Heimerziehung

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Heimerziehung
Ausgabe 7
Heimerziehung
Aufsicht und Beratung
Impressum
Herausgeber:
Kommunalverband für Jugend und Soziales
Baden-Württemberg
Öffentlichkeitsarbeit
Lindenspürstraße 39
70176 Stuttgart
www.kvjs.de
Verantwortlich:
Stefan Wiegandt
Mit Beiträgen von:
Gabriele Addow (add)
Monika Kleusch (mok)
Sylvia Rizvi (syr)
Titelfoto:
Fotolia
Druck:
Pfitzer, Renningen
Kontakt:
Telefon 0711 6375-232 oder -389
[email protected]
Foto: heppner fotografie
Juli 2010
spezial Heimerziehung
Inhaltsverzeichnis
4Vorwort
Hintergrund
5
„Wir brauchen regionale Jugendhilfekonzepte“
Praxis
8
Aufsicht sichert Qualität
10 Betriebsformen von Einrichtungen
11 Lokaltermin in Philadelphia
14 Am Anfang steht das Hilfeplanverfahren
15 Krisenintervention: Gewusst wie
16 KVJS-Berichterstattung: Das Daten-Fundament für die
Jugendhilfeplanung
18 Zielgruppengerechte Erziehung: Für jeden das passende Angebot
20 Ressourcen im Sozialraum suchen und vernetzen
21 „Es darf keine Geheimnisse geben“
22 „Geschlossene” Unterbringung - die letzte Chance?
24 „Kompetent beraten, bestens informiert“
25 „Der KVJS setzt auf Beteiligung“
Aus- und Fortbildung
26 Berufsbegleitende Ausbildung Jugend- und Heimerzieher/in
27 Pluspunkt Fortbildung
Information
29 Zum Weiterlesen
KVJS spezial y 3
spezial Heimerziehung
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Heimerziehung hat heute die Aufgabe, positive Lebensorte für Kinder und Jugendliche
zu bilden, wenn diese vorübergehend oder
auf Dauer nicht in ihrer Familie leben können.
In diesem Heft erfahren Sie, wie der KVJS als
kompetenter Partner für öffentliche und freie
Jugendhilfeträger diese bei ihren Aufgaben
in den stationären Hilfen zur Erziehung unterstützt – von der Aufsicht und individuellen Beratung vor Ort über die Bedarfsplanung bis hin
zu einem breiten Angebot an Fortbildungen für
Fachkräfte. Einen ausgezeichneten Ruf genießt
wegen der bewährten Verzahnung von Theorie
und Praxis die berufsbegleitende Ausbildung
zum/zur Jugend- und Heimerzieher/in in der
KVJS-Fachschule für Sozialwesen in Flehingen.
Alle Einrichtungen, die junge Menschen
unter 18 Jahren aufnehmen wollen, brauchen
zuvor eine Betriebserlaubnis des KVJS-Landes­
jugendamtes. Sie garantiert den Jugend­ämtern­
und Familien, dass die Heime in Baden-Würt­
temberg auf einem vergleichbaren strukturellen Qualitätsniveau arbeiten. Bei rund 470
Einrichtungen achten die Mitarbeiter des
KVJS-Landesjugendamtes darauf, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Denn ob Konzeption, Personal oder Räumlichkeiten: Ohne die
richtigen Rahmenbedingungen keine Qualität.
Als bloßer Gesetzeshüter möchte sich der
KVJS allerdings nicht verstanden wissen.
Genauso wichtig ist der Beratungsaspekt. Das
Know-how unserer Regionalberaterinnen und
-berater ist gefragt, sei es bei der Entwicklung
bedarfsgerechter Angebote, konzeptionellen
Fragen oder wenn es zum Beispiel darum geht,
die passende Einrichtung bei einer bestimmten
Problemlage zu finden.
Ein solides Datenfundament für die örtliche
Jugendhilfeplanung liefert das KVJS-Landesjugendamt mit seinen landesweiten Berichten
zur Entwicklung und Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen. Die jüngsten Fallzahlen weisen
auf eine Trendwende hin: Die Heimunterbringung nimmt wieder zu, nachdem sie viele Jahre
lang rückläufig gewesen ist. Hier zeigt sich,
liebe Leserin und lieber Leser, dass es trotz des
forcierten Ausbaus ambulanter Angebote in
unserem Land immer Kinder und Jugendliche
gibt und geben wird, für die die stationäre Hilfe
die passgenaue und deshalb auch die richtige
Hilfe ist.
Nicht zuletzt ist es von großer Bedeutung für
alle Beteiligten, sich kontinuierlich weiterzubilden. Für die vielfältigen Herausforderungen im
Alltag bietet der KVJS ein umfassendes Fortbildungsangebot in Form von Seminaren, Diskussionen und Fachtagungen. Dabei legt die
KVJS-eigene Ausbildung den Grundstein dafür,
dass den Einrichtungen auch künftig qualifizierte Heimerzieher und Heimerzieherinnen zur
Verfügung stehen.
Ihre
Karl Röckinger
Verbandsvorsitzender
4 y KVJS spezial
Senator e.h. Roland Klinger
Verbandsdirektor
Hintergrund Heimerziehung
„Wir brauchen regionale
Jugendhilfekonzepte“
Die Jugendhilfe hält in Belastungs- und Krisensituationen vielfältige
Unterstützungsformen bereit. Eine davon ist die Heimerziehung. Die
Betriebserlaubnis des KVJS-Landesjugendamtes garantiert den Jugendämtern und Familien, dass die Heime in Baden-Württemberg auf einem
vergleichbaren Mindestniveau arbeiten. Gabriele Addow sprach mit
Dr. Jürgen Strohmaier, Leiter des Referats Hilfen zur Erziehung, Heime,
Aufsicht und Beratung beim KVJS-Landesjugendamt.
Dr. Jürgen Strohmaier:
„Jede Einrichtung muss sich
an ihrer Konzeption messen
lassen.“
Foto: KLeusch
Dem Landesjugendamt des KVJS ist der
Schutz in über 470 Einrichtungen über­
tragen. Ein strenger Gesetzeshüter, der für
Recht und Ordnung sorgt?
Würde man uns als krude Gesetzeshüter
wahrnehmen, bedeutete das eine Verkürzung
unserer Aufgaben und Aktivitäten. Natürlich
haben wir bei unserer Arbeit eine fundierte
Rechtsgrundlage für unsere Aufsichts- und
Beratungspraxis – in erster Linie das Kinderund Jugendhilfegesetz. Unsere Aufgabe ist es,
dafür zu sorgen, dass Erziehungskonzepte und
Einrichtungsstrukturen so gestaltet werden,
dass Kinder und Jugendliche dort geschützt
leben und lernen können. Neben aufsichtsrechtlichen Fragen spielen aber auch konzeptionelle Aspekte eine wesentliche Rolle. Jede
Einrichtung muss sich an ihrer Konzeption
messen lassen, sie ist gleichzeitig maßgebende
Vorraussetzung für die Betriebserlaubnis. Unsere Fachkräfte brauchen deshalb rechtliches und
pädagogisches Know-how, aber auch Fingerspitzengefühl im Spannungsfeld von Aufsicht
und Beratung. Mit Strenge und Ordnungssinn
allein könnte die Arbeit nicht ausgefüllt werden,
Heimaufsicht erfordert vielmehr den differenzierten Blick auf die Vorgänge vor Ort.
»
KVJS spezial y 5
Hintergrund Heimerziehung
Foto:Kleusch
lung, mit einem Leistungsspektrum, das sich
auf komplexe Lebenslagen von Kindern und
Jugendlichen aus belasteten Familien einstellen
muss. Stationäre Einrichtungen müssen Kindern
kurzfristig Schutz und Sicherheit bieten; sie
müssen mittelfristig ein Ort sein, an dem Kinder
zur Ruhe kommen, solange sie nicht zurück in
ihre Herkunftsfamilien können. Und bei längerfristigen Aufenthalten müssen Heime familien­
ersetzend arbeiten und auf Kontinuität bauen
– im sozialen, sozialräumlichen, schulischen und
beruflichen Interesse der ihnen anvertrauten
Kinder und Jugendlichen.
Nach wie vor haftet der Heimerziehung im
Spektrum der Jugendhilfemaßnahmen ein
negatives Image an. Was soll und kann Heimerziehung heute leisten?
Ein Image, das die Heimerziehung diskreditiert,
müssen wir historisch erklären und verstehen.
Wo Repressionen und Ausbeutung für Schutzbefohlene in einzelnen Einrichtungen an der Tagesordnung waren, bildet sich verständlicherweise
ein negativer Erfahrungshintergrund heraus. In
den vergangenen 20 - 30 Jahren hat die Heimerziehung in Baden-Württemberg einen Prozess
von der Fürsorgeerziehung zur Partizipations­
pädagogik durchlaufen. Dazu hat wesentlich das
neue Kinder- und Jugendhilfegesetz beigetragen. Wir müssen deshalb einen roten Faden aus
der Geschichte der Heimerziehung heraus entwickeln, um Heimen, die gut gearbeitet haben,
auch Wertschätzung für das Geleistete und für
die heutigen Leistungen entgegen zu bringen.
Die Ausgestaltung der Heimerziehung ist
Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwick6 y KVJS spezial
Die stationären Hilfen legen wieder zu.
Gleichzeitig gibt es dort immer mehr Kinder
und Jugendliche mit hochkomplexen Problemen. Heime und Personal sind daher immens
gefordert. Was ist Ihrer Ansicht nach zu tun?
Wir brauchen regionale Jugendhilfekonzepte,
die mit den zuständigen Jugendämtern und
weiteren Akteuren erarbeitet werden. Das
Landesjugendamt des KVJS ist ein gefragter
Partner, wenn es etwa um konzeptionelle Fragen
und Entwicklungen vor Ort geht. Aber auch in
Form von überörtlichen Tagungen und unserer
Berichterstattung bieten wir ein Forum für aktuelle Diskurse. Die pädagogischen Fachkräfte aus
den Einrichtungen und den Sozialen Diensten
müssen die Eltern gezielt in die Erziehungsprozesse einbinden. Die Verantwortung für Kinder
und Jugendliche darf nicht nur den sozialen
Unterstützungssystemen übertragen werden,
Eltern sollten möglichst Teil der Hilfe sein. Das
erfordert mancherorts auch ein Umdenken der
Fachkräfte und hat viel mit der angesprochenen
partizipativen Erziehungsarbeit zu tun. Idealerweise arbeiten interdisziplinäre Teams in den
Einrichtungen und auch in den Jugendämtern,
damit Perspektivenwechsel etwa im Hilfeverlauf
besser gelingen.
In der Jugendhilfe müssen knappe Ressourcen wirkungsvoll und zielgerichtet eingesetzt
Hintergrund Heimerziehung
Wie sehen Sie die Weiterentwicklung in der
Heimerziehung?
Die Weiterentwicklung der Heimerziehung ist
meines Erachtens abhängig von regionalen
Prozessen. Eine wichtige Funktion wird nach wie
vor die Kommunikation innerhalb der öffent­
lichen und freien Jugendhilfe haben, aber auch
zwischen Jugendhilfe und Schulen oder Kindertagesstätten. Schließlich kommt der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und sozialpsychiatrischen Einrichtungen beziehungsweise Kliniken
immer mehr Bedeutung zu, weil etwa psychische
Erkrankungen bei Kindern leider zugenommen
haben. Außerdem dürfen wir gespannt sein,
welche Inklusionsperspektiven sich für Kinder
und Jugendliche mit Behinderungen im Hinblick
auf die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ergeben.
Der stationäre Bereich mit seinen diversen
Ausformungen ist ja als kostenintensive Hilfe­
form besonders im Focus der Kommunen.
Gerade in dieser Hinsicht besteht die Chance,
sich qualitativ zu verbessern und zu unterstreichen, dass bestimmte bedarfsgerechte, stationäre Hilfen für die Entwicklung junger Menschen
notwendig und förderlich sein können.
Das bedeutet insgesamt, dass sich Heimerziehung nicht unabhängig von anderen sozialen
Systemen entwickeln kann und darf. Heimerziehung wird nach wie vor ein wichtiger Bestandteil
im System der Jugendhilfe sein. Sie bewegt sich
dabei im Spannungsfeld zwischen individualisierendem Reparaturbetrieb und nachhaltiger gesellschaftlicher Verantwortungsgemeinschaft für
junge Menschen, die zu eigenverantwortlichen
Personen heranwachsen sollen. add
„Die Ausgestaltung der
Heimerziehung ist Ausdruck
einer gesellschaftlichen
Entwicklung“, sagt KVJSJugendhilfe-Experte
Dr. Jürgen Strohmaier
Foto: Kleusch
werden. Die Wirkungsorientierung ist daher
ein wichtiges Thema. Wie lässt sich der Erfolg
stationärer Erziehungshilfen messen?
In der Heimerziehung hat sich herausgestellt,
dass eine kooperative und partizipative Hilfe­
planung zwischen Jugendamt, Heim und
Bewohnern plus deren Eltern die Qualität der
Hilfe fördert. Grundvoraussetzung dabei ist,
dass Heime und Jugendämter gut zusammen
arbeiten. Ein gegenseitiges Verständnis für die
jeweilige Arbeit, der regelmäßige Austausch ­
und die gemeinsame Reflexion zu Hilfeverläufen
sind von Vorteil. Das hat auch das Bundesmodell­
projekt „Wirkungsorientierte Jugendhilfe“ in
seinen Ergebnissen herausgestellt.
Wie sich der Erfolg stationärer Erziehungshilfen generell messen lässt – dazu möchte ich keine pauschale Antwort geben. Tatsache ist, dass
es eine Vielzahl quantitativer und qualitativer
Methoden gibt, derer sich auch Heime bedienen.
So gibt es zum Beispiel Landkreise und Städte,
die nicht nur mit Eltern und Jugendlichen nach
der Beendigung der Hilfe eine Auswertung vornehmen, sondern auch die beteiligten Fachkräfte
nach ihrer Einschätzung fragen. Daraus können
dann Schlüsse für den Erfolg und die zukünftige Gestaltung der Erziehungshilfen gezogen
werden.
KVJS spezial y 7
Praxis Heimerziehung
Aufsicht sichert Qualität
Konzeption, Personalstärke und -qualifikation, Räumlichkeiten:
Ohne die richtigen Rahmenbedingungen keine Qualität. Das KVJSLandes­jugendamt achtet in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde
darauf, dass die Rahmenbedingungen in Heimen für Kinder und
Jugendliche stimmen.
Foto: Kleusch
Die Träger und Leitungskräfte von Einrichtungen sollen in allen Fragen des Betriebs der
Einrichtung beraten werden. „Wenn Mängel in
der Betreuung der Kinder und Jugendlichen
festgestellt oder auch nur befürchtet werden,
steht allerdings die Aufsicht im Vordergrund“
erklärt Annette Steimer. „Der Schutz der jungen Menschen hat immer Vorrang.“ Steimer ist
als eine von 13 landesweit tätigen Regional­
beraterinnen und -beratern für die Einrichtungen in den Städten Heilbronn und Stuttgart
zuständig.
Der Schuh muss passen eine vielfältige Angebotsstruktur ist in der Jugend­
hilfe wichtig
8 y KVJS spezial
Standards prüfen
Als „Aufpasser“ verstehen sie sich eher nicht,
die Fachleute vom Referat „Hilfe zur Erziehung, Heime, Aufsicht und Beratung“ beim
Landesjugendamt des KVJS. Aber sie haben
einen starken Auftrag: „Schutz von Kindern
und Jugendlichen in Einrichtungen“ – so
formuliert es der Gesetzgeber im Achten
Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe
(SGB VIII). Früher sprach man auch schlicht ­von
„Heimaufsicht“, heute wäre vielleicht eher der
Begriff „Qualitätskontrolle“ angebracht. Mit der
Ablösung des alten Jugendwohlfahrtsgesetzes
(JWG) durch das aktuelle Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) hat sich auch Auftrag und
Selbstverständnis der „Heimaufsicht“ geändert.
Alle Einrichtungen, die junge Menschen
unter 18 Jahre aufnehmen wollen brauchen
zuvor eine Betriebserlaubnis des KVJSLandesjugend­amtes. Rund 470 Einrichtungen
– vom großen Heim bis zur kleinen Wohngruppe – fallen in die Zuständigkeit des KVJS-Landesjugendamtes. Heime der Erziehungshilfe
machen hier den Großteil der Einrichtungen
aus. Hinzu kommen die Wohnbereiche von
Internaten, Behindertenheime, Jugend- und
Schülerwohnheime.
„Wir achten darauf, dass das Konzept zur Zielgruppe passt, die Räume geeignet sind und
genügend qualifizierte Fachkräfte dabei sind“,
erklärt Annette Steimer. Das KVJS-Landesjugendamt besteht auf fachlichen und perso-
Praxis Heimerziehung
Beratungsaspekt wichtig
Bei der Vielzahl der Einrichtungen in BadenWürttemberg ist es nicht möglich, alle Heime
regelmäßig aufzusuchen. Dies ist vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen. So statten die
Regionalberaterinnen und -berater ihren Besuch anlassbezogen ab: 239 Besuche waren es
2009. Hinzu kommen telefonische oder schriftliche Kontakte sowie Gespräche im Landesjugendamt. „Die meisten Träger oder die Einrichtungsleitungen melden uns Vorkommnisse
wie sexuelle Übergriffe oder Gewaltprobleme
prompt und bitten um unsere Unterstützung
bei der Klärung und künftigen Vermeidung
solcher Vorkommnisse“, so Annette Steimer.
„Wir prüfen dann als erstes ob eine unmittelbare Gefährdung für einzelne oder alle Kinder
und Jugendlichen besteht und handeln dann
entsprechend.“
So kann das KVJS-Landesjugendamt Auflagen erteilen oder beispielsweise die Beurlaubung eines Mitarbeiters bis zur Klärung von
Vorwürfen verlangen. „Ansonsten beraten
wir die Einrichtung zum weiteren Vorgehen“,
so Steimer. Denn der Gesetzgeber hat festgelegt, dass zunächst immer eine Beratung
des Trägers erfolgen muss, wie er Mängel in
der Einrichtung abstellen kann. Reagiert der
Träger nicht entsprechend oder besteht eine
akute Gefährdungssituation, stehen dem KVJSLandesjugendamt rechtliche Instrumente zur
Verfügung, die bis zur Tätigkeitsuntersagung
für einzelne Mitarbeiter oder sogar zum Entzug
der Betriebserlaubnis für die gesamte Einrichtung reichen.
„Bei der Entwicklung von bedarfsgerechten
Angeboten hat unsere Beratung und Begleitung einen großen Stellenwert bei den
Trägern“, betont Steimer. Auch die örtlichen
Jugendämter nehmen die Fachleute des KVJSLandesjugendamtes in Anspruch, beispielsweise wenn es darum geht, die passende
Ein­richtung bei einer bestimmten Problemlage
zu finden. Das KVJS-Landesjugendamt informiert vor Ort auch über Bedarfsfragen oder
Gesetzesänderungen im Bereich Kinderschutz.
Ferner kann das Beratungspaket durch speziell
zugeschnittene Fortbildungen ergänzt werden - zu einer runden Sache aus Aufsicht und
Beratung. mok
Heimerziehung heißt
feste Ansprechpartner, klare
Stukturen - für viele Kinder
zum ersten Mal
Foto: Kleusch
nellen Mindestvoraussetzungen - schließlich
muss es im Rahmen seines Schutzauftrags gewährleisten, dass die untergebrachten Kinder
und Jugendlichen angemessen beaufsichtigt
und betreut werden.
Jeder Personalwechsel muss deshalb von
den Einrichtungen an das KVJS-Landesjugendamt gemeldet werden. Dafür steht den
Einrichtungsträgern seit 2010 ein neues
Internet-Portal zur Verfügung. Sobald eine
Online-Meldung erfolgt, wird der oder die Zuständige beim KVJS-Landesjugendamt durch
das Programm per E-Mail informiert, dass die
Einrichtung eine neue Meldung abgegeben
hat. So bleiben die Fachleute des KVJS-Landesjugendamtes immer auf dem Laufenden über
„ihre“ Einrichtungen.
KVJS spezial y 9
Praxis Heimerziehung
Betriebsformen von
Einrichtungen
Betreuung über Tag und Nacht und an Teilen des Tages
Das KVJS-Landesjugendamt erteilt eine Betriebserlaubnis und überwacht diese für
Träger mit Einrichtungen, die folgende Angebote zur Verfügung stellen:
y In der Jugendhilfe
Alle Formen der stationären und teilstationären Hilfen zur Erziehung mit allen
Ausdifferenzierungen in den Angeboten, z.B. Wohngruppen, Tagesgruppen,
Betreutes Einzelwohnen
y Im Bereich Schulische Bildung und Berufliche Ausbildung mit angeschlossenem
Wohnen: Wohnheime, Internate, Konvikte / Kollegs
y Im Bereich der Eingliederungshilfe: Stationäre Eingliederungshilfe für Minderjährige,
z.B. Wohngruppen in Behinderteneinrichtungen
Ihr Ansprechpartner
Willi Igel
Stellvertretender Leiter des Referats
Heimerziehung beim KVJS-Landesjugendamt
Telefon: 07 11 63 75-431
[email protected]
10 y KVJS spezial
Praxis Heimerziehung
Lokaltermin in
Philadelphia
Rüdiger Arendt ist schon seit dem Morgen in
der evangelischen Einrichtung. Nein, um es
vorwegzunehmen, es ist nichts passiert. Der
Stuttgarter ist gekommen, um sich bei der
Philadelphia-Kinderheimat vorzustellen. Er
hat von einem Kollegen die Heimaufsicht und
-beratung im Rems-Murr-Kreis übernommen.
Bis gerade eben saß der Mann vom KVJSLandesjugendamt mit Vertretern der Heimleitung, der Geschäftsführung und des örtlichen
Jugendamtes beisammen. Die fünfköpfige
Runde erfuhr: Arendt ist für den Schutz von
Kindern und Jugendlichen in allen 29 Einrichtungen der Landkreise Rems-Murr, Böblingen
und Hohenlohe zuständig. Er bot an, wie seine
Vorgänger die Einrichtung bei pädagogischen,
organisatorischen und strukturellen Fragen zu
beraten. In der Runde gab es zustimmendes
Kopfnicken. Mitarbeiter der Kinderheimat
hatten sich schon in der Vergangenheit an das
Landesjugendamt gewandt.
Nun aber wird Rüdiger Arendt von den
Heimleiterinnen Ute Haußmann und Emma
Fluhrer durch das kleine Heim geführt. Hannah
(Name geändert) wartet schon. Das vierjährige
Mädchen ist die jüngste Bewohnerin und will
dem Mann vom Landesjugendamt ihr Zimmer
zeigen. Sie greift nach der Hand von Ute Haußmann und lächelt scheu. Dann zeigt die Kleine
ihre Spielzeugfarm mit Pferden, Katzen und
Foto: Rizvi
Aus den Räumen dringen Kinderstimmen. Rucksäcke und Jacken hängen im Flur des verschachtelten Hauses. Rüdiger Arendt ist heute zum
ersten Mal im Kinderheim des Philadelphia-Vereins. 14 Jungen und
Mädchen leben hier in Murrhardt. Der Mitarbeiter des KVJS-Landes­
jugendamtes ist mitverantwortlich für ihr Wohl und Wehe.
Hunden. Das Mädchen lebt mit ihrer neunjährigen Schwester in der Kinderheimat. Vielleicht
können die beiden bald wieder zu ihrer Familie
zurück. Vielleicht.
Kinder wie Hannah haben viel durchgemacht. Die einen kommen aus Familien, in
denen die Eltern an der Flasche oder der Nadel
hängen. Andere lebten bei ihrer alleinerziehenden Mutter, die psychisch krank und unter
der Last des Alltags zusammengebrochen war.
Wieder andere waren von einem Tag auf den
anderen auf sich allein gestellt: Unfall, Krankheit, Tod – es gibt viele Katastrophen, die über
das Leben von Menschen hereinbrechen. Im
Heim sollen sich die vier- bis 17-jährigen Jun- »
Ein Treffen, um das Wohl
der jungen Menschen zu
schützen ((v. l. n. r.): Rüdiger
Arendt (KVJS-Landesjugendamt), Holger Gläss (Jugendamt Rems-Murr-Kreis),
Ute Haußmann (Leiterin
Philadelphia-Kinderheimat),
Harald Wundel (Geschäftsführer Philadelphia-Verein
e. V.) und Emma Fluhrer (CoHeimleiterin PhiladelphiaKinderheimat).
KVJS spezial y 11
Quelle: philadelphia-Kinderheimat, Murrhardt
Praxis Heimerziehung
gen und Mädchen stabilisieren. Arendt vom
KVJS-Landesjugendamt berät Einrichtungen
mit dem jeweils zuständigen Jugendamt, damit dies gelingt.
„Wir befinden uns in einer Verantwortungsgemeinschaft mit den fallzuständigen Jugendämtern“, erklärt Arendts Kollege Olaf Hillegaart
im Stuttgarter Büro des KVJS. Das örtliche
Jugendamt gewährleiste, dass jedes Kind die
notwendige Hilfe erhalte. Das KVJS-Landesjugendamt achte darauf, dass die Rahmenbedingungen und Strukturen im Heim auch
wirklich hilfreich und schützend seien. Heime
benötigen zum Beispiel ein stimmiges Betreuungskonzept, ausreichend Fachpersonal sowie
genügend kind- und jugendgerechte Räume.
Beide Behörden arbeiten eng zusammen.
Arendt überwacht, dass die Vorschriften
des Achten Sozialgesetzbuches eingehalten werden.
In der vorigen Gesprächsrunde schnitten Rüdiger Arendt und Holger Gläss vom Jugendamt
des Rems-Murr-Kreises daher Fragen zur Betriebserlaubnis des Heimes an. Die Kinderheimat will ihr Konzept weiterentwickeln. Das Ergebnis soll nach dem Willen des Gesetzgebers
mit dem Landes- und dem Kreisjugendamt
abgestimmt werden, erfuhren die Heimverantwortlichen von Arendt. Zudem verschaffte sich
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Arendt in der Gesprächsrunde einen Eindruck,
ob die Kinderheimat genug Mittel für Personal,
Verpflegung und Betreuung hat. Neue Entgeltverhandlungen mit den Kostenträgern der
Jugendhilfe stünden an, berichtete daraufhin
der Geschäftsführer des Philadelphia-Vereins
Harald Wundel. Arendt informierte ihn über
neue Gesetze und wichtige Details.
Poster von Popikonen
Hannah spielt wieder mit ihren Freundinnen.
Rüdiger Arendt wird von den Heimleiterinnen
durchs erste Stockwerk geführt. Helle, freundliche Zimmer gehen vom Gang ab. Die jungen
Bewohnerinnen und Bewohner haben ihr
Reich liebevoll eingerichtet. Manche Teenies
haben Poster von Popikonen an ihre Zimmertüren gepinnt. In rosafarbenen Schmuckschatullen ringeln sich grüne und weiße Halsketten. Fans des Runden Leders erkennt Arendt
an grasgrünen Tagesdecken mit Fußballmotiv
oder rot-weißen VfB-Stuttgart-Kissen. Über
einem Bett klebt an der Wand ein Zettel:
„Wecker stellen“.
Wichtig ist für Arendt, die Balance zwischen
partnerschaftlicher Beratung und behördlicher
Aufsicht zu wahren. „Wir haben weder Kumpel
noch Polizist zu sein“, sagt er. Im Vorder­grund
stehe die Fachlichkeit. „Und es ist wichtig, sich
gegenseitig wertzuschätzen.“ Und so hat auch
Arendt bei der vorhergehenden Gesprächs­
runde aufmerksam zugehört. Ute Haußmann
hat von ihren Sorgen berichtet. Zwei Personalstellen mussten neu besetzt werden. Weil
es nur wenig qualifizierte Kräfte gibt, hat es
recht lange gedauert. Drei schwer belastete
Kinder wurden neu aufgenommen. Und die
Heimleiterin sprach von den Erfolgen in der
Kinderheimat. Manche der Kids seien zum
Beispiel Klassensprecher geworden. „Ein Junge
wurde gar Schulsprecher.“ Zudem pflege die
Kinderheimat eine intensive Elternarbeit. Väter
und Mütter könnten ihre Söhne und Töchter in
der Einrichtung jederzeit besuchen. Manche
kämen selbst bei tiefstem Schnee und Eis. „Wir
haben eine Reihe von Eltern, die eigentlich
selbst Eltern brauchen“, erklärte die Heimleiterin. „Sie sind froh über die Unterstützung, weil
sie selber ein Stück weit hilflos sind.“
Mit Fäusten bedroht
Nicht alle Termine verlaufen so harmonisch.
Manchmal heißt es für Arendt Nerven behalten. In seiner über zwölfjährigen Aufsichtstätigkeit ist er schon von Heimleitern beschimpft und mit Fäusten bedroht worden.
„In solchen Fällen ziehe ich mich erst mal zurück“, sagt er. Allerdings kann jeder sicher sein:
Er kommt wieder. Es ist sein Job, die Probleme
anzupacken.
Rund 250 Mal besuchten die 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des zuständigen
Referats vom Landesjugendamt letztes Jahr
vollstationäre Einrichtungen in Baden-Württemberg. 60 Mal davon hatte es „besondere Vorkommnisse“ gegeben. „Die Fälle reichen von
schweren Straftaten über Unfälle von Heimbewohnern bis hin zu Zimmerbränden“, sagt Olaf
Hillegaart. Auch Misshandlungen und sexuelle
Übergriffe durch Erzieher wurden gemeldet.
Über 85 Prozent aller „besonderen Vorkommnisse” wurden von den Heimleitungen selbst
gemeldet. Manchmal wandten sich Nachbarn,
Foto: Rizvi
Praxis Heimerziehung
Eltern oder die untergebrachten Kinder an
das Landesjugendamt. Die Mitarbeiter des
KVJS gingen allen Hinweisen nach. Nach
dem Grundsatz „aus Fehlern lernen“ berieten
sie die Einrichtungen, zum Beispiel durch Erarbeitung eines Konzeptes zum besseren Schutz
von ­Kindern vor sexuellen Übergriffen. Zeigt
sich ein Heimträger „beratungsresistent“, kann
der KVJS Auflagen und Weisungen erteilen
oder ungeeignetem Betreuungspersonal die
Tätigkeit untersagen. Greifen all diese Maßnahmen nicht, werden die Rücknahme der
Betriebserlaubnis und Schließung der Einrichtung geprüft. Denn: „Der Schutz der untergebrachten Kinder und Jugendlichen hat Vorrang
vor allen anderen Interessen der Beteiligten“,
sagt Hillegaart.
In der Philadelphia-Kinderheimat in Murrhardt musste letztes Jahr niemand intervenieren. Es gab keine besonderen Vorkommnisse,
weiß Arendt aus seinen Akten.
Arendt und die Heimleiterin beenden ihren
Rundgang. Ein deftiger Geruch von Sauerkraut
und Schupfnudeln hängt über dem Flur. Es ist
Mittagessenzeit. Von der Eingangstüre hallen
Stimmen und Schritte herüber. Die Kinder
kommen aus der Schule nach Hause. syr
Zimmer eines
Fußball-Fans.
KVJS spezial y 13
Praxis Heimerziehung
Am Anfang steht
das Hilfeplanverfahren
Foto: Kleusch
Sieht das Jugendamt eine Erziehungshilfe für nötig an, wird gemeinsam
eine Lösung gesucht und ein Hilfeplan erstellt.
KVJS-Teambesprechung:
Peter Hoffmann, Dr. Jürgen
Strohmaier, Sylvia Domon
(v.l.n.r.)
14 y KVJS spezial
Der Hilfeplan enthält wichtige Informationen
über die Ausgangssituation für eine Hilfe,
die Gründe für die Einleitung einer Hilfe, die
Hilfeart, den Leistungserbringer der Hilfe,
Angaben über Beginn und Dauer der Hilfe,
die Ziele der Hilfe, die Pflichten der Beteiligten,
sowie den Zeitpunkt der nächsten Überprüfung. Auch Veränderungen werden dokumentiert. „Die Mitwirkung der Leistungsempfänger sowie die frühzeitige Einbeziehung der
Leistungserbringer sind die Voraussetzung für
den erfolgreichen Verlauf einer Hilfe“, betont
Dr. Jürgen Strohmaier vom KVJS. In einem
kooperativ gestalteten Aushandlungsprozess
sollen sich Fachkräfte und Familie auf eine
geeignete Hilfeform einigen.
Fällt die Entscheidung für eine stationäre
Betreuung, haben Eltern und betroffene
Kinder und Jugendliche grundsätzlich ein
gesetzliches Wunsch- und Wahlrecht, das es
ihnen ermöglicht, unterschiedliche Einrichtungen anzusehen und aus dem bestehenden
Angebot auszuwählen. Doch die Suche nach
einem passenden Heim gestaltet sich in der
Praxis manchmal schwierig. Vermag das eher
klassische „Erziehungsheim“ den spezifischen
Anforderungen seines potenziellen Bewohners
gerecht zu werden oder ist dafür etwa eine
therapeutische Wohngruppe besser geeignet?
„Die Fachkräfte im Jugendamt sehen sich
immer mehr mit jungen Menschen konfrontiert, die hochkomplexe Probleme haben und
wenden sich dann mit der Frage nach einer
geeigneten Einrichtung ratsuchend an das
KVJS-Landesjugendamt“, so Strohmaier.
So mancher Einrichtungsträger hat sich
inzwischen auf ein deutlich schwieriger
werdendes Klientel in der Jugendhilfe eingestellt und feilt an seinem Konzept. „Da geht
es etwa darum, besondere Formen des
Betreuten Wohnens zu erarbeiten, um maß­
geschneiderte Lösungen anbieten zu können“.
Auch auf diesem Gebiet bringt der KVJS sein
Fachwissen mit ein. Wichtige Impulse für
Kommunikations- und Kooperationsprozesse
vor Ort liefert der KVJS schließlich mit Fortbildungsveranstaltungen, wie zum Beispiel
„Lösungsorientiertes Arbeiten in der Beratung“.
Bedeutsam für den aktuellen Diskurs zur Heimerziehung sind unter anderem die jährlich
stattfindenden Tagungen für Einrichtungsleiter
und -leiterinnen der Erziehungshilfe. add
Praxis Heimerziehung
Krisenintervention:
Gewusst wie
In jeder sozialen Einrichtung gibt es brenzlige Situationen, die ein
schnelles und fachlich fundiertes Handeln erforderlich machen.
Winfried Fritz, Sozialpädagoge und ehemaliger Leiter des Kriseninterventionsteams eines Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), referiert
regelmäßig bei Fortbildungen des KVJS zum Thema „Umgang mit
Menschen in akuten Krisen“.
„Für eine erfolgreiche Krisenintervention ist es
wichtig, dass die Fachkräfte Handlungssicherheit im Umgang mit Ereignissen wie Gewalt,
Unfällen, Tod oder Suizid gewinnen“, beschreibt
Sylvia Domon vom Landesjugendamt des KVJS.
Und wie erkennt man überhaupt eine akute
Krise? Denn: „Davon hängt das fachliche
Handeln ab“, so Domon. „Also im Einzelfall d
­ ie
Entscheidung, ob und in welcher Art sofortige
Maßnahmen zu ergreifen sind oder ob etwa ein
einzelnes Beratungsgespräch genügt“.
Gute Organisation und gute Kommunikation
sind in einer stationären Einrichtung die Grundlagen für die professionelle Bewältigung einer
Krise: Gibt es verlässliche Strukturen? Gibt es
Krisenpläne? Wer ist zum Beispiel nachts im
Krisenfall erreichbar? Wie geht die Einrichtung
mit suizidalen Problemen, wie mit Gewalteskalation um? „Sinnvoll sind unterschiedliche fachliche Schwerpunkte etwa für Psychotraumata,
Trauer­begleitung oder Elternarbeit bei den Mitgliedern eines Teams“, so Krisenexperte Fritz. So
kann man auf ein vielfältig qualifiziertes Kriseninterventionsteam zurückgreifen. Für kleinere
Einrichtungen ist es sinnvoll, sich entsprechend
untereinander zu vernetzen. mok
Foto: www.polizei-beratung.de
Das seit Jahren gefragte KVJS-Seminar zur
Krisenintervention stellt die methodischen
Grundlagen vor und deren Umsetzungsmöglichkeiten in den ambulanten und stationären
Hilfen zur Erziehung. „Ein Mensch gerät in eine
Krise, wenn es ihm in einer belastenden Situation nicht mehr gelingt, durch Anpassungsmechanismen und Problemlösungsstrategien sein
seelisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten“,
erklärt Winfried Fritz vom Jugendamt Sigmaringen. „Krisen sind immer individuell, aber man
kann Strukturen zur Bewältigung von Krisen
schaffen.“ Dazu zählt eine gute interdisziplinäre
Vernetzung mit Psychiatrie, Rettungswesen, Beratungsstellen und Polizei, eine entsprechende
Organisation mit internen und externen Partnern und das Wissen um die eigenen Grenzen.
KVJS spezial y 15
Praxis Heimerziehung
KVJS-Berichterstattung: Das DatenFundament für die Jugendhilfeplanung
Alle vier Jahre legt der KVJS landesweite Berichte zu Entwicklungen und
Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen sowie
zu Hilfen zur Erziehung in Heimen, sonstigen betreuten Wohnformen
und Tagesgruppen in Baden-Württemberg vor. Jährlich werden zudem
die aktuellen Daten zu den jüngsten Fallzahlentwicklungen vorgestellt.
Entwicklung der Fallzahlen
der Hilfen in Heimerziehung
und sonstigen betreuten
Wohnformen (§ 34 SGB VIII)
in Baden-Württemberg
(Hilfen am Stichtag 31.12.)
Mit seiner Berichterstattung zu den Veränderungen im Hilfebedarf für junge Menschen
und deren Familien bietet der KVJS eine
Gesamtschau der Entwicklungen in BadenWürt­temberg sowie detaillierte Grundlagen
für Analysen zur Situation in jedem der 44
Stadt- und Landkreise. „Wir wollen vor Ort Diskussionen anregen, wie Familien und Kinder
gut und effizient unterstützt werden können.
Dafür liefern wir den örtlichen Trägern Standortbestimmungen und Impulse, die sie nutzen
können, um ihre Jugendhilfeangebote zielgerichtet zu qualifizieren“, erläutert Dr. Ulrich
Bürger, der diese Berichte des KVJS-Landesjugendamtes erarbeitet.
7.000
6.000
6.779
6.563
6.571
6.726
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0
2005
16 y KVJS spezial
2006
2007
2008
Ebenfalls im Vier-Jahres-Rhythmus erscheint
der landesweite Bericht zu Hilfen zur Erziehung
in Heimen, sonstigen betreuten Wohnformen
und Tagesgruppen in Baden-Württemberg,
den der KVJS erstmals 2007 vorlegte. Dort
wird die Angebots- und Belegungsstruktur der
baden-württembergischen Einrichtungen der
stationären und der teilstationären Heimerziehung zum Stichtag 31.12.2005 vorgestellt,
einschließlich der Personalstruktur und deren
Qualifikationsprofile. Der Bericht untersucht, in
welchem Umfang die unterschiedlichen Angebote in Anspruch genommen wurden, welche
Entwicklungstrends sich abzeichnen und
welche fachplanerischen Konsequenzen sich
für die freien Träger und auch für die örtlichen
Jugendämter daraus ergeben.
Eine neue Tendenz: Heimunterbringung
nimmt wieder zu
Das KVJS-Landesjugendamt veröffentlicht
darüber hinaus jährlich Auswertungen zu den
aktuellen Fallzahlentwicklungen in den 44
Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs,
die auf Erhebungen des Landesjugendamtes
bei den örtlichen Trägern basiert. 2009 zeigte
sich im Vergleich zum Vorjahr eine Zuwachsrate von zehn Prozent bei den Fallzahlen der
Hilfen zur Erziehung. Fünf Prozent mehr
Heimunterbringungen, sieben Prozent mehr
Praxis Heimerziehung
Fortschreibung der Berichterstattung
Die umfassenden Berichte des KVJS-Landesjugend-­
amtes werden in einem Vierjahreszyklus fort­
geschrieben. Nachdem der erste landesweite Bericht
zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der
Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in BadenWürttemberg 2008 veröffentlicht wurde, wird der
Folgebericht im Jahr 2012 auf der Datenbasis 2011
erscheinen.
Der zweite landesweite Bericht zu Hilfen zur Erziehung
in Heimen, sonstigen betreuten Wohnformen und
Tagesgruppen in Baden-Württemberg wird voraussichtlich im Jahr 2011 vorliegen.
Alle Berichte auch unter www.kvjs.de/publikationen/
jugendhilfe.html
Foto: fotolia
Vollzeitpflege, zwölf Prozent mehr Fälle bei
den nicht-stationären Hilfen für Kinder und
Jugendliche im Vergleich zu 2007 – so sah die
letzte „Jahresbilanz“ des KVJS aus.
Eine neue Tendenz zeigt sich dabei im
Bereich der stationären Hilfen. Nachdem diese
Fallzahlen über viele Jahre rückläufig gewesen
waren, hielten sie sich im Vergleich der Jahre
2006 und 2007 etwa konstant. Im Anschluss
daran ergab sich erstmals wieder eine deutliche Fallzahlsteigerung zum Jahr 2008. Dabei
hat Baden-Württemberg bundesweit immer
noch die niedrigste Quote bei der Heimerziehung. „Eine Ursache dafür liegt darin, dass die
ambulanten und die teilstationären Angebote
in Baden-Württemberg so stark ausgebaut
wurden wie in keinem anderen Bundesland“,
erklärt Dr. Bürger. „Und das wirkt sich erkennbar auf die Begrenzung stationärer Fallzahlen
aus. Gleichwohl gelangt man natürlich auch
dabei an einen kritischen Punkt, an dem die
Arbeit mit nicht-stationären Hilfen an ihre
Grenzen kommt, zumal es immer Kinder und
Jugendliche gibt und geben wird, für die die
stationäre Hilfe die passgenaue und deshalb
auch die richtige Hilfe ist.“ Deshalb muss die
Angebotslandschaft flexibel und facettenreich
gestaltet sein, um auf geänderte Bedarfslagen
reagieren zu können.
Die Fachleute des KVJS-Landesjugendamtes
gehen davon aus, dass die Entwicklung der
Fallzahlen bei der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen noch nicht auf ihrem Höhepunkt
angelangt ist. Wenn beispielsweise die Finanzund Wirtschaftskrise verstärkt auf den Arbeitsmarkt durchschlägt, wenn sich Arbeitslosigkeit
oder Angst vor Jobabbau auch bei vielen Familien als Belastung auswirkt, dann werden auch
die Rahmenbedingungen des Aufwachsens für
die jungen Menschen riskanter. „Einzelne Probleme kann eine Familie noch tragen“, meint
Dr. Ulrich Bürger. Wenn sich die Probleme aber
verdichten und überlagern, steigt das Risiko
der Überforderung und damit letztlich auch
der Bedarf an Erziehungshilfe. „Soweit wir
das nach den bisherigen Rückmeldungen der
Jugendämter einschätzen können, hat sich
im Jahr 2009 eine weitere Fallzahlsteigerung
ergeben.“ mok
KVJS spezial y 17
Praxis Heimerziehung
Zielgruppengerechte Erziehung:
Für jeden das passende Angebot
Foto: fotolia
Hilfeplanung muss bedarfsorientiert sein. Einer zielgruppen­
spezifischen Pädagogik, wie etwa der geschlechtersensiblen Erziehung
von Jungen und Mädchen, kommt daher große Bedeutung zu.
Die sozialpädagogische Diagnose und die
Wünsche und Vorstellungen der Familien und
ihrer Kindern bilden auch bei der Auswahl
von stationären Hilfeformen einen zentralen
Ausgangspunkt. Denn: „Kinder und Jugendliche sollen ja im richtigen und ihrer Lebenssituation angepassten Umfeld leben und
18 y KVJS spezial
lernen können“, betont Dr. Jürgen Strohmaier.
Zielgruppengerechte Erziehung sei daher eine
wesentliche pädagogische Herangehensweise
im Hinblick auf individuelle, soziale und kulturelle Bedürfnisse von jungen Menschen, die im
Rahmen von Erziehungshilfen stationär oder
teilstationär untergebracht sind.
Praxis Heimerziehung
Im Rahmen seiner Aufsichts- und Beratungstätigkeit, aber auch in Form von Fortbildungen
und Tagungen für öffentliche und freie Träger
hat das KVJS-Landesjugendamt ein breites
und spezialisiertes Fachwissen für zielgruppengerechte Erziehungsfelder und -bereiche
im Gepäck. So bietet der KVJS zum Beispiel
in Kooperation mit der LAG Jungenarbeit
Baden-Württemberg für Sozialpädagogische
Fachkräfte öffentlicher und freier Träger in den
stationären, teilstationären und ambulanten
Formen der Hilfen zur Erziehung eine berufsbegleitende längerfristige Weiterbildung zum
Jungenarbeiter an. Die Veranstaltung ist modular aufgebaut. Die Teilnehmer erhalten am
Ende der Weiterbildung ein Zertifikat.
Nähere Auskünfte erteilt Irma Wijnvoord vom
KVJS, Telefon 0711 6375-429, Irma.Wijnvoord@
kvjs.de
Nachfolgend einige Statements:
Seelisch behindert: wichtig sind inklusive
Angebote
„Förderung von behinderten jungen Menschen
zur Teilhabe am Leben in Gemeinschaft bedeutet
keine Ausgliederung durch ‚Sondergruppen‘, sondern die Entwicklung inklusiver Strukturen und
Angebote. In der Heimerziehung ist die Versorgung in integrativen Gruppen unter besonderer
Berücksichtigung des Einzelfallbedarfs behinderter junger Menschen dementsprechend. Auch bei
Gruppenangeboten mit konzeptioneller Ausrichtung auf besondere Bedarfe ist es ein Hauptziel,
die (Wieder-)Eingliederung und Teilhabe am
Leben in der Gemeinschaft zu fördern.“
Gisela Köhler, KVJS
Mädchen haben spezifische Probleme
„Mädchen sind in den stationären Hilfen deutlich
unterrepräsentiert und sie äußern ihren Hilfebedarf nicht so offensiv wie Jungen. Mädchen
haben spezifische Problemlagen, auf die auch
mit mädchenspezifischen Angeboten reagiert
werden sollte, um die Hilfen wirksam und
nachhaltig zu gestalten. In einer geschlechtshomogenen Gruppe können Mädchen ihre Bedürfnisse thematisieren und geschlechtsspezifische
Zuschreibungen im geschützten Rahmen kritisch
reflektieren, ohne sich gleich gegenüber den Jungen in der Gruppe positionieren zu müssen.“
Sylvia Domon, KVJS
Identität als Junge bilden
„Jungen in Heimerziehung sind häufig geprägt
durch fehlgelaufene Beziehungs- und Partnermodelle in der Familie. Sie reagieren darauf mit
Bindungsarmut, Entwicklungsverzögerungen
und unrealistischen Vorstellungen über gelebtes
Mann sein. Erziehung im Heim und in Wohngruppen bietet Schon-, Schutz-, Entwicklungs- und
Rückzugsraum, in dem sie sich in der Gruppe als
Jungs erleben und außerhalb der bisher gelebten
Beziehungsmodelle ihre Identität als Junge
bilden können. Konzeptionell an Jungenthemen
orientierte Übungsfelder in einem geschlechtsheterogenen Team berücksichtigen dabei ihren
Entwicklungsstand und ihr Leistungsvermögen.“
Michael Weinmann, Waldhaus Hildrizhausen
Interkulturelle Kompetenz erforderlich
„Die gesellschaftliche Realität einer ethnischen,
kulturellen, religiösen und sprachlichen Vielfalt
findet sich auch in der Heimerziehung. Für die
Methodik der pädagogischen Arbeit bedeutet
dies, dass von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen interkulturelle Kompetenz und kultursensibles Handeln gefordert sind. Inhaltlich muss
sich pädagogisches Handeln jedoch immer am
Kindeswohl ausrichten. Deshalb ist in der Heim­
erziehung eine am Wohl des jungen Menschen
orientierte Pädagogik erforderlich, die alle wesentlichen Merkmale der Biographie achtet und
angemessen einbezieht.“
Annette Steimer, KVJS
add
KVJS spezial y 19
Praxis Heimerziehung
Ressourcen im Sozialraum suchen
und vernetzen
Foto: Waldhaus
Das Prinzip der Sozialraumorientierung gewinnt bei den Hilfen für
Erziehung immer mehr an Bedeutung.
Das Waldhaus Hildrizhausen betreut sozial und
indivi­duell benachteiligte
Jugend­liche und junge Erwachsene in den Bereichen
stationäre erzieherische
Hilfen, ambulante erzieherische Hilfen, kommunale
Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit und Jugendberufshilfe
20 y KVJS spezial
Für die Heimerziehung bedeutet dies, sich
stärker als bisher im Lebensort der Kinder und
Jugendlichen zu vernetzen, dort Koopera­
tionen zu suchen und Ressourcen zu finden.
Eine intensive Netzwerk-Arbeit leistet zum
Beispiel das Waldhaus in Hildrizhausen, eine
sozialpädagogische Einrichtung der Jugendhilfe im Landkreis Böblingen mit eigenem Ausbildungsbetrieb, die sich um schwierige Jugendliche und straffällig gewordene junge Menschen
und deren Familien kümmert. Vor rund 15
Jahren öffnete sich das Waldhaus nach außen.
Seither sind die Waldhaus-Jugendlichen auch
beim Dorffest und beim Weihnachtsmarkt mit
von der Partie, erleben den ganz normalen
Alltag aus Leben und Arbeiten. Das Waldhaus
arbeitet eng mit den Schönbuchgemeinden
sowie Behörden und Ämtern des Landkreises
Böblingen zusammen. Ebenso bestehen enge
Kooperationen mit Betrieben, Kammern und
Handels- und Gewerbevereinen, um den betreuten Jugendlichen eine berufliche Perspektive zu eröffnen. „Hier werden kreative Ideen
entwickelt“, lobte Landrat Roland Bernhard
die Jugendhilfeeinrichtung bei einem Besuch.
Im Bereich der Stationären Hilfen hat das
Waldhaus einen Teil der Wohngruppen
dezentralisiert und mit dem Eichenhof und
dem Haus Johannes Angebote vor Ort in
Leonberg geschaffen.
In der Gemeinde Hildrizhausen trägt der Jugendreferent, der gleichzeitig ein Mitarbeiter
des stationären Bereiches ist, zur Integration
der Heimjugendlichen und der Vernetzung
zwischen stationären Hilfen und Jugendsozial­
arbeit im Dorf bei. Dies ist fest konzeptionell
verankert.
Erfreulich und wegweisend ist der Aufbau
des Familien- und Jugendhilfezentrums in
Herrenberg. Hier finden sich alle Hilfen unter
einem Dach. Neben präventiven Angeboten
werden stationäre und ambulante Hilfen hier
zukünftig eng im Lebensumfeld der Jugendlichen verknüpft sein.
Der KVJS fördert und unterstützt sozialräumliche Aktivitäten in den Hilfen zur Erziehung
durch Fortbildungen, Fachtagungen, Projektförderung sowie durch seine überörtliche
Berichterstattung. add
Praxis Heimerziehung
„Es darf keine Geheimnisse geben“
Zu den Missbrauchsvorfällen in Internaten, Schulen und Wohnheimen
äußert sich KVJS-Referatsleiter Dr. Jürgen Strohmaier.
Pädosexuelle in Einrichtungen gibt es leider
auch heute noch. Welche Konsequenzen
zieht das KVJS-Landesjugendamt daraus für
die Heimaufsicht?
Wir sind auf diese Problemstellung vorbereitet. Unser Referat verfügt über die fachliche
Kompetenz, kontinuierlich zu beraten und in
kritischen Situationen vor Ort mit aufsichtsrechtlichem Know-how rasch zu reagieren.
Dafür steht uns durch Beschluss des KVJSVerbandsausschusses in Kürze eine weitere
Stelle zur Verfügung. Allerdings müssen auch
die örtlich Verantwortlichen und Angehörigen
uns schnell informieren, wenn es auffällige
Situationen gibt. Außerdem thematisieren
wir diese Problematik auf unseren Tagungen
und Konferenzen, insbesondere natürlich bei
unserer Beratung zur Betriebsführung von
Einrichtungsträgern.
Was unternehmen Sie darüber hinaus, um
sexuellen Missbrauch schon im Vorfeld zu
verhindern?
Zunächst einmal haben wir kräftig an einer
präventiven Struktur gearbeitet. So haben wir
Musterverträge, in denen das Vorgehen bei
vermuteter Kindeswohlgefährdung beschrieben wird, gemeinsam mit den Kommunalen
Landesverbänden und der freien Jugendhilfe
erstellt, die inzwischen auf örtlicher Ebene
abgeschlossen wurden. Den vorgesehenen
Einsatz von „Insoweit erfahrenen Fachkräften“
bei der Gefährdungsabschätzung hat der KVJS
durch ein intensives Qualifizierungsangebot maßgeblich vorangebracht. Im Rahmen
unseres Programms „Impulse für den Kinderschutz“ haben wir mit Landesmitteln in den
vergangenen 2,5 Jahren über 26000 Fachkräfte
in der Jugendhilfe weiter qualifizieren können.
Grundsätzlich sensibilisieren wir Einrichtungen
dafür, dass sie ihre Fachkräfte zur transparenten Arbeit befähigen. Es darf keine Geheimnisse geben.
Foto: www.polizei-beratung.de
Anfang des Jahres wurden zahlreiche Fälle
von Kindesmissbrauch in Einrichtungen aufgedeckt. Wie sind Ihre Erfahrungen damit?
Sexueller Missbrauch wird heute nicht mehr
verschwiegen, sondern es wird aktiv dagegen
vorgegangen. Die Vorkommnisse in Erziehungs­
heimen, Internaten und Wohnheimen – auch
wenn sie bereits älteren Datums sind – bekräftigen uns mehr denn je, Posi­tion zu Beteiligungsrechten und -formen für Schutzbefohlene zu
beziehen. Unser Fokus richtet sich deshalb auf
fachliche Standards, wie etwa systematische
Hilfeplanung, offensive Elternarbeit, kontinuierliche Gesundheitsförderung und alltagsbezogene Bildungsarbeit. Und darauf, ob die
genannten Institutionen diese Standards aktiv
umsetzen. Diese Position vertreten wir auch in
der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landes­
jugendämter (BAGLJÄ), die mit am „Runden
Tisch Heimerziehung“ in Berlin vertreten ist.
add
KVJS spezial y 21
Praxis Heimerziehung
„Geschlossene“ Unterbringung die letzte Chance?
Foto: Michael Weiß/Heinrich-Wetzlar-Haus
Seit den siebziger Jahren wird diese Form der Erziehungshilfe in der
allgemeinen wie der fachlichen Öffentlichkeit leidenschaftlich und kontrovers diskutiert: „Geschlossene Unterbringung“ – das klingt wie Knast
für Kids. Doch eigentlich soll sie genau das verhindern: das endgültige
Abrutschen junger Menschen in die Kriminalität.
Freiheitsentziehende
Maßnahme heißt nicht
ständiger Stubenarrest
„In der Jugendhilfe gibt es eine große Diskussion, ob freiheitsentziehende Maßnahmen zulässig sind oder nicht“, bestätigt Willi Igel vom
Landesjugendamt des KVJS. „Wir vertreten eine
pragmatische Sichtweise: Wir müssen auch
Betreuungsformen finden für Jugendliche,
die sich entziehen.“ Entziehen heißt vor allem
Weglaufen, aber auch durch hohe Aggressionsbereitschaft kann man pädagogische Maßnahmen ins Leere laufen lassen.
Jede freiheitsentziehende Maßnahme muss
von einem Richter angeordnet werden. Dies
gilt auch in der Jugendhilfe. In Baden-Württemberg gibt es insbesondere jeweils drei Einrichtungen für Mädchen und für Jungen, die solche
Maßnahmen durchführen. Doch wer glaubt,
dass vor allem aggressive männliche Intensivtäter „geschlossen“ untergebracht werden,
irrt: Für Jungen stehen 34 und für Mädchen 42
Plätze zur Verfügung.
Mehr Mädchen betroffen
2009 wurden in Baden-Württemberg insgesamt
97 Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren in
einer „geschlossenen“ Gruppe betreut, wobei
der Altersdurchschnitt bei 14,5 Jahren lag. Von
ihnen kamen 47 Prozent aus anderen Bundesländern. Die Betreuungsdauer lag zwischen 4,5
und 9,2 Monaten – im Durchschnitt 7,4 Monate.
Die durchschnittliche Genehmigung für Frei-
22 y KVJS spezial
heitsentzug bei den Jungen lag hingegen bei
6,1 Monaten. Allerdings war hier die Zeitspanne der Unterbringung von 1,5 bis 17 Monaten
erheblich weiter. Insgesamt 36 Jungen im Alter
zwischen 11 und 17 Jahren waren betroffen
– auch hier kam ein erheblicher Anteil aus
anderen Bundesländern.
„Bundesweit sind mehr Mädchen in freiheitsentziehenden Maßnahmen untergebracht“,
erklärt Willi Igel. Der Grund ist der oft hohe
Grad an Selbstgefährdung, bedingt durch eine
Abwärtsspirale aus einem Leben auf der Straße,
Drogensucht und Prostitution. Igel schätzt
zudem, dass etwa die Hälfte der betroffenen
Mädchen Psychiatrie-Erfahrung haben. Ein
abgeschlossenes Umfeld soll dazu beitragen,
den gefährdeten jungen Frauen eine feste
Struktur und damit Halt zu geben.
Unterschiedliche pädagogische Konzepte
Die Gruppen bestehen bei freiheitsentziehenden Maßnahmen aus maximal sechs Jungen oder Mädchen. „Geschlossene Unterbringung“ heißt dabei nicht, dass die Jugendlichen
in ihre Zimmer eingesperrt werden, sondern
dass die Tür zur Gruppe abgeschlossen ist. Unterschiedliche Einrichtungen setzten das ihnen
richterlich zugestandene Mittel des Freiheitsentzugs auch unterschiedlich ein. Die einen
beginnen die Maßnahme relativ „offen“ und
Praxis Heimerziehung
setzen engere Grenzen, wenn es Probleme gibt.
Bei den anderen dürfen die Jugendlichen beispielweise während der ersten sechs Wochen
die Gruppe nicht ohne Mitarbeiter verlassen.
Danach greifen allmähliche Lockerungen.
„Beide arbeiten aber im Prinzip ähnlich, meist
mit einem Punktesystem“, erklärt Igel. Je besser
der persönliche Punktestand, desto mehr Freiheiten. Bei zwei Einrichtungen war das Landesjugendamt an der Konzept-Entwicklung beteiligt. Die Herausforderung war, den Tagesablauf
so zu strukturieren „dass die Jugendlichen kein
Bedürfnis haben, abzuhauen“, meint Igel.
Noch eine Chance
Auch hier kommen einige Jugendliche aus
anderen Bundesländern, was die Elternarbeit schwierig macht. Denn: „Es ist zwingend
notwendig, auch mit den Eltern zu arbeiten“,
erklärt der erfahrene Pädagoge Michel. „Ein
Großteil der Jugendlichen hat Probleme mit
dem familiären Umfeld, hat hilflose Eltern oder
stammt aus nicht funktionierenden Familien.“
Wer sich im Heinrich-Wetzlar-Haus gut macht
und eine gute Prognose bekommt, hat eine
reelle Chance auf eine Bewährungsstrafe.
Auch wer zu einer Haftstrafe veruteilt wurde,
In Baden-Württemberg verliert man auch bei
straffälligen Jugendlichen den pädagogischen
Ansatz nicht aus dem Auge. In der Jugendeinrichtung Schloss Stutensee steht mit dem
Heinrich-Wetzlar-Haus eine Einrichtung für
Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren
zur Verfügung, die mit dem Gesetz in Konflikt
geraten sind. „Unsere Aufgabe besteht darin,
die Zeit vor der Hauptverhandlung erzieherisch
zu gestalten“, so die Konzeption des HeinrichWetzlar-Hauses. Die maximal zwölf Jugendlichen sollen positives soziales Verhalten üben
und sich mit ihrer Straftat auseinander setzen.
Das KVJS-Landesjugendamt übt auch hier die
Heimaufsicht aus. Den Unterbringungsrahmen
legt hierbei aber das zuständige Gericht oder
die Staatsanwaltschaft fest, die beispielsweise
Kontaktsperren verhängen können. „Wir achten
darauf, dass die Rechte der Jugendlichen
gewahrt werden“, beschreibt Markus Michel,
der beim KVJS-Landesjugendamt für dieses
besondere Angebot zuständig ist. Er kennt die
Einrichtung von Grund auf, denn er hat selbst
- mit einer Unterbrechung – sieben Jahre dort
gearbeitet. Zu diesen Rechten gehören etwa
eine adäquate Unterbringung und die notwendige pädagogische Betreuung.
Foto: Michael Weiß/Heinrich-Wetzlar-Haus
Heim statt Untersuchungshaft
kann noch auf eine Chance hoffen: Beim „Projekt Chance“, initiiert vom baden-württembergischen Justizministerium und getragen von
einem Verein. In zwei Einrichtungen in Creglingen und Leonberg bekommen die jugendlichen Täter eine intensive sozialpädagogische
Betreuung und die Chance, einen Schulabschluss zu machen oder eine Lehre. Auch nach
Ende der eigentlichen Haftzeit werden sie
in einem „Nachsorgeprojekt“ weiter betreut,
bis sie eine einmal begonnene Ausbildung
abgeschlossen haben – als Startkapital für ein
neues Leben. mok
Zimmer im HeinrichWetzlar-Haus
KVJS spezial y 23
Praxis Heimerziehung
„Kompetent beraten,
bestens informiert“
Foto: privat
Für freie Jugendhilfeträger ist der KVJS ein gefragter Partner.
Dr. Matthias Hamberger und seine Mitarbeiter etwa schätzen besonders die Kompetenz in konzeptionellen und aufsichtsrechtlichen
Fragen sowie die zeitnahe Versorgung mit fachlichen Informationen.
Hamberger ist Leiter der Martin-Bonhoeffer-Häuser in Tübingen.
Dr. Matthias Hamberger,
Leiter der Martin-Bonhoeffer-Häuser in Tübingen.
Die dezentral strukturierte
Einrichtung der Erziehungshilfe hat zum Beispiel
vier vollstationäre Wohngruppen und gehört zum
Tübinger Verein für Sozialtherapie bei Kindern und
Jugendlichen e.V..
24 y KVJS spezial
Welche Erwartungen haben Sie ganz allgemein an Ihre Kooperationspartner?
Kooperation gelingt meiner Erfahrung nach
dann am Besten, wenn es um eine gemeinsame Sache geht und die Zusammenarbeit
von Respekt und gegenseitiger Wertschätzung
geprägt ist. Darüber hinaus ist es wichtig, tragfähige Vereinbarungen und eine strukturelle
Absicherung der Kooperation zu entwickeln.
Und: die einzelnen Kooperationspartner brauchen die entsprechenden Ressourcen für die
Zusammenarbeit.
dem Institut für Soziale Arbeit in Münster eine
sehr gelungene Fortbildung durchführen.
Im Rahmen des Projekts „Wirkungsorientierung“ sind wir einer von vier Standorten
in Baden-Württemberg, die durch die Unterstützung des KVJS wissenschaftlich begleitet
werden. Das ist eine ganz wichtige Unterstützung, um die Kooperation von Jugendhilfe
und Ganztagsschule voranzubringen. Um die
gemeinsamen Ziele nicht aus dem Auge zu
verlieren ist die Vor-Ort-Moderation nicht nur
sehr hilfreich, sondern notwendig.
Worin unterstützt Sie der KVJS in besonderer Weise?
Ich schätze zum einen die gezielten Fachinformationen, die uns Jugendhilfeträgern vom
KVJS zeitnah zur Verfügung gestellt werden.
Die möchte ich nicht missen. Zum anderen
finde ich im Landesjugendamt des KVJS kompetente Ansprechpartner, wenn es um Fragen
der Aufsichtspflicht und um konzeptionelle
Entwicklungen geht.
Im letzten Jahr haben wir als Einrichtung
ganz konkret von den Landesmitteln in Sachen
„Kinderschutz“ profitiert. Mit fünf anderen
Trägern aus der Region Tübingen, Reutlingen
und Böblingen konnten wir in Kooperation mit
Was wünschen Sie sich noch zusätzlich vom
KVJS?
Die gute Berichterstattung des Landesjugendamtes zur Inanspruchnahme von Jugendhilfe­
leistungen und sozialstrukturellen Rahmenbedingungen im Kreisvergleich sollte in den
nächsten Jahren flankiert werden von einer
kritischen Sozialberichterstattung, die sich
den individuellen Lebenslagen der Adressaten
und Adressatinnen von Jugendhilfeleistungen
widmet. Auch würde ich es begrüßen, wenn
die Impulsförderung des KVJS für neue Modellvorhaben in der Kinder- und Jugendhilfe
ausgebaut und weiter qualifiziert wird. add
Praxis Heimerziehung
„Der KVJS setzt auf
Beteiligung“
Was ist für Sie in einer „Partnerschaft“
generell besonders wichtig?
Ganz entscheidend sind für mich Einfühlungsvermögen in die Situation und Sichtweise des
Gegenübers sowie Verständnis dafür. Unterschiedliche Auffassungen sollen möglichst
akzeptiert oder zumindest toleriert werden.
Das bedeutet auch, dass bei Konflikten mein
Partner in seiner Person beziehungsweise
Persönlichkeit geachtet und nicht verletzt
wird. Die eigene Position klar und sachlich
vertreten, Gefühle benennen und nicht „unter
den Teppich zu kehren“ sind Haltungen, auf
die ich persönlich großen Wert lege.
Bei Konflikten oder Problemlagen sind die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des KVJSLandesjugendamtes stets konsensorientiert
und bemühen sich um Vermittlung.
Was schätzen Sie am KVJS?
Der KVJS setzt als überörtlicher Träger auf
Beteiligung der örtlichen Jugendhilfeträger
an allen sie betreffenden Belangen. Standards
werden nicht einfach „von oben herab“ gesetzt,
sondern sind Ergebnis diskursiver Erarbeitung
in eigens gebildeten Fach- und Expertengruppen. Diese starke Dienstleistungs- und Bedarfsorientierung im Sinne der örtlichen Jugendämter, aber auch der Jugendhilfeeinrichtungen
freier Träger finde ich sehr lobenswert. Und:
Ihre zusätzlichen Wünsche an den KVJS?
Ich wünsche mir vor allem, dass der im Rahmen der Berichterstattung begonnene Transfer
zur örtlichen Ebene und der Erfahrungsaustausch mit dieser qualitativ wie personell
abgesichert sowie intensiviert und ausgebaut
wird. add
Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund
knapper Ressourcen die Unterstützung
des KVJS in Fragen der wirtschaftlichen
Jugend­hilfe?
Kompetente Beratung und Unterstützung ist
hier für die Fachkräfte in den Jugendämtern
besonders wichtig. Hervorheben möchte ich,
dass dieser Service vom KVJS fachlich immer
sehr gut und hilfreich angeboten wird.
Foto: privat
Die Fachleute aus den Jugendämtern in Baden-Württemberg können
immer auf den KVJS zählen. Und sie finden in ihm einen Partner, der
Standards nicht von „oben herab“ setzt, wie Wolfgang Schwaab, Leiter
des Jugendamtes im Enzkreis, hervorhebt. Im Enzkreis gibt es drei Einrichtungen der Erziehungshilfe: Das Kinderhaus Stromberg in Illingen,
die Sozialpädagogische Einrichtung Niefernburg in Niefern-Öschelbronn
sowie das Kinder- und Jugendheim Sperlingshof in Remchingen.
Wolfgang Schwaab leitet
das Jugendamt im Enzkreis
KVJS spezial y 25
Aus- und Fortbildung Heimerziehung
Berufsbegleitende Ausbildung
Jugend- und Heimerzieher/in
„Unsere Lehrkräfte sind
nicht nur ausgewiesene
Fachleute, sondern kennen
auch die aktuellen Entwicklungen aus ihrem eigenen
Berufsalltag“, sagt der Leiter
der KVJS-Fachschule für
Sozialwesen Klaus Boch.
Die KVJS-Fachschule für Sozialwesen in Oberderdingen-Flehingen (Kreis Karlsruhe) blickt auf
über 30 Jahre Lehrerfahrung zurück. Ob Methodenkenntnis, Fachwissen oder Sozialkompetenz
– „die Studierenden profitieren von der besonderen Praxisnähe unserer berufsbegleitenden
Ausbildung“, sagt der Fachschulleiter Klaus Boch.
„Wir haben ausschließlich praxiserfahrene Dozentinnen und Dozenten.“ Psychologinnen, Pädagogen und Ärzte vermitteln Hintergrundwissen aus
ihrem Berufsalltag. Juristen führen in die Rechtskunde ein. Erfahrene Lehrende unterrichten
nach den modernen Erkenntnissen der Didaktik,
Methodik und Medienpädagogik.
Duales Lernsystem
Zudem erwartet die Auszubildenden in der
berufsbegleitenden Ausbildung ein duales Lernsystem aus theoretischem und praktischem Unterricht. In der KVJS-Fachschule wird das theore-
KVJS-Bildungszentrum Schloss Flehingen
Fachschule für Sozialwesen
Gochsheimer Str. 19
75038 Oberderdingen
Telefon: 07258 75-62
www.kvjs.de/fachschule-sozialwesen.html
26 y KVJS spezial
tische Wissen vermittelt. In sozialpädagogischen
Einrichtungen durchlaufen die jungen Frauen
und Männer ihren praktischen Ausbildungsteil.
Die Ausbildung im Schloss Flehingen genießt
wegen der bewährten Verzahnung von Theorie
und Praxis bei Arbeitgebern einen ausgezeichneten Ruf. In der Folge ist die mit 250 Euro pro Jahr
zudem kostengünstige Fachausbildung äußerst
begehrt. „Dieses Jahr waren die zwei Kurse mit
je 30 Auszubildenden schon im Februar ausgebucht“, berichtet Boch. Doch noch immer würden
sich Frauen und Männer mit Realschulabschluss,
Abitur oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung bewerben. Die Schule führt eine Warteliste.
Die Ausbildung endet mit einer staatlichen
Prüfung. Das Regierungspräsidium verleiht die
staatliche Anerkennung. syr
Foto: Rippmann
Foto: Rippmann
Jedes Jahr verabschiedet die KVJS-Fachschule für Sozialwesen 50 bis
60 staatlich anerkannte Jugend- und Heimerzieher/innen in die Arbeitswelt. Sie übernehmen Verantwortung in Heimen, Kindergärten oder
Horten. Manche der frischgebackenen Fachleute arbeiten im euro­
päischen Ausland. Manche übernehmen Leitungsaufgaben.
Aus- und Fortbildung Heimerziehung
Pluspunkt Fortbildung
Für die vielfältigen Herausforderungen im Alltag bietet der KVJS ein
umfassendes Fortbildungsangebot. Der Verband gehört zu den ersten
Adressen im Land. In den KVJS-Bildungszentren Gültstein und Schloss
Flehingen treffen sich Fachkräfte zu Seminaren, Diskussionen und
Fachtagungen.
stehen Seminare zu Weiterentwicklungen bei
Themen wie Kinderschutz, Biografiearbeit oder
Bindungstheorien. Die Fortbildungsreihe „Leitungskompetenz in der Sozialen Arbeit“ greift »
Foto: Rippmann
Erfahrene Bildungsexperten haben im Jahr
2010 für Fachleute der stationären und teil­
stationären Jugendhilfe ein interessantes
Programm zusammengestellt. Auf der Agenda
KVJS spezial y 27
Foto: Rippmann
Aus- und Fortbildung Heimerziehung
die Herausforderungen für Führungskräfte auf.
Mit der Reihe unterstützen der KVJS und der
„Deutsche Verein für öffentliche und private
Fürsorge“ die Leitungskräfte von öffentlichen
und freien Trägern der Sozial- und Jugendhilfe.
„Pluspunkte der Fortbildungsangebote des
KVJS-Landesjugendamts sind die Praxisnähe
und Berufsfeldorientierung sowie die Möglichkeit der Vernetzung für Fachkräfte von freien
und öffentlichen Trägern der Jugendhilfe“, sagt
die Fortbildungskoordinatorin für die Jugendhilfe, Annette Kurowski. Bewährte Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und
Praxis sichern die Qualität der KVJS-Bildungsarbeit.
KVJS-Bildungszentrum
Gültstein
Die KVJS-Bildungsarbeit macht auch Angebote
für Verantwortliche in der Hochschulausbildung. Zum Beispiel bietet der KVJS eine
Veranstaltung für Praxisanleiterinnen und
-anleiter aus Einrichtungen der Hilfen zur
Erziehung. Praxisanleiter begleiten Studierende der Sozialen Arbeit während der Praxisphasen. „Der Kontakt und Austausch von Hochschulen und Praxis ist uns besonders wichtig
– gerade vor dem Hintergrund der neuen
Bachelor- und Master-Studiengänge ‚Soziale
Arbeit’“, sagt Kurowski.
Alle Veranstaltungen bieten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus
der Praxis sowie Informationen über rechtliche
Änderungen. Bei manchen Themenfeldern
können Interessierte zwischen mehreren Angebotsformen wählen. Kurowski: „Das systemische Arbeiten – ein bewährter Ansatz in den
Hilfen zur Erziehung – greifen wir zum Beispiel
in einzelnen Seminaren, einer flexiblen Fortbildungsreihe sowie in einem längerfristigen
Fortbildungsangebot auf“.
Im Jahr 2009 buchten über 800 Expertinnen
und Experten aus Baden-Württemberg Veranstaltungen des KVJS zum Bereich „Hilfen zur
Erziehung, soziale Dienste“. Speziell aus dem
Feld der Heimerziehung trafen sich bei der
Jahrestagung 128 Führungskräfte von Trägern
und Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung.
Ob Jahrestagungen, Fachtag zu „20 Jahren UNKinderrechtskonvention“ oder spezielle BasisSeminare für Leitungskräfte von Erziehungshilfeeinrichtungen – alle Veranstaltungen sind
vielfältig in Methode und Inhalt.
syr
Foto: Rippmann
Ihr KVJS-Ansprechpartner für Fragen
28 y KVJS spezial
Willi Igel
Telefon: 0711 6375-431
E-Mail [email protected]
Alle Veranstaltungen im Internet unter:
www.kvjs.de/fortbildung/jugendhilfe.html
Information Heimerziehung
Zum Weiterlesen
Reihe KVJS-Service Jugendhilfe
Schutz von Kindern und Jugendlichen in
Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung.
Verfahrensweisen des Landesjugendamtes
Baden-Württemberg bei der Aufsicht unter
besonderer Berücksichtigung des Eingriffs
in Freiheitsrechte von Kindern /Jugendlichen
Ausgabe 11/2007.
KVJS-Landesjugendamt:
Hilfen zur Erziehung in Heimen, sonstigen
betreuten Wohnformen und Tagesgruppen
in Baden-Württemberg 2007
Erster landesweiter Bericht, 12/2007.
KVJS-Landesjugendamt:
Bericht zur Entwicklung und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in Baden-Württemberg 2008
Ausgabe 9/2008.
Adam, Albert / Breithaupt-Peters, Monique
Persönlichkeitsentwicklungsstörungen bei
Kindern und Jugendlichen. Ein integrativer
Ansatz für die psychotherapeutische und
sozialpädagogische Praxis.
Stuttgart: Kohlhammer, 2010.
Bitzan, Maria / Bolay, Eberhard / Thiersch, Hans
Die Stimme der Adressaten. Empirische Forschung über Erfahrungen von Mädchen und
Jungen mit der Jugendhilfe.
Weinheim: Juventa Verlag, 2006.
Budde, Wolfgang / Früchtel, Frank / Hinte,
Wolfgang (Hrsg.)
Sozialraumorientierung. Wege zu einer
veränderten Praxis.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2006.
Früchtel, Frank / Budde, Wolfgang / Cyprian,
Gudrun
Sozialer Raum und Soziale Arbeit.
Fieldbook: Methoden und Techniken.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2007.
Früchtel, Frank / Cyprian, Gudrun / Budde,
Wolfgang
Sozialer Raum und Soziale Arbeit.
Textbook: theoretische Grundlagen.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2007.
Günder, Richard
Praxis und Methoden der Heimerziehung –
Entwicklungen, Veränderungen und
Perspektiven der stationären Erziehungshilfe.
Freiburg im Breisgau: Lambertus, 2007.
Hamberger, Matthias
Erziehungshilfekarrieren –
Belastete Lebensgeschichte und professionelle Weichenstellung.
Frankfurt a.M.: IGFH Eigenverlag, 2008.
KVJS spezial y 29
Information Heimerziehung
Knab, Eckhart u.a. (Hrsg.)
Die vernachlässigten Hoffnungsträger –
Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe
(Hubertus Junge gewidmet aus Anlass
seines 80. Geburtstags am 28.11.2008).
Freiburg i.B.: Lambertus, 2009.
Foto: fotolia
Kuhlmann, Carola
„So erzieht man keinen Menschen!“ Lebensund Berufserinnerungen aus
der Heimerziehung der 50er und 60er Jahre.
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften,
2008.
Hast, Jürgen / Nüsken, Dirk u.a. (Hrsg.)
Heimerziehung und Bildung. Gegenwart
gestalten – auf Ungewissheit vorbereiten.
Frankfurt a.M.: IGFH Eigenverlag, 2009.
Homfeldt, Hans G. / Schulze-Krüdener, Jörgen
(Hrsg.)
Elternarbeit in der Heimerziehung.
München: Ernst Reinhardt Verlag, 2007.
Alle KVJS-Broschüren sind kostenlos zu beziehen bei:
Diane Geiger
Telefon 0711 6375-406
E-Mail [email protected]
Zum Download im Internet
www.kvjs.de/publikationen/jugendhilfe.html
30 y KVJS spezial
Schwabe, Mathias
Zwang in der Heimerziehung?
Chancen und Risiken.
München: Ernst Reinhardt Verlag, 2008.
Stork, Remi
Kann Heimerziehung demokratisch sein?
Eine qualitative Studie zum Partizipationskonzept im Spannungsfeld von Theorie
und Praxis.
Weinheim; München: Juventa-Verlag, 2007.
Wensierski, Peter
Schläge im Namen des Herrn. Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in
der Bundesrepublik.
München: DVA Deutsche Verlags-Anstalt, 2006.
Der KVJS setzt sich für Menschen ein
Der Kommunalverband für Jugend und Soziales
Baden-Württemberg (KVJS) ist überörtlicher ­Träger
der Sozialhilfe, Jugendhilfe und Kriegsopferfürsorge
sowie Träger des Integrationsamtes.
Die Behörde mit Sitz in Stuttgart und einer Zweigstelle in Karlsruhe ist ein Kompetenz- und Dienstleistungszentrum für die 44 Stadt- und Land­kreise
Baden-Württembergs und damit ­für knapp 11 Millionen Menschen. Verbandsvorsitzender ist der Landrat
des Enzkreises, Karl Röckinger, Verbandsdirektor ist
Senator e.h. Roland Klinger.
Die Kreise tragen und finanzieren die Körperschaft
des öffentlichen Rechts.
Jugendhilfe
Der KVJS
y entwickelt und koordiniert Konzepte gegen den
steigenden Bedarf an Jugendhilfe,
y unterstützt die Jugendämter beim Schutzauftrag
bei Kindeswohlgefährdung,
y bietet Analysen und Analyse-Instrumente zu gesellschaftlichen Entwicklungen,
y verantwortet die überörtliche Jugendhilfe­planung
und berät und unterstützt die Jugendämter bei
der örtlichen Jugendhilfeplanung,
y berät und beaufsichtigt über 7.900 Kindertagesstätten mit rund 382.000 Plätzen sowie über 470
Heime für junge Menschen,
y ist Servicestelle für betrieblich unterstützte
Kinderbetreuung und Träger der zentralen
Adoptionsstelle.
Integration ins Arbeitsleben
Der KVJS
y ist Ansprechpartner für rund 269.000 Betriebe
in Baden-Württemberg mit 3,8 Millionen Arbeits­
plätzen in allen Fragen der Integration von behinderten Menschen in das Arbeitsleben,
y ist eingeschaltet, bevor ein Betrieb einem schwerbehinderten Arbeitnehmer kündigen kann und
y erhebt und verwendet die Ausgleichsabgabe.
Soziales, Behinderung und Pflege
Der KVJS
y verhandelt im Auftrag der Stadt- und Landkreise
die Pflegesätze mit den stationären und teilstationären Pflege-, Jugend- und EingliederungshilfeEinrichtungen,
y berät und unterstützt die örtlichen Träger mit dem
Ziel „ambulant vor stationär“ beim Abschluss ­
von Leistungs-, Vergütungs-, Qualitäts- und Prüfungsvereinbarungen, bei der Planung in der Alten­
pflege, Gefährdeten- und Behindertenhilfe,
y initiiert und begleitet Entwicklungsprojekte der
Sozialhilfe,
y ist Bewilligungsbehörde für das Land bei der
Investitionskostenförderung von Pflege- und Behinderteneinrichtungen,
y unterstützt die Kreise beim Fallmanagement,
Benchmarking und bei der Sozialplanung,
y unterhält einen Medizinisch-Pädagogischen Dienst
für behinderte Menschen,
y bietet örtlichen Betreuungsbehörden und
-vereinen einen fachlichen Service und
y finanziert Hilfen für Kriegs-, Wehrdienst-,
Gewaltopfer und Impfgeschädigte sowie
Hilfen für Deutsche im Ausland.
Aus- und Fortbildung
Der KVJS
y bietet ein breites Spektrum an Schulungs- und
Bildungsangeboten in den Bereichen Jugendhilfe,
Schwerbehindertenrecht, Eingliederungshilfe für
behinderte Menschen und Betreuungsrecht
y ist Träger von zwei Fortbildungsstätten und vier
Fachschulen.
KVJS spezial y 31
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