Neue Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin
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Neue Nationalgalerie - Staatliche Museen zu Berlin
Materialien für die Sek. I & Sek. II Neue Nationalgalerie Der geteilte Himmel. Die Sammlung. 1945–1968 Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, Liebe Schülerinnen und liebe Schüler, herzlich willkommen in der Neue Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin! Wir freuen uns, dass Sie uns mit Ihrer Klasse besuchen. hallo und herzlich willkommen in der Neue Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin – schön, dass Du uns besuchst! Für die Sammlungspräsentation Der geteilte Himmel haben wir ein Schulpaket zusammengestellt, das Sie vor Ort mit Ihrer Klasse nutzen können. Es enthält kurze, informative Texte sowie kreative Übungen zu ausgewählten Kunstwerken. Die Übungen sind zum Teil im Museum, zum Teil aber auch danach auszuführen. Bitte achten Sie darauf, dass in der Sammlung ausschließlich mit Bleistift gearbeitet wird. Danke sehr! Warst Du schon einmal in diesem Museum? Es zeigt Kunstwerke, die etwa in den letzten hundert Jahren hergestellt wurden. Das ist eine lange Zeit. So ist die Sammlung der Neuen Nationalgalerie mittlerweile auch so groß, dass sie nicht ganz gezeigt werden kann. Aus diesem Grund stellt das Museum die Kunstwerke in wechselnden Ausstellungen vor, die immer einen anderen Zeitabschnitt aufgreifen. Gerade ist der zweite Teil der Sammlungspräsentation (Präsentation ist ein anderes Wort für Ausstellung) zu sehen. Die Ausstellung heißt Der Geteilte Himmel. Die Sammlung. 1945 – 1968. Die Sammlung der Neuen Nationalgalerie ist so groß, dass sie als Ganze im Mies van der Rohe–Bau keinen Platz findet. Aufgrund dessen wird sie in drei Teilen nacheinander präsentiert. Nach Moderne Zeiten ist noch bis zum Sommer 2013 der zweite Teil Der geteilte Himmel zu sehen. Ausgestellt sind Werke, die zwischen 1945 und 1968 entstanden sind. In der Nachkriegszeit wurde nicht nur der Richtungsstreit innerhalb der Künste zwischen Abstraktion und Figuration besonders virulent, sondern zusehends entwickelten Künstlerinnen und Künstler neue Ausdrucksformen. Industrielle Materialien, Populärkultur, alltägliche Gegenstände und die Neuen Medien wurden in die Kunst integriert und damit neue Kunstbegriffe geschaffen. Exemplarisch haben wir einige von ihnen ausgewählt. Die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin ist ein Verbund von insgesamt sechs Museen, die die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts präsentiert. Zu ihr gehören: Die Alte Nationalgalerie, die Friedrichwerdersche Kirche, die Neue Nationalgalerie, das Museum Berggruen, die Sammlung Scharf-Gerstenberg und der Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. Da die vorgestellte Zeitspanne in der Neuen Nationalgalerie bis 1968 reicht, werden auch Werke gezeigt, die zuvor im Hamburger Bahnhof präsentiert waren. Wir wünschen viel Spaß bei dem Besuch in der Neuen Nationalgalerie mit dem Schulpaket. Ihr Kunstvermittlungsteam Daniela Bystron, Julia Devis, Anne Fäser, Kolja Kohlhoff, Julia Rüther und Markus Strieder In der Zeit zwischen 1945 und 1968 haben Künstlerinnen und Künstler viele neue Ideen entwickelt, neue Materialien ausprobiert und neue Kunststile erfunden. Zwar ist es nur ein kurzer Zeitraum, in dem aber ziemlich viel passiert ist. So wurde z.B. das Fernsehen entwickelt, und viele Künstler begannen gleich mit dieser neuen Technik zu experimentieren.Andere haben Alltagsgegenstände in ihre Werke einbezogen oder die Farbe als Material untersucht. Acht Kunstwerke der Ausstellung stellen wir Dir in diesem Schulpaket genauer vor. Dabei kannst Du Neues über moderne Kunst erfahren, aber auch eigene Vermutungen anstellen. Außerdem findest Du Anregungen, wie Du selbst künstlerisch arbeiten kannst. Das Schulpaket begleitet Dich bei Deinem Besuch in der Neuen Nationalgalerie und bietet Dir viel Platz, Deine eigenen Ideen zu entwickeln und Dich mit anderen auszutauschen. Wir wünschen Dir nun viel Spaß! Dein Kunstvermittlungsteam Daniela Bystron, Julia Devies, Anne Fäser, Kolja Kohlhoff, Julia Rüther und Markus Strieder Schulpaket Neue Nationalgalerie WC KASSE Grundriss Untergeschoss GARDEROBE Lee Bontecou Ohne Titel, 1960 Duane Hanson (Riot) Policeman and Rioter, 1967 Yves Klein IKB 49, 1960 CAFE Roy Lichtenstein Femme dans un fauteuil, 1963 Mario Merz Che fare?, 1968 Nam June Paik Zen for TV, 1963/1990 Frank Stella / Donald Judd Sanbornville I, 1966 / Untitled (4 Units), 1966/67 Wols / Willi Sitte Malerei, 1946/47 / Amputierter am Strand, 1968 Schulpaket Neue Nationalgalerie Lee Bontecou (geboren 1931) Ohne Titel, 1960 NUN BIST DU DRAN: Denke Dir eine Geschichte zum Bild aus. Überlege, was mit dem Werk passiert sein könnte? Oder was sich in den schwarzen Löchern abspielen könnte. Nur wenige Künstlerinnen sind in der Sammlung der Nationalgalerie vertreten. Eine von ihnen ist Lee Bontecou. Sie ist eine amerikanische Künstlerin und heute über 80 Jahre alt. Handelt es sich bei ihrem Werk Ohne Titel um Malerei oder um eine Skulptur? Du siehst einen rechteckigen Rahmen. Darüber ist Leinwand gespannt. Beides würde für ein Bild sprechen.Vom Rahmen aber greift ein bespanntes Stahlgitter in den Raum aus. Zwei Löcher sind ausgespart. Das Innere ist mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der das Licht schluckt. Das Werk scheint uns entgegenzukommen und uns gleichzeitig ins Innere hineinzuziehen. Was passiert, wenn Du es anschaust? Wie wirkt es auf Dich? Schulpaket Neue Nationalgalerie Bontecou benutzte in ihren künstlerischen Anfängen Werkzeuge und Materialien, die eher einer Männerwelt zugeschrieben werden, wie beispielsweise Bolzenschneider, Zangen und Schweißgerät. Bevor sie Künstlerin wurde, lernte sie das Schweißen. Die von ihr verwendeten Materialien haben zuvor häufig einen anderen Dienst getan: Zeltplanen der Armee, Teile von Flugzeugen, das Cockpit eines Flugzeugbombers, Postsäcke oder Förderbänder aus einer Wäscherei. NUN BIST DU DRAN: Was denkst du, warum so viele männliche Künstler in der Sammlung vertreten sind? Diskutiere mit deiner Begleitung. Die Technik des Schweißens nutzte Bontecou nicht nur für ihre dreidimensionalen Bilder, sondern auch für Zeichnungen. Diese bestehen aus Ruß, den sie mit dem Schweißgerät auf das Papier brachte, um die oberste Schicht dann mit Rasierklingen wieder abzuheben. Bontecou ist eine der wenigen Künstlerinnen, die sich in der Kunstwelt zumindest für ein Jahrzehnt mit ihren frühen Arbeiten behaupten konnte. Als einzige Frau wurde sie ab 1960 von dem erfolgreichen New Yorker Galeristen Leo Castelli vertreten. Als sie aber 1970 ihren Stil änderte und fortan Skulpturen aus Plastik herstellte, z.B. große Blumen, ließ der Erfolg nach. Seit einigen Jahren wurden wieder Ausstellungen mit ihren Werken, überwiegend ihren frühen, gezeigt. Schulpaket Neue Nationalgalerie DUANE HANSON (1925 – 1996) (Riot) Policeman and Rioter, 1967 Hast Du bei der Abbildung sofort gesehen, dass es sich um eine Skulptur handelt und nicht um das Foto zweier lebender Menschen? Hyperrealismus nennt man diese Art von Kunst. Der amerikanische Bildhauer Duane Hanson machte Abgüsse von lebenden Modellen, um zu dieser hyperrealen (= überwirklichen) Darstellung zu kommen. Den aus Fiberglas und Polyesterharz hergestellten Körpern zog er echte Kleidung an und gab ihnen Requisiten. (Riot) Policeman and Rioter gehört zu den ersten Skulpturen, die Hanson in dieser besonderen Technik schuf. Seine Themen waren zunächst die Misshandlung von Menschen im Krieg oder bei Rassenunruhen. Beides gehörte 1967 zum Alltag in den USA. Später produzierte Hanson auch Skulpturen von Personen des Alltags in weniger brutalen Situationen: putzendes Reinigungspersonal, fotografierende Touristen oder sitzende Obdachlose. So wie Hanson sie darstellt, würde man sie in einem Museum vermutlich nicht als Besucher antreffen. Riot (englisch) = Krawall Policeman (englisch) = Polizist Rioter (englisch) = Krawallmacher ??? Sieht der am Boden liegende Mann für Dich wie ein Krawallmacher aus? Fühlst Du Dich von dem Polizisten beschützt oder bedroht? Überlege, warum das so ist. Meine Arbeit handelt von Menschen, die in stiller Verzweiflung leben. Ich zeige die Ratlosigkeit, die Müdigkeit, das Altern, die Frustration. Das hat Duane Hanson einmal in einem Interview gesagt. Schulpaket Neue Nationalgalerie Hanson verbindet zwei scheinbare Widersprüche. Er macht Skulpturen, die unglaublich kunstfertig und echt wirken. Dabei zeigt er aber Menschen in alltäglichen Situationen, die wir in einem Museum nicht erwarten würden. In späteren Arbeiten treibt er dieses Spiel der Irritation und Täuschung noch weiter. So gibt es in einem anderen Museum die Skulptur einer aufwischenden Putzfrau. Diese sieht so echt aus, dass viele Besucher peinlich berührt an der Figur vorbeieilen, weil sie meinen, eine wirkliche Putzfrau bei der Arbeit zu sehen. In dem Bemühen, die auf dem Boden hockende Frau nicht anzustarren, bemerken sie oft nicht, dass die Figur nicht echt ist. NUN BIST DU DRAN: Würdest Du in einer solchen Situation eingreifen? Was würdest du tun? Und warum? Diskutiere mit Deiner Begleitung. (Riot) Policeman and Rioter zeigt eine Szene, die wir uns im wirklichen Leben wohl kaum in aller Ruhe betrachten würden. Das trifft auf fast alle Skulpturen von ihm zu: Auch wenn Hanson uns Menschen in alltäglicheren Situationen zeigt, würden wir sie im Alltag wahrscheinlich nie so genau ansehen. Schulpaket Neue Nationalgalerie YVES KLEIN (1928 – 1962) IKB 49, 1960 Blau. Das ganze Bild nur blau. Es ist ein besonderes Blau, das International Klein Blue (IKB) des Malers Yves Klein. Und dabei so intensiv, dass Du es auf einer Abbildung gar nicht wirklich sehen kannst. Du wirst ein Original betrachten müssen, wenn Du es wirklich sehen willst. Abbilden, also fotografieren oder drucken, kann man es nicht. Deshalb haben wir kein Foto von Bild abgedruckt. Die Oberfläche dieses Bildes besteht aus dem staubigen Pigment selbst, das jeden Lichtreflex schluckt und das Ultramarinblau besonders intensiv erscheinen lässt. Selbst im Museum ist das kostbare Blau nur hinter einem Schutz aus Plexiglas zu sehen. Den trockenen, staubigen, patentierten Farbauftrag kann man nur erahnen. Die Farbe war für Klein das Allerschönste. Also zeigte er nur sie. Wenn man vor dem Bild steht, sollte man (von nichts abgelenkt) in das Blau eintauchen können. Bei einer Ausstellung zeigte der Künstler elf gleichgroße Bilder in diesem Ultramarinblau. Jedes Bild wurde aber zu einem anderen Preis verkauft. Das Empfinden der Farbe Blau ist keine Frage des Preises, wollte er damit vielleicht sagen. Den Farbauftrag hat sich Klein patentieren lassen. Patente bekommen Erfinder, um sich die Idee ihrer Erfindungen vor Nachahmung schützen zu lassen. Die Plexiglashaube hat das Museum über das Bild gehängt, weil die staubige Pigmentoberfläche so empfindlich ist. Ob Klein damit einverstanden wäre? Schulpaket Neue Nationalgalerie Der Maler Yves Klein gehört zu den Nouveaux Réalistes (französisch) = Neue Realisten. Diese Künstler zeigen die Wirklichkeit selbst, anstatt sie abzubilden. Klein zeigt uns nichts Blaues, wir sehen die Oberfläche des Bildes: das reine, blaue Pigment. NUN BIST DU DRAN: Sieh Dir IKB 49 im Museum genau an.Verändere Deinen Standpunkt: Schaue es Dir ... • • • • • • von vorne, von links, von rechts, von unten, von nahem, aus der Ferne an. Wo ist Dein bester Platz? Schulpaket Neue Nationalgalerie ROY LICHTENSTEIN (1923 – 1997) Femme dans un fauteuil, 1963 Durch den französischen Titel verdeutlichte der amerikanische Maler Roy Lichtenstein, dass er keine Frau in einem Sessel gemalt hat. Denn Lichtenstein hat das Gemälde Femme dans un fauteuil des Malers Pablo Picasso abgemalt und auch den Titel übernommen. Femme dans un fauteuil (französisch) = Frau in einem Sessel Lichtenstein bewunderte Picasso und versuchte zunächst, wie Picasso zu malen. Doch erst, als er seinen eigenen Stil gefunden hatte, interessierten sich andere für seine Gemälde. Man könnte auch sagen, Picasso malte die besseren Picassos. Erst als Lichtenstein anfing Lichtensteins zu malen, wurde er für uns interessant. In den 1940er- und 50er-Jahren galt Pablo Picasso vor allem in Amerika als der wichtigste lebende Maler. Bilder im Stil von Picasso entsprachen der populären Vorstellung von zeitgenössischer Kunst. Die Pop-Art-Künstler machten sich weniger ein eigenes Bild von der Wirklichkeit.Vielmehr befragten sie die Bilder, die wir uns von der Wirklichkeit gemacht haben. Schulpaket Neue Nationalgalerie Lichtenstein ist ein Maler der Pop-Art. Das ist eine Kunstrichtung, die seit Ende der 1950er Jahre in England und in den USA entstanden ist. Für ihre Bilder verwendeten die Pop-Art-Künstler Vorlagen aus den Massenmedien: Comics, Fotos aus Zeitungen, Bilder aus dem Kino oder dem gerade aufkommenden Fernsehen. Diese druckten sie nach. Oder malten sie, wie Lichtenstein, so ab, dass sie wie gedruckt aussahen. Dadurch wirken die Bilder unpersönlich, nicht wie von Hand, sondern wie von Maschinen hergestellt. Nun Bist du Dran: In den USA wurde die Drucktechnik erfunden, Flächen mit Rasterpunkten zu füllen. Dadurch konnte man mit wenigen Farben vielfältige Helligkeitsstufen erzeugen. Du kannst das am Gesicht der Frau sehen: Die Farbe Rosa entsteht dadurch, dass Lichtenstein wenige knallrote Punkte auf eine weiße Fläche setzt. Beim Sehen vermischen sich Rot und Weiß zu Rosa. Experimentiere selbst: Fülle Flächen mit unterschiedlich vielen Punkten und Farben. Was passiert? FÜR SPÄTER: Suche das Vorbild, Pablo Picassos Femme dans un fauteuil von 1941, im Internet und vergleiche es mit Roy Lichtensteins Version von 1963. Was ist ähnlich, was unterschiedlich? Schulpaket Neue Nationalgalerie MARIO MERZ (1925 – 2003) Che fare?, 1968 In blauer Leuchtschrift ist che fare an die Wand geschrieben. Wortwörtlich stellt Mario Merz eine Frage in den Raum. Eine Frage, auf die er keine Antwort gibt, sondern mit der er auffordert, selbst eine Antwort zu finden.Was sollen, was wollen wir tun? NUN BIST DU DRAN: Was glaubst Du, was wir tun sollten? Wie ist die Frage wohl gemeint? Che fare (italienisch) = was tun Was tun? ist der Titel von Wladimir Iljitsch Lenins Hauptwerk von 1902. Darin entwirft er die Struktur einer streng geführten Arbeiterpartei, die die Revolution herbeiführen soll. Lenin war der sozialistische Führer Russlands und späterer Gründer der Sowjetunion. Schulpaket Neue Nationalgalerie Merz verzichtete in seiner Arbeit darauf, etwas abzubilden. Er nutzt Schrift und Neonlicht. Beides kennt man weniger aus der Kunst als aus der Werbung. Restaurants, Kinos, Theater oder Läden machen durch Neonschriften auf sich aufmerksam. Leuchtstoffröhren wurden 1915 erfunden. Schon in den 1920er Jahren gehörten sie zum Stadtbild. Ursprünglich hat Mario Merz dieses Werk für den öffentlichen Raum gemacht: Es war an einer S-Bahn-Unterführung installiert. Die Arbeit kann also in doppelter Weise irritieren: im Museum, weil wir dort keine Werbeschrift erwarten, und im Stadtbild, weil wir dort mit einer eindeutigen Werbesprache und nicht mit offenen Fragen rechnen. NUN BIST DU DRAN: FÜR SPÄTER: Welche Neonwerbungen kennst Du? Überlege, was sie von dem Werk von Mario Merz unterscheidet. Nun kannst Du die Öffentlichkeit irritieren, amüsieren oder zum Nachdenken anregen: Was hast Du zu sagen? Formuliere einen Satz, Ausspruch, eine Frage, Behauptungen oder Aufforderungen. Wo sollte diese Leuchtschrift in der Stadt erscheinen? Mache eine Skizze auf der Rückseite des Blattes. Schulpaket Neue Nationalgalerie NAM JUNE PAIK (1932 – 2006) Zen for TV, 1963/1990 Zen for TV entstand, als Nam June Paik einen Röhrenfernseher aus einer Ausstellung zurückbekam. Das Gerät war in der Verfassung, in der Du es hier siehst. Kaputt? Jemand anderes hätte sich jetzt vielleicht furchtbar geärgert und nach Ersatz verlangt. Paik sah sich lieber an, was der Fernseher jetzt zeigte und gab ihm daraufhin den Titel Zen for TV. Kannst Du Dir vorstellen, was er da entdeckt hat? NUN BIST DU DRAN: Bevor Du weiterliest, wollen wir erst mal ein Experiment machen: 1. Schreibe einen beliebigen Text auf der Rückseite dieses Blattes im Querformat. Beginne links oben und schreibe, bis eine Seite voll ist. 2. Nimm ein neues Blatt, ebenfalls im Querformat: Schreibe den gleichen Text noch einmal, beginne wieder links, jetzt aber in der Mitte des Blattes. Wenn Du die erste Zeile geschrieben hast, schreibe die nächste Zeile nicht unter der ersten, sondern überschreibe die Zeile. Fahre fort, bis Du den ganzen Text auf dieser einen, mittigen Zeile übereinander geschrieben hast. 3. Nun drehe das Blatt um 90 Grad. Ist Dir aufgefallen, dass der Fernseher auch auf der Seite steht? Schulpaket Neue Nationalgalerie Bei einem Röhrenfernseher kommt die sogenannte Braunsche Röhre zum Einsatz. Der Bildschirm ist ein Teil davon.Von seiner Rückseite geht eine Röhre ab, die sich ins Innere des Gerätes erstreckt. Deshalb konnten alte Fernseher auch nicht flach sein. Am hinteren Ende dieser Bildröhre sitzt der Bildschreiber. Der erzeugt mit einem Elektronenstrahl helle oder dunkle Lichtpunkte auf der Oberfläche des Bildschirms. Der Elektronenstrahl schreibt die einzelnen Punkte wie Du die Buchstaben auf dem normal beschriebenen Blatt: von links oben, Zeile für Zeile, nach rechts unten. Aus dem Raster dieser hellen und dunklen Lichtpunkte setzt sich das schwarz-weiße Fernsehbild zusammen. Unten angekommen springt er wieder nach oben und schreibt, Zeile für Zeile, das nächste Bild. Das geschieht so schnell, dass 25 Bilder pro Sekunde geschrieben werden, die dann aussehen, als würde sich das Bild bewegen; wie beim Film. Bei Zen for TV ist der Bildschreiber defekt. Er bewegt den Elektronenstrahl zwar noch von links nach rechts, kann ihn aber nicht mehr von oben nach unten bewegen. Statt die vielen Punkte in einzelnen Zeilen über den Bildschirm zu verteilen, schreibt er alle Zeilen übereinander, wie Du bei der zweiten Aufgabe des Experiments. Und obwohl diese Linie ständig neu geschrieben wird, sieht sie völlig unbeweglich aus. Die Bewegung ist so schnell, dass Du sie nicht mehr wahrnehmen kannst. Zen ist eine alte buddhistische Lehre. Es bedeutet frei übersetzt „Zustand meditativer Versenkung“. Durch Meditationen versuchst Du, deine Gedanken zu sammeln. So sehr, dass Du nicht mehr an das gerade Geschehene oder an das, was gleich passieren wird, denkst. Durch das Sammeln Deiner Gedanken in der Gegenwart nimmst Du das Vergehen der Zeit nicht mehr wahr. So ist das auch bei Zen for TV. Hier sammeln sich die ständig neu übereinander geschriebenen Lichtpunkte zu einer für unseren Blick dauerhaften Linie. Schulpaket Neue Nationalgalerie FRANK STELLA Sanbornville I, 1966 (geboren 1936) DONALD JUDD (1928 – 1994) Untitled (4 Units), 1966/67 Schulpaket Neue Nationalgalerie Frank Stella Sanbornville I Donald Judd Ohne Titel (4 Units) Geometrische Formen und Linien: Darauf beschränkte sich eine Gruppe amerikanischer Künstler seit Ende der 1950er Jahre. Ihre Kunst wurde Minimal Art genannt. Frank Stella antwortete einmal auf die Frage nach der Bedeutung seiner Kunst: „What you see is what you see.“ (englisch) = Was Du siehst, ist was Du siehst. Aber was gibt es denn zu sehen? Versuche, es genau zu beschreiben. Donald Judds Werke sind gebaut, also dreidimensional. Sie bestehen aus Metall und Plexiglas. Im Gegensatz zu Frank Stella, der seine Bilder malte, lehnte Judd das Handwerk ab. Er ließ seine Kunst industriell herstellen. Er vertrat die Meinung, dass in einer Welt, in der alles industriell produziert wird, auch die Kunst diesen Weg gehen sollte. Denn ansonsten wäre sie altmodisch. Judds Plastik besteht aus vier gleichförmigen Metall-Kuben, die in regelmäßigen Abständen aufgereiht sind. Sie sind mit einem Vierkantrohr verbunden. Die Formen stehen direkt im Raum und auf dem Boden. Eine klassische Skulptur oder Plastik ist immer geschlossen und kann, dank ihres Sockels, überall aufgestellt werden. Donald Judd bricht mit diesen Regeln und schafft damit etwas ganz Neues. Was ändert sich dadurch? An Stellas Gemälde fällt auf, dass die Grundfläche nicht rechtwinklig ist. Damit bricht er aus der jahrhundertealten Tradition des rechteckigen Bildes aus. Die eigenwillige Form des Werkes bestimmt auch das, was auf die Leinwand gemalt ist. Das Bild wirkt sehr räumlich. Es ist eine Mischung aus einem Objekt und einer Malerei. Üblicherweise formen Bildhauer mit Materialien und Maler malen auf eine zweidimensionale Leinwand. Stella hat hier also die Malerei erweitert. Shaped canvas nennt man solche Bilder. shaped (englisch) = geformt, gestaltet canvas (englisch) = Leinwand Schulpaket Neue Nationalgalerie Frank Stella Sanbornville I Donald Judd Ohne Titel (4 Units) Seit der Renaissance hat man ein Gemälde als Fenster definiert. So, wie man durch ein Fenster in die Welt schaut, sollte man im Gemälde auch eine Welt entdecken. Was Stella wohl zuerst gemacht hat? Die Form gemalt oder die Leinwand geformt? NUN BIST DU DRAN: Wenn Du um die Plastik herumgehst und den Standpunkt wechselst, ergeben sich immer neue Blicke. Bitte achte darauf, dass Du die Plastik nicht berührst. Schaust Du von oben oder seitlich auf die Kuben, wird die Wiederholung besonders deutlich. Schaust Du durch die Zwischenräume, zeigt sich jeweils ein anderer Ausschnitt des Raumes. Schaust Du durch das Vierkantrohr, verengt sich Dein Blick auf besondere Weise. Welche Position gefällt Dir am besten? Diskutiere mit Deiner Begleitung. Die Künstler der Minimal Art reduzierten ihre Ausdrucksmittel sehr stark. Häufig benutzten sie industrielle Materialien wie beispielsweise Neonröhren oder ließen ihre Werke von der Industrie herstellen. Handwerk, so wie der klassische Künstler mit seinen Händen arbeitet, spielte für sie eine untergeordnete Rolle. Ihre Werke sollten keine persönliche Handschrift tragen. Sie sollten keine Emotionen aufweisen und nicht symbolisch sein. Im Zentrum ihrer Arbeiten stehen oftmals mathematische Strukturen, wie beispielsweise Proportionen und Reihungen. Entscheidend war den Künstlern, wie sich die einzelnen Teile eines Kunstwerkes zueinander verhalten. Für ihre Plastiken war zudem wichtig, welche Beziehung sie zum umgebenden Raum einnehmen. Schulpaket Neue Nationalgalerie WOLS (1913 – 1951) Malerei, 1946/47 WILLI SITTE (geboren 1921) Amputierter am Strand, 1968 Schulpaket Neue Nationalgalerie Willi Sitte Amputierter am Strand Wols Malerei Beide Bilder sind ganz unterschiedlich gemalt. Wols Bild wirkt abstrakt – oder erkennst du etwas Gegenständliches wieder? Bei Willi Sitte nehmen wir die Figur sofort wahr. Die Umgebung scheint aber auch nur aus dahingeworfenen Strichen zu bestehen. Wenn wir genau hinschauen, bilden sich aber in unserem Auge langsam Figuren aus. Versuche, Dich genau in das Bild hineinzusehen. Und tue dasselbe mit dem Gemälde von Wols. Wols heißt eigentlich Alfred Otto Wolfgang Schulze. Den Künstlernamen bildete er aus den Initialen Wolfgang Schulze Auf den ersten Blick scheint Wols Gemälde nur aus Farben und Pinselstrichen zu bestehen. Schaue Dir die Farben und die Bewegungen des Pinsels einmal genau an. Die Mitte des Bildes ist in leuchtendem Rot gemalt. Darüber hat der Künstler immer wieder Linien gezogen. Meistens sind sie senkrecht, manchmal aber auch waagerecht. Die Farbe ist dick aufgetragen. Wols hat nicht nur einen Borstenpinsel benutzt, sondern auch mit dem Pinselstiel Furchen in die Farbe gezogen. In Sittes Gemälde betritt ein einbeiniger, nackter Mann mit Gehhilfen einen FKKStrand. Er muss an der Frau, die rechts am Rand zu sehen ist vorbeigelaufen sein. Ist sie Dir aufgefallen? Sie ist den Betrachtern so nah, dass Kopf und Füße nicht zu sehen sind. Fast wie in einem Film, wo Figuren angeschnitten werden, wenn die Kamera auf sie zuzoomt. Da der Mann im Fokus ist, erscheint die Frau zunächst ganz unscharf. In der Mitte des Bildes hat der Maler lauter Flecken dicker Farbe zueinander gesetzt. Hast Du eine Idee, was das darstellen sollte? Das Gemälde lebt von dem Gegensatz des aufrechten weiblichen Körpers und der isolierten Figur des Mannes. Ein unversehrter und ein verletzter Körper treffen aufeinander. Kannst du noch weitere Gegensätze erkennen? Willi Sitte lebte in der DDR. FKK-Strände waren dort sehr beliebt. Es waren Orte, an denen das Nacktsein ausgelebt wurde. FKK = Freikörperkultur Schulpaket Neue Nationalgalerie Wols Malerei Willi Sitte Amputierter am Strand NUN BIST DU DRAN: FÜR SPÄTER: 1.Versuche, Dir vorzustellen, wie der Künstler auf der Leinwand gearbeitet hat. Welche Spuren geben über seine Malweise Auskunft? Zeichne Striche auf ein Papier und experimentiere mit der Stärke und Intensität, indem Du den Stift über das Blatt führst. Teste ebenfalls unterschiedliche Farben, Stifte und Papiere aus.Versuche dabei, einen Ausdruck bzw. eine Wirkung für Deine Betrachter zu erzeugen. Wird es eine aggressive, verletzte, sanfte oder glückliche Zeichnung? 2. Welche Stimmung hatte der Maler wohl, als er das Bild gemalt hat? 3. Wie wirkt die Malweise auf Dich? Wols beginnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Malerei. Seine Gemälde konzentrieren sich immer auf die Mitte der Leinwand, die durch das Kratzen des Pinsels aufgerissen erscheint. Es ist gut vorstellbar, dass diese Risse mit dem Zweiten Weltkrieg oder auch mit persönlichen Erfahrungen in seiner Emigration in Paris zusammenhängen. Sie geben aber keine direkte Auskunft darüber, da sie abstrakte Darstellungen sind. Schulpaket Neue Nationalgalerie SCHULANGEBOTE IN DER NEUEN NATIONALGALERIE Für einen Besuch mit Ihrer Gruppe bieten wir Ihnen drei unterschiedliche Formate an: ORGANISATORISCHE HINWEISE I. THEMATISCHE FÜHRUNGEN In thematischen Führungen ermöglichen wir einen Einstieg in ein Thema oder in die Ausstellung und vermitteln Kontextinformationen zu ausgewählten Exponaten. Dauer: 1 Std. ANMELDUNG Führungsorganisation: Tel.: 030 266-424242 (Mo – Fr, 9 – 16 Uhr) E-Mail: [email protected] • • • ORT Neue Nationalgalerie | Staatliche Museen zu Berlin Potsdamer Straße 50 10785 Berlin 1945 – 1968: Aufbruch und Ausbruch Der Mensch im Bild Abstraktion versus Figuration II. WERKGESPRÄCHE Werkgespräche sind offene Gespräche im Museum, in denen wir uns gemeinsam mit den Gruppen intensiv mit einem Thema auseinandersetzen. Persönliche Eindrücke und Reaktionen sind Ausgangspunkt der Gespräche. Anhand weniger ausgewählter Exponate und kleiner methodischer Übungen wird die Thematik diskutiert und erarbeitet. Dauer: 1,5 Std. • • • • • Mannomann, was die Malerei alles kann Immer anders abstrakt Oder hat der Künstler das gesagt? Das Ding mit der Kunst Klingende Farben und rhythmische Flächen ÖFFNUNGSZEITEN Di, Mi, Fr 10–18 Uhr/ Do 10–20 Uhr/ Sa, So 11–18 Uhr KOSTEN Der Eintritt für Schülerinnen und Schüler im Klassenverband sowie für Begleitpersonen ist kostenlos. Die Preise sind ohne Gewähr. / Stand: November 2012 1-stündige Führungen: bis 10. Klasse kostenlos / ab 11. Klasse: 35,00 Euro 1,5-stündige Werkgespräche: bis 10. Klasse 17,50 € / ab 11. Klasse: 52,50 Euro 3-stündige Workshops: 52,00 Euro III. WORKSHOPS IM STUDIO MP Workshops im Studio MP. Dauer: 3 Std. GRUPPEN-GRÖSSE Aus pädagogischen und inhaltlichen Gründen teilen wir die Gruppen ab einer max. Teilnehmerzahl von 15 Personen. Für die Workshops im Studio können Sie auch mit größeren Gruppen kommen. • • • • VERTEILER Möchten Sie in den Verteiler für Schulangebote der Staatlichen Museen zu Berlin aufgenommen werden? Dann senden Sie eine E-Mail an: [email protected] Double Elvis: Pop-Art und die Kunst der Vervielfältigung Das ist ja ein Ding! Alltagsgegenstände in der Kunst Real – Abstrakt – Real „Das ist ja Krikelakrak“ Schulpaket Neue Nationalgalerie IMPRESSUM Staatliche Museen zu Berlin, Besucherdienste Verantwortlich: Christoffer Richartz Idee und Redaktion: Daniela Bystron Texte: Kolja Kohlhoff, Markus Strieder Gestaltung: Julia Devies © 2012 Staatliche Museen zu Berlin. BILDNACHWEISE Hanson, Duane: Riot: Policeman and Rioter, 1967 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012 Paik, Nam June: Zen for TV, 1963/90 © Estate of Nam June Paik, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Jens Ziehe Judd, Donald: Untitled (4 Units), 1966/77 © Art Judd Foudation. Licensed by VAGA, NY / VG Bild-Kunst, Bonn 2012 Sitte, Willi: Amputierter Mann am Strand, 1968 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Andreas Kilger Lichtenstein, Roy: Femme dans un fauteuil, 1963 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: bpk / Jens Ziehe Stella, Frank: Sanbornville I, 1966 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Jörg P. Anders Merz, Mario: Che fare, 1968 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marzona / Jens Ziehe WOLS: Peinture, 1946/47 © VG Bild-Kunst, Bonn 2012, Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Jens Ziehe Schulpaket Neue Nationalgalerie