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cursor Latein4EU Nr. 05 – MÄRZ 2007 ZEITSCHRIFT FÜR FREUNDE DER LATEINISCHEN SPRACHE UND EUROPÄISCHEN KULTUR Mozartus pulchris virginibus S: P: D: (SEITE 3) W. A. Mozarts erste Oper: Apollo et Hyacinthus (SEITE 6) Das Mozart-Album mit Anna Netrebko (SEITE 10) Editorial INHALT naler Inhalt weit über das hinausgeht, was er erlebt und erfahren haben konnte. So können wir von dem Jüngling, der er immer war und blieb, die letzten und tiefsten Geheimnisse von Liebe und Tod, von Tragik, Schuld und Glück erfahren. Er zwingt uns, in seelische Abgründe zu schauen und kurz darauf in den Himmel; vielleicht ein Griffel in der Hand Gottes.“ ANTON SCHNUR PRAESES AMICORUM LINGUAE LATINAE CARISSIMI LECTORES O Muse, begleite mein Beginnen, dieses Editorial zu verfassen, und führe es zu einem glücklichen Ende! Am Anfang standen die Musen, jene göttlichen Wesen, an die sich epische, lyrische und dramatische Dichter (oder eben auch Verfasser sonstiger Texte) um Eingebung wandten.Vergil schrieb, besser: betete, am Beginn seiner Aeneis: „Musa, mihi causas memora“ (Aen 1,8). Die Musen hielten sich gerne auf Bergen auf, die für inspirierte Orte gehalten wurden, so beispielsweise auf dem delphischen Parnass oder dem böotischen Helikon. Trotzdem leitet sich das Wort „Muse“ nicht von lat. mons (Berg) ab, sondern ist mit dem lat. Wort mens (Geist) in Zusammenhang zu bringen: Die Musen werden als „Sinnende“ und „Erinnernde“ gedeutet. Die Tatsache, dass die Musen in der griechischen Mythologie als Töchter des Zeus und der Mnemosyne (Erinnerung) gelten, weist ebenfalls in diese Richtung. Die 9-Zahl der Musen – vgl. den bekannten Merkspruch Kliometerthaleuerurpokal – wurde erst sehr spät festgelegt. Vor allem aber waren die Musen die Göttinnen der Dichter – jeder Dichter hatte seine eigene Muse! Der Mensch hat immer schon in der Kunst Transzendenz erfahren, das Göttliche erspürt oder zumindest erahnt. Nikolaus Harnoncourt hat das zum Auftakt des vergangenen Mozartjahres in seiner beeindruckenden und zeitlosen Salzburger Festrede dargelegt: „Die Kunst und mit ihr die Musik ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens, sie ist uns geschenkt als Gegengewicht zum Praktischen, zum Nützlichen, zum Verwertbaren. Es leuchtet mir ein, was manche Philosophen sagen, dass es die Kunst und eben die Musik ist, die den Menschen zum Menschen macht. Sie ist ein unerklärliches Zaubergeschenk, eine magische Sprache.“ Und am Schluss der Rede: „Schon als Kind komponierte er (scil. Mozart) Werke, deren emotio- 2 Der Mensch wird also – eine Urerfahrung des Menschen von Anbeginn seiner Existenz – letztlich erst durch die Erfahrung des Göttlichen (in ihm selbst) wahrhaft zum Menschen. Was Irenäus von Lyon schon in der Antike in der mystischen Sprache der Religion betete: „Einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen – Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werde“, wird in der mystischen Erfahrung der Musik konkret spürbar. Dieser faszinierende Brückenschlag über die Jahrtausende führt uns zum Themenschwerpunkt dieses Heftes: Musik, Mozart und – Latein. Was Ihnen das vor Kurzem beendete Mozartjahr nicht bieten konnte, erfahren Sie nun bei uns: Genießen Sie eine Reihe von hintergründigen und spannenden Essays über Sprachliches und Lateinisches, Psychologisches und Mythologisches bei Mozart, sowohl in seiner Musik als auch in seinen Briefen. Bereits auf dem Titelblatt begrüßt Sie die wunderbare Netrebko, die Erscheinung des letzten Festspielsommers in Salzburg – von da an wird Sie das Thema Musik bis an den Schluss dieser Cursorausgabe begleiten. Bei einer solchen Mischung aus Religion, lateinischer Sprache und Musik (vgl. Amadeus!) eigentlich verwunderlich, dass wir Ihnen keinen Artikel zum gregorianischen Choral bieten. Aber dazu ein andermal ... Lesen Sie sich durch diesen musikalischen Frühlings-Cursor 2007 und teilen Sie uns mit, was Sie davon halten! Mir bleibt nur noch, meiner Muse zu danken, dass sie mich glücklich an das Ende meines Beginnens geführt hat... Mit den besten Grüßen bin ich Ihr Mozartus pulchris virginibus S: P: D: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3 Christoph Brandhuber Wolfgang Amadeus Mozarts erste Oper: Apollo et Hyacinthus . . . . . . . . . . . 6 Gerhard Petersmann „Sunden sie geschlaf“ Mozarts Balanceakte auf dem Drahtseil der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . 9 Oswald Panagl Nuntius Latinus: Simiae regnant . . . . . 10 Wolfram Kautzky „Das Unbewusste ist viel moralischer, als das Bewusste wahrhaben will“. Mozarts Jugendopern und die „ Tugenden“ . . . . . . . . . . . . . . . 11 Barbara Wintersteller Orpheus, der magische Sänger der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Ulla Zedrosser Carpe noctem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Peter Glatz Academia Latina – Euroclassica . . . . . . 16 Melanie Widmann Eva Scough Tarandi Historische Konzepte von Gehirn und Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Peter Grunert Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Klaus Bartels Quodlibet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Mareike Einfalt Musikrätsel, Linktipps, Buchtipp . . . . 23 Alfred Leeb und Peter Glatz IMPRESSUM Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Amici Linguae Latinae Freunde der lateinischen Sprache A-4020 Linz, Herrenstraße 18 E-Mail: [email protected] Chefredaktion: Mag. Christoph Kremer Gestaltung: MEDIAS MARKETING & WERBUNG, A-4020 Linz Kontonummer: 165 57 45 Raiffeisenlandesbank OÖ, BLZ: 34000 Anton Schnur Titelfoto: A. Netrebko, Deutsche Grammophon, © Kasskara/DG Bildverweis: Seite 13: Hans Widmer, Odysseusverlag, Schweiz; Seite 16: Johanna Altmann, BG/BRG Piaristengasse Krems cursor Latein4EU Mozartus pulchris virginibus S: P: D: Lateinische Dokumente aus dem Alltag der Familie Mozart Christoph Brandhuber Am 14. November 1719 wird dem Augsburger Buchbindermeister Mozart ein Sohn geboren, der auf die Namen Johann Georg Leopold getauft wird. Diesem seinem ältesten Sohnes ermöglicht der Vater ein Studium, während er die jüngeren Söhne das Buchbinderhandwerk erlernen lässt. Leopold Mozart erwirbt sich am Augsburger Jesuitengymnasium eine ausgezeichnete humanistische Bildung. Noch keine fünf Jahre alt, steht Leopold erstmals auf der Schulbühne des Augsburger Jesuitengymnasiums St. Salvator. Die Rolle des Knaben Zasianellulus macht ihn erstmals mit der lateinischen Sprache vertraut. 1727 beginnt dann die eigentliche Gymnasialzeit, die vor allem lateinische Grammatik, Syntax, Poesie und Rhetorik umfasst. Daran schließt sich der Besuch des Katholischen Lyceums. Latein ist für Leopold Mozart zunächst Unterrichtssprache, aber auch Sprache von Kunst und Kult. Als Sängerknabe bei den Augustinerchorherren von Heilig Kreuz und bei den Benediktinern von St. Ulrich und Afra muss er sich um eine gute Lateinaussprache bemühen – um eine „selbstbewusste deutsche Aussprache“ ohne „Zischen und Kauen“: Die Mozarts sprachen kein Latein all’italiana. In seiner Vaterstadt erhält Leopold Mozart Violin- und Orgelunterricht. Es ist bekannt, dass er in jungen Jahren im Kloster Wessobrunn recht unvergleichlich die Orgel geschlagen hat. Latein begleitet auch Leopold Mozarts erste Schritte als Komponist. Sein Lehrer, der Benediktinerprior zu Irsee, P. Meinrad Spieß (1683–1761), verfasste einen bedeutenden Tractatus Musicus CompositorioPracticus, den Leopold Mozart sorgfältig studiert hat. Auch in späteren Jahren wird er den ehrwürdigen P. Spieß gerne in kompositorischen Fragen konsultieren. Fehler, die ihm der betagte Pater ausbesserte, pflegte Leopold als die üblen Früchte seines sanguinischen Temperamentes zu entschuldigen. Nach dem frühen Tod seines Vaters (1736) bricht Leopold Mozart seine Ausbildung am Katholischen Lyceum ab. Sein Abgangszeugnis, das vom 4. August 1736 datiert, bestätigt, dass er das Gymnasium magna cum laude abgeschlossen und mit den Vorlesungen aus allgemeiner Physik begonnen hatte. Im Hinblick auf die späteren Auseinandersetzungen Leopold Mozarts mit dem Salzburger Fürsterzbischof Colloredo ist folgende Feststellung des Schulpräfekten von Interesse: Mores exhibuit à pietate in Superos, & observantia erga Superiores sua etiam commendatione dignos. Einer von Leopold Mozarts Augsburger Schulkameraden wird seinem Sohn später erzählen, dass er sich noch gut erinnern könne, wie Leopold die Pfaffen herumgefoppt hat, wegen dem Geistlichwerden. Als Wolfgang Amadé den Vater mit seiner Vergangenheit brieflich konfrontiert, wird ihm dieser antworten: So kann doch nichts geheim bleiben: Du ... pulchris virginibus S: P: D: Nr. 05 - MÄRZ 2007 3 ideo se ipsum nomine studiosi indignum reddidit. Fuit is paucis ante examen diebus citatus ad Magnificum, ubi sententiam percepit, se non ampliùs in numero studiosorum habendum esse, quam sententiam nullîs interpositis precibus, acsi hæc non curaret, acceptavit et discessit; qua de ratione neque ad examen ampliùs fuit citatus. Franz A. Danreiter: Die Universitätskirche in Salzburg um 1740 (UB Salzburg: Sign. g i 500) weißt wie oft ich dir gesagt habe: Nichts ist so klein gesponnen; es kommt noch an die Sonnen. Das seiner Familie und seinen Lehrern versprochene Theologiestudium liegt Leopold Mozart also fern, als er am 26. November 1737 als Logicus an der Salzburger Benediktineruniversität inskribiert. Trotzdem beginnt sein Studium zunächst erfolgreich. Schon am 22. Juli 1738 wird er post rigidum superatum examen Baccalaureus und erreicht somit als 49. unter 54 Kandidaten die erste Stufe akademischer Graduierung. Seine Prüfungsfragen, die er lateinisch zu beantworten hatte, lauteten: I. An ex nuperrima Victoria a Turcis reportata DD. Baccalaureis gloria accrescat? II. An Logica jure dicatur Labyrinthus? Bald darauf hat sich Leopold Mozarts Interesse am Studium erschöpft. Im September 1739 wird er wegen mangelnden Studieneifers zum Rektor zitiert und relegiert: D. Joan. Georg. Mozardt August. Suevus, qui ab anni, civilis scilicet, initio vix una vel bina vice Physicam frequentavit, et Grundlos wird Leopold Mozarts Verhalten nicht gewesen sein. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Reaktion auf den berühmt-berüchtigten „Sykophantenstreit“, in dem sich katholische Reformtheologen und konservative Universitätsprofessoren über die Frage der Heiligenverehrung nicht einigen konnten. Ein lateinisches Pamphlet aus dieser Zeit thematisiert die schlechte Allgemeinbildung, die an der Universität vermittelt wurde, und prangert die schwachen Lateinkenntnisse der Professoren an: Ita pueri in scolis ludunt, juvenes sapere se credunt, et quod utroque turpius est, quod quisquis perperam discit, in senectute confiteri non vult. Lutum non est lutulentius horum latino sermone. Nach seiner Relegation wird Leopold Mozart Kammerdiener des Salzburger Domherrn Johann Baptist Graf von Thurn-Valsassina (1706–1762), dem er 1740 seine Sonata sei widmet. Der Universität bleibt er weiterhin verbunden, indem er 1742 die Musik zu einem lateinischen Theaterspiel komponieren darf, das von der Rhetorikklasse aufgeführt wird. Der Titel lautet ANTIQUITAS PERSONATA SIVE HISTORIA VETUS AD NATALEM DOMINI USQUE. In diesem Theaterstück, von dem leider nur die Perioche erhalten ist, treten Semiramis und Kyros, Alexander und Hannibal, Pythagoras, Cicero und die weissagende Sibylle, Augustus und Brennus auf, die die Geschichte von der Gründung der Welt bis zu Christi Geburt erzählen. 1743 wird Leopold Mozart in die Salzburger Hofkapelle aufgenommen, 1744 ist er als vierter Violinist belegt, jedoch erst ab September 1747 erhält er ein monatliches Gehalt zugesprochen. Finanziell nunmehr Die Relegation Leopold Mozarts (Universitätsarchiv bA 90/fol. 277) 4 Leopold Mozart – Titelkupfer aus der „Violinschule“ (UB Salzburg: Sign. R 3203 I) abgesichert, heiratet er noch im selben Jahr Anna Maria Walburga Pertl (1720– 1778). Sieben Kinder werden dem Paar geboren, doch nur die Tochter Maria Anna, genannt „Nannerl“, und der Sohn Wolfgang Amadé überleben das Kleinkindalter. Zu Leopold Mozarts beruflichen Aufgaben gehört auch der Violinunterricht der Domkapellknaben. Seine Erfahrungen fasst er im berühmten Versuch einer gründlichen Violinschule aus dem Jahre 1756 zusammen. Das Titelblatt des Werkes ziert ein Kupferstich Leopold Mozarts, darunter findet sich folgendes, leicht abgewandeltes Zitat aus der damals noch M. Tullius Cicero zugeschriebenen Schrift Rhetorica ad Herennium (3,15,26). In Bezug auf die richtige Haltung während des Geigenspiels heißt es: CONVENIT IGITUR --- IN GESTU NEC VENUSTATEM CONSPICUAM, NEC TURPITUDINEM ESSE, NE AUT HISTRIONES, AUT OPERARII VIDEAMUR ESSE. Beachtung verdient das Kapitel Versuch einer kurzen Geschichte der Musik. In Bezug auf die Erfindung der Violine schreibt Leopold Mozart: Die Violin ist von dem Orpheus, dem Sohn des Apollo, erfunden worden; und die Dichterin Sappho hat den mit Pferdhaaren bespannten Bogen erdacht, und war die Erste, welche nach heutiger Art gegeigt hat. Ab den frühen Sechzigerjahren des 18. Jahrhunderts widmet sich Leopold Mozart fast ausschließlich der Erziehung seiner beiden hochbegabten Kinder, die er selbst als Wunder bezeichnet, welches Gott in Salzburg hat lassen geboren werden. Obwohl Leopold Mozart seine Kinder nie eine öffentliche Schule be- cursor Latein4EU hat Leopold Mozart seinen Kindern auch die Grundzüge der antiken Geistes- und Kulturgeschichte vermittelt – wohl im Hinblick darauf, dass Wolfgang später einige Bühnenwerke mit antikem Stoff vertonen müsse. Und tatsächlich, neben Apollo und Hyacinthus weisen mehrere Kompositionen Wolfgangs antiken Inhalt auf: Ascanio in Alba, Il Sogno di Scipione, Mitridate – Rè di Ponto, Lucio Silla, Il Rè Pastore, Idomeneo – Rè di Creta und La Clemenza di Tito. Im Alltag der Mozarts spielte Latein eine vielfältige Rolle: als Sprache ihrer Musik, der Wissenschaften, der Verwaltung, aber auch der geistreichen Unterhaltung, wie zahlreiche Zitate aus der Mozart’schen Familienkorrespondenz belegen. Der Salzburger Fürsterzbischof Sigismund Christoph Graf von Schrattenbach – er öffnete für die Reisen „des kleinen Mozartl“ wiederholt seine Privatschatulle suchen lässt, wirkt Wolfgang Amadé wiederholt an Aufführungen des Schultheaters an der Benediktineruniversität mit. Wie sein Vater steht Wolfgang Amadé im Alter von fünf Jahren erstmals auf der Bühne. In der von P. Marian Wimmer verfassten Finalkomödie Sigismundus Hungariae rex wird unter den Tänzern Wolfgangus Mozhart angeführt. 1767 komponiert Wolfgang Amadé die Musik zur Parallelhandlung von P. Rufin Widls Theaterstück Clementia Croesi, welche heute den Titel Apollo und Hyacinthus (KV 38) trägt. Im Protokoll des Gymnasiums lautet die diesbezügliche Eintragung: Musica quoque a D. Wolfgango Mozart undecenni Adolescentulo composita omnibus placuit, qui quidem ad noctem nobis artis suae musicae in clavicembalo insignia specimina dedit. Auf der Italienreise, die die Mozarts 1774 unternehmen, bietet sich für den Vater die Gelegenheit, mit dem Sohn Latein zu lernen. Am Ende eines Briefes schreibt Wolfgang: Ich habe zahnwehe. johañes chrisostomus Wolfgangus Amadeus Sigismundus Mozartus Mariæ Annæ Mozartæ matri et sorori, ac amicis omnibus, præsertimque pulchris virginibus, ac freillibus, gratiosisque freillibus S: P: D: Auch später animiert Leopold Mozart seinen Sohn zum Lateinlernen: Du hast das grosse Lateinische Gebettbuch bey dir, das dir sehr nützlich ist, nicht nur weil alle Psalmen und andere Kirchentext darinn sind [...] sondern es ist dir auch dienlich zur Übung in der lateinischen Sprache, wenn du zur Abwechslung zu zeiten morgen und abend Gebetter daraus bettest. Neben lateinischen Grundkenntnissen Wolfgang Amadé im Galakleid – ein Geschenk Maria Theresias Aus der Mozart’schen Familienkorrespondenz Ausgewählte lateinische Zitate aus der Mozart-Korrespondenz Leopold Mozart • Der Bischof von Passau ist also Tod? – requiescat in pace! Judicia Dei etc. Gott kann ein Strich durch manche Rechnung machen. (21.6.1763) • Vestigia terrent; sagt der Fuchs. (17.10.1763) – Hor. epist. 1,1,74 • parturient montes, nascetur ridiculus mus. (1.4.1764) – Hor. ars 139 • est modus in rebus. oder zu Teutsch, die H: Franzosen wollen gefoppet seyn. (1.4.1764) – Hor. sat. 1,1,106 • allein ich hofe nicht, daß S:r hochfürstl: Gnaden einen so brauchbahren Mann, als herr Alterdinger ist, bey dem müssigen brod eines Cammerdiener lassen wird. et fruges consumere nati! (10.11.1767) – Hor. epist. 1,2,27 • Te Deum laudamus! Meine Tochter hat die Blattern glücklich überstanden! (29.11.1767) • Kommabit aliquando Zeitus bequemmus schreibendi. nunc Kopfus meus semper vollus est multis gedankibus. (28.3.1770) • Bezugnehmend auf den Verbleib einer stattlichen Mitgift: Sic transit gloria mundi! alles versoffen vor dem End, macht ein richtigs testament! (11.10.1777) • die Prelaten in Augsp: waren alle, die ich als iunger Mensch kannte, alle solche Schrollen, und werden es noch seyn: à bove majore discit arare minor. (20.10.1777) • der Mse: Weber und ihrem Vatter geht es halt auch so, wie andern, Propheta non acceptus in Patria! (26.1.1778) – Luk 4,24 • genug! oportet esse haereses. es müssen doch immer Kezereyen und Unruhen in der Welt seyn. (3.12.1784) – 1 Kor 11,19 • Über seinen kleinen Enkel: Nun bin unter dem Nachtessen aufgestanden, und hineingegangen, weil er wach geworden, und da man ihn trocken legte, so hatte die Ehre, so oft man ihm die Füsse in die Höhe hob, ein halbes Dutzend Crepidos Ventris in ohnunterbrochner Folge zu hören. Proficiat! Prosit, conducat, sitque Saluti. (14.9.1785) Wolfgang Amadé • Scherzhaft an eine Salzburger Freundin: Cuperem scire, de qua causa, a quam plurimis adolescentibus ottium adeo æstimatur, ut ipsi se nec verbis, nec verberibus, ab hoc sinant abduci. (1769?) • Mozartus magnus, corpore parvus et Constantia, omnium uxorum pulcherrima et prudentißima (5.10.1782) • die Musique /: ein Galimathias:/ vom einen hiesigen Jungen Menschen, scolaren vom Wagenseil, welcher heist, Gallus Cantans, in arbore sedens, gigirigi faciens. (5.2.1783) Nr. 05 - MÄRZ 2007 5 Wolfgang Amadeus Mozarts erste Oper: Apollo et Hyacinthus Gerhard Petersmann Am Mittwoch, dem 13. Mai 1767, kann man in einem protocollum der Benediktineruniversität von Salzburg lesen, dass nach dem Frühstück eine comoedia von den Syntaxistae, Studenten der höheren Klassen, aufgeführt wurde. Weiters lesen wir, dass bei dieser Aufführung auch eine Musikeinlage war, die von Wolfgang Mozart, einem 11-jährigen Knaben, komponiert wurde. Der Knabe hatte einige Beispiele seines musikalischen Talentes während der Nacht auf dem Clavicembalo den Professoren vorgeführt. In dieser Nacht waren die Herren Patres sehr müde, weil sie die übliche phlebotomia über sich ergehen lassen mussten, eine Blutabnahme am Tag zuvor, die für Professoren der Universität im 18. Jahrhundert obligatorisch war. Abb.1: Universitätsarchiv, bA 81: Protocollum Praefecturae Scholarum 1759–1769 sub Praefecto P. Mariano Wimmer Seeonensi, pag. 277. Diese comoedia, von der hier die Rede ist, war eine der regulären Vorstellungen des Universitätstheaters der von den Benediktinern geleiteten Universität. Derartige Vorstellungen gab es seit der Gründung der Universität im Jahre 1622. An diesem 13. Mai 1767 wurde vom Rhetorikprofessor P. Rufinus Widl ein Drama über die Tragödie des lydischen Königs Krösus (6. Jh. v. Chr.) und seines Sohnes gespielt, der von Atys getötet worden war. Die Geschichte ist nachzulesen in den Historiae des griechischen Geschichtsschreibers Herodot aus dem 5. Jh. v. Chr. (1.34–45). Das Stück des Rhetorikprofessors mit der musikalischen Einlage von dem kleinen Buben Wolfgang Mozart hatte den Titel Clementia Croesi, die Milde des Krösus. Seit der Gründung der Universität 1622 wurde auch an ihr mit Schülern der Lateinschule und den Studenten Theater gespielt. Viele Universitäten hatten solche 6 Universitätstheater. Gut erforscht ist das Universitätstheater der Jesuiten, welches stark missionarischen Charakter hatte. In Salzburg haben Forschungen ergeben, dass die Funktion des Theaters an der Benediktineruniversität eher eine soziale war. Zum einen war das Ziel, Studenten in der lateinischen Sprache wie in der griechischen und römischen Literatur und Kultur zu erziehen, zum anderen war (und ist) Latein die Sprache der römischkatholischen Kirche, eine der heiligen Sprachen der christlichen Tradition. Latein ist die Sprache der Basiskultur Europas. Vor allem in Salzburg an der Benediktineruniversität, welche die Universität eines unabhängigen klerikalen Staates war, hatte das Theater auch die Funktion, bei bestimmten Anlässen Repräsentation des Ruhmes und der Macht des regierenden Erzbischofs zu sein. Zumeist waren es ja Kardinäle und Fürsterzbischöfe, welche zudem noch den Titel (wie heute noch) und die Funktion eines Primas Germaniae hatten. Als Mozart am 27. Jänner 1756 in Salzburg geboren wurde, regierte Fürsterzbischof Sigismund III. Graf Schrattenbach. Seine Regierungszeit dauerte bis 1767, als Mozart ein Knabe von 11 Jahren war. Mozarts Vater war Vizekapellmeister, der das außerordentliche Ingenium seines Sohnes erkannte und entsprechend vermarktete. Leopold Mozart hatte gute Verbindungen zu den Professoren an der Universität. So ist in einem Programm eines verlorenen Dramas von 1761 ein fünf Jahre alter Knabe namens Wolfgangus Mozhart unter den Salii (Tänzern) zu finden. Die Geschichte von König Kroisos, Atys und Adrastos steht unmittelbar nach der bekannten Erzählung von Kroisos und Solon, in der das berühmte Wort fällt, dass niemand vor seinem Tode glücklich sei. Adrastos hatte unglücklicherweise und ohne jede Absicht den Sohn des Königs Kroisos, Atys, bei der Jagd getötet. Ein altes Orakel hatte dies dem König vorausgesagt. Intrigen am Hof beschuldigten Adrastos des Mordes an Atys, worauf Kroisos den zum Tode verurteilte. Bereits im 17. Jh. war vom bekannten Barockdichter Simon Rettenpacher, als Benediktiner kurz auch an der Salzburger Universität, am 3. Oktober 1673 ein Drama namens Atys aufgeführt worden. Rettenpacher lässt Adrastos am Grabe des Atys analog der Erzählung Herodots Selbstmord begehen. Die ungefähr 100 Jahre später aufgeführte Clementia Croesi von Rufinus Widl lässt das Stück allerdings mit einem lieto fine, wie es der Brauch der opera seria des 18. Jh. erforderte, positiv enden. Damit soll dem geistlichen Landesfürsten die Milde des Krösus vor Augen gehalten und Werte wie benignitas, misericordia und clementia als moderne Werte der Aufklärung präsentiert werden. Dem Barocktheater folgend wird in das beschriebene Drama ein musikalisches Zwischenspiel, ein Interludium, oder wie es hier genannt wird, Embolium, integriert. Wie der lateinische Text der Clementia Croesi stammt auch der eben- cursor Latein4EU Croesi, aufgeführt in der heute noch existierenden Aula Maior der Universität, integrierte, war derart in das Hauptdrama eingebaut, dass die Clementia mit dem 1. Akt des Interludiums begann, gefolgt von den ersten beiden Akten der Clementia, dann wieder vom 2. Akt von Apollo et Hyacinthus: A 1 / C 1, C 2 / A 2 / C 3, C 4 / A 3 / C 5: So begann das Theaterspiel mit Apollo et Hyacinthus, um mit der Rettung des Adrastos, der Milde des Croesus zu enden. Happy End des Zwischenspieles und Happy End der comoedia korrespondierten am Schluss. Die Aufführung geriet durch die offenkundig gewollten Korrespondenzen der Handlung und der dramatischen Realisierung zu einem Gesamtkunstwerk, wie es die Barockzeit anstrebte. Die offenkundig homoerotische Liebesgeschichte der Antike, die noch bis in die Neuzeit als solche rezipiert wurde (vgl. den Text von Johann Sebastian Bachs Cantata 201 von Picander: Mit Verlangen / drück ich deine zarten Wangen / holder, schöner Hyacinth / und deine Augen küss ich gerne / weil sie meine Morgensterne / und der Seele Sonne sind ... oder den langen Vergleich von Aschenbachs geliebtem polnischem Knaben Tadzio mit Hyacinth in Thomas Manns „Tod in Venedig“), war für das Salzburger Universitätstheater mit seinen Gymnasiasten und Studenten als Schauspielern denkbar ungeeignet. Rufinus Widl, Priester, Professor, Dichter und Regisseur (pater comicus) in einem, änderte schlicht und einfach durch die Einführung einer Schwester des Hyacinth, Melia, die homoerotische in eine heterosexuelle Liebe. Melia liebt den am Hofe des Vaters wirkenden Gott Apollo, der wieder von Zephyrus, der Melia liebt, in rasender Eifersucht verfolgt wird. In einer merkwürdigen, geradezu auffallenden Weise schimmert der alte antike Plot in den lateinischen Rezitativen und Arien des Benediktinermönches durch – möglicherweise sind Andeutungen und Handlungsführung des musikalischen Dramolettes aber auch ganz bewusst Auseinandersetzung mit einem Phänomen, das dem klerikalen, völlig männlich charakterisierten Universitäts- und Schulwesen zweifellos nicht fremd war. Abb.2: Anna Netrebko, © Kasskara, Deutsche Grammophon falls lateinische Text des Interludium von Rufinus Widl. Er handelt von der Liebe des Apollo zu Hyacinthus, dem Sohn des Königs Oebalus von Sparta, der durch die Intrige des Zephyrus als Mörder des schönen Hyacinthus gebrandmarkt wird. Beim Diskuswerfen wurde ein Diskus durch den Wind abgelenkt und tötete den jungen Prinzen. Die Intrige wird entdeckt, Hyacinthus in die Blume verwandelt, die noch heute seinen Namen trägt. Der Hellenismus hat aus dem alten, wohl auf der Peloponnes beheimateten Mythos (dort gibt es ein Fest Hyakinthia) eine wunderbare Geschichte voll mit erotischen Sentiments gemacht, die in Ovids Version im 10. Buch seiner Metamorphosen ihre klassische Ausprägung fanden. Das Spiel um Apollo und Hyacinthus, das P. Rufinus Widl in seiner Clementia Nach dem 4. Akt der Clementia Croesi wird die Haupthandlung unterbrochen und der dritte, letzte Akt von Apollo und Hyacinthus eingeschoben. Er retardiert mit seinem Happy End den Schluss der Clementia Croesi: Zu den schönsten Arien des elfjährigen Mozart gehört das Duett von Vater und Tochter, von König Oebalus von Sparta und Melia, klagend um Sohn und Bruder, Geliebten und Nr. 05 - MÄRZ 2007 7 Gott: Natus cadit / atque deus / me nolente / nesciente / laesus abit. / Regnum sine Numine / iam non diu stabit / Numen! Quaeso, flectere / et ad nos revertere! Der Sohn tot, der Gott beleidigt, das Reich kann so nicht bestehen, singt der alte König und bittet um die Rückkehr Apollos. Seine Tochter Melia: Frater cadit / atque meus / te iubente / me dolente / sponsus abit. / Sponsa sine complice / quaeso, quid amabit?/ Noli sponsam plectere!/Numen! Ah regredere. Auch hier am Ende die Bitte zur Gottheit (= dem Geliebten), wieder zurückzukehren nach Sparta. Vielleicht ist dieses Duett in seiner musikalischen Ausprägung eines der schönsten des jungen Mozart – eines jener unerklärlichen Wunder, die, wie Musikkenner sagen, noch nach 200 Jahren erstaunen. Haupthandlung und Dramolett haben ein lieto fine, so tragisch auch der Weg dorthin gewesen sein mag. Wie Abrahams Sohn Isaak wird der zum Tode verurteilte Abb.3: Historische Aula Maior der Universität Salzburg Abb.4: Aus dem Originalprogramm 1767 (UB Salzburg, Sign. R 5607 I.) Adrastos gerettet, Apollo und Melia werden ein glückliches Paar, zumindest in der Version des Rhetorikprofessors der Alma Mater Benedictina Salisburgensis. Aus dem Grab des toten Hyacinth wird die Hyacinthe wachsen, die wohl eine andere mediterrane Blume meint als unsere Hyazinthe: Ihre Blütenblätter tragen eine Zeichnung, die der Buch- stabenfolge AI ähnlich ist – griechischer Ruf der Klage und des Schmerzes. In der Welt der Mythologie sind derartige Metamorphosen möglich – vielleicht auch in der Welt der realen Historie. 1767 muss Adrastos nicht sterben, der Wert der clementia soll ihn schützen, mag der Fürst nun klerikal, mag er säkular sein. LINZ, DANN HANDELSKAMMER FÜR OBERÖSTERREICH, SEIT 1975 IM ORF – ZUNÄCHST IM AKTUELLEN DIENST, DANN LEITER DER UNTERHALTUNGSABTEILUNG. 1999 BIS ANFANG 2001: LEITER DER HAUPTABTEILUNG RELIGION IM HÖRFUNK IN WIEN. VERHEIRATET SEIT 1974, DREI ERWACHSENE KINDER, EINE ENKELIN. sophen und Theologen sind zu wenig, um die bis heute wirkenden Traditionen verständlich zu machen und zu verstehen. Amicus DR. HELMUT OBERMAYR SEIT FEBRUAR 2002 LANDESDIREKTOR DES ORF OBERÖSTERREICH GEBOREN 1949 IN KIRCHDORF AN DER KREMS, NACH DER VOLKSSCHULE VON 1959 BIS 1967 STIFTSGYMNASIUM KREMSMÜNSTER (8 JAHRE LATEIN, 6 JAHRE GRIECHISCH). 1967 BIS 1971 JUS-STUDIUM IN LINZ, DOKTORAT, ASSISTENT AM INSTITUT FÜR VERFASSUNGS- UND VERWALTUNGSRECHT AN DER DAMALIGEN HOCHSCHULE 8 Latein und Griechisch waren zwar im Gymnasium absolut nicht meine Lieblingsfächer – inzwischen bin ich aber wirklich dankbar dafür, denn ich bin dadurch tief in unserer Kultur verwurzelt. Wenn niemand mehr in der Schule die antiken Schriftsteller, das Christentum und das Mittelalter in der Originalsprache kennen lernt, schneiden wir unsere Wurzeln ab, aus denen die wichtigsten Grundlagen der modernen Gesellschaft gewachsen sind. Eine Handvoll studierter Altphilologen, Philo- Wenn in den Schulen nur mehr das Nützlichkeitsdenken gilt, werden wir zu einer Gesellschaft der nützlichen Idioten. Wir können uns den Luxus leisten, uns mit Sprachen, Dichtern und Philosophen zu beschäftigen, die nicht unmittelbar der Produktion von Gütern, Dienstleistungen und Geld dienen. Stoa und Christentum sind heute so modern wie vor 2000 Jahren. Wenn ich fallweise vor Publikum Seneca, Cicero oder die großen Reden Jesu vortrage, bestätigen mir das immer wieder Menschen, die die Texte zum ersten Mal gehört oder zum ersten Mal aufmerksam gehört haben. cursor Latein4EU „Sunden sie geschlaf“ Mozarts Balanceakte auf dem Drahtseil der Sprache I. Schreiben als Psychohygiene und Komponieren mit Worten Mozarts sprachliche Zeugnisse im Gewand von Briefen, Gedichten und anderen literarischen Parerga zu ignorieren, käme einer Verstümmelung seiner Persönlichkeit gleich, wäre mehr als bloß eine heuristische Unterlassungssünde, als der mutwillige Verzicht auf eine marginale Erkenntnisquelle. Indem sich Mozart äußert, entäußert er sich zugleich, das Individuum gibt sich preis, setzt sich frei, spannt und entspannt sich. In Mozarts Sprache haben manche Kenner ein Komponieren mit anderen Mitteln gesehen. Das meint wenigstens zweierlei: Mozarts Briefe, um nur diese eine Spezies seines Schreibens herauszugreifen, sind weit mehr als funktionale, trockene Mitteilungen. Ja, ein pedantischer, nüchterner Adressat wie Mozarts Vater leidet chronisch unter den versäumten Botschaften seines Sohnes. Die Nachrichten im Bereich des Lebensernstes, auf die er so dringlich wartet, verschwinden in einem Dickicht von Verbalakrobatik, von exzessivem Übermut und gesuchtem Nonsens. Aber was wie Laune und reines Getändel wirken könnte, ist in Wahrheit häufig Maskerade, sprachliche Mimikry, ein Blinde-Kuh-Spiel vor den Anfechtungen eines seriösen Alltags. Ein Komponieren in einem anderen Medium ist es aber auch, wenn Mozart die Sprache nicht als konventionelles Ausdrucksmittel benützt, als gleichsam geprägte Münze ausgibt, sondern sie sich als Knetmasse erst für seine Bedürfnisse zurechtformt. Der prüfende Blick des Sprachforschers ist da schnell mit Kategorien zur Hand. Der Linguist spricht von Reimwörtern, wenn Mozart im bekannten Bäslebrief vom 5.11.1777 konsequent auf einen erwarteten Ausdruck das klangliche Echo folgen lässt („Ich habe dero mir so werthes schreiben richtig erhalten falten, und daraus ersehen drehen, dass der H. vetter retter, die fr. baaß has, und sie wie, recht wohl auf sind hind usw.“). Als Perseverationen kann man es bezeichnen, wenn in einem Brief an die Baronin von Waldstätten vom 28.9.1782 eine schier unendliche Kette Univ.-Prof. Dr. Oswald Panagl, Salzburg französisierender Zeitwörter auf -iren erscheint („tractiren … tourniren … accomodiren … pardoniren … permettiren … complimentiren … veneriren … klystiren … fermiren“). Synonymenreihe ist der passende Terminus für die scherzhafte Überdehnung des Stilprinzips, einen weniger üblichen Begriff durch ein gleichbedeutendes Nachbarwort zu erläutern. Mozart führt dieses rhetorische Instrument ad absurdum, indem er es totreitet und auf banale Alltagswörter anwendet (5.11.1777: „Sie schreiben noch ferners, sie lassen sich heraus, sie geben sich blos, sie lassen sich verlauten, sie machen mir zu wissen, sie erklären sich, sie deuten mir an, sie benachrichtigen mir, sie machen mir kund …“; 21.11.1777: „wird er mir gewiß, zweifelsohne, ohne Zweifel, sicher, richtiglich antworten“). Ein gesuchtes etymologisierendes Wortspiel liegt vor, wenn Mozart sein Bäsle zuerst als „Bäßchen“ und in einer musikalischen Assoziation danach als „Violoncellchen“ anredet. Namensverdrehungen riskiert er, wenn er aus Süßmayr einen „Sauermayer“ macht oder einer Frau Schlosserin den Geburtsnamen „Schlüsselmacherin“ unterstellt. Aber all das sind bloße Etiketten, bescheidene Versuche, die überquellende Fülle der Phänomene zu bändigen, in der verwirrenden Vielfalt terminologische Wegweiser zu setzen. II. Die Probe aufs Exempel Das nachstehende Beispiel ist ein Postskriptum zu einem Brief, den Mozart von der großen Reise mit seiner Mutter am 26.11.1777 aus Mannheim an seinen Oswald Panagl Vater schreibt. Schon im eigentlichen Text war er dem dringenden Bedürfnis des Vaters nach ernsthaftem Bericht immer wieder durch „Hakenschlagen“ ausgewichen. Immerhin war man bereits über zwei Monate unterwegs, hatte München ohne Erfolg im Bemühen um eine Anstellung am Hof verlassen und auch die analogen Anstrengungen beim Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim waren noch ergebnislos. Doch Mozart entzieht sich der Anfechtung am Ende des Schreibens durch den Hinweis auf Platzmangel. Er verspricht, künftig mehr Papier zu beschaffen und ausführlicher zu werden. Er empfiehlt sich mit der gewohnten Courtoisie recht umständlich und widerlegt jegliche „Materialnot“ mit einem verspielten Briefzusatz: „Wenn ich noch einen Platz findete, so schreibte ich 100000 Complimente von uns 2, sage von uns zwey, an alle gute freünd und freündinen, besonders an die A, adlgasserische, andretterische und Arco (graf ) H: B, bullinger, barisanische, und beranitzky, C, Czernin, (graf ) Cußetti, und den drey H: Calcanten, D, H: daser, deibl, und dommesseer, E, Madselle Eberlin waberl, H: Estlinger, und alle Esln zu Salzburg, F, Firmian, (graf und gräfin, und dackerln) den kleinen franzl, und an Petrischen freyhof, G, Madelle Mad: et deux Mons. gylofsky, und auch an Conseiller, dann H: gretri, und gablerbrey, H, den haydnischen, hagenauerischen, und der höllbrey Thresel, J, joli (die Sallerl) an H: janitsch den geiger, und an jacob beym hagenauer, K, H: und fr. von kürsinger, graf und gräfin kühnburg, und H: kassel, L, Baron lehrbach, graf und gräfin litzauw, graf und gräf: Lodron, M, H: Meissner, Medlhammer und Moserbrey, N, der Nannerl, den hofnarren Pater florian, und allen Nachtwächtern, O, den graf oxenstirn, den H: oberbreiter, und allen ochsen in Salzburg, P, den Prexischen, graf Pranck, kuchelmeister, und graf Perusa, Q, den H: Quilibet, quodlibet, und allen quackern, R, den Pater florian reichsigl, Robinische, und Maestro Rust, S, den H: Suscipe, H: Seiffert, und alle Säü in Salzburg, T, H: Tanzberger unsern Metzger, der thresel, und an alle trompeter, U, an die stadt ulm, und uttrecht, und an alle uhren in Salzburg wen man anfangs ein h hinzusetzt, W, an die wieserische, wurstmacher hans, und an woferl, X, an die xantipe, an xerxes, und an alle Nr. 05 - MÄRZ 2007 9 die dessen Name mit einen X anfängt, Y, an H: ypsilon, an die H: ybrig, und an alle die dessen Name mit einem y anfängt, letztens aber Z, an H: zabuesnig, H: zonca, und H: zezi im schloss. addlieu. wenn ich Platz hätte, so schreibete ich schon noch etwas, aufs wenigst doch Complimenten an meine gute freünd, so kan es aber nicht seyn ich wüste nicht wo ich hinschreiben sollte. Ich kann gescheüt nichts heüts schreiben, denn ich heis völlig aus den biel der hapa üble es mir nicht Müssen Paben, ich so halt einmahl heüt bin, ich helf mir nicht können, wohlen sie leb. Ich gute ein wünsche nacht. sunden sie geschlaf. werdens nächste ich schon schreiber gescheiden.“ Literarische Alphabete sind von Wilhelm Busch bis herauf zu H. C. Artmann ein beliebter Tummelplatz der sprachlichen Kreativität. Ein alphabetisches Namensverzeichnis von Salzburg mit dem Auftrag der Grußbestellung – noch dazu im Irrealis („Wenn ich noch einen Platz findete, so schreibte ich …“) – ist jedenfalls ein Kuriosum. Wir versagen uns alle familiären Quellenstudien – die meisten Namen sind ja aus dem Umfeld Mozarts oder aus der Topographie Salzburgs bekannt –, wenden uns vielmehr den Abweichungen von der Regel zu. Da finden sich „alle Esln zu Salzburg“ ebenso wie später „alle Säü“, neben „Firmian“ findet sich „der kleine franzl“, die „Nachtwächter“, „Trompeter“ und der „wurstmacher hans“ fetten das Register auf, ganz zu schweigen von den „uhren in Salzburg wen man anfangs ein h hinzusetzt“. Die Städte „ulm und uttrecht“ sprengen ebenso grotesk den selbstgewählten Rahmen wie die Auffüllung der notorisch seltenen Buchstaben („Quilibet, quodlibet, und allen quackern“; „an xantipe, an xerxes“; „an H: ypsilon, an die H: ybrig …“). Vollends überschlägt sich die Phantasie des Briefschreibers aber am Ende des Postskriptums. Denn jetzt erst, da ihm wieder der Platz fehlt, würde er Complimente an seine guten Freunde hinzusetzen, die offenbar in der alphabetischen Liste gar nicht vorgekommen sind. In einem fingierten Sprachrausch purzeln Mozart schließlich Silben, Wortarten und grammatische Kategorien durcheinander. Zwischen der Feststellung „Ich kan gescheüt nichts heüts schreiben“ und ihrer variierten Wiederkehr als „verrückter“ Schlusssatz „werdens nächste ich schon schreiber gescheiden“, geraten Syntax und Formenlehre gänzlich aus den Fugen (Ernst Jandl lässt grüßen!), was Mozart so zu rechtfertigen sucht: „denn ich heis völlig aus den biel“. Die Kommentatoren wollten hier eine Fehlschreibung für „ich gleis völlig aus dem fiel“ (also „ich fiel völlig aus den Gleisen“) erkennen. Ich halte ein schlichtes „ich bi(n) völlig aus’n Häusl“ für wesentlich wahrscheinlicher. Aber Mozart wäre kein gestaltender Künstler, hätte die Abweichung nicht Methode, würde die Systemverletzung nicht ein neues System stiften. Als durchgehendes Ordnungsprinzip der scheinbar so willkürlichen Umgestaltung der Sprache in den Binnensätzen erweist sich der kategorielle Austausch von Prädikat und Objekt bzw. Adverb. An der syntaktischen Stelle des Verbums erscheint konsequent ein Adjektiv: „wohlen sie leb. ich gute eine wünsche nacht. sunden sie geschlaf.“ Variation? Dissonanz? Taktwechsel? Thematische Umkehrung? Kontrapunkt? Auf jeden Fall ein hochkarätiger Musikalismus der Sprache! Nuntius Latinus Das Mozart Album Wolfram Kautzky Die populärsten Arien und Duette berühmter Mozartopern, „Zauberflöte“, „Figaro“, „Don Giovanni“ und weitere Opern in Neuaufnahmen. Die Nuntii erscheinen jeden Dienstag im Kurier Dieses Album vereint eine unschlagbare Strategie, von Anna Netrebko angeführt, über Thomas Quasthoff, Elina Garanca, René Pape bis Bryn Terfel. Simiae regnant Magistratus Indici mensibus superioribus inopes observabant, quomodo labor regnantium simiis infensis turbaretur. Quae animalia sine difficultate inter ministeria defensionis, aerarii, rerum externarum concursare solent et iam documenta magni pretii rapuisse dicuntur, ut agentura nuntiis divulgandis nomine Reuters rettulit. Quin etiam in officio ipsius praesidis ministrorum simiae iam visae sunt. „Eae bestiae etiam in areas summae securitatis penetrant“, quidam officiarius ministerii defensionis dixit. Ibi autem eas solum officiales terruisse atque cibos rapuisse. Ut magistratus censent, hoc tempore decem fere milia simiarum in area gubernationis prope domum praesidentis sita versantur – multo plures quam solitum. Vokabel: simia, -ae = „Affe“; infensus 3 = „aggressiv“; divulgare = „verbreiten“; officiarius, -i = „Offizier“; officialis, -is = „Büroangestellter“ Le Nozze di Figaro Idomeneo Don Giovanni La Clemenza di Tito Die Zauberflöte 10 cursor Latein4EU „Das Unbewusste ist viel moralischer, als das Bewusste wahrhaben will“ Mozarts Jugendopern und die „Tugenden“ Barbara Wintersteller 2006 war – nicht nur in Salzburg – „Alles Mozart!“. Die einen freuten sich darüber, genossen die vielen Möglichkeiten, Mozarts Musik, besonders auch die selten gespielten Werke hören zu können, den anderen ging die allgegenwärtige Dominanz des Genius Loci Salisburgensis schon ziemlich auf die Nerven. Bei der Fülle von Neuerscheinungen zum Mozartjahr ist es keine leichte Aufgabe, dem Thema „Mozart“ noch ungewohnte Seiten abzugewinnen, noch dazu in Verbindung mit der antiken Welt. Dass sich Mozart aber ganz selbstverständlich von Jugend an mit antiken Themen beschäftigt hat, zeigt schon eine Auswahl aus seinen frühen Opern: Apollo und Hyacinthus, Mitridate, Ascanio in Alba, Il Sogno di Scipione, Lucio Silla, Il Rè Pastore. Die Themenwahl war dabei natürlich ganz pragmatisch auf die jeweilige Vermarktung abgestimmt und durch den Rückgriff auf antike Persönlichkeiten sollte der Glanz einer aktuellen Herrscherpersönlichkeit noch heller strahlen. Außerdem wurden die antiken Figuren und Vorlagen nicht 1 : 1 umgesetzt, sie dienten als Muster, das die Librettisten dem Anlass und den jeweils verfügbaren Stimmen entsprechend abwandeln konnten. Es sind selten gespielte Werke, eher handlungsarm und mit „Marmor scheißendem“ Götter- und Fürstenpersonal, wie es Milos Forman seinen „Amadeus“ im gleichnamigen Film sagen lässt. Warum ist es trotzdem spannend, sich mit diesen frühen Meisterwerken auseinanderzusetzen? Es ist die Zeitlosigkeit der antiken Themen, die – verbunden mit der zeitlosen Schönheit von Mozarts Musik – auch uns Menschen des 21. Jahrhunderts noch zu fesseln vermögen: So finden wir hier thematisch alle Facetten der Liebe und Eifersucht, Zurückweisung, Rache und Verzeihung, Probleme zwischen Vätern und Söhnen, Geschwisterstreit, Verzicht und Verzeihen, Zivilcourage. Eine Lösung für die jeweils dargestellten Konflikte findet sich oft, indem sich eine/r der Protagonisten „tugendhaft“ verhält und damit dem Konflikt eine Wendung zum Guten gibt. Tugend gilt uns Heutigen ja eher als ein verstaubter, nicht recht greifbarer Begriff. In Mozarts Zeit aber waren die „Tugenden“ fixer Bestandteil des Bildungskanons und in zahlreichen Theaterstücken und Abbildungen gegenwärtig. Bei näherem Hinsehen erkennt man durchaus Zeitgemäßes und Wünschenswertes. Als „Kardinaltugenden“ bezeichnete man seit Plato die folgenden vier Eigenschaften: Iustitia: Gerechtigkeit – Fortitudo: Tapferkeit – Prudentia oder Sapientia: Klugheit oder Weisheit – Temperantia: Mäßigung. Von diesen vier Grundtugenden wurden alle weiteren Tugenden abgeleitet. Der antike „Tugendkatalog“ nahm in der Folge einen ziemlich großen Umfang an: Dazu kamen u. a. Tugenden wie Clementia: Milde und Constantia: Beständigkeit. Der Philosoph und Theologe Thomas von Aquin ergänzte die Kardinaltugenden im 13. Jahrhundert noch um drei theologische: Fides: Glaube – Spes: Hoffnung – Caritas: Liebe. Unter diesem Gesichtspunkt wird das Thema „Mozart und die Antike“ plötzlich weit und vielfältig. Denn eigentlich gibt es kaum eine Oper oder ein Singspiel, in dem Mozart nicht einer dieser Tugenden ein unvergleichliches stimmliches Denkmal gesetzt hätte: der „Clemenza“ des Titus oder der Iustitia und Sapientia des Sarastro in der Zauberflöte oder Constanzes (nomen est omen!) Fortitudo, die ihren Ausdruck in der Marterarie findet, oder der verständnisvollen Temperantia der Gräfin im Figaro, durch die sich zum Schluss doch noch alles zum Guten wendet … Iustitia, Fortitudo, Sapientia, Temperantia. Werfen wir aber nun einen kurzen Blick auf den Inhalt der frei nach antiken Vorlagen gestalteten Plots in Mozarts wenig gespielten Jugendopern: Apoll und Hyacinthus erzählt von der Liebe des Apoll zur Königstochter Melia, die aber auch von Zephyrus umworben wird, der ihren Bruder Hyacinthus beim Diskuswerfen absichtlich tödlich verletzt und Apoll den Unfall in die Schuhe schiebt. Gerade noch rechtzeitig klärt der sterbende Hyacinthus alles auf: Apoll bekommt seine Melia, Zephyrus wird in einen Sturmwind und Hyacinthus in die bekannte Blume verwandelt. Happy End, Nr. 05 - MÄRZ 2007 11 Oben li.: Iustitia, oben re.: Sapientia Unten li.: Temperantia, unten re.: Fortitudo Darstellung der Kardinaltugenden am Papstgrab im Bamberger Dom (Quelle: wikipedia) fußend auf der barocken Musiktradition, die den Zuhörer nicht ungetröstet in den rauen Alltag entlassen durfte. Auch Ascanio in Alba entführt uns in die Welt der „unsterblichen Götter“ – angesiedelt in einer idyllischen Schäferkulisse, was auch in der Orchesterbesetzung zum Ausdruck kommt: Flöten, Englischhörner, Oboen, Hörner, Pauken und Trompeten versetzen uns musikalisch ins ländliche Ambiente. Venus hat für ihren Sohn Ascanio Alba als Herrschaftsgebiet und die Nymphe Silvia zu seiner Frau bestimmt. Allerdings soll er sie auf Anraten seiner Mutter noch einem „Tugendtest“ unterziehen. Die Prüfung besteht Silvia bravourös, Venus schwebt zufrieden davon … Il Rè Pastore versetzt uns ebenfalls ins damals so beliebte „Schäferidyll“; wieder geben im Orchester die „pastoralen“ Instrumente den Ton an. Wie später in der „Entführung“ geht die Ouvertüre direkt in die erste Arie des ersten Aktes über. Aminta – ein junger Mann an der Schwelle zum Erwachsenwerden und daher wie Cherubino im Figaro als Hosenrolle konzipiert – ist der eigentlich rechtmäßige Herrscher von Sidon, lebt aber, ohne dies auch nur zu ahnen, als Schäfer auf dem Land und freut sich auf seine Heirat mit Elisa. Alessandro will Aminta in sein rechtmäßiges Erbe einsetzen und hat auch schon eine standesgemäße Partie für ihn gefunden: Tamiri – aber diese liebt wiederum Agenore, den phönizischen Freund Alexanders. Aus Loyalität finden sich alle in ihr vermeintliches Schicksal. Nur Aminta wagt es, sich zu widersetzen: Lieber will er auf den Thron als auf Elisa verzichten; gerührt stimmt Alessandro der Doppelhochzeit der „richtigen“ Paare zu. Auch Mitridate endet letztendlich mit einem Sieg der Liebe über politische und menschliche Intrigen. Aspasia wartet auf ihre Hochzeit mit dem alternden Mitridates, der gerade im Kampf gegen 12 die Römer steht. Allerdings ist es schon seine dritte Hochzeit und Aspasia eine junge Frau, in die sich seine beiden Söhne verliebt haben. Mitridates entdeckt das ganze Ausmaß seiner menschlichen und politischen Niederlage: Sein Sohn Farnace kooperiert mit den römischen Feinden und weigert sich, die ihm bestimmte Braut Ismene zu heiraten; sein Sohn Sifare und Aspasia bekennen ihre Liebe zueinander; Mitridate will sie alle töten lassen. Wie bei Idomeneo ist es die scheinbar so übermächtige Vaterfigur, die auf dem Höhepunkt ihrer Macht am tiefsten fällt. Zurückgewiesen von Aspasia und von Furcht getrieben, sich den Römern unterwerfen zu müssen, stürzt sich Mithridates ins eigene Schwert und vergibt sterbend seiner Familie. Mozart macht uns Mithridates musikalisch nicht sympathisch; er teilt ihm keine Arie zu, die sich durch Bravour bzw. durch besondere Ausdehnung hervortäte. Großartig aber die Arie der von Farnace zurückgewiesenen Ismene: In faccia all ogetto, die das „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt“ einer Liebesbeziehung berührend zum Ausdruck bringt. Auch in Lucio Silla geht es wieder um den Sieg der beständigen Liebe über die Intrigen der Machtpolitik und die „Clementia“ und „Temperantia“ eines geläuterten Machtpolitikers. Eine Jugendoper aber fällt in mehrfacher Hinsicht aus dem Rahmen: Il Sogno di Scipione: KV 126 – Konzertante Uraufführung am 20.1.1979 (!) bei der Eröffnung der Mozartwoche in Salzburg. 208 Jahre musste dieses Werk auf seine Uraufführung warten: Es sollte eigentlich zum 50-jährigen Priesterjubiläum des Fürsterzbischofs Sigismund Graf Schrattenbach uraufgeführt werden, der aber ungefähr einen Monat vorher verstarb. Sein Nachfolger, der sparsame Graf Hieronymus von Colloredo, dürfte nur die Aufführung der zwei letzten Nummern erlaubt haben. Seit dieser Zeit wurde „Il Sogno“ ignoriert; denn das Werk passt irgendwie in kein Theaterschema und der Traum eines im Schlummer liegenden Feldherrn, der sich zwischen zwei wunderschönen Frauen entscheiden muss, nämlich zwischen Fortuna, der „Traumfrau“, ihren Verheißungen des großen Glücks, und Constanza, der „braveren“, aber dafür beständigeren, war den Zuhörern einfach zu kompliziert und schien zu langweilig, um sich damit näher zu befassen. (vgl. dazu das Bild rechts). Dabei schrieb sich der 14-jährige Mozart nach dem Libretto von Pietro Metastasio die Nöte aller Heranwachsenden von der Seele: Welchen Weg soll ich gehen? Entscheide ich mich nach meinem Herzen oder folge ich den Vorstellungen der Familie, des Staates, der Kirche? Will ich Ungebundenheit, Leidenschaft und Begehren oder doch lieber gesellschaftliches Ansehen und ein beständiges Familienleben? Hoffnungslos überfordert ist der junge Scipio, und als er sich schließlich für Constanza und gegen Fortuna entscheidet, weiß auch der (erwachsene) Zuhörer nicht so recht, ob das die richtige Entscheidung war – irgendwie fehlt dem Entschluss die musikalische Überzeugungskraft … (Musikalischer Tipp: Die Ouvertüre mit dem „traumhaften“ Mittelsatz) Bei der antiken Vorlage handelt es sich um den vollständig erhaltenen Text „Somnium Scipionis“ (Der Traum des Scipio) aus dem ansonsten unvollständig erhaltenen politischen Traktat De re publica (Über den Staat) von Marcus Tullius Cicero. Das Werk hinterließ besonders in der Renaissance einen großen Eindruck. Auch beim vorliegenden Stück wird die antike Vorlage nicht werkgetreu umgesetzt, sondern weitergesponnen: Dreht sich bei Cicero alles um den Lohn der Unsterblichkeit für alle, die dem Staat dienen, um die Nichtigkeit des kleinen Erdenglücks im Vergleich zum Weltall und seinen Sphärenklängen, so fügt Metastasio die beiden Göttinnen mit ihren Verheißungen und ihrem Werben um Scipio ein und entwirft so ein zeitloses Szenario: der Mensch zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Hoffnung, beide vielleicht doch in Einklang bringen zu können. Il sogno del cavaliere, Raffael (1504) cursor Latein4EU Orpheus, der magische Sänger der Antike Ulla Zedrosser übte er weiterhin große Faszination aus, wurde ein „Musikidol“ und scharte, ohne es zu wollen, Anhängerinnen (Groupies?) um sich, die ihm letztlich zum Verhängnis wurden. Orpheus und seine Männer trafen auf einem nächtlichen Fest zu Ehren des Dionysos zusammen, die Orpheus galt der Antike als der beste, schönste und faszinierendste Sänger aller Zeiten. Mythenumrankt inspirierte er Generationen von Dichtern und Komponisten. Michael Köhlmeier schreibt in seinem „Großen Sagenbuch des klassischen Altertums“: „Die Tiere versammelten sich um ihn, wenn er zu singen und zu spielen begann. […] Es sind ihm auch die Erdhügel, die Steine, die Felsbrocken nachgefolgt, und die Berge hätten, so heißt es, an ihren breiten Wurzeln gerissen, sodass die Erde zu beben begonnen habe.“ Orpheus war der Sohn der Kalliope, der Muse der epischen Dichtung, und des Gottes Apoll. Schon der Name der Mutter ist Programm für ihren Sohn, denn Kalliope bedeutet „die Schönstimmige“. Aber auch Vater Apoll, dem Gott der Musik und Erfinder der Lyra, liegt das musische Fach im göttlichen Blut. Zurück zum Sänger: Orpheus bedeutet „der Dunkle“ – die Ereignisse seines Lebens erklären den Namen von selbst. Orpheus war ein Besatzungsmitglied des Schiffes Argo. Er soll die gesamte Besatzung vor den ohrenbetäubenden Sirenen gerettet haben, indem er während der Vorbeifahrt an deren Insel so sang, dass der Gesang der vogelähnlichen Frauen auf die Soldaten der Argo wirkungslos blieb. Unsterblich wurde er durch die dunkle, unselige Liebesgeschichte mit Eurydike. Die beiden liebten einander innig und galten als das schönste Liebespaar. Doch das göttliche Fatum wurde den Glücklichen zum Verhängnis. Als Eurydike eines Tages auf die Wiesen hinausging, um Blumen zu pflücken, erblickte sie Aristaios, der berühmteste Bienenzüchter der Antike. Von Verlangen nach Eurydike ergriffen, jagte er sie über die Wiesen. Eurydike aber flüchtete angst-erfüllt und trat, durch die Flucht unaufmerksam, auf eine Schlange, wurde gebissen und starb. Von Trauer überwältigt, machte sich Orpheus auf den Weg in das Reich des Hades. Dort gelang ihm das bislang Unmögliche: Charon, Fährmann des Unterweltflusses Styx, war von Orpheus’ Liedern so beeindruckt, dass er ihn den Hades betreten ließ, um nach Eurydike zu suchen. Niemals zuvor durfte ein Lebender die Hallen des Todes betreten. Auch den Höllenhund Zerberus Félix Vallotton, Orpheus’ Tod, Paris 1914 verzauberten Orpheus’ Lieder so sehr, dass er den trauernden Mann ohne Widerstand passieren ließ. Das Reich der Dunkelheit verfiel in eine Art Freude und so gelang es ihm sogar, Persephone, die Königin der Unterwelt, zu erweichen: Sie ließ Eurydike mit ihm gehen. Nur eine Bedingung stellte sie: Orpheus dürfe sich während des Verlassens der Unterwelt nicht ein einziges Mal nach seiner Geliebten Eurydike umdrehen. Doch Orpheus drehte sich doch um – und sofort verschwand die eben Zurückgewonnene in die Nebel des Hades. Orpheus schwor seither den Frauen ab, zog sich völlig aus dem Leben zurück und gründete einen Männerorden. Auf Frauen Frauen aber stürmten die Festlichkeiten, überwältigten die Männer und zerstückelten den Körper des begnadeten Sängers. Seinen abgeschlagenen Kopf nagelten sie auf dessen Lyra und warfen ihn in einen Fluss. Dem Mythos folgend, soll der Kopf immer weitergesungen und nach Eurydike gerufen haben. Im Meer angelangt, strandete der Kopf samt Lyra auf der Insel Lesbos, wo zu Ehren des Orpheus ein Tempel errichtet wurde. Übrigens: Sein Kopf sang immer noch weiter. Erst Apoll brachte den Körperlosen zum Schweigen. Für uns bleibt Orpheus der Inbegriff für schöne Musik, Inspiration und Künstlertum und somit unsterblich. Nr. 05 - MÄRZ 2007 13 „Carpe noctem – die lange Nacht der Römer“ Peter Glatz Einen Abend lang kehrten antiker römischer Alltag und römische Lebenslust an die äußersten Grenzen des Reiches zurück: Im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ am 7. Oktober 2006 fand am Donau-Limes, genauer im Schlossmuseum Linz, die „Lange Nacht der Römer“ unter dem Motto „Carpe noctem“ statt. Original römische Legionäre der Legio XV Apollinaris exerzierten im Innenhof des Schlosses, bauten ihre Zelte auf und „eroberten“ schließlich das Schlossmuseum. Die unter wissenschaftlicher Anleitung von den neuzeitlichen Legionären perfekt nachgebauten Rüstungen riefen große Bewunderung hervor. Von links nach rechts: Dr. Andreas Thiel, Dr. Helmut Obermayr, Mag. Peter Glatz, Dr. Peter Assmann, Direktor der Landesmuseen OÖ, Mag. Sandra Kotschwar Der Centurio Primus Pilus (Walter Flotzinger) und eine Römerin (Mag. Sieglinde Ortmayer) machen Werbung für die Amici Linguae Latinae. 14 Wurden auch nicht alle lateinischen Kommandos des Centurios vom Publikum verstanden, so gaben die Legionäre doch bereitwillig Auskunft über ihre Rüstungen und Ausrüstungsgegenstände und so mancher NachwuchsLegionär wurde auf einem Foto mit seinem Vorbild verewigt. Der Name der Legio XV Apollinaris leitet sich vom Gott Apoll her, ihr Wappentier (Legionsemblem) ist der dem Apoll geweihte Greif. Gegründet wurde die Legion von Gaius Julius Cäsar im Jahr 53 v. Chr. während des Gallischen Krieges. Im Laufe der Zeit wurde sie an verschiedene Orte verlegt, ab 39. n. Chr. nach Carnuntum. Auch bei der Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. dürfte sie dabei gewesen sein. Neuerdings hat sie ihr Lager in Pram (OÖ) aufgeschlagen. Legionäre wie Besucher labten sich am original römischen Buffet: Oliven, Kapernbeeren, Schafskäse, Mostbrote (mustacei) und Fleischbällchen nach Apicius (esicia omentata). Für Letztere wurden nicht etwa Wacholderbeeren, sondern die original geforderten Myrtenbeeren verwendet, für die mustacei natürlich Schweineschmalz und Most. Auch zu trinken gab’s Römisches: Fons Romanorum (Römerquelle), Nativa, Carpe diem etc. Dermaßen gestärkt, begaben sich die überaus zahlreichen Besucher (1.350!) zu den weiteren Stationen des Abends: Es wurden verschiedene Projekte online präsentiert, es gab Führungen in der römerzeitlichen Ausstellung, ein Quiz versprach schöne Preise. Den Höhepunkt bildeten zweifellos die verschiedenen Bühnendarbietungen im Festsaal des Linzer Schlosses. Eine professionell gestaltete fulminante Modeschau machte den Besuchern mit Augenzwinkern und Fachwissen klar, dass das Thema Mode bereits zu Zeiten der Römer für die gehobene Schicht äußerst interessant war und den oberen 10.000 kein Stoff, kein Parfum und keine Frisur zu teuer waren. Nichts zu teuer war den reichen Römerinnen auch, was ihren Schmuck betraf. Bei einer Szene in einem Schmuckladen konnte man das Feilschen um die besten Stücke mitverfolgen. Die Goldschmiedekunst der Römer war hochentwickelt, auch damals gab es ein cursor Latein4EU Legionäre der Legio XV Apollinaris in ihren prächtigen Rüstungen. Links der Zeichenträger (signifer), der in der Schlacht eine enorm wichtige Funktion hatte; in der Mitte der Hornbläser (cornicen) sowie rechts zwei einfache Legionäre mit Schild (scutum) und Wurfgeschoss (pilum). Gespür für tolles Design und edle Materialien. Die Schule allerdings war damals nicht so durchorganisiert wie heute – wer Bildung für seine Kinder wollte, musste sie selbst organisieren und bezahlen. In einer eindrucksvollen Szene einer römischen Schulstunde „De imperatore C. I. Caesare“ wurde antike Schulatmosphäre herbeigezaubert – in lateinischer Sprache natürlich. Ebenfalls in Lateinisch spielte sich das Treiben in der römischen Caupona „Ad Europam“ ab. Immer mehr verschiedene Leute trafen sich im Wirtshaus – der Wirt war immerhin Gott Bacchus persönlich (!) –, bis schließlich Europa auf dem Stier eintraf, um in ihrem Lokal nach dem Rechten zu sehen, und die Szene in der gemeinsam gesungenen Europahymne „Est Europa nunc unita“ endete. Bis nach Mitternacht pulsierte das frohe römische Treiben im Linzer Schloss, das zeigte, wie spannend und interessant römische Geschichte, Kultur und Sprache sein können und wie sehr sie auch mit unserer Gegenwart zu tun haben. Auf die Beine gestellt haben dieses Crossover-Projekt die Arge der LateinlehrerInnen am Pädagogischen Institut Oberösterreich, die Landesmuseen Oberösterreich und die Webplattform Ubi erat Lupa, unterstützt von zahlreichen MitarbeiterInnen und vor allem über 60 SchülerInnen. Der äußerst positive Zuspruch des Publikums hat sie alle für viele Mühen entschädigt. Viele tolle Fotos gibt es auf www.lateinforum.at mit dem Suchbegriff „noctem“ Projekt-MitarbeiterInnen: Arge Latein OÖ: Mag. Peter Glatz Mag. Florian Hörtenhuemer Mag. Katharina Keplinger-Kail Mag. Sieglinde Mayer-Schwarz Mag. Sieglinde Ortmayer Mag. Elisabeth Peterseil Dr. Andreas Thiel Mag. Elisabeth Thiel Mag. Bernadette Vielhaber Landesmuseen OÖ: Mag. Claudia Kiesenhofer Mag. Sandra Kotschwar Mag. Dagmar Ulm Dr. Christine Schwanzar Webplattform Ubi erat Lupa: Mag. Kurt Schaller Beteiligte Schulen: Stiftsgymnasium Wilhering Stiftsgymnasium Kremsmünster Gymnasium Dachsberg BG Vöcklabruck ORG der Diözese Stifterstraße Linz BRG Hamerlingstraße Linz Schulstunde in der Schola Romana Nr. 05 - MÄRZ 2007 15 Blick auf den Triumphbogen des Septimius Severus (146–211 n Chr.) auf dem Forum Romanum Academia Latina und Erinnerungen an die Ewige Stadt Melanie Widmann, Österreich Alle Wege führen nach Rom. Und so kamen wir – eine fröhliche, bunte Truppe aus der Schweiz, Schweden, Belgien, Spanien, Italien, Portugal, Kroatien, Tschechien, Russland und wir Preisträger der Bundesolympiade aus Österreich – auf unterschiedlichen Pfaden in die Ewige Stadt. Unter der Organisation von Frau Tarandi fanden wir vom 1. bis 10. August zur Academia Latina zusammen, um uns mit den alten Römern, den Begründern unserer gemeinsamen Kultur, zu beschäftigen. Welcher Ort könnte besser geeignet sein als Rom selbst, um die kulturellen und sprachlichen Unterschiede und Berührungsängste zu überwinden, mehr über die gemeinsame Vergangenheit zu erfahren, um neue Freundschaften zu schließen und an einer gemeinsamen europäischen Zukunft zu bauen? Es ist der besonderen Atmosphäre dieser geschichtsträchtigen Stadt zu verdanken, dass sogleich fröhliches Geplauder herrschte. Es war großartig, so viele andere Jugendliche kennenzulernen, die unsere Leidenschaft für Latein teilen. Eine eigenartige Erfahrung war das Übersetzen lateinischer Texte ins Englische, das Sprachenchaos, das herrschte, wenn wir gemeinsam nach einem passenden englischen Wort suchten. Dabei war es auch interessant zu hören, wie unterschiedlich lateinische Texte gelesen werden können und wie sehr die eigene Muttersprache die Aussprache beeinflusst. Während wir in diesen knapp zehn Tagen auf den Spuren der alten Römer wandel- 16 ten und versuchten, ihrem Leben nachzuspüren, konnten wir einige der unzähligen Gesichter der Ewigen Stadt kennenlernen. Beim Besichtigen antiker Überreste versuchten wir uns in die Glanzzeiten zu versetzen, uns vorzustellen, wie damals geschäftiges Treiben auf dem Forum herrschte, wie der Palatin in Prunk und Erhabenheit erstrahlte und wie die Stimmung wohl brodelte, wenn im Kolosseum Gladiatorenkämpfe stattfanden. Wir lernten Rom als eine Stadt der Vielfalt und Kontraste kennen und bewunderten das Nebeneinander von Alt und Neu: Neben antiken Mauern und Säulen bestaunten wir moderne Prunkbauten und mächtige Kirchen. Einen Höhepunkt stellte sicher der Ausflug nach Pompeji dar, wo wir im Amphitheater selbst kreierte Theaterstücke zum Besten gaben (zugegeben, ein paar Ideen haben wir schon dem göttlichen Ovid geklaut) und uns auf der Retourfahrt beim gegenseitigen Vorsingen typischer Nationallieder besser kennenlernten. In den gut erhaltenen Gemäuern der Stadt kann man das Lebensgefühl der Römer wohl am besten nachempfinden. Den Touristenscharen einmal entkommen, entsteht fast das Gefühl, als wäre die Zeit 2000 Jahre stehen geblieben. Natürlich kamen auch Freizeit und Vergnügen nicht zu kurz. Und so genossen wir nach einem anstrengenden Besichtigungs- und Übersetzungstag die südliche Unbeschwertheit und das besondere Flair der Stadt an lauen Sommerabenden. Während wir durch labyrinthartige Gässchen spazierten, uns in das abendliche Treiben in Trastevere mischten und genüsslich ein Eis schleckten, plauderten wir mit Jugendlichen aus anderen Teilen unseres Kontinents, stellten fest, dass wir ähnliche Interessen und Hobbys haben, schlossen neue Freundschaften über die Landesgrenzen hinweg und amüsierten uns über die bizarren Geschmacksrichtungen des römischen Eises (z. B. grüner Tee). Schnell, viel zu schnell kam unser letzter gemeinsamer Abend. Etwas wehmütig, aber glücklich über die vielen neuen Eindrücke, Begegnungen und Freundschaften ließen wir uns unser letztes römisches Eis schmecken und spazierten alle gemeinsam zum Trevibrunnen. Das Versprechen, in Kontakt zu bleiben und wieder einmal nach Rom zu kommen, besiegelten wir mit einer Münze, die wir in den Brunnen warfen, bevor wir uns am nächsten Tag wieder in alle Winde zerstreuten. Herzlichen Dank an die Organisatoren der Bundesolympiade 2006 für diesen tollen Preis. cursor Latein4EU „Need a hero, call 911 Perseus private line!“ Eva Scough Tarandi, Schweden Vom 1.bis10. August 2006 fand in Rom die Academia Latina Secunda der Euroclassica, des europaweiten Verbandes der klassischen Philologen statt. Insgesamt 23 TeilnehmerInnen aus den verschiedensten europäischen Ländern trafen am 1. August 2006 voller Erwartungen bei der „International Summerschool of Euroclassica“ in der „urbs“ ein. In Zusammenarbeit mit dem Schwedischen Institut in Rom konnte Eva Scough Tarandi, Mitglied des Exekutivkomitees der Euroclassica und Direktorin der Academia, Jugendliche aus Kroatien, Spanien, Österreich, der Schweiz, Russland, Schweden, Belgien und Portugal, zudem Kollegen aus Italien und Tschechien begrüßen. Pompeji vorbereitet: Die SchülerInnen lasen und interpretierten z. B. das Iter Brundisinum von Horaz sowie die einschlägigen Plinius-Briefe zum Ausbruch des Vesuv 79 v. Chr. und zur römischen Kunst und besuchten den Palazzo Massimo mit seinen wunderschönen Sammlungen von Mosaiken und Wandmalereien. Aus Österreich nahmen die nationalen Gewinner des bundesweiten Übersetzungswettbewerbes 2006 in Kremsmünster, über den der Cursor in seiner letzten Ausgabe berichtete, teil: Melanie Widmann, Filip Grubelnik und Johanna Altmann. Ausgangspunkt aller Unternehmungen war das Hotel Mimosa gleich hinter dem Pantheon. Vormittags widmeten sich die jungen Leute jeweils verschiedenen Vorträgen im Istituto Svedese, nachmittags ging’s auf Erkundungstour zu Roms Sehenswürdigkeiten und durch Samstags fand der Unterricht schließlich direkt im Park der Villa Borghese statt. Thema waren drei Metamorphosen des römischen Dichters Ovid: Der Raub der Proserpina, Apollo und Daphne und Perseus. Diese wurden zuerst im lateinischen Original gelesen und dann in Gruppen szenisch umgesetzt. Zum einen gelesen, da anschließend die weltberühmten und einmaligen Skulpturen von Bernini in der Galleria Borghese besucht und „erlebt“ werden sollten, zum anderen szenisch umgesetzt, da am Sonntag im großen antiken Theater von Pompeji eine Aufführung der kurzen Szenen geplant war. Museen. Am ersten Vormittag beschäftigte man sich mit Livius, der Geschichte der Römischen Republik und nicht zuletzt mit den wichtigsten italienischen Vokabeln für den Alltag. Nachmittags ging es in mehreren Englisch oder Französisch sprechenden Gruppen aufs Forum Romanum, das Kapitol und abschließend zum neu eröffneten und faszinierenden Ara-Pacis-Museum. Während der nächsten Tage wurde unter anderem der Sonntagsausflug nach Die gesamte Gruppe, Eva Scough Tarandi mit blauem Hut in der Mitte Am Sonntag ging es endlich nach Pompeji. Abfahrt 7.00 Uhr, Ankunft in Pompeji 10.30. Es sollte ein anstrengender, aber toller Tag mit vielen schönen Erfahrungen werden. Eine davon war sicherlich das „europäische Gemeinschaftserlebnis“, das sich besonders intensiv bei der gemeinsamen Erarbeitung der Kurzszenen einstellte. SchülerInnen aus Portugal, Russland, Spanien und Österreich führten z. B. Perseus auf: „Need a hero, call 911 Perseus private line!“ Müde und erschöpft saßen SchülerInnen und LehrerInnen schließlich im Restaurant, draußen tatsächlich strömender Regen! Die folgenden Tage verbrachte die Gruppe bei vielen weiteren Sehenswürdigkeiten, bei Texten von Martial & Co und bei römischer Geschichte. Vor allem aber haben sich die jungen Leute befreundet, internationale Kontakte geschlossen und so das Netzwerk Europa wieder ein gutes Stück verdichtet. Ganz dem Motto des österreichischen Wettbewerbs 2006 entsprechend: „De Europa iuvenibus formanda“. Alle waren fasziniert von dieser großartigen Idee und so kam das Ende viel zu schnell, eigentlich wollte niemand so recht nach Hause fahren. Ara Pacis Augustae, das neue Museum in der Via Ripetta, Lungotevere Nr. 05 - MÄRZ 2007 17 Historische Konzepte von Gehirn und Geist Überlegungen zum Seelenorgan im 17. Jahrhundert Peter Grunert Im 17. Jahrhundert setzte sich zunehmend die Vorstellung durch, dass nicht die Ventrikel, sondern die Hirnsubstanz der morphologische Träger der geistigen Funktionen sein müsste. Der englische Arzt Thomas Willis (1621–1675) hat neben anatomischen Studien an den Hirngefäßen auch versucht, die mentalen Funktionen im Gehirn zu lokalisieren. Er verwendete zwar noch die Terminologie aus der Ventrikellehre, die Zuordnung zu den Hirnregionen ordnete er allerdings nach Prinzipien der vergleichenden Anatomie. Er ging davon aus, dass jene Gehirnteile, welche morphologisch bei Tier und Mensch gleich waren, auch auf der Funktionsebene jene sein müssten, die der Mensch mit dem Tier gemeinsam hatte. Umgekehrt diejenigen Gehirnteile, wie z. B. der Cortex, die sich beim Menschen am meisten vom Tier unterscheiden, jene Regionen sein müssten, wo die spezifisch menschlichen Funktionen beheimatet waren. So hat er beispielsweise wegen der morphologischen Ähnlichkeit des Kleinhirns bei den Tieren und Menschen die „minderwertigen“ Funktionen wie Instinkt und vegetative Funktionen in diesem Bereich angesiedelt, den Sensus communis lokalisierte er in den Stammganglien, die Imaginatio in der weißen Substanz und die Erinnerung als höchste Leistung lokalisierte er an der Oberfläche des Großhirns. Die experimentellen Läsionsuntersuchungen durch François Pourfour du Petit (1664–1741) stellten das bestehende Lehrgebäude bezüglich Ventrikeltheorie noch weiter infrage. Ende des 17. Jahr- hunderts führte er an Hunden gezielte Verletzungen des Gehirns in unterschiedlicher Tiefe und Lokalisation durch. Dabei stellte er fest, dass sich halbseitige Lähmungserscheinungen einstellten sowie in den Stammganglien auch ganz umschriebene Läsionen denselben Effekt hervorriefen. Diesen Umstand versuchte man mit Behinderung des Abflusses des Succus nervosus in diesem Bereich, ausgelöst durch die Läsion, zu erklären. Ganz der Theorie des Sensus communis im vorderen Hirnabschnitt lief dann die Beobachtung zuwider, dass in hinteren corticalen Abschnitten offenbar Blindheit erzeugbar war. Gegen ein Pneuma psychikon opponierte auch Francis Glisson, der 1677 als alternative Erklärung eine allgemeine Reizbarkeit des Gewebes annahm. Im gleichen Jahr beschrieb auch Antonj van Leuwenhoek mit Hilfe des Mikroskopes das Gehirngewebe, welches als ein feines in sich verflochtenes Netz imponierte. Die Reizbarkeit des Gewebes als eine materialistische Erklärung von bestimmten geisti- Coronarer Schnitt durch den Cortex im Bereich des Gyrus postcentralis. Sensible Repräsentation der einzelnen Körperteile beginnend mit dem Bein und Geschlechtsteilen am weitesten medial. 18 gen Funktionen sollte ein Jahrhundert später in der Entdeckung der tierischen Elektrizität eine Krönung finden. Gegen zu voreilige materialistische Theorien wie den Succus nervosus oder die Reizbarkeit des Gewebes und erst recht gegen die Theorie eines „Seelenorganes“ wandte sich Nicolaus Steno (1638–1686), der stattdessen ein Minimalprogramm postulierte. Er empfahl ein intensives Studium der „Gehirnmaschine“, welches methodisch folgende Punkte umfassen müsste: - Verbesserung der Sektionsmethoden - Eigenes Fach Hirnforschung - Vergleichende Anatomie + Embryologie - Vereinheitlichte Terminologie - Korrekte bildliche Darstellung der Anatomie durch einen Zeichner Die frappierende Aktualität der Problematik und Ähnlichkeit der Lösungsansätze der Hirnforschung im 17. Jahrhundert wird noch dadurch vermehrt, dass im 17. Jahrhundert auch namhafte Physiker wie Newton eine physikalische Theorie des Äthers auf die Bewegung des Succus nervosus anwenden wollten, genauso wie heutzutage der theoretische Physiker Penrose die Quantensprünge an den intrazellulären Filamenten von Neuronen als Erklärung für das Bewusstsein sehen möchte. Lokalisation und Antilokalisation im 18. und 19. Jahrhundert Im 18. und 19. Jahrhundert vollzog sich insofern ein Paradigmenwechsel bezüglich der Leib-Seele-Problematik, als auf die Suche nach einer Seele als Substanz im Gehirn verzichtet wurde und man vielmehr dazu überging, die Eigenschaften der Seele zu untersuchen und zu lokalisieren. Es bildeten sich zwei konkurrierende Theorien: die lokalisationistische versuchte, bestimmten umschriebenen Hirnarealen spezifische Funktion zuzuschreiben, die antilokalisationistische Äquipotenztheorie wollte zeigen, dass die höheren geistigen Leistungen nicht separierbar gleichmäßig auf das ganze Gehirn aufgeteilt seien. Einer der ersten Vertreter des Lokalisationismus war Franz Joseph Gall (1758– 1828), der mit seiner Phrenologie bestimmten Cortexarealen komplexe psychische Funktionen wie Fortpflanzungsinstinkt, Liebe zur Nachkommenschaft, Mordtendenzen, Habgier, Diebstahl, Sinn für Musik oder Mathematik zugesprochen hatte. Umgekehrt meinte er, dass markante knöcherne Veränderungen über den jeweiligen Gehirnzentren als Zeichen für besondere Ausprägung der cursor Latein4EU betreffenden Eigenschaften zu werten seien. Seine Lehre fand ein lebhaftes Echo vor allem auch außerhalb des universitären Lehrgebäudes in der Gesellschaft. Der Durchbruch für die Lokalisationisten war die Publikation von Paul Broca 1886, einem Pariser Chirurgen, der an verstorbenen Patienten mit einer Sprachstörung eine umschriebene Läsion im linken frontoopercularen Cortex nachweisen konnte. Wichtige Stützung für die Richtigkeit des Lokalisationismus erbrachten elektrische Reizversuche, die 1848 von Du BoisReymond zuerst experimentell an peripheren Nerven vorgenommen wurden und Ende des 19. Jahrhunderts auch systematisch am Cortex. Diese Untersuchungen wurden von Gustav Fritsch (1838–1927) und Eduard Hitzig (1838– 1907) durchgeführt mit dem Ergebnis einer Topographie von motorischen Zentren, die als pyramidales und extrapyramidales System zusammengefasst wurden. In England war es Charles Sherrington (1857–1952), der die Motorik nach Läsionen an Affen im Hirnstammbereich studierte. Um die Wende zum 20. Jh. sind dann die ersten intraoperativen Stimulationen auch beim Menschen vorgenommen worden. Der Neurochirurg Harvey Cushing (1869–1939) stimulierte 1908 den Gyrus postcentralis, welcher die sensible Repräsentation einer Körperhälfte darstellte, und fand eine streng somatotopische Repräsentation, wobei das Bein am weitesten medial und das Gesicht am weitesten lateral in dem Gyrus postcentralis repräsentiert waren. Ottfried Förster berichtete über ähnliche Stimulationen 1923 am motorischen Cortex. Diese Stimulationen wurden später während der operativen Therapie der Epilepsie durch die Montrealer Schule von Penfield bestätigt und weiter verfeinert. Er erstellte eine topographische Mappe der Repräsentation in Form eines Homunculus. Diese Eingriffe wurden in Lokalanästhesie durchgeführt, um den epileptischen Herd im EEG genau und unverfälscht lokalisieren zu können. Dies ermöglichte, die Stimulation auch auf andere sensorische und sprachrelevante Gebiete auszudehnen. Zuletzt wurden auch die Emotionen in einem zusammenhängenden Gebiet entlang der mesialen Fläche der Hirnhälfte im sogenannten limbischen System durch Papez 1937 lokalisiert. Eine weitere Bestätigung für die Richtigkeit der Lokalisationstheorie wurde von den Hirnanatomen erbracht. Mit Hilfe von speziellen Silberimprägnierungs- techniken am histologischen Material konnten sie Nervenzellen mit den Dendriten und Axonen darstellen und darauf basierend, passend zu den physiologischen Reizeffekten, auch charakteristische Mikrostrukturen des Cortex abgrenzen. Als Pioniere sind hier der spanische Anatom Ramón y Cajal zu nennen sowie Brodmann, der den ersten Atlas der Zytoarchitektur des Cortex 1909 publizierte. Waldeyer sah 1896 die Neuriten als die kleinste selbstständige Funktionseinheit an und widersprach der Vorstellung, die Neurone bildeten ein einheitliches Synitium wie etwa Pilze. Diese Einsicht war die Voraussetzung für spätere Modellvorstellungen von neuronalen Netzen, die in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts als logische Neurone bei McCulloch und Pitts ihren Anfang nahmen. Der Antilokalisationismus war keine einheitliche Position, vielmehr gehörten dazu Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen und aus unterschiedlichen Fachbereichen wie Theologen, Philosophen, Biologen, Mediziner, deren gemeinsames Feindbild die Position eines materialistischen Reduktionismus gewesen ist. Sie fürchteten, der Lokalisationismus leiste einer rein materialistischen Interpretation des Menschen und seiner mentalen Kapazitäten Vorschub. Innerhalb der Hirnforschung im engeren Sinn können wir den Antilokalisationismus auf Albrecht von Haller (1708–1777) zurückführen, der aus Reiz- und Läsionsexperimenten das „Organ der Seele“ nicht umschrieben auf eine feste Hirnregion, sondern gleichmäßig verteilt auf die weiße Substanz in seiner Äquipotenztheorie angenommen hat. Maßgebend waren auch die methodisch sehr genau beschriebenen Experimente von Pierre Flourence (1794–1867), der bei verschiedenen Tieren Hirnablationen durchgeführt hatte und feststellte, dass alle Funktionen gleichzeitig mit zunehmender Hirnentfernung abgenommen haben. Er räumte bestimmten Hirnteilen gewisse Autonomie (action propre) ein, meinte aber dann im Gegensatz zu Gall, diese Regionen beteiligten sich gemeinsam am Zustandekommen der höheren geistigen Fähigkeiten (action commune). Obwohl Flourence anfänglich Anhänger von Gall gewesen war, wechselte er dann in das konservative Lager und versuchte mit seinen Ergebnissen die konservative cartesianische Position eines interaktiven Dualismus zu stärken. Die Bewegung des Antilokalisationismus können wir in der Folge als eine Gegenbewegung zu den Lokalisationisten ansehen, die ihre Argumente und Stoßrichtung in Abhängigkeit vom erzielten Wissensstand änderte. Amicus UNIV.-PROF. DR. OSWALD PANAGL, SALZBURG GEBOREN AM 8.11.1939 IN MAUER BEI WIEN. HUMANISTISCHES GYMNASIUM IN WIEN XIII, AB 1957 STUDIUM DER KLASSISCHEN PHILOLOGIE, INDOGERMANISTIK, ORIENTALISTIK UND GERMANISTIK AN DER UNIVERSITÄT WIEN, DANEBEN GESANGSSTUDIUM AN DER MUSIKHOCHSCHULE WIEN: LEHRAMTSPRÜFUNGEN AUS LATEIN UND GRIECHISCH 1965, KÜNSTLERISCHE REIFEPRÜFUNG (LIED UND ORATORIUM) 1966, DOKTORAT DER PHILOSOPHIE 1968. HABILITATION FÜR „HISTORISCH-VERGLEICHENDE UND ALLGEMEINE SPRACHWISSENSCHAFT“ 1976; DANACH FÜR MEHRERE SEMESTER GASTDOZENT AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN (FÜR GERMANISTISCHE LINGUISTIK); SEIT SEPTEMBER 1979 ORD. UNIVERSITÄTSPROFESSOR FÜR ALLGEMEINE UND VERGLEICHENDE SPRACHWISSENSCHAFT AN DER UNIVERSITÄT SALZBURG. TÄTIGKEIT ALS MUSIKDRAMATURG (AUCH FÜR DIE SALZBURGER FESTSPIELE) UND KULTURESSAYIST. Jüngste Buchtitel: „Die Fledermaus. Die wahre Geschichte einer Operette“ (gem. mit Fritz Schweiger), Wien 1999. – „Ring und Gral“ (gem. mit Ulrich Müller), Würzburg 2002. – „Stachel wider den Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Textsorten“ (gem. mit Robert Kriechbaumer), Wien 2004. – „Text und Kontext. Theoriemodelle und methodische Verfahren im transdisziplinären Vergleich“ (gem. mit Ruth Wodak), Würzburg 2004. – „Die neuen Linear B-Texte aus Theben. Ihr Aufschlusswert für die mykenische Sprache und Kultur (gem. mit Sigrid Deger-Jalkotzy), Wien 2006. Wichtigste Forschungsgebiete: Mykenologie, Etymologie, Bedeutungswandel, historische Wortbildung, historische Grammatik der indogermanischen Sprachen (bes. Griechisch, Lateinisch, germanische Sprachen, Sanskrit, baltische Sprachen), historische Syntax und Stilistik. Die Beschäftigung mit den modernen Sprachen ist heute wie letztlich immer schon unabdingbar. Dazu muss aber im Rahmen einer profunden Allgemeinbildung im europäischen Kontext die Beschäftigung mit den klassischen Sprachen Latein und Griechisch treten. Diese erst ermöglicht den Schülerinnen und Schülern einen souveränen Zugang zu den Sprachen Europas und zu einem vertieften Verständnis des Phänomens Sprache überhaupt. Nr. 05 - MÄRZ 2007 19 So argumentierte in Paris der Biologe Georges Couvier (1769–1832) gegen die Phrenologie von Gall mit dem Argument, dass die Verbindung zwischen Gehirn und Geist sowie zwischen Materie und dem subjektiven Ich prinzipiell nicht lösbar oder erklärbar sei. Die Phrenologie Galls favorisiere eine materialistische Haltung, die nicht gerechtfertigt sei. Den Skeptizismus bezüglich Lösung des LeibSeele-Problems teilte auch der Physiologe Emil Du Bois-Reymond, der in seinem Vortrag von 1872 die grundsätzliche Unüberbrückbarkeit der geistigen phänomenalen Ereignisse mit Abläufen der Hirntätigkeit in dem kurzen Satz „ignoramus, ignorabimus“ zusammenfasste. Am Ende des 19. Jahrhunderts nach der überzeugenden Lokalisation des Sprachzentrums in der linken Opercularregion hat sich die Argumentationsweise der Antilokalisationisten verschoben. Sie haben die Lokalisation bestimmter Funktionen im Gehirn anerkannt, wendeten sich allerdings dagegen, alle vitalen Aktivitäten auf einfache materialistische Vorgänge zu reduzieren. Die Vorstellung war, dass geistige Phänomene und überhaupt das Leben als Ganzes mehr sein müsse als bloß Zusammenstellung und Tätigkeit einzelner Organe. Dieser sogenannte Vitalismus wurde vor allem von dem Biologen Hans Driesch (1867–1941) mit seinen experimentellen Untersuchungen an jungen Seeigeln vorange- trieben. Er konnte zeigen, dass trotz Teilung der Seeigel in zwei gleiche Teile diese als zwei eigenständige Individuen regenerierten. Daraus schloss er, dass es in der Biologie noch etwas Zusätzliches zur Materie geben müsse, was die Lebewesen am Überleben halte. Er nannte dieses Etwas eine „Entelechie“, also ein Ziel in sich selbst, und stellte die Lebewesen den Maschinen entgegen, die, einmal geteilt, kaputt sind. In die gleiche Richtung wies auch die Philosophie von Henri Bergson (1859–1941), der sich nicht des aristotelischen Begriffs der Entelechie bediente, sondern diese Kraft als „elan vital“ bezeichnete. Einem gewissen Unbehagen gegenüber einer rein materialistischen Erklärung der geistigen Phänomene werden wir auch in der gegenwärtigen Philosophie bei Thomas Nagel noch begegnen, der trotz Anerkennung der physiologischen Ergebnisse der Hirnforschung mehr gefühlsmäßige emotionelle Vorbehalte äußert. Es gab zwischen den Lokalisationisten und Antilokalisationisten auch vermittelnde Positionen, wie die von Karl Friedrich Burdach (1776–1847), der 1811 die Begriffe einer action commune und einer action propre dazu benutzte, um sowohl dem Lokalisationismus wie dem Antilokalisationismus Rechnung zu tragen. Beide Positionen haben ihre Richtigkeit: Es gab eine isolierte spezifische Funktion in einer bestimmten Hirnregion (action propre), die aber gleichzeitig auch einen Beitrag für das Zustandekommen des Bewusstseins und der komplexen seelischen Leistungen als Ganzes (action commune) leistete. Er versuchte bezüglich Lokalisation der geistigen Leistungen klinische Beobachtungen, Sektionsergebnisse und experimentelle Ergebnisse zu korrelieren. Die Ergebnisse waren verwirrend, da einer Hirnregion oft mehrere sehr unterschiedliche Funktionen zufielen und auch umgekehrt eine Funktion in mehreren Hirnregionen repräsentiert war. Dies lag zum Teil an den falschen Begrifflichkeiten und Fähigkeiten, die er zu lokalisieren bestrebt war, wie Irritabilität oder andere psychische Alterationen. Einen anderen Weg bestritt der Begründer der Psychologie Wilhelm Wundt (1832–1920), der einen methodischen Parallelismus zwischen geistigen und physiologisch-physikalischen Erkenntnissen postulierte. Denken und Gedächtnis wären seiner Meinung nach zu komplex, als dass sie physiologisch erklärt werden könnten. Deshalb sollte man die intellektuellen Leistungen mit den Mitteln der Psychologie untersuchen, wobei die Psychologie sich nicht als eine Naturwissenschaft, sondern als eine Geisteswissenschaft verstehen sollte. (Fortsetzung folgt) DIES LATINI im ehemaligen Servitenkloster von Novocastrum Nové Hrady/Gratzen Einwöchiges Intensivseminar des Sprachzentrums Oberkappel für Anfänger und Fortgeschrittene (Vorbereitung auf die Latinumprüfung) in der Nähe von Budweis (CZ), von Montag, 19. Februar bis Freitag, 23. Februar 2007 Die „Klausur“-Atmosphäre des neu renovierten ehemaligen Servitenklosters garantiert ein gutes Arbeiten in ruhiger und angenehmer Umgebung. Nach 15-jähriger Erfahrung mit Studierenden aus Österreich und Deutschland werden mit einer speziellen lernerfreundlichen Methode (apagogische Methode) die Teilnehmer zum erfolgreichen Abschluss der Latinumprüfung geführt. Die Latinumprüfung kann Ende März 2007 in Linz abgelegt werden. Übernachtung im Einzelzimmer mit Vollpension pro Tag € 20,– Anfragen bzw. Anmeldung: AMICI LINGUAE LATINAE Medias Marketing & Werbung Tel.: 0732/78 39 39 Fax: 0732/78 38 58 E-Mail: [email protected] 20 cursor Latein4EU Musik Wie die „Mathematik“, so gehört die „Musik“, eigentlich die „Musenkunst“, zu den Hundertschaften sogenannter Fremdwörter oder eher Euro-Wörter, die auf ein griechisches Adjektiv auf -ikós zurückgehen, ursprünglich noch in Verbindung mit dem griechischen Substantiv téchne, „(erlernbares) Können; Handwerk, Wissenschaft, Kunst“. So ist aus der altgriechischen musiké téchne oder kurz musiké, der „musischen Kunst“, über das Lateinische im Italienischen die musica, im Französischen die musique, im Englischen music und im Deutschen die „Musik“ geworden. In neuerer Zeit ist dieser Ausgang auf „-ik“ auch auf lateinischstämmige Fremdwörter wie die „Informatik“ übergesprungen. Das weibliche Geschlecht all dieser Fremdwörter auf „-ik“ geht auf die weibliche griechische téchne zurück; die Betonung auf der letzten Silbe hat die „Musik“ aus dem Französischen ins Deutsche mitgebracht. Die musiké téchne, die „musische Kunst“, war im klassischen griechischen Bildungskanon das Gegenstück zu der gymnastiké téchne, der im Griechischen unerschrocken so benannten „Nacktkunst“. Neben dem engeren Bereich unserer „Musik“ schloss die geistige Bildung der „Musenkunst“ in der Antike noch die epische, lyrische und dramatische Dichtung und den Tanz der lyrischen, tragischen und komischen Chöre mit ein. Dieser ursprüngliche, weitere Bereich der alten „Musenkunst“ ist heute einzig noch in dem Begriff des „Musischen“ bewahrt. Die Musik erstreckt sich ja wahrhaftig auch heute über ein schier unüberschaubar weites Feld; aber nehmen wir die „musische“ Begabung, die „musische“ Bildung, den „musischen“ Menschen zum Maßstab, so wird deutlich, welche Einengung jene altgriechische musiké im neuzeitlichen Begriff der „Musik“ erfahren hat. Das griechische Substantiv museíon, das unserem „Museum“ zugrunde liegt, bezeichnet eigentlich ein Musenheiligtum; man verehrte die Musen in der Regel in der freien Natur, an einem schlichten Altar bei einer Quelle oder bei einem Baum. Platons „Akademie“, die älteste der vier Athener Philosophenschulen, hatte die Rechtsform einer Kult- Klaus Bartels gemeinschaft zu Ehren der Musen, und nach ihrem Beispiel genossen die Musen in vielen Philosophen- und Rhetorenschulen der Antike kultische Verehrung. Die berühmte, im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. gegründete Bibliothek von Alexandria hieß geradezu Museíon, „Musenheiligtum“, und das mit bestem Recht: Sie war es ja, die mit ihren unvergleichlichen Bücherschätzen und ihrer philologischen Wissenschaft das musische Vermächtnis der klassischen Zeit für Mitwelt und Nachwelt bewahrte. Von diesem alexandrinischen Museíon, im Lateinischen Museum, haben die neuzeitlichen Museen ihren Namen. Und ein menschlicher, allzu menschlicher blindwütiger Sammeleifer, der allerlei Urväterhausrat in Depots und Vitrinen stopft, hat es schließlich dahin gebracht, dass die göttlichen Musen jenseits von allem „Musischen“ zu übler Letzt auch dem nach Staub und Spinnweben schmeckenden „Musealen“ ihren Namen leihen mussten. Für die Bildenden Künste waren die Musen in der Antike eigentlich nicht zuständig. Aber es lag verführerisch nahe, die in der römischen Kaiserzeit vereinzelt bezeugte Bezeichnung museum oder musivum (opus) für ein Fußbodenmosaik auf die Musen zu beziehen und solch eine „Mosaik“-Arbeit als ein „Musen“Werk zu verstehen. Der Ursprung dieses lateinischen museum oder musivum liegt im Dunkeln; nur sein weiterer Weg zu einem italienischen mosaico, einem französischen mosaïque und schließlich einem deutschen „Mosaik“ ist klar ausgeschildert. Wahrscheinlich stammt das Wort weder aus dem Griechischen noch aus dem Lateinischen; die Buchstaben-Steinchen dieses wirklich fremden „Mosaiks“ bleiben ein unlösbares Puzzle. Buchtipp Roms sprechende Steine. Inschriften aus zwei Jahrtausenden, Mainz 2000, Verlag Philipp von Zabern, ISBN 978-3-8053-2690-2 Ein tolles Buch macht Furore: Wie Klaus Bartels die römischen Steine sprechen lässt, beeindruckt. Vor dem „Bartels“ sprachen die Steine und kaum einer hörte hin: Der steinerne Stadtführer an Obelisken und Brunnen, Tempeln und Basiliken, Triumphbögen und Brücken, Palästen und Bürgerhäusern, Statuen und Grabmälern sprach und spricht lateinisch – ohne Punkt und Komma, und manchmal so gebrochen und verschliffen, so abgekürzt und verschlüsselt, dass auch gestandene Lateiner ihre liebe Mühe haben. Mit dem „Bartels“ hat die hermeneutische Not nun ihr Ende und sind alle neugierigen und hellhörigen Freunde der Ewigen Stadt eingeladen, in diesen Inschriften aus zwei Jahrtausenden einmal Senat und Volk, Kaiser und Päpste, Künstler und Literaten, sozusagen „Rom selbst“, sprechen zu hören. In zweihundert Inschriften aus dem inneren Stadtbereich zwischen Porta del Popolo im Norden und Porta S. Paolo im Süden, Peterskirche im Westen und Lateranbasilika im Osten erschließt Bartels das Augenfällige, historisch, religionsgeschichtlich, baugeschichtlich, kunstgeschichtlich Interessante, Beziehungsreiche, auch einiges Versteckteres, das zu entdecken lohnt. Die Inschriften sind auf 14 „Gänge“ verteilt, die vom Kapitol und dem Forumsbezirk samt Kolosseum im Uhrzeigersinn über das Marsfeld, den Pincio, den Quirinal, den Esquilin, den Lateran und den Aventin schließlich nach Trastevere und zum Vatikan führen. Die Ausgabe ist durchwegs zweisprachig, die zeilengetreue Übersetzung und der historische Kommentar erschließen das Verständnis. Bleibt abschließend die tolle bibliophile Ausstattung durch den Verlag Philipp von Zabern zu erwähnen. Der „Bartels“ ist bereits ein Standardwerk und gehört als solches in jede Bibliothek! Nr. 05 - MÄRZ 2007 21 Quodlibet - lebendige Antike für interessierte LeserInnen Mareike Einfalt & Team Nuntius Latinus Übersetzung von Seite 10 Affen an die Macht Indische Staatsdiener sehen die Arbeit ihrer Regierung durch aggressive Affen beeinträchtigt. Die Tiere hüpfen ungeniert zwischen den Ministerien für Verteidigung, Finanzen und Auswärtige Angelegenheiten hin und her und haben bereits wertvolle Dokumente entwendet, so die Nachrichtenagentur Reuters. Selbst im Büro des Ministerpräsidenten seien die Affen schon gesichtet worden. „Die dringen sogar in Hochsicherheitszonen ein“, stellte ein Offizier des Verteidigungsministeriums fest. Dort hätten sie aber nur Bürokraten erschreckt und Essen gestohlen. Nach Schätzungen der Beamten tummeln sich derzeit etwa 10.000 Affen im Regierungsviertel in der Nähe des Präsidentenpalastes – deutlich mehr als sonst üblich. Die Zeitschrift Quodlibet repräsentiert das Papier gewordene Projekt einer kleinen Gruppe von StudentInnen der Universität Graz. Ins Leben gerufen wurde diese Zeitschrift, deren Erstausgabe an alle steiermärkischen Schulen versandt worden ist, im Jänner 2006 mit der Intention, den wunderbaren Fächern Latein und Griechisch wieder mehr öffentliche Präsenz zu verleihen. Der Name „Quodlibet“ steht einerseits schlicht für „das, was beliebt“, soll andererseits aber auch in durchaus musikalischem Sinne eine Zeitschrift bezeichnen, deren Inhalt nicht zuletzt als humorvolle Komposition verschiedenster Themengebiete verstanden werden kann. Die Texte dieser Zeitschrift sind thematisch und sprachlich auf junge LeserInnen und interessierte Laien abgestimmt und wollen ganz im Sinne eines „Appetitanregers“ zur selbstständigen Beschäftigung mit Latein und Griechisch inspirieren. Das „Quodlibet“, dessen Erstausgabe ausschließlich mit Hilfe fachexterner Sponsoren produziert worden ist, wird in Hinkunft durch die groß- zügige Unterstützung der Sodalitas und natürlich durch das Interesse vieler AbonnentInnen zweimal jährlich (im Winter und im Sommer) erscheinen. Die folgende Ausgabe bietet u. a. folgende Beiträge: „Hannibal – Wie Hannibal eine Nacht ohne Gepäck und Reiterei verbrachte“, „Diogenes von Sinope und die Kultur des Punk“, „Wie kam der Apfelbaum ins Paradies – Übersetzungsfehler und Missverständnisse in der Bibel“, „Pferdesport in der Antike“, „Lateinisch Einkaufen – Markenbezeichnungen und ihre lateinischen Wurzeln“, „Einführung ins griechische Alphabet“. Sollten Sie nun an unserer Zeitschrift interessiert sein, so haben Sie die Möglichkeit, diese zu einem Preis von € 6,– zuzüglich einer Versandpauschale von € 1,– zu abonnieren. Für etwaige Abonnementanfragen wenden Sie sich bitte per E-Mail an uns ([email protected]). Und bleibt nur noch, Ihnen viel Spaß bei der Beschäftigung mit Latein und Griechisch zu wünschen. – Auf ein baldiges Wiederlesen! Genießen, spielen und gewinnen – Herausforderungen für den Gaumen Die Idee, eine Weinverkostung als Gesellschaftsspiel auf den Markt zu bringen, ist ein voller Erfolg – mehr als 4500 „Wer ist Sommelier?“ -Spiele wurden in den ersten beiden Jahren verkauft. Begonnen wurde mit österreichischen Weißweinen, der „roten Nachfrage“ wurde im Jahr darauf nachgekommen. Jetzt gibt es auch eine Südtiroler Edition sowie eine Edelbrandverkostung. Die Spiele enthalten fünf qualitativ hochwertige Weine oder Edelbrände. Die Flaschen sind Sonderfüllungen und mit Nummernetiketten gekennzeichnet. So hat bei Spielbeginn jeder den gleichen Wissensstand, auch der Gastgeber. Die Mitspieler bewerten die Kriterien Aussehen, Geruch, Geschmack und Sorte. Der Multiple-Choice-Bogen ermöglicht auch Laien eine interessante Verkostung. Wer für richtige Antworten die meisten Punkte sammelt, ist „Sommelier der Runde“. Die Idee dahinter: vorhandenes Interesse weiterentwickeln, erworbene Kenntnisse und die Geschmacksnerven testen, Spaß am Genießen und Spielen haben und natürlich gewinnen. ® ® Weitere Infos und Bestellung: www.weristsommelier.at 22 Gemeinsam mit Diplomsommelier und Weinakademiker Heinz Lehner werden die edlen Tropfen für die Spiele ausgesucht und bewertet. „Das Spiel ist unterhaltsam, lehrreich und spannend. Damit ist ,Wer ist Sommelier?‘ das ideale Geschenk und eine gediegene Möglichkeit, einen Abend mit Freunden und Bekannten zu gestalten“, zeigen sich die Spielerfinder Ursula Stumpe und Christoph Kremer überzeugt. cursor Latein4EU MUSIKRÄTSEL Bilde aus folgenden Silben gesuchte Namen: A, A, A, AD, AE, AS, CIN, DAU, DI, FRO, HE, HY, KAN, KLES, LES, LUS, ME, ME, MOR, NE, NE, OR, PHEUS, PHO, PRO, RA, RI, SEN, TA, TA, TAN, TE, THEUS, THUS (Ein Buchstabe pro Kästchen) 1. Ludwig van Beethoven komponierte die Ballettmusik „Die Geschöpfe des ____“ 2. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb mit elf Jahren die Oper „Apollo und ____“ 3. Gluck verewigte einen mythischen Sänger in seiner Oper „____ und Eurydike“ 4. Karl Ditters v. Dittersdorf schrieb sechs Symphonien nach Ovids berühmtestem Werk „____“ 5. Die einzige Oper von Henry Purcell heißt „Dido und ____“ 6. Franz von Suppé betitelte eine seiner Ouvertüren „____-Qualen“ 7. Von Carl Orff stammt das Concerto scenico „Trionfo di ____“ 8. Nach dem Libretto von Hofmannsthal komponierte Richard Strauss die Oper „____ auf Naxos“ 9. Georg F. Händel schuf 1744 ein Oratorium, benannt nach dem größten griechischen Helden „____“ 10. Alexander von Zemlinskys Oper „König ____ “ wurde erst 1994 von Antony Beaumont fertiggestellt und 1996 uraufgeführt. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Linktipps http://oe1.orf.at/highlights/51702.html Die Künstlerrede Nikolaus Harnoncourts zur offiziellen Eröffnung des Mozartjahres am 26.1.2006: philosophisch, gesellschaftskritisch, demütig, visionär, einfach lesenswert. Man kann die Rede übrigens auch im O-Ton nachhören. Zudem finden sich zahlreiche weitere Links zum Thema Mozart(jahr). http://www.karadar.com/Librettos/ mozart_apollo.html Das gesamte Libretto von Mozarts einziger Oper mit lateinischem Text „Apollo et Hyacinthus“ http://home.eduhi.at/member/radius106.6 Die Homepage des Freistädter Schulradios „radius 106,6“ bietet ein erfrischendes, engagiertes Radioprogramm von LehrerInnen und SchülerInnen des BG/BRG Freistadt/ OÖ. Immer wieder finden sich auch Sendungen zu antiken und humanistischen Themen. www.lateinforum.at Auf der österreichischen Latein-Website finden Sie mit dem Suchbegriff „Musik“ eine Vielzahl höchst interessanter Dokumente und Links zum Themenbereich „Latein und Musik“. Buchtipp Liessmann, Konrad Paul, Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2006, ISBN-978-3-552-05382-3 Als wir das Buch zur Vorstellung auswählten, konnten wir nicht wissen, dass es einige Wochen später einer der Bestseller des Herbstes 2006 sein würde. Liessmann schreibt gehörig gegen den Zeit-UN-Geist und räumt auf mit dem geistlo- sen Hantieren mit Schlagwörtern, wenn es um das Thema Bildung geht. Ein unfassbar aktuelles und mutiges Buch, in dem auch vor den heiligen Kühen der Wirtschaftsbosse und ihrer politisch Verbündeten nicht Halt gemacht wird: auch nicht vor PISA, dem „Wahn der Rangliste“. Im Vorwort schreibt Liessmann: „Die Idee von Bildung, wie sie als Programm der Selbstformung des Menschen vom Neuhumanismus formuliert und vom Bildungsbürgertum so recht und schlecht gelebt wurde, hat aufgehört, Ziel und Maßstab für die zentralen Momente der Wissensproduktion, der Wissensvermittlung und der Wissensaneignung zu sein. Diese Mechanismen funktionieren nicht nur jenseits einer Idee von Bildung, sondern sie setzen deren Abwesenheit geradezu voraus. Dass niemand mehr zu sagen weiß, worin Bildung oder Allgemeinbildung heute bestünden, stellt keinen subjektiven Mangel dar, sondern ist Resultat eines Denkens, das Bildung auf Ausbildung reduzieren und Wissen zu einer bilanzierbaren Kennzahl des Humankapitals degradieren ließ.“ Unbedingt lesen! Auflösung: 1. Prometheus; 2. Hyacinthus; 3. Orpheus; 4. Metamorphosen; 5. Aeneas; 6. Tantalus; 7. Afrodite; 8. Ariadne; 9. Herakles; 10. Kandaules Nr. 05 - MÄRZ 2007 23 Die ODE AN DIE FREUDE vereint die europäischen Nationen in lateinischer Sprache. Hymnus Europae Est Europa nunc unita et unita maneat; una in diversitate pacem mundi augeat. Europa ist nun vereint und vereint möge es bleiben; seine Einheit in der Vielfalt möge zum Weltfrieden beitragen. Semper regant in Europa fides et iustitia et libertas populorum in maiore patria. Immer mögen in Europa herrschen Glaube und Gerechtigkeit und die Freiheit seiner Völker in einem größeren Vaterland. Cives, floareat Europa, opus magnum v ocat vos. Stellae signa sunt in caelo aureae, quae iungant nos. Bürger, Europa möge blühen, eine große Aufgabe ruft euch. Goldene Sterne am Himmel sind die Symbole, die uns verbinden mögen. Medias Marketing & Werbung, Herrenstraße 18, 4020 Linz