Erasmus-Erfahrungsbericht Politecnico di Torino, Sommersemester

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Erasmus-Erfahrungsbericht Politecnico di Torino, Sommersemester
Erasmus-Erfahrungsbericht
Politecnico di Torino, Sommersemester 2011 (Architektur / Architekturvermittlung)
1. Vorbereitung
Die Entscheidung, ein Sommersemester in Italien zu verbringen, fällte ich schon über ein Jahr vor der
Abreise - dementsprechend hatte ich ausreichend Zeit zur Vorbereitung. Die Betreuung an der BTU
war sehr gut und umfassend, so dass alle Schritte im Bewerbungsprozess und sämtliche Formalitäten
klar waren.
Meine Wahl fiel auf Italien, als wunderschönes, kulturell sehr reiches und vielfältiges Land - und auch
weil ich grundlegende Sprachkenntnisse bereits aus der Schule mitbrachte. Glücklicherweise erhielt
ich außerdem noch einen Platz im Erasmus Intensive Learning Course, einem von der EU bezahlten
Sprachkurs im idyllischen Siena. Dieser 4-wöchige Intensivkurs war eine wichtige Auffrischung meiner
Sprachkenntnisse und da die Lektionen recht fordernd waren ging auch viel weiter. An den
Wochenenden wurden gemeinsame Ausflüge in die im Februar bereits blühende Toskana organisiert.
Ich konnte zahlreiche Kontakte zu anderen Erasmusstudenten knüpfen - die sich danach allerdings in
alle Regionen Italiens verstreuten.
Die Ankunft in Turin war somit ein kompletter Neubeginn. Für Turin hatte ich mich entschieden, da
es gute Kontakte zwischen dem Leiter meines Studienganges und dem Politecnico gab. Zur Auswahl
standen auch noch Rom und Mailand, ich suchte allerdings eine etwas ruhigere Großstadt und habe
meine Wahl nie bereut.
2. Unterkunft
Nachdem ich die Sprache und das Land möglichst gut kennen lernen wollte, hatte ich vor, eine
italienischsprachige WG zu finden. Die Suche von der Ferne stellte sich aber komplizierter heraus,
als zuerst angenommen, da fast niemand Mitbewohner für bloß fünf Monate sucht und alle die Leute
vorher kennen lernen wollten.
Erst nach langer, mühevoller Recherche im Internet und mit der Hilfe einer Turiner Freundin, die für
mich Wohnungen besichtigte, fand ich meine WG mit zwei sehr sympathischen Italienern. Einfacher
wäre es bestimmt gewesen, bei der Anmeldung am Politecnico anzugeben, dass man einen Platz im
Wohnheim benötigt, aber für mein Ziel haben sich die Mühen ausgezahlt. Meine Sprachkenntnisse
haben sich während des Aufenthalts, auch Dank der Geduld und Hilfe meiner Mitbewohner, deutlich
verbessert.
Das Kostenniveau der WG-Zimmer ist recht unterschiedlich. Für Italiener ist es sehr üblich, sich ein
Zimmer (!) zu teilen. Diese Doppelzimmer bekommt man bereits ab etwa 150 Euro monatlich. Für ein
Einzelzimmer muss man mindestens 250 Euro (kalt) zahlen, mit allen Spesen können die Zimmer
dann bis zu 400 Euro kosten.
3. Studium an der Gasthochschule
Aufgrund meines Sprachaufenthaltes in Siena verpasste ich das Welcome Meeting am Politecnico,
was allerdings kein Problem darstellte - in einer vorbereiteten Mappe fand ich alle wichtigen
Informationen für den Start. Die Organisation des International Office ist sehr gut, die Betreuung war
stets rasch, kompetent und freundlich.
Das Architekturstudium am Politecnico di Torino ist in zwei verschiedenen Fakultäten organisiert.
Wer ein Entwerfen in einer der beiden Fakultäten belegt, kann seine anderen Kurse auch jeweils nur
aus dieser Fakultät wählen. Inhaltlich gibt es einige Unterschiede - der Fokus in der Fakultät 1 liegt
eher auf Konstruktion und Bautechnik, während es in der Fakultät 2 einen Schwerpunkt auf
Restaurierung und Geschichte gibt. Da ich allerdings keine Entwurfs-Kurse belegte, hatte ich die freie
Wahl aus allen Kursen der beiden Fakultäten. Nachdem ich mein Studium an der BTU schon fast
abgeschlossen hatte, musste ich nicht darauf achten, gleichwertige Kurse zu belegen, sondern konnte
aus dem vollen Angebot schöpfen. Mein Erasmus-Betreuer am Politecnico gab mir gute Ratschläge
und Tipps - ließ mir allerdings völlig freie Wahl.
Die Qualität und das Niveau der vier Kurse die ich belegte waren sehr unterschiedlich, jedoch fast
durchwegs niedriger als an der BTU. In dem breiten Angebot gab es nur einen englischsprachigen
Kurs! Die Austauschstudenten, die nicht so gute italienische Sprachkenntnisse hatten, waren von der
Uni viel mehr gefordert als ich. Kontakte zu anderen internationalen Studierenden waren sehr rasch
zu knüpfen, die italienischen Studenten waren hingegen etwas zurückhaltender.
4. Alltag und Freizeit
Die wunderschöne Stadt Turin hat mich völlig in ihren Bann gezogen: Sie ist als eine der wenigen
italienischen Städte vom Massentourismus noch verschont und dadurch wirklich lebenswert und
authentisch geblieben. Der Blick, den man in den Wintermonaten auf die nahe gelegenen
schneebedeckten Alpen hat, ist einfach traumhaft. Bei Regen kann man trockenen Fußes durch die
Arkaden im Zentrum zu schlendern, die Sonne lässt man sich am besten am grünen Poufer auf den
Bauch scheinen - und bei jedem Wetter empfiehlt es sich, sich abends auf einen Aperitivo auf der
Piazza Vittorio Veneto zu verabreden.
Turin - die erste Hauptstadt Italiens - war im Frühjahr 2011 Schauplatz zahlreicher Feierlichkeiten
zum 150sten Jubiläum der italienischen Einheit. Dementsprechend verwandelte sich das Zentrum
fast jedes Wochenende in eine große Partymeile, mit Konzerten, Paraden und vielen feiernden
Menschen.
Einer meiner Lieblingsplätze in der Stadt war der Parco del Valentino, der einzige größere Park in der
Nähe des Zentrums - in dessen Mitte das barocke Castello del Valentino, der Sitz der
Architekturfakultät liegt. An heißen Tagen ist der Park am Fluss der einzige Ort, wo man abends ein
bisschen frische Kühle genießen kann.
Außerdem bin ich dem italienischen Essen komplett verfallen! Ein großartiger Ort, um sich mit
köstlichen Lebensmitteln einzudecken ist der Mercato di Porta Palazzo, der größte Freiluftmarkt
Europas. Dort gibt immer viel zu sehen, riechen und kosten! Zu Preisen für eine schmale
Studentenbrieftasche gibt es saisonales Obst und Gemüse und eine reiche Auswahl an Wurst, Fleisch,
Fisch und Käse.
Ein weiterer Vorteil der Stadt ist ihre Lage - weder ans Meer noch zu den Gipfeln der Alpen fährt man
länger als eineinhalb Stunden. Ebenfalls besuchenswert sind die in der Umgebung der Stadt
gelegenen prächtigen Barockschlösser der Savoyerfürsten.
5. Fazit
Auch wenn der Beginn, mit der langwierigen Wohnungssuche und ohne Kontakte in der neuen Stadt
etwas stressig war, habe ich mich rasch gut eingelebt und dann außerordentlich wohl gefühlt. In
dem halben Jahr habe ich mich persönlich weiterentwickelt, viel Spaß gehabt, beherrsche jetzt die
Sprache flüssig und hatte es nach fünf Monaten schwer wieder abzureisen. Mein nächster Flug nach
Turin ist allerdings schon gebucht...
Ich kann allen von euch nur empfehlen, ein Auslandssemester (oder noch besser: ein Jahr) zu wagen am besten in Turin!