Anhang 2 - Marburger Bund
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Anhang 2 - Marburger Bund
1 Anhang 2 2 3 4 5 6 7 8 Die Weiterbildung in den Niederlanden Ein Vergleich der Qualität der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin ist schwierig. Zu bedenken ist aber, dass die Weiterbildungszeit in Deutschland mindestens 5 Jahre, in den Niederlanden nur die von der EU-Richtlinie vorgegebene Mindestzeit von 3 Jahren beträgt. In England wird eine Erweiterung der Weiterbildung für Hausärzte von 3 auf 4 Jahre für erforderlich gehalten1. Vergleich: Weiterbildung in den Niederlanden / Deutschland : Niederlande Deutschland Weiterbildungszeit: 3 Jahre plus Allgemeinmedizin 5 Jahre , (vorher als *arts assistent Geriatrie 5 plus 18 Monate mehrere Jahre Klinik) Bewerbung/Auswahlverfahren 2 mal im Jahr beschränkte Freie Wahl Plätze max. 3 Bewerbung – dann aus Jahresurlaub 25 Tage 30 Tage Dienste pro Monat 2-3 unbezahlt 0-4 extra Vergütung (Nacht oder WE) Gehalt 2300 Euro / Monat Im Förderprogramm am28000 Euro / Jahr bulant mindestens 3.500 unverändert seit 2007 Euro /Monat (Fördersumme). Arbeitszeit Arbeitsleistung Weiterbilder Anzahl Weiterbilder Vergütung Weiterbilder Universitäten Vergütung 8 Kompetenzzentren Prüfungen 36 Std / Woche – 1 Tag Uni 1.Jahr 10 Pat/Tag 2.Jahr 20-30 Pat/Tag 3.Jahr eigene Sprechstunde 1800 / 80 Krankenhäuser 150 Euro / Woche 700 Euro / Monat 20 % von 130 Mill Euro / 8 UK = 3,25 Mill Euro /UK halbjährlich 9 1 Health Eduation England (HEE); www.hee.nhs.uk. In der Klinik Tarifgehalt 4.111 - 5.285 Euro / Monat 49.332 – 63.420 Euro /Jahr plus Dienstbezahlung Jährliche Tarifsteigerung 40 Std / Woche Klinik 2- 3 Jahre Praxis je nach Stätte 5000 (7000) geförderte unbegrenzt ohne Förderung Keine Keine da LÄK organisieren Endprüfung 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 *arts assistent: ein Arzt , der ein Studium der Medizin abgeschlossen hat und voll berechtigt ist, aber (noch) kein Facharzt ist. Ist die Weiterbildung Allgemeinmedizin nach niederländischem Vorbild wirklich besser? Schon die Zulassung zur Weiterbildung ist anders als in Deutschland schwierig. Es gibt mehr Bewerber als Weiterbildungsstellen (im Verhältnis zur Bevölkerung bilden die Niederlande mit jährlich 2,850 neuen Medizinstudenten2 etwa 50% mehr Ärzte aus als Deutschland). Vorteile hat, wer vorher schon als „arts assistent“ gearbeitet hat. Ein „arts assistent“ ist im niederländischen Gesundheitswesen ein Arzt, der ein Studium der Medizin abgeschlossen hat und zur ärztlichen Tätigkeit voll berechtigt ist, aber (noch) kein Facharzt ist. „Arts assitenten“ können unterteilt werden in: Doktor in der Facharztausbildung (AIOS) Arzt nicht in Facharztausbildung (ANIOS) Die Zeit als ANIOS wird nicht auf die Weiterbildung anerkannt, egal was man gemacht hat. Ganz anders in Deutschland: Wenn es fachlich vertretbar ist, wird möglichst viel Zeit – auch aus anderen Fachgebieten - auf die WB Allgemeinmedizin angerechnet, wie das erfolgreiche Programm „Quereinstieg Allgemeinmedizin“ zeigt. Die Auswahl zur Weiterbildung in den Niederlanden erfolgt über ein Bewerbungsgespräch an einer der 8 Universitäten. Man kann sich maximal drei Mal bewerben. Weiterbildungsgang: Weiterbildungsjahr 1. Weiterbildungsjahr 2. Weiterbildungsjahr 3. 12 Monate Arbeit in einer Praxis unter Aufsicht eines Weiterbilders mit täglicher Besprechungen 1 Tag externe Weiterbildung pro Woche an der Universität 6 Monate Notfallmedizin in einem Krankenhaus Psychiatrie (3 Monate) Pflegeheim (3 Monate) 6 Monate Eins 1 von beiden verpflichtend und ein Wahlfach(3 Monate) 12 Monate Arbeit in einer anderen Praxis mit Schwerpunkt in Versorgung chronischer Patienten und Praxisorganisation Kommunikation und Sozialmedizinische Ausbildung sind durch zeitliche Vorgaben fixiert. Die nähere inhaltliche Ausgestaltung obliegt den Universitäten. Die zeitliche Strukturierung der Weiterbildung in den Niederlanden sagt aber nichts über die spätere Kompetenz der Ärzte aus. Deutschland will daher bewusst bei der Novellierung der Weiterbildungsordnung Kompetenzen in den Vordergrund stellen3. So muss bezweifelt werden, dass die Kompetenzen eines Huisarts in den Niederlanden denen eines Facharztes für Allgemeinmedizin in Deutschland entsprechen, denn die Weiterbildungsinhalte in der Allgemeinmedizin in den Niederlanden und in Deutschland unterscheiden sich fundamental. In Deutschland übliche und in der Hausarztpraxis elementare Untersuchungen wie Ultraschall oder Spirometrie sind offenbar kein Bestandteil des Curriculum in den Niederlanden4. Sogar über die Sinnhaftigkeit eines 2 Olle Ten Cate: Medical education in the Netherlands; in: Med Teach 2007; 29: 752–757 „Kompetenzen abbilden, keine Zeiten“ Interview mit Dr. med. Franz Bartmann, Vorsitzender der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer; Deutsches Ärzteblatt Jg. 112; Heft 21–22 25. Mai 2015 4 Christian Haffner: Was Deutschland von seinen Nachbarn lernen kann. http://www.der-neuehippokrates.com/index.php?section=seite1&subsection=view&id=231 3 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 EKG in der hausärztlichen Praxis wird diskutiert5, die Befundung eines EKG durch Hausärzte ist anders als in Deutschland keine Selbstverständlichkeit6. Im dritten Jahr der Weiterbildung ist der angehende Huisarts in den Niederlanden verpflichtet mindestens 30 Patienten pro Tag zu behandeln. Das entspricht dem Volumen einer ausgelasteten Allgemeinmedizinischen Praxis in Deutschland. Die vorgeschlagenen Kompetenzzentren, sowie das vorgeschlagene Stiftungsmodell orientieren sich an den Niederlanden. Die Stiftung soll nicht nur den Aufwand der Weiterbildung, sondern auch das Gehalt des Arztes, der sich weiterbildet und somit der ärztlichen Leistung in der Versorgung abdecken. Um für 1.800 Weiterzubildenden in Niederlanden nach deutschen Verhältnissen vergleichbare Einkommen und die gleichzeitig Förderung der Weiterbilder und Kompetenzzentren zu erreichen, müssten dort zusätzlich 2000-3000 Euro (pro Monat und Arzt) für die Weiterbildung gezahlt werden, also zwischen 43 Millionen Euro und 63 Millionen Euro jährlich zusätzlich, und insgesamt 200 Millionen. Euro. Deutschland führt mit geringerem finanziellen Aufwand deutlich mehr Ärztinnen und Ärzte zu einem besser qualifizierten Facharzt für Allgemeinmedizin. Würde man die niederländischen Verhältnisse (Größenordnung und Fördersumme jeweils Faktor 5, da Deutschland ca fünfmal mehr Einwohner hat als Niederlanden) auf Deutschland übertragen, müssten 9.000 Weiterbildungsstellen mit 1 Milliarde Euro gefördert werden. 5 Is elektrocardiografie in de huisartspraktijk nuttig? ; Rutten FH et alii; in: Huisarts & Wetenschap nr 11 / oktober 2001 S 477 ff 6 http://www.hartkliniek.com/verwijzers/huisarts-ecg