Goethe-Institut Mumbai - Student und Arbeitsmarkt
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Goethe-Institut Mumbai - Student und Arbeitsmarkt
Abschlussbericht meines Praktikums am Goethe-Institut Mumbai Am 22.7.2011 erhielt ich eine E-Mail aus Mumbai. Der Inhalt mit einer Zusage auf meine Bewerbung vom Mai desselben Jahres machte mich mehr als glücklich. Völlig unerwartet kam diese Zusage und dementsprechend überrumpelt und euphorisiert war ich im ersten Moment, natürlich auch stolz, dass meine Bewerbung es geschafft hatte, unter so vielen Anwärtern/-innen hervorzustechen und zu überzeugen. Im nächsten Moment kamen jedoch auch schon die Zweifel auf: Würde ich dem allem gewachsen sein? Eine völlig neue Umgebung, meilenweit weg von meiner Familie, meiner Freundin, meinen Freunden, das Chaos einer Riesenmetropole mit 18 Mio. Einwohnern, das Arbeitsumfeld in einem sehr renommierten und international tätigen Institut für Kultur- und Spracharbeit. Keine Frage, etwas unsicher war ich und hatte Angst davor, was mich dort erwarten könnte. Die Zweifel vergingen auch nicht, doch mein Wille sagte deutlich: Du gehst, du musst das tun! Und trotz aller Zweifel und Ängste nahm ich die Vorbereitungen schon am nächsten Tag auf und bald war ich von Vorfreude und Reiselust gepackt, auch wenn mein Praktikum erst im Dezember beginnen sollte. Beim Institut erkundigte ich mich nach finanzieller Unterstützung und Unterkunft. Wie schon geahnt, war die Auskunft nicht gerade erfreulich, denn das Goethe-Institut – so heißt es offiziell – hat nicht genügend Zahlungsmittel, um Praktikanten finanziell unter die Arme zu greifen oder in einer gesponserten Wohnung unterzubringen. Daher war klar: Es ging an meine eigenen Reserven, ich musste noch hinzuverdienen und mich bei Student und Arbeitsmarkt um einen Zuschuss bemühen. Ein weiteres Problem war es, in Mumbai eine Unterkunft zu finden. Ich beschloss der Wohnungssuche vor Ort nachzugehen und buchte für die ersten zwei Wochen ein Hotelzimmer für 600 Rupees pro Nacht gleich gegenüber dem Institut. Meinen Flug buchte ich so, dass ich eine Woche vor Praktikumsbeginn in Mumbai landen würde. So hatte ich Gelegenheit, mich vor dem Praktikum an Stadt und Menschen zu gewöhnen. Falls möglich, würde ich hier eine längere Eingewöhnungszeit empfehlen, da man tatsächlich erst nach mehreren Wochen wirklich ankommt und sich zurechtfindet. Schon vor Praktikumsbeginn erkundigte ich mich auch nach Expat-Gruppen in Mumbai, also Gruppen von Zugereisten, und wurde auch fündig. Bei Facebook fand ich zwei Gruppen: Mumbai Expats und Bombay Expats. Dort zeigen viele Mitglieder freistehende Wohnungen oder WG-Zimmer an, man kann dort auch mehr über Expat-Events (Partys, Ausflüge, Treffen etc.) erfahren und sehr einfach mit Leuten in Kontakt kommen und diesen alle möglichen Fragen stellen. Ich lernte einige Leute über diese Gruppen kennen, die ich dann auch persönlich vor Ort getroffen habe und die mir in einigen Situationen ausgeholfen haben. Auch bin ich dort auf eine Anzeige von einer deutschen Studentin in Mumbai gestoßen, in der sie ihr leerstehendes WG-Zimmer bewarb, welches ich mir dann in Mumbai angesehen habe, es aber als zu teuer befand. Nachts um 3 Uhr landete ich in Mumbai. Trotz der Uhrzeit war die Hitze für mich im ersten Moment überwältigend. Ebenso überwältigend war die Menschenmasse, die mich im Empfangsbereich außerhalb des Flughafengebäudes empfing. Hunderte von Fahrern, die ihre Namensschilder in die Höhe hoben, darunter auch ein Schild mit meinem Namen darauf, den Fahrer hatte das Goethe-Institut organisiert. Auch wenn der Fahrer die Adresse des Hotels wusste, konnte er das Hotel zunächst nicht finden, denn Straßennamen sind in Mumbai nicht unbedingt bekannt, außerdem ändern sie sich gelegentlich, man orientiert sich vielmehr an Landmarks, an Restaurants etc. Nach einigem Herumfragen machten wir das Hotel schließlich ausfindig. Auf einem nahegelegenen Platz schliefen obdachlose Menschen auf der Straße. Auf der Straße lebende Menschen habe ich schon Japan, den USA gesehen, selbst in Deutschland sieht man Obdachlose, der Unterschied ist, dass es sich in Mumbai um ganze Familienclans handelt, nicht etwa um einzelne Personen. Sie schlafen ohne jegliche Bedachung am Straßenrand oder auf Plätzen. Auch im Eingang des Hotels schlief jemand, den der Fahrer wirsch aufzuwecken versuchte, um nochmals nach dem Hotel zu fragen, denn es stand nirgendwo geschrieben, dass sich in dem Gebäude ein Hotel befinde. Der Mann bestätigte und ich zog in meine erste Unterkunft, das Hotel Lawrence, ein, ein simples, für indische Verhältnisse jedoch recht sauberes, preisgünstiges Hotel mit Frühstück (1 Pan = Semmel/Brötchen, 1 Banane, 1 Kanne Chai = Milchtee) und mit freundlichem, hilfsbereitem Personal. Die ersten Wochen waren sehr aufregend in dieser noch komplett fremden Kultur, diese Megacity mit all dem Lärm der hupenden Autos, dem Smog und den Menschenmassen und der überall sichtbaren Armut. Ich erkundete vor allem den Süden Bombays, das Gateway of India, das Taj Mahal Hotel, wo 2008 die Anschläge stattfanden, die Zugstationen, die großen Straßen und einige der im Lonely Planet empfohlenen Restaurants. Anfangs war ich noch recht grün hinter Ohren, was so mancher Inder zu riechen schien, der dann auf mich zukam, mich in ein Gespräch verwickelte und mir als persönlicher Guide die Stadt zeigen oder mir Drogen verkaufen wollte. Auch die Bettler und Bettlerkinder bin ich anfangs nur schwer losgeworden und wusste nicht so recht, wie ich reagieren sollte. Nach 2 Wochen aber lernte ich, wie man Mumbais Straßen zu beschreiten hat, so dass der Guide, der Dealer oder der Bettler kein großes Interesse hat oder erst gar keine Gelegenheit bekommt. Freundliche Souveränität ist auch ein gutes Mittel, um Zudringliche mit einem kühnen Lächeln abzuwehren. Am ersten Tag – das Adrenalin oder die Abenteuerlust ließ mich nicht länger als bis 9 Uhr morgens schlafen – besuchte ich direkt meine künftige Arbeitsstelle. Dort stellte ich mich allen als der nächste Praktikant vor, meine Vorgängerin – zufällig auch aus München, mit der ich immer noch Kontakt halte – führte mich im Gebäude herum und zeigte mir alles, bevor sie wieder zur Arbeit zurückkehrte, da sie einiges zu erledigen hatte. Die Mitarbeiter des Goethe-Instituts sind hauptsächlich Inder, hauptsächlich Frauen. Die Institutsleiterin aber ist deutsch, auch der Leiter der Sprachabteilung ist deutsch ebenso eine weitere freie Mitarbeiterin, die speziell für das Deutschlandjahr in Mumbai war und ehemalige Praktikantin ist. Letztere war hauptsächlich meine Ansprechpartnerin und diejenige, die mir die Aufgaben gab. Die Wohnungssuche stellte sich als nicht allzu einfach heraus, die Preise – anders als erwartet – als nicht allzu günstig. Da mein erstes Hotel stets ausgebucht ist, war ein längerer Aufenthalt als 2 Wochen nicht möglich und ich musste das Hotel wechseln. Von dort suchte ich weiter. Schließlich lernte ich Krischna kennen, ein guter Freund und später mein Zimmergenosse. Gemeinsam suchten wir uns eine Wohnung im Stadtteil Bandra West, einem eher vornehmen Viertel, in dem viele Ausländer verkehren bzw. auch leben und in dem die Nachtszene recht groß ist. Die Preise sind dort zwar vergleichsweise hoch, doch mit 16.000 Rupees pro Monat waren wir zufrieden und hatten es zudem nicht weit zur Meerpromenade und zu einigen Clubs und guten Restaurants im Stadtteil. Am Goethe-Institut ging es drunter drüber als ich dann endlich anfing. Wegen des Deutschlandjahres und den anstehenden Events war sehr viel zu tun und ich durfte gleich richtig mitanpacken. Meine Arbeit beschränkte sich auf die Kulturarbeit, mit der Sprachabteilung hatte ich kaum zu tun. Der einzige Farbdrucker steht neben dem Arbeitsplatz der Praktikanten, weswegen Druckaufträge oft an mich weitergegeben wurden. Auch der einzige Scanner ist dort platziert, Scannaufträge kamen also auch stets zu mir. Mein Aufgabengebiet beschränkte sich aber nicht auf solch geistlose Arbeit. Meine Erfahrung war, dass wenn man sich engagiert zeigt und sich einsetzt und gezielt nach seinen Aufgaben sucht und sich speziell in ein Projekt einbringt, dann kann man sehr aktiv an der Organisation eines Konzertes, einer Ausstellung oder einer Lesung beteiligt sein. Da das Deutschlandjahr im vollen Lauf war, kamen von Künstlern, Investoren oder Veranstaltern immer mehr Anfragen nach Presseartikeln rein. Die Presse war tatsächlich voll mit Artikeln, in denen die Ausstellungen, die Konzerte, welche das Goethe-Institut organisiert hatte, angekündigt oder rückblickend dargestellt wurden. Meine Aufgabe war also auch, die Presseartikel in einem neu angelegten Ordnersystem abzulegen und zu ordnen und auch geeignete Artikel als Email oder per Post an Anfrager zu schicken. Andere Anfragen beantwortete ich mit dem Senden von Flyern und Postern. Bei dieser Arbeit ging es vornehmlich darum, das Goethe-Institut und dessen Arbeit nach außen zu repräsentieren. Auch beim Ankündigen der anstehenden Veranstaltungen war ich zum Ende des Praktikums hin zuständig und verantwortlich. Dabei musste ich Ankündigungen auf die Webseite des Instituts hochladen, bei Facebook ankündigen und Newsletter an die Presse usw. verschicken. Die Texte mussten zuvor natürlich gestaltet werden, was auch in meinen Aufgabenbereich fiel. Da viele Texte in Englisch verfasst werden mussten, lernte ich dahingehend einiges hinzu, natürlich lernte ich auch im alltäglichen Sprachgebrauch enorm hinzu, was meine Englischkenntnisse betrifft. Auch wenn ich in Projekte nicht direkt als organisierendes Glied eingeführt wurde, bekam ich von hinten herum tiefe Einblicke in den Ablauf der Organisation und Durchführung der Veranstaltungen. Unter anderem durfte ich Ablaufpläne für mehrere Tage erstellen: Die Abholung der Künstler/Musiker vom Flughafen und die Unterbringung im Hotel, der Ablauf der Veranstaltung, womöglich ein Dinner am Ende der Veranstaltungstage und schließlich wieder die Abreise. Auch hatte ich Einblick in Künstlerveträge, Zahlungsstrukturen und Kosten sowie die Visabeantragung, die Hotelbuchung, die Organisation von Veranstaltungsorten uvm. Was ein wirklich großer Vorteil eines Praktikums am Goethe-Institut ist, ist die gegebene Möglichkeit, die Kunst- und Musikszene Deutschlands aus einem ganz anderen Blickwinkel kennenzulernen. Zudem kann man den Veranstaltungen nicht nur kostenfrei sondern auch als mitwirkender Teil des Projekts beiwohnen. Man kann bei Künstlerinterviews dabei sein, man kann bei Pressegesprächen dabei sein, man kann die Künstler hautnah erleben und sie kennenlernen. Mit einer Künstlergruppe aus NRW war ich oft in Kontakt, da sie einerseits in einer Wohnung unweit meiner wohnten und zweitens des Öfteren zu unseren Veranstaltungen kamen. Mit ihnen trank ich gelegentlich ein Bier oder zwei, einmal habe ich meine Wäsche bei ihnen gewaschen, da ich bei mir nur per Hand waschen konnte. Das spannende an einem Auslandspraktikum nicht nur in Mumbai ist nicht unbedingt die Arbeit selbst, sondern vielmehr das (Er-)Leben, die neuen Eindrücke und die Menschen, die man trifft. An dieser Stelle möchte ich noch eine Plattform im Internet empfehlen, über die ich sehr schnell viele lustige und nette, heute gute Freunde kennengelernt habe. Es handelt sich um Couchsurfing.com. Wer auf Reisen geht oder auf befristete Zeit in einer Stadt im Ausland ist, dem empfehle ich, sich hier anzumelden und Leute anzuschreiben. Das Konzept ist einfach: Vor Ort Wohnende, die „Hosts“, bieten ihre Couch an Reisende, die „Surfer“, an. Sofas habe ich erst nach meinem Praktikum in Anspruch genommen, doch auch so kann man über diese Plattform viele Leute kennenlernen. Oft genug gibt es Treffen, Partys, Ausflüge etc. Es lohnt sich! Denn die Mitglieder sind zumeist weltoffene, häufig selbst reisende und gebildete Menschen, sehr einladend und freundlich. Zufällig lernte ich dort auch einen Arzt kennen, der beim Goethe-Institut Deutschstunden nahm und mit dem ich jetzt sehr gut befreundet bin. Mit ihm war ich auf unglaublich vielen Partys, in verschiedensten Clubs und Locations, habe sehr viele von seinen „Surfern“ aus aller Welt kennengelernt und sehr viel Spaß mit ihm gehabt. Vorteil: Er wusste, wie man mit Leuten redet, kannte außerdem einige Leute in der Szene, sodass wir des Öfteren auf der Gästeliste von Clubs standen, in die man unter normalen Umständen nicht so ohne Weiteres hineinkommen würde. Ich kann jedem nur empfehlen sich auch indische Freunde zu suchen, da diese wirklich wissen, wie alles läuft und einem in verschiedensten Situationen weiterhelfen können. Durch meine indischen Freunde lernte ich Mumbai von einer ganz anderen Seite kennen, als ich es selbst oder über deutsche Freunde kennenlernte. Ich erfuhr die tatsächlichen Preise für verschiedene Waren, die der durchschnittliche Inder zahlt, denn dem Ausländer werden natürlich stets höhere Preise genannt. Ich habe private Hauspartys erlebt, die ich sonst nie gesehen hätte. Ich habe sehr interessante Gespräche über indische Philosophie, Yoga und Gesundheit sowie Psychologie mit meinem indischen, aus Rajasthan stammenden, Zimmergenossen geführt. Von Krishna lernte ich außerdem, wie man einige indische Gerichte kocht, lernte überhaupt einige für mich neue Gemüse- und Obstarten kennen. Von meinen indischen Freundinnen erfuhr ich vieles über die Heiratspraktiken und die Rolle der Frau in Indien. Ich lernte die Jugendszene kennen, die kreativen Köpfe, ich lernte sehr bedeutende, reiche Leute kennen, die mich mit in ihren privaten Pool-Club – ein willkommener Erholungs- und Rückzugsort vom stressigen und geschäftigen Mumbai – mitnahmen und mich zu sich zum Essen einluden. Rückblickend kann ich sagen, dass jede Vorbereitung nicht genug ist, denn erst vor Ort erfährt man wirklich, wie es in Mumbai ist. Und so verhält es sich wohl mit jeder anderen Stadt auch. Am besten lernt man die Stadt über seine Einwohner kennen. Wenn man nur das äußerliche Erscheinungsbild sieht, dann wirkt Bombay abschreckend laut, unhygienisch, chaotisch und furchtbar stressig. Doch wenn man seine Freunde hat, wenn man seine Orte hat, wo man sich wohl fühlt, wenn man etwas Abenteuerlust hat, dann macht diese Stadt einen Riesenspaß. Natürlich hat man trotz allem zeitweise mit Magenkrämpfen, mit Fieber und Übelkeit, mit Diarrhö zu kämpfen, da man das Essen und die Bakterien im Essen, im Wasser und in der Luft nicht gewohnt ist. Auch hat man mit dem vielen Verkehr und der Lautstärke, außerdem mit dem Smog zu kämpfen. Und die Bettler, die unter übelsten Bedingungen leben, die Verstümmelten. Der viele Schmutz und Müll, der die ganze Stadt zu bedecken scheint. Es ist ein Dschungel, in dem sich nicht jeder wohlfühlen kann. Doch die Energie, der Geist der Stadt ist äußerst packend und man spürt das Leben hautnah, man fühlt sich lebendig. Daher kann ich die Stadt trotz widriger Umstände durchaus empfehlen. Auch das Praktikum am Goethe-Institut kann einen Riesenspaß machen, wenn man sich engagiert und sich für Kunst und Musik sowie Literatur interessiert und natürlich für die Organisation von Ausstellungen und Konzerten. Die Arbeitsweise dürfte international relativ dieselbe sein, wenn auch politische und gesellschaftliche Umstände natürlich die Arbeitsweise beeinflussen. Die Atmosphäre ist, so habe ich gehört, von Institut zu Institut sehr verschieden. Darüber sollte man sich womöglich im Vornherein informieren. Bombays Goethe-Institut und deren Mitarbeiter kann ich jedoch nur wärmstens empfehlen. Es ist sehr familiär, alle sind sehr freundlich und hilfbereit.