tod seines Vaters (1736)
bricht Leopold Mozart seine Ausbildung
am Katholischen Lyceum ab. Sein Abgangszeugnis, das vom 4. August 1736
datiert, bestätigt, dass er das Gymnasium
magna cum laude abgeschlossen und mit
den Vorlesungen aus allgemeiner Physik
begonnen hatte. Im Hinblick auf die späteren Auseinandersetzungen Leopold
Mozarts mit dem Salzburger Fürsterzbischof Colloredo ist folgende Feststellung
des Schulpräfekten von Interesse: Mores
exhibuit à pietate in Superos, & observantia erga Superiores sua etiam commendatione dignos.
Einer von Leopold Mozarts Augsburger
Schulkameraden wird seinem Sohn
später erzählen, dass er sich noch gut
erinnern könne, wie Leopold die Pfaffen
herumgefoppt hat, wegen dem Geistlichwerden. Als Wolfgang Amadé den Vater
mit seiner Vergangenheit brieflich konfrontiert, wird ihm dieser antworten: So
kann doch nichts geheim bleiben: Du
... pulchris virginibus S: P: D:
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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ideo se ipsum nomine studiosi indignum
reddidit. Fuit is paucis ante examen diebus citatus ad Magnificum, ubi sententiam percepit, se non ampliùs in numero
studiosorum habendum esse, quam sententiam nullîs interpositis precibus, acsi
hæc non curaret, acceptavit et discessit;
qua de ratione neque ad examen ampliùs
fuit citatus.
Franz A. Danreiter: Die Universitätskirche in Salzburg um
1740 (UB Salzburg: Sign. g i 500)
weißt wie oft ich dir gesagt habe: Nichts
ist so klein gesponnen; es kommt noch
an die Sonnen.
Das seiner Familie und seinen Lehrern
versprochene Theologiestudium liegt
Leopold Mozart also fern, als er am
26. November 1737 als Logicus an der
Salzburger Benediktineruniversität
inskribiert.
Trotzdem beginnt sein Studium zunächst
erfolgreich. Schon am 22. Juli 1738 wird
er post rigidum superatum examen
Baccalaureus und erreicht somit als 49.
unter 54 Kandidaten die erste Stufe akademischer Graduierung. Seine Prüfungsfragen, die er lateinisch zu beantworten
hatte, lauteten:
I. An ex nuperrima Victoria a Turcis
reportata DD. Baccalaureis gloria
accrescat?
II. An Logica jure dicatur Labyrinthus?
Bald darauf hat sich Leopold Mozarts
Interesse am Studium erschöpft. Im
September 1739 wird er wegen mangelnden Studieneifers zum Rektor zitiert und
relegiert:
D. Joan. Georg. Mozardt August. Suevus,
qui ab anni, civilis scilicet, initio vix una
vel bina vice Physicam frequentavit, et
Grundlos wird Leopold Mozarts Verhalten
nicht gewesen sein. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Reaktion auf den berühmt-berüchtigten „Sykophantenstreit“,
in dem sich katholische Reformtheologen
und konservative Universitätsprofessoren
über die Frage der Heiligenverehrung
nicht einigen konnten. Ein lateinisches
Pamphlet aus dieser Zeit thematisiert die
schlechte Allgemeinbildung, die an der
Universität vermittelt wurde, und prangert die schwachen Lateinkenntnisse der
Professoren an: Ita pueri in scolis ludunt,
juvenes sapere se credunt, et quod utroque turpius est, quod quisquis perperam
discit, in senectute confiteri non vult.
Lutum non est lutulentius horum latino
sermone.
Nach seiner Relegation wird Leopold
Mozart Kammerdiener des Salzburger
Domherrn Johann Baptist Graf von
Thurn-Valsassina (1706–1762), dem er
1740 seine Sonata sei widmet. Der Universität bleibt er weiterhin verbunden,
indem er 1742 die Musik zu einem lateinischen Theaterspiel komponieren darf,
das von der Rhetorikklasse aufgeführt
wird. Der Titel lautet ANTIQUITAS PERSONATA SIVE HISTORIA VETUS AD
NATALEM DOMINI USQUE. In diesem
Theaterstück, von dem leider nur die
Perioche erhalten ist, treten Semiramis
und Kyros, Alexander und Hannibal,
Pythagoras, Cicero und die weissagende
Sibylle, Augustus und Brennus auf, die
die Geschichte von der Gründung der
Welt bis zu Christi Geburt erzählen. 1743
wird Leopold Mozart in die Salzburger
Hofkapelle aufgenommen, 1744 ist er als
vierter Violinist belegt, jedoch erst ab
September 1747 erhält er ein monatliches
Gehalt zugesprochen. Finanziell nunmehr
Die Relegation Leopold Mozarts (Universitätsarchiv bA 90/fol. 277)
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Leopold Mozart – Titelkupfer aus der „Violinschule“ (UB
Salzburg: Sign. R 3203 I)
abgesichert, heiratet er noch im selben
Jahr Anna Maria Walburga Pertl (1720–
1778).
Sieben Kinder werden dem Paar geboren,
doch nur die Tochter Maria Anna, genannt „Nannerl“, und der Sohn Wolfgang
Amadé überleben das Kleinkindalter.
Zu Leopold Mozarts beruflichen Aufgaben
gehört auch der Violinunterricht der Domkapellknaben. Seine Erfahrungen fasst er
im berühmten Versuch einer gründlichen
Violinschule aus dem Jahre 1756 zusammen. Das Titelblatt des Werkes ziert ein
Kupferstich Leopold Mozarts, darunter
findet sich folgendes, leicht abgewandeltes Zitat aus der damals noch M. Tullius
Cicero zugeschriebenen Schrift Rhetorica
ad Herennium (3,15,26). In Bezug auf die
richtige Haltung während des Geigenspiels heißt es: CONVENIT IGITUR --- IN
GESTU NEC VENUSTATEM CONSPICUAM, NEC TURPITUDINEM ESSE, NE AUT
HISTRIONES, AUT OPERARII VIDEAMUR
ESSE.
Beachtung verdient das Kapitel Versuch
einer kurzen Geschichte der Musik. In
Bezug auf die Erfindung der Violine
schreibt Leopold Mozart: Die Violin ist
von dem Orpheus, dem Sohn des Apollo,
erfunden worden; und die Dichterin
Sappho hat den mit Pferdhaaren bespannten Bogen erdacht, und war die Erste,
welche nach heutiger Art gegeigt hat.
Ab den frühen Sechzigerjahren des
18. Jahrhunderts widmet sich Leopold
Mozart fast ausschließlich der Erziehung
seiner beiden hochbegabten Kinder, die
er selbst als Wunder bezeichnet, welches
Gott in Salzburg hat lassen geboren
werden. Obwohl Leopold Mozart seine
Kinder nie eine öffentliche Schule be-
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hat Leopold Mozart seinen Kindern auch
die Grundzüge der antiken Geistes- und
Kulturgeschichte vermittelt – wohl im
Hinblick darauf, dass Wolfgang später
einige Bühnenwerke mit antikem Stoff
vertonen müsse. Und tatsächlich, neben
Apollo und Hyacinthus weisen mehrere
Kompositionen Wolfgangs antiken Inhalt
auf: Ascanio in Alba, Il Sogno di Scipione,
Mitridate – Rè di Ponto, Lucio Silla, Il Rè
Pastore, Idomeneo – Rè di Creta und La
Clemenza di Tito.
Im Alltag der Mozarts spielte Latein eine
vielfältige Rolle: als Sprache ihrer Musik,
der Wissenschaften, der Verwaltung, aber
auch der geistreichen Unterhaltung, wie
zahlreiche Zitate aus der Mozart’schen
Familienkorrespondenz belegen.
Der Salzburger Fürsterzbischof Sigismund Christoph Graf
von Schrattenbach – er öffnete für die Reisen „des kleinen
Mozartl“ wiederholt seine Privatschatulle
suchen lässt, wirkt Wolfgang Amadé
wiederholt an Aufführungen des Schultheaters an der Benediktineruniversität
mit. Wie sein Vater steht Wolfgang Amadé
im Alter von fünf Jahren erstmals auf der
Bühne. In der von P. Marian Wimmer verfassten Finalkomödie Sigismundus
Hungariae rex wird unter den Tänzern
Wolfgangus Mozhart angeführt. 1767
komponiert Wolfgang Amadé die Musik
zur Parallelhandlung von P. Rufin Widls
Theaterstück Clementia Croesi, welche
heute den Titel Apollo und Hyacinthus
(KV 38) trägt. Im Protokoll des Gymnasiums lautet die diesbezügliche Eintragung:
Musica quoque a D. Wolfgango Mozart
undecenni Adolescentulo composita
omnibus placuit, qui quidem ad noctem
nobis artis suae musicae in clavicembalo
insignia specimina dedit.
Auf der Italienreise, die die Mozarts 1774
unternehmen, bietet sich für den Vater
die Gelegenheit, mit dem Sohn Latein zu
lernen.
Am Ende eines Briefes schreibt Wolfgang:
Ich habe zahnwehe. johañes chrisostomus Wolfgangus Amadeus Sigismundus
Mozartus Mariæ Annæ Mozartæ matri et
sorori, ac amicis omnibus, præsertimque
pulchris virginibus, ac freillibus, gratiosisque freillibus S: P: D:
Auch später animiert Leopold Mozart
seinen Sohn zum Lateinlernen: Du hast
das grosse Lateinische Gebettbuch bey
dir, das dir sehr nützlich ist, nicht nur
weil alle Psalmen und andere Kirchentext
darinn sind [...] sondern es ist dir auch
dienlich zur Übung in der lateinischen
Sprache, wenn du zur Abwechslung zu
zeiten morgen und abend Gebetter daraus bettest.
Neben lateinischen Grundkenntnissen
Wolfgang Amadé im Galakleid – ein Geschenk Maria Theresias
Aus der Mozart’schen Familienkorrespondenz
Ausgewählte lateinische Zitate aus der Mozart-Korrespondenz
Leopold Mozart
• Der Bischof von Passau ist also Tod? –
requiescat in pace! Judicia Dei etc. Gott
kann ein Strich durch manche Rechnung
machen. (21.6.1763)
• Vestigia terrent; sagt der Fuchs.
(17.10.1763) – Hor. epist. 1,1,74
• parturient montes, nascetur ridiculus
mus. (1.4.1764) – Hor. ars 139
• est modus in rebus. oder zu Teutsch,
die H: Franzosen wollen gefoppet seyn.
(1.4.1764) – Hor. sat. 1,1,106
• allein ich hofe nicht, daß S:r hochfürstl:
Gnaden einen so brauchbahren Mann, als
herr Alterdinger ist, bey dem müssigen
brod eines Cammerdiener lassen wird. et
fruges consumere nati! (10.11.1767) –
Hor. epist. 1,2,27
• Te Deum laudamus! Meine Tochter hat die
Blattern glücklich überstanden! (29.11.1767)
• Kommabit aliquando Zeitus bequemmus
schreibendi. nunc Kopfus meus semper
vollus est multis gedankibus. (28.3.1770)
• Bezugnehmend auf den Verbleib einer
stattlichen Mitgift: Sic transit gloria
mundi! alles versoffen vor dem End,
macht ein richtigs testament! (11.10.1777)
• die Prelaten in Augsp: waren alle, die ich
als iunger Mensch kannte, alle solche
Schrollen, und werden es noch seyn: à
bove majore discit arare minor. (20.10.1777)
• der Mse: Weber und ihrem Vatter geht es
halt auch so, wie andern, Propheta non
acceptus in Patria! (26.1.1778) – Luk 4,24
• genug! oportet esse haereses. es müssen
doch immer Kezereyen und Unruhen in
der Welt seyn. (3.12.1784) – 1 Kor 11,19
• Über seinen kleinen Enkel: Nun bin unter
dem Nachtessen aufgestanden, und hineingegangen, weil er wach geworden, und
da man ihn trocken legte, so hatte die
Ehre, so oft man ihm die Füsse in die
Höhe hob, ein halbes Dutzend Crepidos
Ventris in ohnunterbrochner Folge zu
hören. Proficiat! Prosit, conducat, sitque
Saluti. (14.9.1785)
Wolfgang Amadé
• Scherzhaft an eine Salzburger Freundin:
Cuperem scire, de qua causa, a quam
plurimis adolescentibus ottium adeo
æstimatur, ut ipsi se nec verbis, nec
verberibus, ab hoc sinant abduci. (1769?)
• Mozartus magnus, corpore parvus et
Constantia, omnium uxorum pulcherrima
et prudentißima (5.10.1782)
• die Musique /: ein Galimathias:/ vom
einen hiesigen Jungen Menschen,
scolaren vom Wagenseil, welcher heist,
Gallus Cantans, in arbore sedens, gigirigi
faciens. (5.2.1783)
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Wolfgang Amadeus Mozarts erste
Oper: Apollo et Hyacinthus
Gerhard Petersmann
Am Mittwoch, dem 13. Mai 1767, kann man in einem protocollum der Benediktineruniversität von Salzburg lesen, dass nach dem Frühstück eine comoedia von den
Syntaxistae, Studenten der höheren Klassen, aufgeführt wurde. Weiters lesen wir, dass
bei dieser Aufführung auch eine Musikeinlage war, die von Wolfgang Mozart, einem
11-jährigen Knaben, komponiert wurde. Der Knabe hatte einige Beispiele seines
musikalischen Talentes während der Nacht auf dem Clavicembalo den Professoren
vorgeführt. In dieser Nacht waren die Herren Patres sehr müde, weil sie die übliche
phlebotomia über sich ergehen lassen mussten, eine Blutabnahme am Tag zuvor, die
für Professoren der Universität im 18. Jahrhundert obligatorisch war.
Abb.1: Universitätsarchiv, bA 81: Protocollum Praefecturae Scholarum 1759–1769
sub Praefecto P. Mariano Wimmer Seeonensi, pag. 277.
Diese comoedia, von der hier die Rede ist,
war eine der regulären Vorstellungen des
Universitätstheaters der von den Benediktinern geleiteten Universität. Derartige
Vorstellungen gab es seit der Gründung
der Universität im Jahre 1622. An diesem
13. Mai 1767 wurde vom Rhetorikprofessor P. Rufinus Widl ein Drama über die
Tragödie des lydischen Königs Krösus (6.
Jh. v. Chr.) und seines Sohnes gespielt,
der von Atys getötet worden war. Die Geschichte ist nachzulesen in den Historiae
des griechischen Geschichtsschreibers
Herodot aus dem 5. Jh. v. Chr. (1.34–45).
Das Stück des Rhetorikprofessors mit der
musikalischen Einlage von dem kleinen
Buben Wolfgang Mozart hatte den Titel
Clementia Croesi, die Milde des Krösus.
Seit der Gründung der Universität 1622
wurde auch an ihr mit Schülern der
Lateinschule und den Studenten Theater
gespielt. Viele Universitäten hatten solche
6
Universitätstheater. Gut erforscht ist das
Universitätstheater der Jesuiten, welches
stark missionarischen Charakter hatte.
In Salzburg haben Forschungen ergeben,
dass die Funktion des Theaters an der
Benediktineruniversität eher eine soziale
war. Zum einen war das Ziel, Studenten
in der lateinischen Sprache wie in der
griechischen und römischen Literatur
und Kultur zu erziehen, zum anderen war
(und ist) Latein die Sprache der römischkatholischen Kirche, eine der heiligen
Sprachen der christlichen Tradition.
Latein ist die Sprache der Basiskultur
Europas. Vor allem in Salzburg an der
Benediktineruniversität, welche die
Universität eines unabhängigen klerikalen Staates war, hatte das Theater auch
die Funktion, bei bestimmten Anlässen
Repräsentation des Ruhmes und der
Macht des regierenden Erzbischofs zu
sein. Zumeist waren es ja Kardinäle und
Fürsterzbischöfe, welche zudem noch
den Titel (wie heute noch) und die
Funktion eines Primas Germaniae hatten.
Als Mozart am 27. Jänner 1756 in Salzburg
geboren wurde, regierte Fürsterzbischof
Sigismund III. Graf Schrattenbach. Seine
Regierungszeit dauerte bis 1767, als
Mozart ein Knabe von 11 Jahren war.
Mozarts Vater war Vizekapellmeister, der
das außerordentliche Ingenium seines
Sohnes erkannte und entsprechend vermarktete. Leopold Mozart hatte gute Verbindungen zu den Professoren an der
Universität. So ist in einem Programm
eines verlorenen Dramas von 1761 ein
fünf Jahre alter Knabe namens Wolfgangus
Mozhart unter den Salii (Tänzern) zu
finden.
Die Geschichte von König Kroisos, Atys
und Adrastos steht unmittelbar nach der
bekannten Erzählung von Kroisos und
Solon, in der das berühmte Wort fällt,
dass niemand vor seinem Tode glücklich
sei. Adrastos hatte unglücklicherweise
und ohne jede Absicht den Sohn des
Königs Kroisos, Atys, bei der Jagd getötet.
Ein altes Orakel hatte dies dem König vorausgesagt. Intrigen am Hof beschuldigten
Adrastos des Mordes an Atys, worauf
Kroisos den zum Tode verurteilte. Bereits
im 17. Jh. war vom bekannten Barockdichter Simon Rettenpacher, als Benediktiner kurz auch an der Salzburger
Universität, am 3. Oktober 1673 ein
Drama namens Atys aufgeführt worden.
Rettenpacher lässt Adrastos am Grabe des
Atys analog der Erzählung Herodots
Selbstmord begehen.
Die ungefähr 100 Jahre später aufgeführte
Clementia Croesi von Rufinus Widl lässt
das Stück allerdings mit einem lieto fine,
wie es der Brauch der opera seria des
18. Jh. erforderte, positiv enden. Damit
soll dem geistlichen Landesfürsten die
Milde des Krösus vor Augen gehalten
und Werte wie benignitas, misericordia
und clementia als moderne Werte der
Aufklärung präsentiert werden.
Dem Barocktheater folgend wird in das
beschriebene Drama ein musikalisches
Zwischenspiel, ein Interludium, oder wie
es hier genannt wird, Embolium, integriert. Wie der lateinische Text der
Clementia Croesi stammt auch der eben-
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Croesi, aufgeführt in der heute noch existierenden Aula Maior der Universität,
integrierte, war derart in das Hauptdrama
eingebaut, dass die Clementia mit dem
1. Akt des Interludiums begann, gefolgt von
den ersten beiden Akten der Clementia,
dann wieder vom 2. Akt von Apollo et
Hyacinthus: A 1 / C 1, C 2 / A 2 / C 3, C 4 /
A 3 / C 5: So begann das Theaterspiel mit
Apollo et Hyacinthus, um mit der Rettung
des Adrastos, der Milde des Croesus zu
enden. Happy End des Zwischenspieles
und Happy End der comoedia korrespondierten am Schluss. Die Aufführung
geriet durch die offenkundig gewollten
Korrespondenzen der Handlung und der
dramatischen Realisierung zu einem
Gesamtkunstwerk, wie es die Barockzeit
anstrebte.
Die offenkundig homoerotische Liebesgeschichte der Antike, die noch bis in die
Neuzeit als solche rezipiert wurde (vgl.
den Text von Johann Sebastian Bachs
Cantata 201 von Picander: Mit Verlangen /
drück ich deine zarten Wangen / holder,
schöner Hyacinth / und deine Augen küss
ich gerne / weil sie meine Morgensterne /
und der Seele Sonne sind ... oder den langen Vergleich von Aschenbachs geliebtem
polnischem Knaben Tadzio mit Hyacinth
in Thomas Manns „Tod in Venedig“), war
für das Salzburger Universitätstheater mit
seinen Gymnasiasten und Studenten als
Schauspielern denkbar ungeeignet.
Rufinus Widl, Priester, Professor, Dichter
und Regisseur (pater comicus) in einem,
änderte schlicht und einfach durch die
Einführung einer Schwester des
Hyacinth, Melia, die homoerotische in
eine heterosexuelle Liebe. Melia liebt den
am Hofe des Vaters wirkenden Gott
Apollo, der wieder von Zephyrus, der
Melia liebt, in rasender Eifersucht verfolgt wird. In einer merkwürdigen, geradezu auffallenden Weise schimmert der
alte antike Plot in den lateinischen
Rezitativen und Arien des Benediktinermönches durch – möglicherweise sind
Andeutungen und Handlungsführung
des musikalischen Dramolettes aber auch
ganz bewusst Auseinandersetzung mit
einem Phänomen, das dem klerikalen,
völlig männlich charakterisierten Universitäts- und Schulwesen zweifellos
nicht fremd war.
Abb.2: Anna Netrebko, © Kasskara, Deutsche Grammophon
falls lateinische Text des Interludium von
Rufinus Widl. Er handelt von der Liebe
des Apollo zu Hyacinthus, dem Sohn des
Königs Oebalus von Sparta, der durch die
Intrige des Zephyrus als Mörder des
schönen Hyacinthus gebrandmarkt wird.
Beim Diskuswerfen wurde ein Diskus
durch den Wind abgelenkt und tötete den
jungen Prinzen. Die Intrige wird entdeckt, Hyacinthus in die Blume verwandelt, die noch heute seinen Namen trägt.
Der Hellenismus hat aus dem alten, wohl
auf der Peloponnes beheimateten Mythos
(dort gibt es ein Fest Hyakinthia) eine
wunderbare Geschichte voll mit erotischen Sentiments gemacht, die in Ovids
Version im 10. Buch seiner Metamorphosen ihre klassische Ausprägung
fanden.
Das Spiel um Apollo und Hyacinthus, das
P. Rufinus Widl in seiner Clementia
Nach dem 4. Akt der Clementia Croesi
wird die Haupthandlung unterbrochen
und der dritte, letzte Akt von Apollo und
Hyacinthus eingeschoben. Er retardiert
mit seinem Happy End den Schluss der
Clementia Croesi: Zu den schönsten
Arien des elfjährigen Mozart gehört das
Duett von Vater und Tochter, von König
Oebalus von Sparta und Melia, klagend
um Sohn und Bruder, Geliebten und
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Gott: Natus cadit / atque deus / me
nolente / nesciente / laesus abit. /
Regnum sine Numine / iam non diu
stabit / Numen! Quaeso, flectere / et ad
nos revertere! Der Sohn tot, der Gott
beleidigt, das Reich kann so nicht bestehen, singt der alte König und bittet
um die Rückkehr Apollos. Seine Tochter
Melia: Frater cadit / atque meus / te
iubente / me dolente / sponsus abit. /
Sponsa sine complice / quaeso, quid
amabit?/ Noli sponsam plectere!/Numen!
Ah regredere.
Auch hier am Ende die Bitte zur Gottheit
(= dem Geliebten), wieder zurückzukehren nach Sparta. Vielleicht ist dieses
Duett in seiner musikalischen Ausprägung eines der schönsten des jungen
Mozart – eines jener unerklärlichen
Wunder, die, wie Musikkenner sagen,
noch nach 200 Jahren erstaunen.
Haupthandlung und Dramolett haben
ein lieto fine, so tragisch auch der Weg
dorthin gewesen sein mag. Wie Abrahams
Sohn Isaak wird der zum Tode verurteilte
Abb.3: Historische Aula Maior der Universität Salzburg
Abb.4: Aus dem Originalprogramm 1767
(UB Salzburg, Sign. R 5607 I.)
Adrastos gerettet, Apollo und Melia werden ein glückliches Paar, zumindest in
der Version des Rhetorikprofessors der
Alma Mater Benedictina Salisburgensis.
Aus dem Grab des toten Hyacinth wird
die Hyacinthe wachsen, die wohl eine
andere mediterrane Blume meint als
unsere Hyazinthe: Ihre Blütenblätter
tragen eine Zeichnung, die der Buch-
stabenfolge AI ähnlich ist – griechischer
Ruf der Klage und des Schmerzes. In
der Welt der Mythologie sind derartige
Metamorphosen möglich – vielleicht
auch in der Welt der realen Historie.
1767 muss Adrastos nicht sterben, der
Wert der clementia soll ihn schützen,
mag der Fürst nun klerikal, mag er
säkular sein.
LINZ, DANN HANDELSKAMMER FÜR OBERÖSTERREICH,
SEIT 1975 IM ORF – ZUNÄCHST IM AKTUELLEN DIENST,
DANN LEITER DER UNTERHALTUNGSABTEILUNG.
1999 BIS ANFANG 2001: LEITER DER HAUPTABTEILUNG
RELIGION IM HÖRFUNK IN WIEN.
VERHEIRATET SEIT 1974, DREI ERWACHSENE KINDER,
EINE ENKELIN.
sophen und Theologen sind zu wenig, um die bis
heute wirkenden Traditionen verständlich zu
machen und zu verstehen.
Amicus
DR. HELMUT OBERMAYR
SEIT FEBRUAR 2002 LANDESDIREKTOR DES ORF
OBERÖSTERREICH
GEBOREN 1949 IN KIRCHDORF AN DER KREMS, NACH DER
VOLKSSCHULE VON 1959 BIS 1967 STIFTSGYMNASIUM
KREMSMÜNSTER (8 JAHRE LATEIN, 6 JAHRE GRIECHISCH).
1967 BIS 1971 JUS-STUDIUM IN LINZ, DOKTORAT,
ASSISTENT AM INSTITUT FÜR VERFASSUNGS- UND
VERWALTUNGSRECHT AN DER DAMALIGEN HOCHSCHULE
8
Latein und Griechisch waren zwar im
Gymnasium absolut nicht meine Lieblingsfächer – inzwischen bin ich aber wirklich dankbar dafür, denn ich bin dadurch tief in unserer
Kultur verwurzelt.
Wenn niemand mehr in der Schule die
antiken Schriftsteller, das Christentum und
das Mittelalter in der Originalsprache kennen
lernt, schneiden wir unsere Wurzeln ab, aus
denen die wichtigsten Grundlagen der
modernen Gesellschaft gewachsen sind.
Eine Handvoll studierter Altphilologen, Philo-
Wenn in den Schulen nur mehr das
Nützlichkeitsdenken gilt, werden wir zu
einer Gesellschaft der nützlichen Idioten. Wir
können uns den Luxus leisten, uns mit Sprachen,
Dichtern und Philosophen zu beschäftigen,
die nicht unmittelbar der Produktion von
Gütern, Dienstleistungen und Geld dienen.
Stoa und Christentum sind heute so modern wie
vor 2000 Jahren. Wenn ich fallweise vor
Publikum Seneca, Cicero oder die großen
Reden Jesu vortrage, bestätigen mir das
immer wieder Menschen, die die Texte zum
ersten Mal gehört oder zum ersten Mal
aufmerksam gehört haben.
cursor
Latein4EU
„Sunden sie geschlaf“
Mozarts Balanceakte auf dem Drahtseil der Sprache
I. Schreiben als Psychohygiene
und Komponieren mit Worten
Mozarts sprachliche Zeugnisse im
Gewand von Briefen, Gedichten und
anderen literarischen Parerga zu ignorieren, käme einer Verstümmelung seiner
Persönlichkeit gleich, wäre mehr als bloß
eine heuristische Unterlassungssünde,
als der mutwillige Verzicht auf eine marginale Erkenntnisquelle. Indem sich
Mozart äußert, entäußert er sich
zugleich, das Individuum gibt sich preis,
setzt sich frei, spannt und entspannt sich.
In Mozarts Sprache haben manche
Kenner ein Komponieren mit anderen
Mitteln gesehen. Das meint wenigstens
zweierlei: Mozarts Briefe, um nur diese
eine Spezies seines Schreibens herauszugreifen, sind weit mehr als funktionale,
trockene Mitteilungen. Ja, ein pedantischer, nüchterner Adressat wie Mozarts
Vater leidet chronisch unter den versäumten Botschaften seines Sohnes. Die
Nachrichten im Bereich des
Lebensernstes, auf die er so dringlich
wartet, verschwinden in einem Dickicht
von Verbalakrobatik, von exzessivem
Übermut und gesuchtem Nonsens. Aber
was wie Laune und reines Getändel wirken könnte, ist in Wahrheit häufig
Maskerade, sprachliche Mimikry, ein
Blinde-Kuh-Spiel vor den Anfechtungen
eines seriösen Alltags.
Ein Komponieren in einem anderen
Medium ist es aber auch, wenn Mozart
die Sprache nicht als konventionelles
Ausdrucksmittel benützt, als gleichsam
geprägte Münze ausgibt, sondern sie sich
als Knetmasse erst für seine Bedürfnisse
zurechtformt. Der prüfende Blick des
Sprachforschers ist da schnell mit
Kategorien zur Hand. Der Linguist
spricht von Reimwörtern, wenn Mozart
im bekannten Bäslebrief vom 5.11.1777
konsequent auf einen erwarteten
Ausdruck das klangliche Echo folgen lässt
(„Ich habe dero mir so werthes schreiben
richtig erhalten falten, und daraus ersehen drehen, dass der H. vetter retter, die
fr. baaß has, und sie wie, recht wohl auf
sind hind usw.“). Als Perseverationen
kann man es bezeichnen, wenn in einem
Brief an die Baronin von Waldstätten vom
28.9.1782 eine schier unendliche Kette
Univ.-Prof. Dr. Oswald Panagl, Salzburg
französisierender Zeitwörter auf -iren
erscheint („tractiren … tourniren … accomodiren … pardoniren … permettiren …
complimentiren … veneriren … klystiren
… fermiren“). Synonymenreihe ist der
passende Terminus für die scherzhafte
Überdehnung des Stilprinzips, einen
weniger üblichen Begriff durch ein
gleichbedeutendes Nachbarwort zu
erläutern. Mozart führt dieses rhetorische
Instrument ad absurdum, indem er es
totreitet und auf banale Alltagswörter
anwendet (5.11.1777: „Sie schreiben noch
ferners, sie lassen sich heraus, sie geben
sich blos, sie lassen sich verlauten, sie
machen mir zu wissen, sie erklären sich,
sie deuten mir an, sie benachrichtigen
mir, sie machen mir kund …“; 21.11.1777:
„wird er mir gewiß, zweifelsohne, ohne
Zweifel, sicher, richtiglich antworten“).
Ein gesuchtes etymologisierendes
Wortspiel liegt vor, wenn Mozart sein
Bäsle zuerst als „Bäßchen“ und in einer
musikalischen Assoziation danach als
„Violoncellchen“ anredet.
Namensverdrehungen riskiert er, wenn er
aus Süßmayr einen „Sauermayer“ macht
oder einer Frau Schlosserin den
Geburtsnamen „Schlüsselmacherin“
unterstellt. Aber all das sind bloße
Etiketten, bescheidene Versuche, die
überquellende Fülle der Phänomene zu
bändigen, in der verwirrenden Vielfalt
terminologische Wegweiser zu setzen.
II. Die Probe aufs Exempel
Das nachstehende Beispiel ist ein
Postskriptum zu einem Brief, den Mozart
von der großen Reise mit seiner Mutter
am 26.11.1777 aus Mannheim an seinen
Oswald Panagl
Vater schreibt. Schon im eigentlichen Text
war er dem dringenden Bedürfnis des
Vaters nach ernsthaftem Bericht immer
wieder durch „Hakenschlagen“ ausgewichen. Immerhin war man bereits über
zwei Monate unterwegs, hatte München
ohne Erfolg im Bemühen um eine
Anstellung am Hof verlassen und auch
die analogen Anstrengungen beim
Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim
waren noch ergebnislos. Doch Mozart
entzieht sich der Anfechtung am Ende
des Schreibens durch den Hinweis auf
Platzmangel. Er verspricht, künftig mehr
Papier zu beschaffen und ausführlicher
zu werden. Er empfiehlt sich mit der
gewohnten Courtoisie recht umständlich
und widerlegt jegliche „Materialnot“ mit
einem verspielten Briefzusatz:
„Wenn ich noch einen Platz findete, so
schreibte ich 100000 Complimente von
uns 2, sage von uns zwey, an alle gute
freünd und freündinen, besonders an die A,
adlgasserische, andretterische und Arco
(graf ) H: B, bullinger, barisanische, und
beranitzky, C, Czernin, (graf ) Cußetti, und
den drey H: Calcanten, D, H: daser, deibl,
und dommesseer, E, Madselle Eberlin
waberl, H: Estlinger, und alle Esln zu
Salzburg, F, Firmian, (graf und gräfin, und
dackerln) den kleinen franzl, und an
Petrischen freyhof, G, Madelle Mad: et
deux Mons. gylofsky, und auch an
Conseiller, dann H: gretri, und gablerbrey,
H, den haydnischen, hagenauerischen,
und der höllbrey Thresel, J, joli (die
Sallerl) an H: janitsch den geiger, und an
jacob beym hagenauer, K, H: und fr. von
kürsinger, graf und gräfin kühnburg, und
H: kassel, L, Baron lehrbach, graf und gräfin litzauw, graf und gräf: Lodron, M, H:
Meissner, Medlhammer und Moserbrey,
N, der Nannerl, den hofnarren Pater florian, und allen Nachtwächtern, O, den graf
oxenstirn, den H: oberbreiter, und allen
ochsen in Salzburg, P, den Prexischen,
graf Pranck, kuchelmeister, und graf
Perusa, Q, den H: Quilibet, quodlibet, und
allen quackern, R, den Pater florian reichsigl, Robinische, und Maestro Rust, S, den
H: Suscipe, H: Seiffert, und alle Säü in
Salzburg, T, H: Tanzberger unsern
Metzger, der thresel, und an alle trompeter, U, an die stadt ulm, und uttrecht, und
an alle uhren in Salzburg wen man
anfangs ein h hinzusetzt, W, an die wieserische, wurstmacher hans, und an woferl,
X, an die xantipe, an xerxes, und an alle
Nr. 05 - MÄRZ 2007
9
die dessen Name mit einen X anfängt, Y,
an H: ypsilon, an die H: ybrig, und an alle
die dessen Name mit einem y anfängt,
letztens aber Z, an H: zabuesnig, H: zonca, und H: zezi im schloss. addlieu. wenn
ich Platz hätte, so schreibete ich schon
noch etwas, aufs wenigst doch
Complimenten an meine gute freünd, so
kan es aber nicht seyn ich wüste nicht wo
ich hinschreiben sollte. Ich kann gescheüt nichts heüts schreiben, denn ich
heis völlig aus den biel der hapa üble es
mir nicht Müssen Paben, ich so halt einmahl heüt bin, ich helf mir nicht können,
wohlen sie leb. Ich gute ein wünsche
nacht. sunden sie geschlaf. werdens
nächste ich schon schreiber gescheiden.“
Literarische Alphabete sind von Wilhelm
Busch bis herauf zu H. C. Artmann ein
beliebter Tummelplatz der sprachlichen
Kreativität. Ein alphabetisches
Namensverzeichnis von Salzburg mit
dem Auftrag der Grußbestellung – noch
dazu im Irrealis („Wenn ich noch einen
Platz findete, so schreibte ich …“) – ist
jedenfalls ein Kuriosum. Wir versagen
uns alle familiären Quellenstudien – die
meisten Namen sind ja aus dem Umfeld
Mozarts oder aus der Topographie
Salzburgs bekannt –, wenden uns vielmehr den Abweichungen von der Regel
zu. Da finden sich „alle Esln zu Salzburg“
ebenso wie später „alle Säü“, neben
„Firmian“ findet sich „der kleine franzl“,
die „Nachtwächter“, „Trompeter“ und der
„wurstmacher hans“ fetten das Register
auf, ganz zu schweigen von den „uhren in
Salzburg wen man anfangs ein h hinzusetzt“. Die Städte „ulm und uttrecht“
sprengen ebenso grotesk den selbstgewählten Rahmen wie die Auffüllung der
notorisch seltenen Buchstaben
(„Quilibet, quodlibet, und allen quackern“; „an xantipe, an xerxes“; „an H:
ypsilon, an die H: ybrig …“).
Vollends überschlägt sich die Phantasie
des Briefschreibers aber am Ende des
Postskriptums. Denn jetzt erst, da ihm
wieder der Platz fehlt, würde er
Complimente an seine guten Freunde
hinzusetzen, die offenbar in der alphabetischen Liste gar nicht vorgekommen
sind. In einem fingierten Sprachrausch
purzeln Mozart schließlich Silben,
Wortarten und grammatische Kategorien
durcheinander. Zwischen der
Feststellung „Ich kan gescheüt nichts
heüts schreiben“ und ihrer variierten
Wiederkehr als „verrückter“ Schlusssatz
„werdens nächste ich schon schreiber
gescheiden“, geraten Syntax und
Formenlehre gänzlich aus den Fugen
(Ernst Jandl lässt grüßen!), was Mozart so
zu rechtfertigen sucht: „denn ich heis völlig aus den biel“. Die Kommentatoren
wollten hier eine Fehlschreibung für „ich
gleis völlig aus dem fiel“ (also „ich fiel
völlig aus den Gleisen“) erkennen. Ich
halte ein schlichtes „ich bi(n) völlig aus’n
Häusl“ für wesentlich wahrscheinlicher.
Aber Mozart wäre kein gestaltender
Künstler, hätte die Abweichung nicht
Methode, würde die Systemverletzung
nicht ein neues System stiften. Als durchgehendes Ordnungsprinzip der scheinbar
so willkürlichen Umgestaltung der
Sprache in den Binnensätzen erweist sich
der kategorielle Austausch von Prädikat
und Objekt bzw. Adverb. An der syntaktischen Stelle des Verbums erscheint konsequent ein Adjektiv: „wohlen sie leb. ich
gute eine wünsche nacht. sunden sie
geschlaf.“ Variation? Dissonanz?
Taktwechsel? Thematische Umkehrung?
Kontrapunkt? Auf jeden Fall ein hochkarätiger Musikalismus der Sprache!
Nuntius Latinus
Das Mozart Album
Wolfram Kautzky
Die populärsten Arien und Duette berühmter Mozartopern, „Zauberflöte“,
„Figaro“, „Don Giovanni“ und weitere Opern in Neuaufnahmen.
Die Nuntii erscheinen jeden Dienstag im Kurier
Dieses Album vereint eine unschlagbare Strategie, von Anna Netrebko angeführt,
über Thomas Quasthoff, Elina Garanca, René Pape bis Bryn Terfel.
Simiae regnant
Magistratus Indici mensibus superioribus inopes
observabant, quomodo labor regnantium simiis
infensis turbaretur. Quae animalia sine difficultate
inter ministeria defensionis, aerarii, rerum externarum concursare solent et iam documenta magni pretii rapuisse dicuntur, ut agentura nuntiis divulgandis nomine Reuters rettulit. Quin etiam in officio
ipsius praesidis ministrorum simiae iam visae sunt.
„Eae bestiae etiam in areas summae securitatis penetrant“, quidam officiarius ministerii defensionis dixit.
Ibi autem eas solum officiales terruisse atque cibos
rapuisse. Ut magistratus censent, hoc tempore decem
fere milia simiarum in area gubernationis prope
domum praesidentis sita versantur – multo plures
quam solitum.
Vokabel: simia, -ae = „Affe“; infensus 3 = „aggressiv“;
divulgare = „verbreiten“; officiarius, -i = „Offizier“;
officialis, -is = „Büroangestellter“
Le Nozze di Figaro
Idomeneo
Don Giovanni
La Clemenza di Tito
Die Zauberflöte
10
cursor
Latein4EU
„Das Unbewusste ist viel moralischer,
als das Bewusste wahrhaben will“
Mozarts Jugendopern und die „Tugenden“
Barbara Wintersteller
2006 war – nicht nur in Salzburg – „Alles
Mozart!“. Die einen freuten sich darüber,
genossen die vielen Möglichkeiten,
Mozarts Musik, besonders auch die
selten gespielten Werke hören zu können, den anderen ging die allgegenwärtige Dominanz des Genius Loci Salisburgensis schon ziemlich auf die
Nerven.
Bei der Fülle von Neuerscheinungen
zum Mozartjahr ist es keine leichte
Aufgabe, dem Thema „Mozart“ noch
ungewohnte Seiten abzugewinnen, noch
dazu in Verbindung mit der antiken Welt.
Dass sich Mozart aber ganz selbstverständlich von Jugend an mit antiken
Themen beschäftigt hat, zeigt schon eine
Auswahl aus seinen frühen Opern:
Apollo und Hyacinthus, Mitridate,
Ascanio in Alba, Il Sogno di Scipione,
Lucio Silla, Il Rè Pastore. Die Themenwahl war dabei natürlich ganz pragmatisch auf die jeweilige Vermarktung abgestimmt und durch den Rückgriff auf antike Persönlichkeiten sollte der Glanz
einer aktuellen Herrscherpersönlichkeit
noch heller strahlen. Außerdem wurden
die antiken Figuren und Vorlagen nicht
1 : 1 umgesetzt, sie dienten als Muster,
das die Librettisten dem Anlass und den
jeweils verfügbaren Stimmen entsprechend abwandeln konnten.
Es sind selten gespielte Werke, eher
handlungsarm und mit „Marmor scheißendem“ Götter- und Fürstenpersonal,
wie es Milos Forman seinen „Amadeus“
im gleichnamigen Film sagen lässt.
Warum ist es trotzdem spannend, sich
mit diesen frühen Meisterwerken auseinanderzusetzen? Es ist die Zeitlosigkeit
der antiken Themen, die – verbunden
mit der zeitlosen Schönheit von Mozarts
Musik – auch uns Menschen des 21. Jahrhunderts noch zu fesseln vermögen: So
finden wir hier thematisch alle Facetten
der Liebe und Eifersucht, Zurückweisung, Rache und Verzeihung, Probleme
zwischen Vätern und Söhnen, Geschwisterstreit, Verzicht und Verzeihen, Zivilcourage.
Eine Lösung für die jeweils dargestellten
Konflikte findet sich oft, indem sich
eine/r der Protagonisten „tugendhaft“
verhält und damit dem Konflikt eine
Wendung zum Guten gibt.
Tugend gilt uns Heutigen ja eher als ein
verstaubter, nicht recht greifbarer Begriff.
In Mozarts Zeit aber waren die „Tugenden“ fixer Bestandteil des Bildungskanons und in zahlreichen Theaterstücken
und Abbildungen gegenwärtig. Bei näherem Hinsehen erkennt man durchaus
Zeitgemäßes und Wünschenswertes.
Als „Kardinaltugenden“ bezeichnete man
seit Plato die folgenden vier Eigenschaften:
Iustitia: Gerechtigkeit – Fortitudo:
Tapferkeit – Prudentia oder Sapientia:
Klugheit oder Weisheit – Temperantia:
Mäßigung. Von diesen vier Grundtugenden wurden alle weiteren Tugenden
abgeleitet. Der antike „Tugendkatalog“
nahm in der Folge einen ziemlich großen
Umfang an: Dazu kamen u. a. Tugenden
wie Clementia: Milde und Constantia:
Beständigkeit.
Der Philosoph und Theologe Thomas von
Aquin ergänzte die Kardinaltugenden im
13. Jahrhundert noch um drei theologische: Fides: Glaube – Spes: Hoffnung –
Caritas: Liebe.
Unter diesem Gesichtspunkt wird das
Thema „Mozart und die Antike“ plötzlich
weit und vielfältig.
Denn eigentlich gibt es kaum eine Oper
oder ein Singspiel, in dem Mozart nicht
einer dieser Tugenden ein unvergleichliches stimmliches Denkmal gesetzt
hätte: der „Clemenza“ des Titus oder der
Iustitia und Sapientia des Sarastro in der
Zauberflöte oder Constanzes (nomen est
omen!) Fortitudo, die ihren Ausdruck in
der Marterarie findet, oder der verständnisvollen Temperantia der Gräfin im
Figaro, durch die sich zum Schluss doch
noch alles zum Guten wendet …
Iustitia, Fortitudo, Sapientia,
Temperantia.
Werfen wir aber nun einen kurzen Blick
auf den Inhalt der frei nach antiken
Vorlagen gestalteten Plots in Mozarts
wenig gespielten Jugendopern:
Apoll und Hyacinthus erzählt von der
Liebe des Apoll zur Königstochter Melia,
die aber auch von Zephyrus umworben
wird, der ihren Bruder Hyacinthus beim
Diskuswerfen absichtlich tödlich verletzt
und Apoll den Unfall in die Schuhe
schiebt. Gerade noch rechtzeitig klärt der
sterbende Hyacinthus alles auf: Apoll
bekommt seine Melia, Zephyrus wird in
einen Sturmwind und Hyacinthus in die
bekannte Blume verwandelt. Happy End,
Nr. 05 - MÄRZ 2007
11
Oben li.: Iustitia, oben re.: Sapientia
Unten li.: Temperantia, unten re.: Fortitudo
Darstellung der Kardinaltugenden am Papstgrab im
Bamberger Dom (Quelle: wikipedia)
fußend auf der barocken Musiktradition,
die den Zuhörer nicht ungetröstet in den
rauen Alltag entlassen durfte.
Auch Ascanio in Alba entführt uns in die
Welt der „unsterblichen Götter“ – angesiedelt in einer idyllischen Schäferkulisse,
was auch in der Orchesterbesetzung zum
Ausdruck kommt: Flöten, Englischhörner,
Oboen, Hörner, Pauken und Trompeten
versetzen uns musikalisch ins ländliche
Ambiente. Venus hat für ihren Sohn
Ascanio Alba als Herrschaftsgebiet und
die Nymphe Silvia zu seiner Frau bestimmt. Allerdings soll er sie auf Anraten
seiner Mutter noch einem „Tugendtest“
unterziehen. Die Prüfung besteht Silvia
bravourös, Venus schwebt zufrieden
davon …
Il Rè Pastore versetzt uns ebenfalls ins
damals so beliebte „Schäferidyll“; wieder
geben im Orchester die „pastoralen“
Instrumente den Ton an. Wie später in
der „Entführung“ geht die Ouvertüre
direkt in die erste Arie des ersten Aktes
über. Aminta – ein junger Mann an der
Schwelle zum Erwachsenwerden und
daher wie Cherubino im Figaro als
Hosenrolle konzipiert – ist der eigentlich
rechtmäßige Herrscher von Sidon, lebt
aber, ohne dies auch nur zu ahnen, als
Schäfer auf dem Land und freut sich auf
seine Heirat mit Elisa. Alessandro will
Aminta in sein rechtmäßiges Erbe einsetzen und hat auch schon eine standesgemäße Partie für ihn gefunden: Tamiri –
aber diese liebt wiederum Agenore, den
phönizischen Freund Alexanders. Aus
Loyalität finden sich alle in ihr vermeintliches Schicksal. Nur Aminta wagt es, sich
zu widersetzen: Lieber will er auf den
Thron als auf Elisa verzichten; gerührt
stimmt Alessandro der Doppelhochzeit
der „richtigen“ Paare zu.
Auch Mitridate endet letztendlich mit
einem Sieg der Liebe über politische und
menschliche Intrigen. Aspasia wartet auf
ihre Hochzeit mit dem alternden
Mitridates, der gerade im Kampf gegen
12
die Römer steht. Allerdings ist es schon
seine dritte Hochzeit und Aspasia eine
junge Frau, in die sich seine beiden
Söhne verliebt haben. Mitridates entdeckt das ganze Ausmaß seiner menschlichen und politischen Niederlage: Sein
Sohn Farnace kooperiert mit den römischen Feinden und weigert sich, die ihm
bestimmte Braut Ismene zu heiraten; sein
Sohn Sifare und Aspasia bekennen ihre
Liebe zueinander; Mitridate will sie alle
töten lassen. Wie bei Idomeneo ist es die
scheinbar so übermächtige Vaterfigur, die
auf dem Höhepunkt ihrer Macht am tiefsten fällt. Zurückgewiesen von Aspasia
und von Furcht getrieben, sich den
Römern unterwerfen zu müssen, stürzt
sich Mithridates ins eigene Schwert und
vergibt sterbend seiner Familie. Mozart
macht uns Mithridates musikalisch nicht
sympathisch; er teilt ihm keine Arie zu,
die sich durch Bravour bzw. durch besondere Ausdehnung hervortäte. Großartig
aber die Arie der von Farnace zurückgewiesenen Ismene: In faccia all ogetto, die
das „Himmelhoch jauchzend – zu Tode
betrübt“ einer Liebesbeziehung berührend zum Ausdruck bringt.
Auch in Lucio Silla geht es wieder um
den Sieg der beständigen Liebe über die
Intrigen der Machtpolitik und die
„Clementia“ und „Temperantia“ eines
geläuterten Machtpolitikers.
Eine Jugendoper aber fällt in mehrfacher
Hinsicht aus dem Rahmen: Il Sogno di
Scipione: KV 126 – Konzertante Uraufführung am 20.1.1979 (!) bei der Eröffnung der Mozartwoche in Salzburg.
208 Jahre musste dieses Werk auf seine
Uraufführung warten: Es sollte eigentlich
zum 50-jährigen Priesterjubiläum des
Fürsterzbischofs Sigismund Graf
Schrattenbach uraufgeführt werden, der
aber ungefähr einen Monat vorher verstarb. Sein Nachfolger, der sparsame Graf
Hieronymus von Colloredo, dürfte nur
die Aufführung der zwei letzten Nummern erlaubt haben.
Seit dieser Zeit wurde „Il Sogno“ ignoriert;
denn das Werk passt irgendwie in kein
Theaterschema und der Traum eines im
Schlummer liegenden Feldherrn, der sich
zwischen zwei wunderschönen Frauen
entscheiden muss, nämlich zwischen
Fortuna, der „Traumfrau“, ihren
Verheißungen des großen Glücks, und
Constanza, der „braveren“, aber dafür
beständigeren, war den Zuhörern einfach zu kompliziert und schien zu langweilig, um sich damit näher zu befassen.
(vgl. dazu das Bild rechts). Dabei schrieb
sich der 14-jährige Mozart nach dem
Libretto von Pietro Metastasio die Nöte
aller Heranwachsenden von der Seele:
Welchen Weg soll ich gehen? Entscheide
ich mich nach meinem Herzen oder folge
ich den Vorstellungen der Familie, des
Staates, der Kirche? Will ich Ungebundenheit, Leidenschaft und Begehren
oder doch lieber gesellschaftliches Ansehen und ein beständiges Familienleben? Hoffnungslos überfordert ist der
junge Scipio, und als er sich schließlich
für Constanza und gegen Fortuna entscheidet, weiß auch der (erwachsene)
Zuhörer nicht so recht, ob das die richtige Entscheidung war – irgendwie fehlt
dem Entschluss die musikalische Überzeugungskraft …
(Musikalischer Tipp: Die Ouvertüre mit
dem „traumhaften“ Mittelsatz)
Bei der antiken Vorlage handelt es sich
um den vollständig erhaltenen Text
„Somnium Scipionis“ (Der Traum des
Scipio) aus dem ansonsten unvollständig
erhaltenen politischen Traktat De re
publica (Über den Staat) von Marcus
Tullius Cicero. Das Werk hinterließ besonders in der Renaissance einen großen
Eindruck.
Auch beim vorliegenden Stück wird die
antike Vorlage nicht werkgetreu umgesetzt, sondern weitergesponnen: Dreht
sich bei Cicero alles um den Lohn der
Unsterblichkeit für alle, die dem Staat
dienen, um die Nichtigkeit des kleinen
Erdenglücks im Vergleich zum Weltall
und seinen Sphärenklängen, so fügt
Metastasio die beiden Göttinnen mit
ihren Verheißungen und ihrem Werben
um Scipio ein und entwirft so ein zeitloses Szenario: der Mensch zwischen
Wunsch und Wirklichkeit in der Hoffnung, beide vielleicht doch in Einklang
bringen zu können.
Il sogno del cavaliere, Raffael (1504)
cursor
Latein4EU
Orpheus, der magische
Sänger der Antike
Ulla Zedrosser
übte er weiterhin große Faszination aus,
wurde ein „Musikidol“ und scharte, ohne
es zu wollen, Anhängerinnen (Groupies?)
um sich, die ihm letztlich zum Verhängnis
wurden. Orpheus und seine Männer
trafen auf einem nächtlichen Fest zu
Ehren des Dionysos zusammen, die
Orpheus galt der Antike als der beste,
schönste und faszinierendste Sänger
aller Zeiten. Mythenumrankt inspirierte
er Generationen von Dichtern und
Komponisten.
Michael Köhlmeier schreibt in seinem
„Großen Sagenbuch des klassischen
Altertums“: „Die Tiere versammelten sich
um ihn, wenn er zu singen und zu spielen
begann. […] Es sind ihm auch die Erdhügel, die Steine, die Felsbrocken nachgefolgt, und die Berge hätten, so heißt es,
an ihren breiten Wurzeln gerissen, sodass
die Erde zu beben begonnen habe.“
Orpheus war der Sohn der Kalliope, der
Muse der epischen Dichtung, und des
Gottes Apoll. Schon der Name der Mutter
ist Programm für ihren Sohn, denn
Kalliope bedeutet „die Schönstimmige“.
Aber auch Vater Apoll, dem Gott der
Musik und Erfinder der Lyra, liegt das
musische Fach im göttlichen Blut.
Zurück zum Sänger: Orpheus bedeutet
„der Dunkle“ – die Ereignisse seines
Lebens erklären den Namen von selbst.
Orpheus war ein Besatzungsmitglied des
Schiffes Argo. Er soll die gesamte Besatzung vor den ohrenbetäubenden Sirenen
gerettet haben, indem er während der
Vorbeifahrt an deren Insel so sang, dass
der Gesang der vogelähnlichen Frauen
auf die Soldaten der Argo wirkungslos
blieb. Unsterblich wurde er durch die
dunkle, unselige Liebesgeschichte mit
Eurydike. Die beiden liebten einander
innig und galten als das schönste Liebespaar. Doch das göttliche Fatum wurde
den Glücklichen zum Verhängnis. Als
Eurydike eines Tages auf die Wiesen hinausging, um Blumen zu pflücken, erblickte sie Aristaios, der berühmteste
Bienenzüchter der Antike. Von Verlangen
nach Eurydike ergriffen, jagte er sie über
die Wiesen. Eurydike aber flüchtete
angst-erfüllt und trat, durch die Flucht
unaufmerksam, auf eine Schlange, wurde
gebissen und starb. Von Trauer überwältigt, machte sich Orpheus auf den Weg in
das Reich des Hades. Dort gelang ihm das
bislang Unmögliche: Charon, Fährmann
des Unterweltflusses Styx, war von
Orpheus’ Liedern so beeindruckt, dass er
ihn den Hades betreten ließ, um nach
Eurydike zu suchen. Niemals zuvor durfte ein Lebender die Hallen des Todes betreten. Auch den Höllenhund Zerberus
Félix Vallotton, Orpheus’ Tod, Paris 1914
verzauberten Orpheus’ Lieder so sehr,
dass er den trauernden Mann ohne
Widerstand passieren ließ. Das Reich der
Dunkelheit verfiel in eine Art Freude und
so gelang es ihm sogar, Persephone, die
Königin der Unterwelt, zu erweichen: Sie
ließ Eurydike mit ihm gehen. Nur eine
Bedingung stellte sie: Orpheus dürfe sich
während des Verlassens der Unterwelt
nicht ein einziges Mal nach seiner
Geliebten Eurydike umdrehen. Doch
Orpheus drehte sich doch um – und
sofort verschwand die eben Zurückgewonnene in die Nebel des Hades.
Orpheus schwor seither den Frauen ab,
zog sich völlig aus dem Leben zurück und
gründete einen Männerorden. Auf Frauen
Frauen aber stürmten die Festlichkeiten,
überwältigten die Männer und zerstückelten den Körper des begnadeten
Sängers. Seinen abgeschlagenen Kopf
nagelten sie auf dessen Lyra und warfen
ihn in einen Fluss. Dem Mythos folgend,
soll der Kopf immer weitergesungen und
nach Eurydike gerufen haben. Im Meer
angelangt, strandete der Kopf samt Lyra
auf der Insel Lesbos, wo zu Ehren des
Orpheus ein Tempel errichtet wurde.
Übrigens: Sein Kopf sang immer noch
weiter. Erst Apoll brachte den Körperlosen zum Schweigen. Für uns bleibt
Orpheus der Inbegriff für schöne Musik,
Inspiration und Künstlertum und somit
unsterblich.
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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„Carpe noctem –
die lange Nacht der Römer“
Peter Glatz
Einen Abend lang kehrten antiker römischer Alltag und römische Lebenslust an die
äußersten Grenzen des Reiches zurück: Im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“
am 7. Oktober 2006 fand am Donau-Limes, genauer im Schlossmuseum Linz, die
„Lange Nacht der Römer“ unter dem Motto „Carpe noctem“ statt. Original römische
Legionäre der Legio XV Apollinaris exerzierten im Innenhof des Schlosses, bauten ihre
Zelte auf und „eroberten“ schließlich das Schlossmuseum. Die unter wissenschaftlicher Anleitung von den neuzeitlichen Legionären perfekt nachgebauten Rüstungen
riefen große Bewunderung hervor.
Von links nach rechts: Dr. Andreas Thiel, Dr. Helmut Obermayr, Mag. Peter Glatz,
Dr. Peter Assmann, Direktor der Landesmuseen OÖ, Mag. Sandra Kotschwar
Der Centurio Primus Pilus (Walter Flotzinger) und eine Römerin (Mag. Sieglinde Ortmayer)
machen Werbung für die Amici Linguae Latinae.
14
Wurden auch nicht alle lateinischen
Kommandos des Centurios vom
Publikum verstanden, so gaben die Legionäre doch bereitwillig Auskunft über
ihre Rüstungen und Ausrüstungsgegenstände und so mancher NachwuchsLegionär wurde auf einem Foto mit seinem Vorbild verewigt.
Der Name der Legio XV Apollinaris leitet
sich vom Gott Apoll her, ihr Wappentier
(Legionsemblem) ist der dem Apoll geweihte Greif. Gegründet wurde die
Legion von Gaius Julius Cäsar im Jahr 53
v. Chr. während des Gallischen Krieges.
Im Laufe der Zeit wurde sie an verschiedene Orte verlegt, ab 39. n. Chr. nach
Carnuntum. Auch bei der Zerstörung
Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. dürfte sie
dabei gewesen sein. Neuerdings hat sie
ihr Lager in Pram (OÖ) aufgeschlagen.
Legionäre wie Besucher labten sich am
original römischen Buffet: Oliven, Kapernbeeren, Schafskäse, Mostbrote (mustacei)
und Fleischbällchen nach Apicius (esicia
omentata). Für Letztere wurden nicht
etwa Wacholderbeeren, sondern die original geforderten Myrtenbeeren verwendet, für die mustacei natürlich Schweineschmalz und Most. Auch zu trinken gab’s
Römisches: Fons Romanorum (Römerquelle), Nativa, Carpe diem etc. Dermaßen gestärkt, begaben sich die überaus
zahlreichen Besucher (1.350!) zu den weiteren Stationen des Abends: Es wurden
verschiedene Projekte online präsentiert,
es gab Führungen in der römerzeitlichen
Ausstellung, ein Quiz versprach schöne
Preise. Den Höhepunkt bildeten zweifellos die verschiedenen Bühnendarbietungen im Festsaal des Linzer Schlosses.
Eine professionell gestaltete fulminante
Modeschau machte den Besuchern mit
Augenzwinkern und Fachwissen klar,
dass das Thema Mode bereits zu Zeiten
der Römer für die gehobene Schicht
äußerst interessant war und den oberen
10.000 kein Stoff, kein Parfum und keine
Frisur zu teuer waren.
Nichts zu teuer war den reichen Römerinnen auch, was ihren Schmuck betraf.
Bei einer Szene in einem Schmuckladen
konnte man das Feilschen um die besten
Stücke mitverfolgen.
Die Goldschmiedekunst der Römer war
hochentwickelt, auch damals gab es ein
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Legionäre der Legio XV Apollinaris in ihren prächtigen Rüstungen. Links der Zeichenträger (signifer), der in der Schlacht eine enorm wichtige
Funktion hatte; in der Mitte der Hornbläser (cornicen) sowie rechts zwei einfache Legionäre mit Schild (scutum) und Wurfgeschoss (pilum).
Gespür für tolles Design und edle Materialien. Die Schule allerdings war damals
nicht so durchorganisiert wie heute – wer
Bildung für seine Kinder wollte, musste
sie selbst organisieren und bezahlen. In
einer eindrucksvollen Szene einer römischen Schulstunde „De imperatore C. I.
Caesare“ wurde antike Schulatmosphäre
herbeigezaubert – in lateinischer Sprache
natürlich. Ebenfalls in Lateinisch spielte
sich das Treiben in der römischen
Caupona „Ad Europam“ ab. Immer mehr
verschiedene Leute trafen sich im
Wirtshaus – der Wirt war immerhin Gott
Bacchus persönlich (!) –, bis schließlich
Europa auf dem Stier eintraf, um in
ihrem Lokal nach dem Rechten zu sehen,
und die Szene in der gemeinsam gesungenen Europahymne „Est Europa nunc
unita“ endete.
Bis nach Mitternacht pulsierte das frohe
römische Treiben im Linzer Schloss, das
zeigte, wie spannend und interessant
römische Geschichte, Kultur und
Sprache sein können und wie sehr sie
auch mit unserer Gegenwart zu tun
haben. Auf die Beine gestellt haben dieses Crossover-Projekt die Arge der
LateinlehrerInnen am Pädagogischen
Institut Oberösterreich, die Landesmuseen Oberösterreich und die Webplattform Ubi erat Lupa, unterstützt von zahlreichen MitarbeiterInnen und vor allem
über 60 SchülerInnen. Der äußerst positive Zuspruch des Publikums hat sie alle
für viele Mühen entschädigt.
Viele tolle Fotos gibt es auf
www.lateinforum.at
mit dem Suchbegriff „noctem“
Projekt-MitarbeiterInnen:
Arge Latein OÖ:
Mag. Peter Glatz
Mag. Florian Hörtenhuemer
Mag. Katharina Keplinger-Kail
Mag. Sieglinde Mayer-Schwarz
Mag. Sieglinde Ortmayer
Mag. Elisabeth Peterseil
Dr. Andreas Thiel
Mag. Elisabeth Thiel
Mag. Bernadette Vielhaber
Landesmuseen OÖ:
Mag. Claudia Kiesenhofer
Mag. Sandra Kotschwar
Mag. Dagmar Ulm
Dr. Christine Schwanzar
Webplattform Ubi erat Lupa:
Mag. Kurt Schaller
Beteiligte Schulen:
Stiftsgymnasium Wilhering
Stiftsgymnasium Kremsmünster
Gymnasium Dachsberg
BG Vöcklabruck
ORG der Diözese Stifterstraße Linz
BRG Hamerlingstraße Linz
Schulstunde in der Schola Romana
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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Blick auf den Triumphbogen des Septimius Severus (146–211 n Chr.) auf dem Forum Romanum
Academia Latina und
Erinnerungen an die Ewige Stadt
Melanie Widmann, Österreich
Alle Wege führen nach Rom. Und so kamen wir – eine fröhliche, bunte Truppe aus
der Schweiz, Schweden, Belgien, Spanien, Italien, Portugal, Kroatien, Tschechien,
Russland und wir Preisträger der Bundesolympiade aus Österreich – auf unterschiedlichen Pfaden in die Ewige Stadt. Unter der Organisation von Frau Tarandi fanden
wir vom 1. bis 10. August zur Academia Latina zusammen, um uns mit den alten
Römern, den Begründern unserer gemeinsamen Kultur, zu beschäftigen.
Welcher Ort könnte besser geeignet sein
als Rom selbst, um die kulturellen und
sprachlichen Unterschiede und Berührungsängste zu überwinden, mehr über
die gemeinsame Vergangenheit zu erfahren, um neue Freundschaften zu schließen und an einer gemeinsamen europäischen Zukunft zu bauen? Es ist der besonderen Atmosphäre dieser geschichtsträchtigen Stadt zu verdanken, dass
sogleich fröhliches Geplauder herrschte.
Es war großartig, so viele andere Jugendliche kennenzulernen, die unsere Leidenschaft für Latein teilen. Eine eigenartige Erfahrung war das Übersetzen lateinischer Texte ins Englische, das Sprachenchaos, das herrschte, wenn wir gemeinsam nach einem passenden englischen Wort suchten. Dabei war es auch
interessant zu hören, wie unterschiedlich
lateinische Texte gelesen werden können
und wie sehr die eigene Muttersprache
die Aussprache beeinflusst.
Während wir in diesen knapp zehn Tagen
auf den Spuren der alten Römer wandel-
16
ten und versuchten, ihrem Leben nachzuspüren, konnten wir einige der unzähligen Gesichter der Ewigen Stadt kennenlernen. Beim Besichtigen antiker Überreste versuchten wir uns in die Glanzzeiten
zu versetzen, uns vorzustellen, wie damals geschäftiges Treiben auf dem Forum
herrschte, wie der Palatin in Prunk und
Erhabenheit erstrahlte und wie die Stimmung wohl brodelte, wenn im Kolosseum
Gladiatorenkämpfe stattfanden. Wir lernten Rom als eine Stadt der Vielfalt und
Kontraste kennen und bewunderten das
Nebeneinander von Alt und Neu: Neben
antiken Mauern und Säulen bestaunten
wir moderne Prunkbauten und mächtige
Kirchen.
Einen Höhepunkt stellte sicher der Ausflug nach Pompeji dar, wo wir im Amphitheater selbst kreierte Theaterstücke zum
Besten gaben (zugegeben, ein paar Ideen
haben wir schon dem göttlichen Ovid geklaut) und uns auf der Retourfahrt beim
gegenseitigen Vorsingen typischer Nationallieder besser kennenlernten. In den
gut erhaltenen Gemäuern der Stadt kann
man das Lebensgefühl der Römer wohl
am besten nachempfinden. Den Touristenscharen einmal entkommen, entsteht fast das Gefühl, als wäre die Zeit
2000 Jahre stehen geblieben.
Natürlich kamen auch Freizeit und Vergnügen nicht zu kurz. Und so genossen
wir nach einem anstrengenden Besichtigungs- und Übersetzungstag die südliche
Unbeschwertheit und das besondere Flair
der Stadt an lauen Sommerabenden.
Während wir durch labyrinthartige
Gässchen spazierten, uns in das abendliche Treiben in Trastevere mischten und
genüsslich ein Eis schleckten, plauderten
wir mit Jugendlichen aus anderen Teilen
unseres Kontinents, stellten fest, dass wir
ähnliche Interessen und Hobbys haben,
schlossen neue Freundschaften über die
Landesgrenzen hinweg und amüsierten
uns über die bizarren
Geschmacksrichtungen des römischen
Eises (z. B. grüner Tee). Schnell, viel zu
schnell kam unser letzter gemeinsamer
Abend. Etwas wehmütig, aber glücklich
über die vielen neuen Eindrücke, Begegnungen und Freundschaften ließen wir
uns unser letztes römisches Eis schmecken und spazierten alle gemeinsam zum
Trevibrunnen. Das Versprechen, in Kontakt zu bleiben und wieder einmal nach
Rom zu kommen, besiegelten wir mit
einer Münze, die wir in den Brunnen
warfen, bevor wir uns am nächsten Tag
wieder in alle Winde zerstreuten.
Herzlichen Dank an die Organisatoren
der Bundesolympiade 2006 für diesen
tollen Preis.
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„Need a hero, call 911
Perseus private line!“
Eva Scough Tarandi, Schweden
Vom 1.bis10. August 2006 fand in Rom die Academia Latina Secunda der Euroclassica,
des europaweiten Verbandes der klassischen Philologen statt. Insgesamt 23 TeilnehmerInnen aus den verschiedensten europäischen Ländern trafen am 1. August 2006
voller Erwartungen bei der „International Summerschool of Euroclassica“ in der
„urbs“ ein. In Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Institut in Rom konnte
Eva Scough Tarandi, Mitglied des Exekutivkomitees der Euroclassica und Direktorin
der Academia, Jugendliche aus Kroatien, Spanien, Österreich, der Schweiz, Russland,
Schweden, Belgien und Portugal, zudem Kollegen aus Italien und Tschechien begrüßen.
Pompeji vorbereitet: Die SchülerInnen
lasen und interpretierten z. B. das Iter
Brundisinum von Horaz sowie die einschlägigen Plinius-Briefe zum Ausbruch
des Vesuv 79 v. Chr. und zur römischen
Kunst und besuchten den Palazzo
Massimo mit seinen wunderschönen
Sammlungen von Mosaiken und Wandmalereien.
Aus Österreich nahmen die nationalen
Gewinner des bundesweiten Übersetzungswettbewerbes 2006 in Kremsmünster, über den der Cursor in seiner letzten
Ausgabe berichtete, teil: Melanie
Widmann, Filip Grubelnik und Johanna
Altmann. Ausgangspunkt aller Unternehmungen war das Hotel Mimosa gleich
hinter dem Pantheon. Vormittags widmeten sich die jungen Leute jeweils verschiedenen Vorträgen im Istituto Svedese,
nachmittags ging’s auf Erkundungstour
zu Roms Sehenswürdigkeiten und durch
Samstags fand der Unterricht schließlich
direkt im Park der Villa Borghese statt.
Thema waren drei Metamorphosen des
römischen Dichters Ovid: Der Raub der
Proserpina, Apollo und Daphne und
Perseus.
Diese wurden zuerst im lateinischen
Original gelesen und dann in Gruppen
szenisch umgesetzt. Zum einen gelesen,
da anschließend die weltberühmten und
einmaligen Skulpturen von Bernini in der
Galleria Borghese besucht und „erlebt“
werden sollten, zum anderen szenisch
umgesetzt, da am Sonntag im großen
antiken Theater von Pompeji eine Aufführung der kurzen Szenen geplant war.
Museen. Am ersten Vormittag beschäftigte man sich mit Livius, der Geschichte
der Römischen Republik und nicht
zuletzt mit den wichtigsten italienischen
Vokabeln für den Alltag. Nachmittags
ging es in mehreren Englisch oder
Französisch sprechenden Gruppen aufs
Forum Romanum, das Kapitol und
abschließend zum neu eröffneten und
faszinierenden Ara-Pacis-Museum.
Während der nächsten Tage wurde unter
anderem der Sonntagsausflug nach
Die gesamte Gruppe, Eva Scough Tarandi mit blauem Hut in der Mitte
Am Sonntag ging es endlich nach
Pompeji. Abfahrt 7.00 Uhr, Ankunft in
Pompeji 10.30. Es sollte ein anstrengender, aber toller Tag mit vielen schönen
Erfahrungen werden. Eine davon war
sicherlich das „europäische Gemeinschaftserlebnis“, das sich besonders
intensiv bei der gemeinsamen
Erarbeitung der Kurzszenen einstellte.
SchülerInnen aus Portugal, Russland,
Spanien und Österreich führten z. B.
Perseus auf: „Need a hero, call 911
Perseus private line!“ Müde und erschöpft
saßen SchülerInnen und LehrerInnen
schließlich im Restaurant, draußen tatsächlich strömender Regen!
Die folgenden Tage verbrachte die Gruppe
bei vielen weiteren Sehenswürdigkeiten,
bei Texten von Martial & Co und bei römischer Geschichte. Vor allem aber haben
sich die jungen Leute befreundet, internationale Kontakte geschlossen und so
das Netzwerk Europa wieder ein gutes
Stück verdichtet. Ganz dem Motto des
österreichischen Wettbewerbs 2006 entsprechend: „De Europa iuvenibus formanda“. Alle waren fasziniert von dieser
großartigen Idee und so kam das Ende
viel zu schnell, eigentlich wollte niemand
so recht nach Hause fahren.
Ara Pacis Augustae, das neue Museum in der Via Ripetta, Lungotevere
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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Historische Konzepte
von Gehirn und Geist
Überlegungen zum Seelenorgan im 17. Jahrhundert
Peter Grunert
Im 17. Jahrhundert setzte sich zunehmend die Vorstellung durch, dass nicht die
Ventrikel, sondern die Hirnsubstanz der morphologische Träger der geistigen Funktionen sein müsste. Der englische Arzt Thomas Willis (1621–1675) hat neben anatomischen Studien an den Hirngefäßen auch versucht, die mentalen Funktionen im
Gehirn zu lokalisieren. Er verwendete zwar noch die Terminologie aus der Ventrikellehre, die Zuordnung zu den Hirnregionen ordnete er allerdings nach Prinzipien der
vergleichenden Anatomie.
Er ging davon aus, dass jene Gehirnteile,
welche morphologisch bei Tier und
Mensch gleich waren, auch auf der
Funktionsebene jene sein müssten, die
der Mensch mit dem Tier gemeinsam
hatte. Umgekehrt diejenigen Gehirnteile,
wie z. B. der Cortex, die sich beim Menschen am meisten vom Tier unterscheiden, jene Regionen sein müssten, wo die
spezifisch menschlichen Funktionen beheimatet waren. So hat er beispielsweise
wegen der morphologischen Ähnlichkeit
des Kleinhirns bei den Tieren und Menschen die „minderwertigen“ Funktionen
wie Instinkt und vegetative Funktionen in
diesem Bereich angesiedelt, den Sensus
communis lokalisierte er in den Stammganglien, die Imaginatio in der weißen
Substanz und die Erinnerung als höchste
Leistung lokalisierte er an der Oberfläche
des Großhirns.
Die experimentellen Läsionsuntersuchungen durch François Pourfour du Petit
(1664–1741) stellten das bestehende
Lehrgebäude bezüglich Ventrikeltheorie
noch weiter infrage. Ende des 17. Jahr-
hunderts führte er an Hunden gezielte
Verletzungen des Gehirns in unterschiedlicher Tiefe und Lokalisation durch. Dabei
stellte er fest, dass sich halbseitige Lähmungserscheinungen einstellten sowie
in den Stammganglien auch ganz
umschriebene Läsionen denselben Effekt
hervorriefen. Diesen Umstand versuchte
man mit Behinderung des Abflusses des
Succus nervosus in diesem Bereich, ausgelöst durch die Läsion, zu erklären.
Ganz der Theorie des Sensus communis
im vorderen Hirnabschnitt lief dann die
Beobachtung zuwider, dass in hinteren
corticalen Abschnitten offenbar Blindheit erzeugbar war. Gegen ein Pneuma
psychikon opponierte auch Francis
Glisson, der 1677 als alternative Erklärung eine allgemeine Reizbarkeit des
Gewebes annahm. Im gleichen Jahr beschrieb auch Antonj van Leuwenhoek
mit Hilfe des Mikroskopes das Gehirngewebe, welches als ein feines in sich
verflochtenes Netz imponierte. Die Reizbarkeit des Gewebes als eine materialistische Erklärung von bestimmten geisti-
Coronarer Schnitt durch den Cortex im Bereich des Gyrus postcentralis. Sensible Repräsentation der einzelnen Körperteile
beginnend mit dem Bein und Geschlechtsteilen am weitesten medial.
18
gen Funktionen sollte ein Jahrhundert
später in der Entdeckung der tierischen
Elektrizität eine Krönung finden. Gegen
zu voreilige materialistische Theorien wie
den Succus nervosus oder die Reizbarkeit
des Gewebes und erst recht gegen die
Theorie eines „Seelenorganes“ wandte
sich Nicolaus Steno (1638–1686), der
stattdessen ein Minimalprogramm
postulierte. Er empfahl ein intensives
Studium der „Gehirnmaschine“, welches
methodisch folgende Punkte umfassen
müsste:
- Verbesserung der Sektionsmethoden
- Eigenes Fach Hirnforschung
- Vergleichende Anatomie + Embryologie
- Vereinheitlichte Terminologie
- Korrekte bildliche Darstellung der
Anatomie durch einen Zeichner
Die frappierende Aktualität der Problematik und Ähnlichkeit der Lösungsansätze
der Hirnforschung im 17. Jahrhundert
wird noch dadurch vermehrt, dass im 17.
Jahrhundert auch namhafte Physiker wie
Newton eine physikalische Theorie des
Äthers auf die Bewegung des Succus
nervosus anwenden wollten, genauso
wie heutzutage der theoretische Physiker
Penrose die Quantensprünge an den
intrazellulären Filamenten von Neuronen
als Erklärung für das Bewusstsein sehen
möchte.
Lokalisation und Antilokalisation im
18. und 19. Jahrhundert
Im 18. und 19. Jahrhundert vollzog sich
insofern ein Paradigmenwechsel bezüglich der Leib-Seele-Problematik, als auf
die Suche nach einer Seele als Substanz
im Gehirn verzichtet wurde und man
vielmehr dazu überging, die Eigenschaften der Seele zu untersuchen und zu
lokalisieren.
Es bildeten sich zwei konkurrierende
Theorien: die lokalisationistische versuchte, bestimmten umschriebenen
Hirnarealen spezifische Funktion zuzuschreiben, die antilokalisationistische
Äquipotenztheorie wollte zeigen, dass
die höheren geistigen Leistungen nicht
separierbar gleichmäßig auf das ganze
Gehirn aufgeteilt seien.
Einer der ersten Vertreter des Lokalisationismus war Franz Joseph Gall (1758–
1828), der mit seiner Phrenologie bestimmten Cortexarealen komplexe psychische Funktionen wie Fortpflanzungsinstinkt, Liebe zur Nachkommenschaft,
Mordtendenzen, Habgier, Diebstahl, Sinn
für Musik oder Mathematik zugesprochen hatte. Umgekehrt meinte er, dass
markante knöcherne Veränderungen
über den jeweiligen Gehirnzentren als
Zeichen für besondere Ausprägung der
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betreffenden Eigenschaften zu werten
seien. Seine Lehre fand ein lebhaftes
Echo vor allem auch außerhalb des universitären Lehrgebäudes in der Gesellschaft.
Der Durchbruch für die Lokalisationisten
war die Publikation von Paul Broca 1886,
einem Pariser Chirurgen, der an verstorbenen Patienten mit einer Sprachstörung
eine umschriebene Läsion im linken
frontoopercularen Cortex nachweisen
konnte.
Wichtige Stützung für die Richtigkeit des
Lokalisationismus erbrachten elektrische
Reizversuche, die 1848 von Du BoisReymond zuerst experimentell an peripheren Nerven vorgenommen wurden
und Ende des 19. Jahrhunderts auch
systematisch am Cortex. Diese Untersuchungen wurden von Gustav Fritsch
(1838–1927) und Eduard Hitzig (1838–
1907) durchgeführt mit dem Ergebnis
einer Topographie von motorischen Zentren, die als pyramidales und extrapyramidales System zusammengefasst
wurden. In England war es Charles
Sherrington (1857–1952), der die Motorik
nach Läsionen an Affen im Hirnstammbereich studierte.
Um die Wende zum 20. Jh. sind dann die
ersten intraoperativen Stimulationen
auch beim Menschen vorgenommen
worden. Der Neurochirurg Harvey
Cushing (1869–1939) stimulierte 1908
den Gyrus postcentralis, welcher die sensible Repräsentation einer Körperhälfte
darstellte, und fand eine streng somatotopische Repräsentation, wobei das Bein
am weitesten medial und das Gesicht am
weitesten lateral in dem Gyrus postcentralis repräsentiert waren. Ottfried
Förster berichtete über ähnliche Stimulationen 1923 am motorischen Cortex.
Diese Stimulationen wurden später während der operativen Therapie der Epilepsie durch die Montrealer Schule von
Penfield bestätigt und weiter verfeinert.
Er erstellte eine topographische Mappe
der Repräsentation in Form eines
Homunculus. Diese Eingriffe wurden in
Lokalanästhesie durchgeführt, um den
epileptischen Herd im EEG genau und
unverfälscht lokalisieren zu können. Dies
ermöglichte, die Stimulation auch auf
andere sensorische und sprachrelevante
Gebiete auszudehnen. Zuletzt wurden
auch die Emotionen in einem
zusammenhängenden Gebiet entlang
der mesialen Fläche der Hirnhälfte im
sogenannten limbischen System durch
Papez 1937 lokalisiert.
Eine weitere Bestätigung für die Richtigkeit der Lokalisationstheorie wurde von
den Hirnanatomen erbracht. Mit Hilfe
von speziellen Silberimprägnierungs-
techniken am histologischen Material
konnten sie Nervenzellen mit den Dendriten und Axonen darstellen und darauf basierend, passend zu den physiologischen Reizeffekten, auch charakteristische Mikrostrukturen des Cortex abgrenzen. Als Pioniere sind hier der spanische
Anatom Ramón y Cajal zu nennen sowie
Brodmann, der den ersten Atlas der
Zytoarchitektur des Cortex 1909 publizierte. Waldeyer sah 1896 die Neuriten
als die kleinste selbstständige Funktionseinheit an und widersprach der Vorstellung, die Neurone bildeten ein einheitliches Synitium wie etwa Pilze. Diese
Einsicht war die Voraussetzung für spätere Modellvorstellungen von neuronalen
Netzen, die in den 40er Jahren des
20. Jahrhunderts als logische Neurone
bei McCulloch und Pitts ihren Anfang
nahmen.
Der Antilokalisationismus war keine einheitliche Position, vielmehr gehörten
dazu Menschen mit unterschiedlichen
Überzeugungen und aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Theologen,
Philosophen, Biologen, Mediziner, deren
gemeinsames Feindbild die Position
eines materialistischen Reduktionismus
gewesen ist. Sie fürchteten, der Lokalisationismus leiste einer rein materialistischen Interpretation des Menschen und
seiner mentalen Kapazitäten Vorschub.
Innerhalb der Hirnforschung im engeren
Sinn können wir den Antilokalisationismus auf Albrecht von Haller (1708–1777)
zurückführen, der aus Reiz- und Läsionsexperimenten das „Organ der Seele“
nicht umschrieben auf eine feste Hirnregion, sondern gleichmäßig verteilt auf
die weiße Substanz in seiner Äquipotenztheorie angenommen hat.
Maßgebend waren auch die methodisch
sehr genau beschriebenen Experimente
von Pierre Flourence (1794–1867), der
bei verschiedenen Tieren Hirnablationen
durchgeführt hatte und feststellte, dass
alle Funktionen gleichzeitig mit zunehmender Hirnentfernung abgenommen
haben. Er räumte bestimmten Hirnteilen
gewisse Autonomie (action propre) ein,
meinte aber dann im Gegensatz zu Gall,
diese Regionen beteiligten sich gemeinsam am Zustandekommen der höheren
geistigen Fähigkeiten (action commune).
Obwohl Flourence anfänglich Anhänger
von Gall gewesen war, wechselte er dann
in das konservative Lager und versuchte
mit seinen Ergebnissen die konservative
cartesianische Position eines interaktiven Dualismus zu stärken. Die Bewegung
des Antilokalisationismus können wir in
der Folge als eine Gegenbewegung zu
den Lokalisationisten ansehen, die ihre
Argumente und Stoßrichtung in Abhängigkeit vom erzielten Wissensstand
änderte.
Amicus
UNIV.-PROF. DR. OSWALD PANAGL, SALZBURG
GEBOREN AM 8.11.1939 IN MAUER BEI WIEN. HUMANISTISCHES GYMNASIUM IN WIEN XIII, AB 1957 STUDIUM DER
KLASSISCHEN PHILOLOGIE, INDOGERMANISTIK, ORIENTALISTIK UND GERMANISTIK AN DER UNIVERSITÄT WIEN, DANEBEN GESANGSSTUDIUM AN DER MUSIKHOCHSCHULE WIEN:
LEHRAMTSPRÜFUNGEN AUS LATEIN UND GRIECHISCH
1965, KÜNSTLERISCHE REIFEPRÜFUNG (LIED UND ORATORIUM) 1966, DOKTORAT DER PHILOSOPHIE 1968. HABILITATION FÜR „HISTORISCH-VERGLEICHENDE UND ALLGEMEINE
SPRACHWISSENSCHAFT“ 1976; DANACH FÜR MEHRERE SEMESTER GASTDOZENT AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN
(FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK); SEIT SEPTEMBER 1979
ORD. UNIVERSITÄTSPROFESSOR FÜR ALLGEMEINE UND VERGLEICHENDE SPRACHWISSENSCHAFT AN DER UNIVERSITÄT
SALZBURG. TÄTIGKEIT ALS MUSIKDRAMATURG (AUCH FÜR
DIE SALZBURGER FESTSPIELE) UND KULTURESSAYIST.
Jüngste Buchtitel: „Die Fledermaus. Die wahre
Geschichte einer Operette“ (gem. mit Fritz
Schweiger), Wien 1999. – „Ring und Gral“ (gem.
mit Ulrich Müller), Würzburg 2002. – „Stachel
wider den Zeitgeist. Politisches Kabarett,
Flüsterwitz und subversive Textsorten“ (gem. mit
Robert Kriechbaumer), Wien 2004. – „Text und
Kontext. Theoriemodelle und methodische
Verfahren im transdisziplinären Vergleich“
(gem. mit Ruth Wodak), Würzburg 2004. – „Die
neuen Linear B-Texte aus Theben. Ihr Aufschlusswert für die mykenische Sprache und
Kultur (gem. mit Sigrid Deger-Jalkotzy),
Wien 2006. Wichtigste Forschungsgebiete:
Mykenologie, Etymologie, Bedeutungswandel,
historische Wortbildung, historische Grammatik
der indogermanischen Sprachen (bes.
Griechisch, Lateinisch, germanische Sprachen,
Sanskrit, baltische Sprachen), historische Syntax
und Stilistik.
Die Beschäftigung mit den modernen Sprachen
ist heute wie letztlich immer schon unabdingbar. Dazu muss aber im Rahmen einer profunden Allgemeinbildung im europäischen Kontext
die Beschäftigung mit den klassischen Sprachen
Latein und Griechisch treten. Diese erst ermöglicht den Schülerinnen und Schülern einen souveränen Zugang zu den Sprachen Europas und
zu einem vertieften Verständnis des Phänomens
Sprache überhaupt.
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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So argumentierte in Paris der Biologe
Georges Couvier (1769–1832) gegen die
Phrenologie von Gall mit dem Argument,
dass die Verbindung zwischen Gehirn
und Geist sowie zwischen Materie und
dem subjektiven Ich prinzipiell nicht lösbar oder erklärbar sei. Die Phrenologie
Galls favorisiere eine materialistische
Haltung, die nicht gerechtfertigt sei. Den
Skeptizismus bezüglich Lösung des LeibSeele-Problems teilte auch der Physiologe
Emil Du Bois-Reymond, der in seinem
Vortrag von 1872 die grundsätzliche Unüberbrückbarkeit der geistigen phänomenalen Ereignisse mit Abläufen der
Hirntätigkeit in dem kurzen Satz „ignoramus, ignorabimus“ zusammenfasste.
Am Ende des 19. Jahrhunderts nach der
überzeugenden Lokalisation des Sprachzentrums in der linken Opercularregion
hat sich die Argumentationsweise der
Antilokalisationisten verschoben. Sie
haben die Lokalisation bestimmter
Funktionen im Gehirn anerkannt, wendeten sich allerdings dagegen, alle vitalen
Aktivitäten auf einfache materialistische
Vorgänge zu reduzieren. Die Vorstellung
war, dass geistige Phänomene und überhaupt das Leben als Ganzes mehr sein
müsse als bloß Zusammenstellung und
Tätigkeit einzelner Organe. Dieser sogenannte Vitalismus wurde vor allem von
dem Biologen Hans Driesch (1867–1941)
mit seinen experimentellen Untersuchungen an jungen Seeigeln vorange-
trieben. Er konnte zeigen, dass trotz
Teilung der Seeigel in zwei gleiche Teile
diese als zwei eigenständige Individuen
regenerierten. Daraus schloss er, dass es
in der Biologie noch etwas Zusätzliches
zur Materie geben müsse, was die Lebewesen am Überleben halte. Er nannte
dieses Etwas eine „Entelechie“, also ein
Ziel in sich selbst, und stellte die Lebewesen den Maschinen entgegen, die, einmal geteilt, kaputt sind. In die gleiche
Richtung wies auch die Philosophie von
Henri Bergson (1859–1941), der sich nicht
des aristotelischen Begriffs der Entelechie
bediente, sondern diese Kraft als „elan
vital“ bezeichnete. Einem gewissen Unbehagen gegenüber einer rein materialistischen Erklärung der geistigen Phänomene werden wir auch in der gegenwärtigen Philosophie bei Thomas Nagel noch
begegnen, der trotz Anerkennung der
physiologischen Ergebnisse der Hirnforschung mehr gefühlsmäßige emotionelle
Vorbehalte äußert.
Es gab zwischen den Lokalisationisten
und Antilokalisationisten auch vermittelnde Positionen, wie die von Karl
Friedrich Burdach (1776–1847), der 1811
die Begriffe einer action commune und
einer action propre dazu benutzte, um
sowohl dem Lokalisationismus wie dem
Antilokalisationismus Rechnung zu tragen. Beide Positionen haben ihre Richtigkeit: Es gab eine isolierte spezifische
Funktion in einer bestimmten Hirnregion
(action propre), die aber gleichzeitig auch
einen Beitrag für das Zustandekommen
des Bewusstseins und der komplexen
seelischen Leistungen als Ganzes (action
commune) leistete. Er versuchte bezüglich Lokalisation der geistigen Leistungen
klinische Beobachtungen, Sektionsergebnisse und experimentelle Ergebnisse zu
korrelieren. Die Ergebnisse waren verwirrend, da einer Hirnregion oft mehrere
sehr unterschiedliche Funktionen zufielen und auch umgekehrt eine Funktion in
mehreren Hirnregionen repräsentiert
war. Dies lag zum Teil an den falschen
Begrifflichkeiten und Fähigkeiten, die er
zu lokalisieren bestrebt war, wie Irritabilität oder andere psychische Alterationen.
Einen anderen Weg bestritt der Begründer der Psychologie Wilhelm Wundt
(1832–1920), der einen methodischen
Parallelismus zwischen geistigen und
physiologisch-physikalischen Erkenntnissen postulierte. Denken und Gedächtnis wären seiner Meinung nach zu komplex, als dass sie physiologisch erklärt
werden könnten. Deshalb sollte man die
intellektuellen Leistungen mit den
Mitteln der Psychologie untersuchen,
wobei die Psychologie sich nicht als eine
Naturwissenschaft, sondern als eine
Geisteswissenschaft verstehen sollte.
(Fortsetzung folgt)
DIES LATINI im ehemaligen Servitenkloster von Novocastrum Nové Hrady/Gratzen
Einwöchiges Intensivseminar des Sprachzentrums Oberkappel für Anfänger und Fortgeschrittene (Vorbereitung auf die
Latinumprüfung) in der Nähe von Budweis (CZ),
von Montag, 19. Februar bis Freitag, 23. Februar 2007
Die „Klausur“-Atmosphäre des neu renovierten ehemaligen Servitenklosters garantiert ein gutes Arbeiten in ruhiger und angenehmer Umgebung. Nach 15-jähriger Erfahrung mit Studierenden aus Österreich und Deutschland werden mit einer speziellen
lernerfreundlichen Methode (apagogische Methode) die Teilnehmer zum erfolgreichen Abschluss der Latinumprüfung geführt.
Die Latinumprüfung kann Ende
März 2007 in Linz abgelegt werden.
Übernachtung im Einzelzimmer
mit Vollpension pro Tag € 20,–
Anfragen bzw. Anmeldung:
AMICI LINGUAE LATINAE
Medias Marketing & Werbung
Tel.: 0732/78 39 39
Fax: 0732/78 38 58
E-Mail: [email protected]
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Musik
Wie die „Mathematik“, so gehört die
„Musik“, eigentlich die „Musenkunst“, zu
den Hundertschaften sogenannter
Fremdwörter oder eher Euro-Wörter, die
auf ein griechisches Adjektiv auf -ikós
zurückgehen, ursprünglich noch in Verbindung mit dem griechischen Substantiv téchne, „(erlernbares) Können; Handwerk, Wissenschaft, Kunst“.
So ist aus der altgriechischen musiké
téchne oder kurz musiké, der „musischen
Kunst“, über das Lateinische im Italienischen die musica, im Französischen die
musique, im Englischen music und im
Deutschen die „Musik“ geworden.
In neuerer Zeit ist dieser Ausgang auf
„-ik“ auch auf lateinischstämmige
Fremdwörter wie die „Informatik“ übergesprungen. Das weibliche Geschlecht
all dieser Fremdwörter auf „-ik“ geht auf
die weibliche griechische téchne zurück;
die Betonung auf der letzten Silbe hat die
„Musik“ aus dem Französischen ins
Deutsche mitgebracht.
Die musiké téchne, die „musische
Kunst“, war im klassischen griechischen
Bildungskanon das Gegenstück zu der
gymnastiké téchne, der im Griechischen
unerschrocken so benannten „Nacktkunst“. Neben dem engeren Bereich
unserer „Musik“ schloss die geistige
Bildung der „Musenkunst“ in der Antike
noch die epische, lyrische und dramatische Dichtung und den Tanz der lyrischen, tragischen und komischen Chöre
mit ein. Dieser ursprüngliche, weitere
Bereich der alten „Musenkunst“ ist
heute einzig noch in dem Begriff des
„Musischen“ bewahrt. Die Musik erstreckt sich ja wahrhaftig auch heute
über ein schier unüberschaubar weites
Feld; aber nehmen wir die „musische“
Begabung, die „musische“ Bildung, den
„musischen“ Menschen zum Maßstab, so
wird deutlich, welche Einengung jene altgriechische musiké im neuzeitlichen
Begriff der „Musik“ erfahren hat.
Das griechische Substantiv museíon, das
unserem „Museum“ zugrunde liegt, bezeichnet eigentlich ein Musenheiligtum;
man verehrte die Musen in der Regel in
der freien Natur, an einem schlichten
Altar bei einer Quelle oder bei einem
Baum. Platons „Akademie“, die älteste
der vier Athener Philosophenschulen,
hatte die Rechtsform einer Kult-
Klaus Bartels
gemeinschaft zu Ehren der Musen, und
nach ihrem Beispiel genossen die Musen
in vielen Philosophen- und Rhetorenschulen der Antike kultische Verehrung.
Die berühmte, im frühen 3. Jahrhundert
v. Chr. gegründete Bibliothek von
Alexandria hieß geradezu Museíon,
„Musenheiligtum“, und das mit bestem
Recht: Sie war es ja, die mit ihren unvergleichlichen Bücherschätzen und ihrer
philologischen Wissenschaft das musische Vermächtnis der klassischen Zeit
für Mitwelt und Nachwelt bewahrte. Von
diesem alexandrinischen Museíon, im
Lateinischen Museum, haben die neuzeitlichen Museen ihren Namen. Und
ein menschlicher, allzu menschlicher
blindwütiger Sammeleifer, der allerlei
Urväterhausrat in Depots und Vitrinen
stopft, hat es schließlich dahin gebracht,
dass die göttlichen Musen jenseits von
allem „Musischen“ zu übler Letzt auch
dem nach Staub und Spinnweben
schmeckenden „Musealen“ ihren Namen
leihen mussten.
Für die Bildenden Künste waren die
Musen in der Antike eigentlich nicht
zuständig. Aber es lag verführerisch nahe,
die in der römischen Kaiserzeit vereinzelt
bezeugte Bezeichnung museum oder
musivum (opus) für ein Fußbodenmosaik auf die Musen zu beziehen und solch
eine „Mosaik“-Arbeit als ein „Musen“Werk zu verstehen.
Der Ursprung dieses lateinischen museum oder musivum liegt im Dunkeln;
nur sein weiterer Weg zu einem italienischen mosaico, einem französischen
mosaïque und schließlich einem deutschen „Mosaik“ ist klar ausgeschildert.
Wahrscheinlich stammt das Wort weder
aus dem Griechischen noch aus dem
Lateinischen; die Buchstaben-Steinchen
dieses wirklich fremden „Mosaiks“
bleiben ein unlösbares Puzzle.
Buchtipp
Roms sprechende Steine.
Inschriften aus zwei Jahrtausenden,
Mainz 2000,
Verlag Philipp von Zabern,
ISBN 978-3-8053-2690-2
Ein tolles Buch macht Furore: Wie Klaus Bartels
die römischen Steine sprechen lässt, beeindruckt.
Vor dem „Bartels“ sprachen die Steine und kaum
einer hörte hin: Der steinerne Stadtführer an
Obelisken und Brunnen, Tempeln und Basiliken,
Triumphbögen und Brücken, Palästen und
Bürgerhäusern, Statuen und Grabmälern
sprach und spricht lateinisch – ohne Punkt und
Komma, und manchmal so gebrochen und verschliffen, so abgekürzt und verschlüsselt, dass
auch gestandene Lateiner ihre liebe Mühe
haben. Mit dem „Bartels“ hat die hermeneutische Not nun ihr Ende und sind alle neugierigen und hellhörigen Freunde der Ewigen Stadt
eingeladen, in diesen Inschriften aus zwei
Jahrtausenden einmal Senat und Volk, Kaiser
und Päpste, Künstler und Literaten, sozusagen
„Rom selbst“, sprechen zu hören.
In zweihundert Inschriften aus dem inneren
Stadtbereich zwischen Porta del Popolo im
Norden und Porta S. Paolo im Süden, Peterskirche im Westen und Lateranbasilika im Osten
erschließt Bartels das Augenfällige, historisch,
religionsgeschichtlich, baugeschichtlich, kunstgeschichtlich Interessante, Beziehungsreiche,
auch einiges Versteckteres, das zu entdecken
lohnt. Die Inschriften sind auf 14 „Gänge“ verteilt, die vom Kapitol und dem Forumsbezirk
samt Kolosseum im Uhrzeigersinn über das
Marsfeld, den Pincio, den Quirinal, den Esquilin,
den Lateran und den Aventin schließlich nach
Trastevere und zum Vatikan führen. Die Ausgabe
ist durchwegs zweisprachig, die zeilengetreue
Übersetzung und der historische Kommentar
erschließen das Verständnis. Bleibt abschließend
die tolle bibliophile Ausstattung durch den
Verlag Philipp von Zabern zu erwähnen. Der
„Bartels“ ist bereits ein Standardwerk und gehört
als solches in jede Bibliothek!
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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Quodlibet - lebendige Antike für interessierte LeserInnen
Mareike Einfalt & Team
Nuntius Latinus
Übersetzung von Seite 10
Affen an die Macht
Indische Staatsdiener sehen die Arbeit ihrer
Regierung durch aggressive Affen beeinträchtigt. Die Tiere hüpfen ungeniert zwischen den
Ministerien für Verteidigung, Finanzen und
Auswärtige Angelegenheiten hin und her und
haben bereits wertvolle Dokumente entwendet, so die Nachrichtenagentur Reuters. Selbst
im Büro des Ministerpräsidenten seien die
Affen schon gesichtet worden. „Die dringen
sogar in Hochsicherheitszonen ein“, stellte ein
Offizier des Verteidigungsministeriums fest.
Dort hätten sie aber nur Bürokraten erschreckt
und Essen gestohlen. Nach Schätzungen der
Beamten tummeln sich derzeit etwa 10.000
Affen im Regierungsviertel in der Nähe des
Präsidentenpalastes – deutlich mehr als sonst
üblich.
Die Zeitschrift Quodlibet repräsentiert
das Papier gewordene Projekt einer kleinen Gruppe von StudentInnen der Universität Graz. Ins Leben gerufen wurde
diese Zeitschrift, deren Erstausgabe an
alle steiermärkischen Schulen versandt
worden ist, im Jänner 2006 mit der Intention, den wunderbaren Fächern Latein
und Griechisch wieder mehr öffentliche
Präsenz zu verleihen. Der Name „Quodlibet“ steht einerseits schlicht für „das,
was beliebt“, soll andererseits aber auch
in durchaus musikalischem Sinne eine
Zeitschrift bezeichnen, deren Inhalt nicht
zuletzt als humorvolle Komposition verschiedenster Themengebiete verstanden
werden kann. Die Texte dieser Zeitschrift
sind thematisch und sprachlich auf junge
LeserInnen und interessierte Laien abgestimmt und wollen ganz im Sinne eines
„Appetitanregers“ zur selbstständigen
Beschäftigung mit Latein und Griechisch
inspirieren. Das „Quodlibet“, dessen
Erstausgabe ausschließlich mit Hilfe
fachexterner Sponsoren produziert worden ist, wird in Hinkunft durch die groß-
zügige Unterstützung der Sodalitas und
natürlich durch das Interesse vieler AbonnentInnen zweimal jährlich (im Winter
und im Sommer) erscheinen. Die folgende Ausgabe bietet u. a. folgende Beiträge:
„Hannibal – Wie Hannibal eine Nacht
ohne Gepäck und Reiterei verbrachte“,
„Diogenes von Sinope und die Kultur des
Punk“, „Wie kam der Apfelbaum ins
Paradies – Übersetzungsfehler und
Missverständnisse in der Bibel“, „Pferdesport in der Antike“, „Lateinisch Einkaufen – Markenbezeichnungen und ihre
lateinischen Wurzeln“, „Einführung ins
griechische Alphabet“. Sollten Sie nun an
unserer Zeitschrift interessiert sein, so
haben Sie die Möglichkeit, diese zu
einem Preis von € 6,– zuzüglich einer Versandpauschale von € 1,– zu abonnieren.
Für etwaige Abonnementanfragen wenden Sie sich bitte per E-Mail an uns
([email protected]).
Und bleibt nur noch, Ihnen viel Spaß
bei der Beschäftigung mit Latein und
Griechisch zu wünschen. – Auf ein
baldiges Wiederlesen!
Genießen, spielen und gewinnen –
Herausforderungen für den Gaumen
Die Idee, eine Weinverkostung als Gesellschaftsspiel auf den Markt zu bringen, ist
ein voller Erfolg – mehr als 4500 „Wer ist Sommelier?“ -Spiele wurden in den ersten
beiden Jahren verkauft. Begonnen wurde mit österreichischen Weißweinen, der
„roten Nachfrage“ wurde im Jahr darauf nachgekommen. Jetzt gibt es auch eine
Südtiroler Edition sowie eine Edelbrandverkostung.
Die Spiele enthalten fünf qualitativ hochwertige Weine oder Edelbrände. Die Flaschen
sind Sonderfüllungen und mit Nummernetiketten gekennzeichnet. So hat bei Spielbeginn jeder den gleichen Wissensstand, auch der Gastgeber. Die Mitspieler bewerten die
Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack und Sorte. Der Multiple-Choice-Bogen ermöglicht auch Laien eine interessante Verkostung. Wer für richtige Antworten die meisten
Punkte sammelt, ist „Sommelier der Runde“. Die Idee dahinter: vorhandenes Interesse
weiterentwickeln, erworbene Kenntnisse und die Geschmacksnerven testen, Spaß am
Genießen und Spielen haben und natürlich gewinnen.
®
®
Weitere Infos und Bestellung:
www.weristsommelier.at
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Gemeinsam mit Diplomsommelier und Weinakademiker Heinz Lehner werden die
edlen Tropfen für die Spiele ausgesucht und bewertet. „Das Spiel ist unterhaltsam,
lehrreich und spannend. Damit ist ,Wer ist Sommelier?‘ das ideale Geschenk und
eine gediegene Möglichkeit, einen Abend mit Freunden und Bekannten zu gestalten“,
zeigen sich die Spielerfinder Ursula Stumpe und Christoph Kremer überzeugt.
cursor
Latein4EU
MUSIKRÄTSEL
Bilde aus folgenden Silben gesuchte Namen:
A, A, A, AD, AE, AS, CIN, DAU, DI, FRO, HE, HY, KAN, KLES, LES, LUS, ME, ME, MOR, NE, NE, OR, PHEUS, PHO, PRO, RA, RI, SEN, TA, TA, TAN,
TE, THEUS, THUS
(Ein Buchstabe pro Kästchen)
1. Ludwig van Beethoven komponierte die Ballettmusik
„Die Geschöpfe des ____“
2. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb mit elf Jahren die Oper
„Apollo und ____“
3. Gluck verewigte einen mythischen Sänger in seiner Oper
„____ und Eurydike“
4. Karl Ditters v. Dittersdorf schrieb sechs Symphonien nach
Ovids berühmtestem Werk „____“
5. Die einzige Oper von Henry Purcell heißt „Dido und ____“
6. Franz von Suppé betitelte eine seiner Ouvertüren
„____-Qualen“
7. Von Carl Orff stammt das Concerto scenico
„Trionfo di ____“
8. Nach dem Libretto von Hofmannsthal komponierte Richard
Strauss die Oper „____ auf Naxos“
9. Georg F. Händel schuf 1744 ein Oratorium, benannt nach dem
größten griechischen Helden „____“
10. Alexander von Zemlinskys Oper „König ____ “ wurde erst 1994
von Antony Beaumont fertiggestellt und 1996 uraufgeführt.
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Linktipps
http://oe1.orf.at/highlights/51702.html
Die Künstlerrede Nikolaus Harnoncourts zur
offiziellen Eröffnung des Mozartjahres am
26.1.2006: philosophisch, gesellschaftskritisch, demütig, visionär, einfach lesenswert.
Man kann die Rede übrigens auch im O-Ton
nachhören. Zudem finden sich zahlreiche
weitere Links zum Thema Mozart(jahr).
http://www.karadar.com/Librettos/
mozart_apollo.html
Das gesamte Libretto von Mozarts einziger
Oper mit lateinischem Text „Apollo et
Hyacinthus“
http://home.eduhi.at/member/radius106.6
Die Homepage des Freistädter Schulradios
„radius 106,6“ bietet ein erfrischendes,
engagiertes Radioprogramm von LehrerInnen und SchülerInnen des BG/BRG
Freistadt/ OÖ. Immer wieder finden sich auch
Sendungen zu antiken und humanistischen
Themen.
www.lateinforum.at
Auf der österreichischen Latein-Website finden
Sie mit dem Suchbegriff „Musik“ eine Vielzahl
höchst interessanter Dokumente und Links zum
Themenbereich „Latein und Musik“.
Buchtipp
Liessmann, Konrad Paul,
Theorie der Unbildung.
Die Irrtümer der Wissensgesellschaft,
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006,
ISBN-978-3-552-05382-3
Als wir das Buch zur Vorstellung auswählten,
konnten wir nicht wissen, dass es einige Wochen
später einer der Bestseller des Herbstes 2006 sein
würde. Liessmann schreibt gehörig gegen den
Zeit-UN-Geist und räumt auf mit dem geistlo-
sen Hantieren mit Schlagwörtern, wenn es um
das Thema Bildung geht. Ein unfassbar aktuelles und mutiges Buch, in dem auch vor den heiligen Kühen der Wirtschaftsbosse und ihrer politisch Verbündeten nicht Halt gemacht wird:
auch nicht vor PISA, dem „Wahn der Rangliste“.
Im Vorwort schreibt Liessmann: „Die Idee von
Bildung, wie sie als Programm der Selbstformung des Menschen vom Neuhumanismus
formuliert und vom Bildungsbürgertum so recht
und schlecht gelebt wurde, hat aufgehört, Ziel
und Maßstab für die zentralen Momente der
Wissensproduktion, der Wissensvermittlung und
der Wissensaneignung zu sein. Diese Mechanismen funktionieren nicht nur jenseits einer
Idee von Bildung, sondern sie setzen deren
Abwesenheit geradezu voraus. Dass niemand
mehr zu sagen weiß, worin Bildung oder
Allgemeinbildung heute bestünden, stellt
keinen subjektiven Mangel dar, sondern ist
Resultat eines Denkens, das Bildung auf
Ausbildung reduzieren und Wissen zu einer
bilanzierbaren Kennzahl des Humankapitals
degradieren ließ.“ Unbedingt lesen!
Auflösung: 1. Prometheus; 2. Hyacinthus; 3. Orpheus; 4. Metamorphosen; 5. Aeneas; 6. Tantalus; 7. Afrodite; 8. Ariadne; 9. Herakles; 10. Kandaules
Nr. 05 - MÄRZ 2007
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Die ODE AN DIE FREUDE vereint die
europäischen Nationen in lateinischer Sprache.
Hymnus Europae
Est Europa nunc unita
et unita maneat;
una in diversitate
pacem mundi augeat.
Europa ist nun vereint
und vereint möge es bleiben;
seine Einheit in der Vielfalt
möge zum Weltfrieden beitragen.
Semper regant in Europa
fides et iustitia
et libertas populorum
in maiore patria.
Immer mögen in Europa herrschen
Glaube und Gerechtigkeit
und die Freiheit seiner Völker
in einem größeren Vaterland.
Cives, floareat Europa,
opus magnum v ocat vos.
Stellae signa sunt in caelo
aureae, quae iungant nos.
Bürger, Europa möge blühen,
eine große Aufgabe ruft euch.
Goldene Sterne am Himmel
sind die Symbole, die uns
verbinden mögen.
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