Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in

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Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in
Ein TAFELWERK für die
BILDSPRACHE
FARBE in MALEREI, FOTOGRAFIE
und COMPUTERGRAFIK
Erklärung
Hiermit erkläre ich, Johanna Barheine, dass
diese vorliegende Arbeit zum Bakkalaureat im
Studiengang Medieninformatik mit dem
Thema „Ein Tafelwerk für die Bildsprache
- Farbe in Malerei, Fotografie und Computergrafik“ von mir selbständig und ausschließlich
unter der Verwendung der im Literaturverzeichnis aufgeführten Informationsquellen
verfasst wurde.
Dresden, 01. 03. 2006
Johanna Barheine
Technische Universität Dresden
Fakultät Informatik
Institut Software- und Multimediatechnik
Lehrstuhl Mediengestaltung
Hochschullehrer: Prof. Dr. Rainer Groh
Betreuer: M. Sc. Ingmar Franke
Ein TAFELWERK für
die BILDSPRACHE
FARBE in MALEREI,
FOTOGRAFIE und
COMPUTERGRAFIK
Bakkalaureatsarbeit im
Studiengang Medieninformatik
von Johanna Barheine
“Formas Rerum Obscuras Illustrat
Confusus Distinguit Omnes Ornat
Colorum Suavis. Nec Vita Nec Sanitas
Nec Pulchritudo Nec Sine Colore
Iunetus. “
„Die herrliche Mannigfaltigkeit der
Farben verdeutlicht die unklaren Formen
der Dinge, entwirrt das Durcheinander
und verschönert alles. Ohne Farbe gibt
es weder Leben noch Gesundheit,
weder Schönheit noch Jugend“
[Londoner
‚International
Exhibition’(1862):
Inschrift in der leuchtfarben ausgemalten Nische
über der ‚Zartgetönten Venus’ von John Gibson,
1851-1856] ([7] GAGE, John, S. 11)
7
INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung - 9
Motivation, Zielsetzung, Gliederung
2 Begriffe und Definitionen - 11
Farbe, Farbmischung, Bildträger, Interaktion
3 Geschichte der Farbe - 13
3.1 Antike - 13
3.1.1 Farbe in der griechischen Malerei - 13
3.1.2 Griechische Farbentheorien - 14
3.1.3 Der Mimesis-Gedanke - 15
3.1.4 Farbenlehre:PLATON und ARISTOTELES -16
3.1.5 Farbe und Symmetrie - 19
3.1.6 Farbenlehre zur Zeit PLINIUS - 20
3.1.7 Glanz und Bewegung - 21
3.1.8 Wichtigkeit der Farbe - 23
3.1.9 Zusammenfassung - 23
3.2 Mittelalter - 24
3.2.1 Mosaike - 25
3.2.2 Gold - 27
3.2.3 Glasfenster - 27
3.2.4 Veröffentlichungen zur Farbe - 29
3.2.5 Farbsprache des Mittelalters - 30
3.2.6 Zusammenfassung - 31
3.2.7 Beginnender Realismus - 31
3.3 Renaissance - 32
3.3.1 GIOTTO als Wegbereiter - 32
3.3.2 Der Streit DISEGNO – COLORE - 33
3.3.3 Quattrocento - 33
3.3.4 Zusammenfassung - 35
3.4 Naturwissenschaft - 36
3.4.1 NEWTON - 36
3.4.2 GOETHE - 37
3.4.3 RUNGE - 39
3.4.4 Zusammenfassung - 41
3.5 Abstecher in die chinesische Malerei - 42
3.5.1 Die chinesische Malerei - 42
3.5.2 chinesische Farbharmonie - 44
3.5.3 Zusammenfassung - 46
3.6 Neuzeit - 47
3.6.1 Technologische Eckpunkte - 47
3.6.2 Fotografie - 52
3.6.3 Film und Fernsehen - 56
3.6.4 Das interaktive Bild - 60
3.6.5 Ein Ordnungsmodell - 81
3.6.6 Zusammenfassung - 83
3.7 Zusammenfassung Geschichte - 83
3.7.1 Farbe von Antike bis Neuzeit - 83
3.7.2 Farbe und Technologie - 85
4 Wahrnehmung von Farbe - 87
4.1 Physiologie - 87
4.1.1 Küppers Farbenlehre - 87
4.1.2 Urfarben und Grundfarben - 89
4.1.3 Farbmischgesetze nach Küppers - 90
4.1.4 Farbe und Gehirn - 90
4.1.5 Tiefenwirkung durch Farbe - 91
4.1.6 Zusammenfassung - 94
4.2 Psychologie - 95
4.2.1 Psychologische Wirkung - 95
4.2.2 Die Urfarbe Rot - 97
4.2.3 Die Urfarbe Blau - 98
4.2.4 Die Urfarbe Grün - 99
4.2.5 Die Grundfarbe Gelb - 100
4.2.6 Farbe und Form - 101
4.2.7 Zusammenfassung - 102
4.3 Zusammenfassung Wahrnehmung - 103
5 Anwendung der Erkenntnisse - 105
5.1 Farbe und Form - 105
5.2 Farbe und Bewegung - 106
5.3 Betrachtungszeit - 108
5.4 Farbe oder Schwarz-Weiß - 109
6 Praktischer Teil: Ein Tafelwerk- 111
7 Zusammenfassung - 113
Fazit und Ausblick
Anhang - 117
Literaturverzeichnis
Bildnachweis
8
1 EINLEITUNG
9
1 Einleitung
Motivation
Welche Konstanten und Bedingungen gibt es in Bildern der Bildtypologien? Diese
Frage steht im Mittelpunkt der Zusammenstellung eines „Tafelwerks für die Bildsprache“ am Lehrstuhl Mediengestaltung.
Das Thema kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. So besteht
die Möglichkeit, Bilder verschiedener Epochen wie der Renaissance und des Mittelalters
auf bildgestalterische Elemente wie zum Beispiel Perspektiven zu untersucht und diese
im Tafelwerk zu formalisieren.
Zielsetzung
Die vorliegende Arbeit wendet sich im Hinblick auf dieses Überthema konkret dem
gestalterischen Aspekt Farbe im Bild zu. Durch die Analyse von Bildern und Gemälden
der Antike, des Mittelalters und der Renaissance soll die Farbe im Bild konkret betrachtet
werden. Ziel ist es, herauszukristallisieren, ob Farbe als gestalterisches Element im Bild
formalisiert und typologisiert werden kann und beispielsweise in einem Ordnungsmodell, Schemata oder einer sonstigen Struktur beschreibbar ist.
Weiterhin wird darauf eingegangen, inwieweit sich Farbe in den neuzeitlichen durch
technische Entwicklungen geprägten Kunstrichtungen wie Fotografie, Bewegtbild von
Film und Fernsehen oder im digitalen Bild der Computergrafik verhält. Es stellt sich die
Frage, ob die Merkmale und Formalisierungen der Malerei auf dieses Gebiet übertragen
und für das interaktive Bild nutzbar gemacht werden können.
Die Untersuchung stützt sich dabei auf die Betrachtung der Farbe im historischen
Kontext von der Antike bis zur Renaissance und tangiert die Fachgebiete der
Wissenschaften über Wahrnehmung und Psychologie (zum Beispiel die psychologische
Wirkung von Farben auf das Wahrnehmungssystem), sowie das Gebiet der
Angewandten Informatik (zum Beispiel Interaktion und Bewegung im Bild durch Farbe).
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1 EINLEITUNG
Das einleitende Zitat beschreibt ein Kunstwerk, das sich zeitlich und inhaltlich an den
zu dieser Zeit entdeckten vorklassischen Überresten von Mykene und Knossos orientiert.
Es verdeutlicht, dass Farbe bereits seit der Antike einen ganz eigenen und bedeutenden
Charakter in der Kunstgeschichte einnahm. Jedoch sind ebenfalls aus der Antike
Berichte überliefert, die die Farbe als etwas rein Dekoratives und somit Nebensächliches
bezeichneten. Dieser Zwiespalt über die Bedeutung der Farbe in Kunst und Malerei setzt
sich in den nachfolgenden Epochen fort.
Gliederung
Der erste Teil dieser Arbeit geht darauf ein, wie sich dieser Zwiespalt in den einzelnen
Epochen von der Antike über das Mittelalter bis zur Renaissance verhält und welche
Aufgabe und Bedeutung der Farbe in der Kunst zugewiesen wird. Dabei wird
miteinbezogen, dass sich das Phänomen Farbe aus den verschiedenen Aspekten
Farbton, Farbsättigung und Helligkeit zusammensetzt, über die sich die Wirkung der
Farbe regulieren lässt.
Im zweiten Teil der geschichtlichen Betrachtung zur Farbe wird die Entwicklung der
Farbe unter Einwirken von technischen Geräten in der Kunst wie Fotoapparat oder
Computer beleuchtet. Die Betrachtung schließt die Frage mit ein, inwieweit sich dadurch
der Charakter der Farbe wandelte beziehungsweise welche Eigenschaften erhalten
bleiben.
Um die Bedeutung und Entwicklung der Farbe bis zum Interaktiven Bild komplett zu
erfassen, reicht es nicht aus, Farbe nur von ihrer geschichtlichen und technologischen
Entwicklung zu betrachten. Es muss ebenso berücksichtigt werden, dass Farbe einen
subjektiven Sinneseindruck im Auge des Betrachters erzeugt. Wie der Farbreiz im Auge
entsteht und wie so genannte unsichtbare Sinneswahrnehmungen (zum Beispiel
kulturell erlernte Konnotation von Farbe) die Wahrnehmung und Wirkung von Farbe
beeinflussen, wird im dritten Teil dieser Arbeit behandelt.
Schließlich ergeben sich aus der geschichtlichen und wahrnehmungspsychologischen
Untersuchung der Farbe einige Ideen und Ansätze für das Interaktive Bild, die anhand
von vier Anwendungsbeispielen erläutert werden.
2 BEGRIFFE und DEFINITIONEN
11
2 Begriffe und Definitionen
Zu Beginn werden wichtige Begriffen, die im Laufe der Arbeit immer wieder von
Bedeutung sind, abgegrenzt und erläutert.
FARBE
Nach DIN (Standard 5033 von 1979) ist die Farbe ein durch das Auge vermittelter
Sinneseindruck, also eine Gesichtsempfindung. Die Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch
die sich dieser Teil bei einäugiger Betrachtung mit unbewegtem Auge von einem
gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bereich allein unterscheiden kann.
Farbe ist also im Unterschied zum Pigment ein subjektiver Sinneseindruck und keine
physikalische Eigenschaft eines Gegenstandes, der entsteht, wenn Licht einer
bestimmten Wellenlänge oder eines Wellenlängengemisches auf die Netzhaut des
Auges fällt. Das Phänomen Farbe ist daher auch nicht auf der Oberfläche der Objekte
selbst lokalisiert, sondern nur auf deren Abbild, das uns unser Gehirn in unserem
Bewusstsein präsentiert, und damit in unserem Gehirn selbst.
Farben können auch durch Pigmente ausgelöst werden. Dabei bewirkt deren räumliche
oder zeitliche Nähe subjektive Kontrastverstärkungen. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 14
ff)
FARBRAUM
Ein Farbraum ist eine Menge von Farben, die innerhalb eines Koordinatensystems
dargestellt und beschrieben werden können. Farbräume können von Ein- oder
Ausgabegeräten (zum Beispiel Scanner, Bildschirm, Drucker oder auch dem Auge) unter
spezifischen Bedingungen erkannt beziehungsweise dargestellt werden kann.
Farbräume werden auch als Farbmodell bezeichnet. Es gibt zum einen technischphysikalische Modelle, bei denen Farben aus anderen Farben gemischt werden (zum
Beispiel RGB, CMYK), zum anderen wahrnehmungsorientierte (perzeptuelle) Modelle,
die Farben durch die Merkmale Helligkeit, Sättigung und Farbton beschreiben (zum
Beispiel HSV, HLS).
FARBMISCHGESETZ
Nach Küppers sind Farbmischgesetze Manipulationsmöglichkeiten des Sehorgans. Bei
Reproduktionsprozessen kommt es darauf an, einen Farbreiz so zu erzeugen, dass im
Betrachter eine bestimmte Farbempfindung erzeugt wird. Die Modulation des Farbreizes
kann durch additive beziehungsweise subtraktive Mischung erfolgen. (vgl. ([20]
KÜPPERS, Harald, S. 19 f)
FARBKONTRAST
Farbkontraste sind eine Möglichkeit, die Wirkung von Farbe und deren gegenseitige
Beeinflussung zu beschreiben.
FARBREIZ
Der Farbreiz ist die Strahlungsleistung, die in den Zapfen der Netzhaut des Auges
absorbiert wird. Er ist die physikalische Ursache für Farbempfindung.
FARBPERSPEKTIVE
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2 BEGRIFFE und DEFINITIONEN
Die Farbperspektive lässt sich begrifflich unterscheiden in die Farbperspektive der
Tiefe und die Farbperspektive der Fläche.
Die Farbperspektive der Tiefe ist ein auf psychologische Untersuchungen aufbauendes
Mittel, dass dazu dient, in einer Abbildung die Illusion von Raumtiefe zu erzeugen.
Konkret erkannte man in der Renaissance die Tiefenwirkungen durch Verblauung,
Trübung, Aufhellung und Unschärfe. In der Verwendung von Farben bedeutet
Verblauung von warm nach kalt, Trübung von leuchtend nach trüb und Aufhellung von
dunkel nach hell. Eine Luftperspektive kann diese Wirkungen unterstützen, indem die
Genauigkeit, der in einem Bild befindlichen Objekte, mit der räumlichen Tiefe abnimmt
zum Beispiel von scharf nach unscharf.
Die Farbperspektive der Fläche bezeichnet das mittelalterlicher Prinzip der Bedeutungsperspektive, das heißt Bildelemente werden entsprechend ihrer Bedeutsamkeit geordnet
(wichtig = groß). Farbe unterstützt die resultierende flächige Wirkung. (vgl. [11] GROH,
Rainer; FRANKE, Ingmar S., S. 3)
METAMERIE
Verschiedene Farbtöne wirken unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch,
unter einem anderen Licht aber können sie unterschiedlich erscheinen. Das heißt, zwei
oder mehrere Objekte sind metamer, wenn sie trotz unterschiedlichen Spektren die
gleiche Farbwahrnehmung auslösen. Zwei Farben, die bedingt gleich sind, sind
metamer, wenn sie unter einer bestimmten Lichtart gleich aussehen.
MIMESIS
Mimesis bedeutet nach Aristoteles Nachahmung beziehungsweise Abbildung von
Natürlichem.
BILDTRÄGER
Ein Bildträger ist der Teil des Bildes, auf den die Farbe aufgetragen wird. Er kann
unterschiedlichen Materials sein, zum Beispiel eine Leinwand, Holz oder ein Monitor.
COMPUTERGRAFIK und COMPUTERKUNST
Computerkunst bezeichnet im Gegensatz zur Computergrafik Bilder, die mit
künstlerischer Intention entwickelt wurden. Computergrafik bezeichnet Arbeiten, die
aus wissenschaftlichem Interesse und Experimentierfreude entstanden sind.
INTERAKTION
Interaktion ist die wechselseitige Einwirkung zwischen Akteuren und Systemen.
3 GESCHICHTE der FARBE
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3 Geschichte der Farbe
3.1 Antike
Seit der Renaissance galt die blendende Reinheit weißen Marmors als eines der
edelsten Merkmale antiker Kunst. Im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch gelangten
Altertumsforscher in ganz Europa und Skandinavien immer mehr zu der Einsicht, dass
Bauwerke und Skulpturen im alten Griechenland tatsächlich bemalt gewesen sein
mussten. Die Entdeckungen der vorklassischen Überreste von Mykene und Knossos in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewiesen, dass die griechische Welt seit jeher
eine äußerst farbenfrohe Welt gewesen war.
Künstler und Architekten machten sich daraufhin die archäologischen Entdeckungen der
griechischen Polychromie zu Nutze und ließen die Ideen in ihre eigenen Kunstwerke
einfließen. So trat beispielsweise GOTTFRIED SEMPER 1834 dafür ein, moderne Bauwerke
nach klassischem Stil bunt zu bemalen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11)
Von den Werken der großen klassischen Malerei ist heute nichts mehr erhalten. Am
Anfang der Entwicklung der abendländischen Kunst steht, was die Malerei betrifft, die
große Leere. Deswegen ist man gezwungen, bei der Beschreibung und Einordnung
antiker Malerei weitestgehend auf schriftlich überlieferte Texte von Dichtern und
Philosophen zurückzugreifen.
Feststeht jedoch, dass antike Schriftsteller mit ebensoviel Begeisterung von den
Gemälden Ihrer Zeit, wie von Skulpturen sprachen. Die Malerei nahm demnach schon in
der Antike einen bedeutenden Platz ein. Erhalten geblieben sind die aus dem 5.
Jahrhundert stammenden Malereien auf den Wänden attischer Vasen und die Fresken in
Etruskischen Gräbern. Ein Beweis für die Bedeutung, den Reichtum und die Vielseitigkeit
dieser Kunst ist ihr Einfluss, den sie bei ihrer Ausbreitung von der mittelmeerischen Welt
bis ins römische Reich und nach dessen Fall bis nach Byzanz zu behaupten wusste. (vgl.
[32] SPITERIS, Tony, S. 7)
3.1.1 Farbe in der griechischen Malerei
Da die Werke der Malerei nicht erhalten sind, ist es schwer, die Rolle der Farbe in der
griechischen Kunst eindeutig zu bestimmen. Nur die Periegeten und die Autoren des
ersten Jahrhunderts v. Chr. geben uns einigen Aufschluss und vermitteln uns durch ihre
Berichte wenigstens einige, wenn auch geringfügige Kenntnisse. Diese Texte wurden
durch mehr oder minder getreue Kopien der Meisterwerke ergänzt. Sie finden sich auf
Vasen und in Mosaiken, dem Schmuck römischer Häuser. Auch Töpferarbeiten können
als weitgehend treuer Abglanz der Monumentalmalerei zur Deutung der Bedeutung von
Farben in der antiken Malerei herangezogen werden.
Im Allgemeinen schien die Farbe in der Antike von außerordentlicher Bedeutung zu sein.
Sie ist ergänzender Bestandteil der Skulptur und der Architektur und trägt zu ihrer
Bereicherung bei. Die Gründe für die Wichtigkeit der Farbe sind zahlreich. Das Klima
und die Art des Lichts sind wahrscheinlich Faktoren, die die griechischen Künstler
beeinflusst haben. Der klare Himmel, die Sonne und die Landschaft haben fade, fast
farblose Töne. Alles scheint von einem hellen Schleier verdeckt zu sein, von dem sich die
Umrisslinien abheben und das Ganze beherrschen. Berücksichtigt man diese
Beobachtungen der Naturgegebenheiten, wird deutlich, wie die Griechen zum Studium
der Farben kamen und weshalb sie dieses sinnlich schmeichelnde Element in ihre
3.1 ANTIKE
14
Architektur und Plastik aufnahmen. Marmor, Stein und Holz wurden durch die
hinzutretende Farbe an Wert gehoben. In dieser Atmosphäre, in der das Licht alle
Einzelheiten zugunsten der Linie auslöscht, dient die Farbe, indem sie sich der
Landschaft anpasst als eine Art Vermittlung. Durch das Spiel der Farbtöne entsteht ein
Ausgleich für die scharf betonten Umrisse, die so ihre Härte verlieren.
Auch mögen praktische Gründe die Anwendung von Farbe veranlasst haben. Noch
heute wird weißer Gipsputz in griechischen Dörfern verwandt. Er soll das Sonnenlicht
auf den Mauern reflektieren und somit vor Überhitzung der Gebäude schützen. Aus
ähnlichen Gründen bemalten die alten Griechen vielleicht ihre Denkmäler und Gebäude.
Bis heute erhaltene Spuren beweisen, dass Statuen, Kulthäuser und öffentliche Gebäude
aber auch weniger bedeutende Bauwerke und Grabstellen mit farbigen Wänden und
dekorativer Bemalung überzogen wurden und so das Auge des Betrachters mit
prachtvoller Polychromie fesselte.
Bis zum Ende des fünften Jahrhunderts nach Chr. sah der antike Künstler die Farbe mit
den Augen des Dekorationsmalers. Aus schriftlichen Überlieferungen wird deutlich, dass
die verwendete Farbskala recht begrenzt war.
Höchstwahrscheinlich wurden die Polychromie und die Komplementärfarbe schon im
vierten Jahrhundert v. Chr. verwandt, doch erst viel später in der hellenistischer Zeit, im
großen Jahrhundert der griechischen Malerei, machte die Technik bedeutendere
Fortschritte. Erst jetzt wurde der Schritt von der vordergründigen zur dreidimensional
wirkenden Malerei vollzogen. (vgl. [32] SPITERIS, Tony, S. 30 f)
3.1.2 Griechische Farbentheorien
Das Phänomen Farbe setzt sich aus vielen Aspekten zusammen. Neben den
Merkmalen des Farbtons und der spezifischen Intensität oder Buntkraft, die für den
modernen Betrachter im Allgemeinen den höchsten Stellenwert einnehmen, gibt es das
Merkmal des Tonwerts. Der Tonwert ist der spezifischen Grad der Helligkeit
beziehungsweise des Helldunkelgehalts einer bestimmten Farbe. Besonders diesem
letzten Merkmal maßen die alten Griechen große Bedeutung bei. Dies hatte ihren Grund
in der griechischen Farbenlehre.
Farbe
Weiß
Element Eigenschaft
Feuer
heiß + trocken
Wasser
kalt + feucht
Rot
Luft
feucht + heiß
Ockergelb
Erde
trocken + kalt
Schwarz
Abbildung 1: die vier Grundfarben des EMPEDOKLES
3.1 ANTIKE
15
Die frühesten schriftlichen Überlieferungen, die sich auf Farbe beziehen, stammen
aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. und spiegeln die Überlegungen des Gegensatzes
Schwarz-Weiß beziehungsweise Dunkelheit und Licht wider. Zu dieser Zeit stellte jener
Gegensatz das Grundgerüst für die komplexen Theorien von EMPEDOKLES (483 - 423 v.
Chr.) und DEMOKRIT (460 - um 370 v. Chr.). (vgl. [7] GAGE, John, S. 11)
EMPEDOKLES nahm vier Grundfarben an (Weiß, Schwarz, Rot und Ockergelb) und ordnete
sie den vier Elementen zu. Weiterhin definiert er vier Eigenschaften, von denen jedes
Element zwei besitzt (siehe Abbildung 1).
In seiner Beschreibung des Malens erwähnt EMPEDOKLES die Formgebung durch Linie
oder Umriss nicht und erklärt das zustande kommen einer Figur aus dem gelungenen
Nebeneinander der Farbmischungen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11ff, 29 ff)
Die Theorien des DEMOKRIT zur Farbenlehre sind uns durch ihre Wiedergabe in den
Werken des THEOPHRAST überliefert. Der Legende nach hat DEMOKRIT eine schriftliche
Abhandlung über Malerei und Farben hinterlassen, die jedoch nicht erhalten ist.
DEMOKRIT unterscheidet wie vor ihm EMPEDOKLES vier Grundfarben, doch ersetzt er dessen
Ockergelb durch Grüngelb. Somit ergeben sich Weiß, Schwarz, Rot, Grüngelb (‘chloron’)
als die vier Grundfarben. Aus deren Mischung sollen sieben weitere, gemischte Farben
entstehen: Gelbrot (aus Weiß und Rot), Purpur (aus Weiß, Schwarz und Rot), Indigo (aus
Tiefschwarz und Grüngelb), Lauchgrün (aus Rot und Indigo oder Grüngelb und Purpur),
Dunkelblau, Nussfarben und Feuerfarben (unter Umständen auch helles Braungelb).
DEMOKRIT glaubte, dass bei der Entstehung der Farben die geometrische Anordnung
der Atome eine Rolle spielen würde. Er hielt die Elemente an sich nicht für farbig. Farbe
schien ihm eine sekundäre Eigenschaft der Außenwelt zu sein, sie war für ihn
substanzlos, eine bloße Wirkung. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11ff, 30 ff)
Die Farbe ist nach DEMOKRIT „nichts von Natur aus Notwendiges sondern ein durch
Gesetz, Übereinkunft, Gewöhnung Angenommenes und Festgestelltes.“ ([9] GOETHE,
Johann Wolfgang, S. 74)
Zum Sehvorgang vertrat DEMOKRIT, die Theorie, dass die beleuchteten Objekte winzige
Partikelchen einer lichtähnlichen Substanz gegen das Auge hin aussenden. (vgl. [7]
GAGE, John, S. 11ff, 30 ff)
Diese Lehren von EMPEDOKLES und DEMOKRIT wurden im vierten Jahrhundert v. Chr.
von PLATON (427 - 347 v. Chr.) und ARISTOTELES (384 - 322 v. Chr.) aufgenommen und
ausgearbeitet. So wurden sie zum Ausgangspunkt für sämtliche späteren Farbordnungen bis NEWTON. ([7]GAGE, John, S. 12)
3.1.3 Der Mimesis-Gedanke
Auch PLATON und ARISTOTELES beriefen sich bei der Entwicklung ihrer Kunsttheorien
sowohl auf die Arbeiten der Maler als auch auf die Werke der Dichter.
PLATON gründete seine Gedanken auf seine persönliche Auffassung der Mimesis und
leitete davon logisch die Behauptung ab, dass die Kunst zu verwerfen sei. ARISTOTELES
sah im Gegensatz zu PLATON die Mimesis als eine Äußerungsform des Verstandes an. Er
errichtete das Gebäude seiner Poetik auf dieser Grundlage und kam so zur Darlegung
der neuen Grundsätze seiner Ästhetik. ARISTOTELES ging von der Unterscheidung der
geistigen Kräfte des Denkens und des Wahrnehmens, der Unterscheidung von Idee und
Abbild aus. Er lehnte die alte Vorstellung ab, welche Idee und Abbild als Einheit ansah.
DEMOKRIT zum Beispiel stellte die beiden Geisteskräfte nebeneinander. Abbild und
Darstellung gaben nach ihm das wirkliche Wesen der Dinge wieder. Er behauptete, dass
das Bild, welches sich im Geiste des Menschen bildet, wenn er seine Umgebung
betrachtet, nicht genau die Dinge im Einzelnen wiedergibt, sondern das Ganze der
sichtbaren Dinge zur Erscheinung bringt. Wenn man das Begriffspaar Idee-Abbild in
16
3.1 ANTIKE
diesem Sinne auffasst, stellt man es in die Nähe des mythischen Denkens, das weniger
eine Summe von Glaubensüberzeugungen als einen Zusammenhang von dichterischen,
in Gestalt erscheinenden Bildern umfasst.
Wenn die philosophischen Systeme PLATONs und ARISTOTELES’ so unmittelbar auf die
Entwicklung der Kunst in ihrem Lande bezogen sind, lassen sich mit einiger Sicherheit
folgende Behauptungen aufstellen:
1. PLATON kannte die Zeit, in welcher sich die Malerei der Aufgabe stellte, das Sichtbare
wiederzugeben.
2. Wenn er die Zusammengehörigkeit von Idee (Verstand) und Abbild (sinnliche
Wahrnehmung) so kritisierte, musste er eine Malerei vor Augen haben, die sich zu einer
anderen Art des Ausdrucks und zur Trennung von Idee (philosophisches Denken) und
Abbild (sinnlich erfassbare Wirklichkeit) bekannte.
3. Sein negatives Urteil bezieht sich auf diese Art der Malerei. Sie ist seiner Meinung
nach minderwertig, weil sie nur kopiert.
4. ARISTOTELES gibt der Mimesis den Rang eines geistigen Aktes. Damit erhält die Kunst,
und die Malerei im Besonderen, die Aufgabe, die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit,
das heißt die Natur zu erkennen. ([32] SPITERIS, Tony, S. 7 f)
Die Unterscheidung der Griechen von Malerei und Plastik begründete sich jedoch
nicht nur auf Farbe und Relief, denn auch ihre Skulpturen waren farbig behandelt.
Wenn Mimesis in ihren Augen die Nachahmung der Natur gewesen wäre, hätte die
Plastik gegenüber der Malerei als die vollkommenere, getreuere und vollständigere
Kunstgattung gelten müssen. Diese Denkweise der Griechen ist jedoch nirgends
überliefert. Wenn der Malerei Relief fehlt, wurde das nicht als Fehler, sondern als
bestimmende Eigenschaft der Malerei aufgefasst. Wenn der Maler nicht nachahmt,
sondern ein Bild hervorbringt, wird das Bild zu einer Wirklichkeit, und nicht zu einer
Kopie der Wirklichkeit. Es kommt der Wahrheit umso näher, je weniger Nachdruck es
auf die körperliche Seite des Wirklichen legt, die eigentlich nicht existiert.
Das Gemälde geht von der Wirklichkeit aus, schafft sich aber, wenn es entsteht, seine
eigenen Maße, so dass es sich nicht in die allgemeinen räumlichen Dimensionen
auflösen kann. Auch die Plastik grenzt sich gegen die äußere Wirklichkeit ab, zum
Beispiel durch architektonische Rahmen. Die Malerei stellt jedoch noch höhere
Forderungen und beschränkt sich nicht nur auf eine Fläche in einer räumlichen Einheit.
Sie projiziert auf eine Bildfläche, zerstört sich aber damit zugleich. Die Bildfläche der
Malerei ist imaginärer Natur, von derselben Art wie die Ebene, auf die die Ideen oder die
Phantasmen des Geistes projiziert werden. ([32] SPITERIS, Tony, S. 8)
3.1.4 Farbenlehre: PLATON und ARISTOTELES
PLATON nahm in seine Farbenlehre Thesen des DEMOKRIT und des EMPEDOKLES auf. In
verschiedenen seiner Werke, deren Schriften zum größten Teil erhalten sind, finden sich
eingestreute Bemerkungen über die Farben. Die ausführlichste Erwähnung findet das
Thema Farbe bei ihm in einem Vortrag über die Schöpfung im „Timaios“, in dem er eine
rationale Theorie der Farben erläutert. Er benennt vier Grundfarben: Weiß, Schwarz, Rot
und eine Farbe, die er als Glänzend beziehungsweise Glanzfarbe bezeichnet.
PLATON verfocht, anders als DEMOKRIT, eine Theorie der Sehstrahlen, die das Auge
beim Sehvorgang aktiv aussendet. In „Menon“ (76 d) heißt es, dass Farben als Ausflüsse
der Körperoberflächen zu betrachten seien, die beim Sehvorgang in dazu passende
Poren des Auges hineinpassen. Weiß war danach der Effekt, der sich aus der
Ausdehnung des Sehstrahls ergibt, der Effekt Schwarz war im Zusammenziehen des
Sehstrahls begründet.
3.1 ANTIKE
17
PLATON hatte nicht vor, bei der Zusammenstellung der Elemente eine handwerkliche
Anleitung zum Mischen von Malfarben zu geben. So konnten seine Erklärungen nicht
durch praktische Versuche verifiziert werden. Vielmehr suchte er das Wesen der Farben
überhaupt aus einer moralischen und theoretischen Symbolik des Lichtes, die dem
Dunkel nur einen negativen Wert zuweist zu erklären.
Farbe ist für PLATON, neben Form und Proportion, ein wichtiges Kriterium von
Kunstwerken. Er fordert auch die Harmonie der Farben, jedoch gibt er keine
eingehenderen Hinweise zur Frage, wodurch Farbharmonie zu Stande kommt. Auch
sieht er sich außerstande, spezifischen Maßverhältnisse beim Mischen anzugeben: „Die
[für die jeweiligen Farben] spezifische Mischverhältnisse der Mischung anzugeben, hat,
auch wenn sich jemand zutraute, es zu wissen, keinen Sinn, denn es handelt sich um
Dinge, für die niemand weder ein notwendiges Gesetz noch einen wahrscheinlichen
Grund auch nur annähert richtig angeben könnte.“ So hinterließ uns PLATON eine
besonders dürftige Farbordnung. (vgl. [7] GAGE, John, S. 26 ff, 64, 143 ff)
ARISTOTELES dagegen, mit seinem weit stärker ausgeprägten Interesse am Experiment,
hat eine wesentlich komplexere Sammlung von Schriften über die Farbe hervorgebracht.
Seine philosophische Schule brachte die einzige theoretische Auseinandersetzung mit
dem Thema Farbe hervor, die uns aus der Antike überliefert ist. ARISTOTELES hat in seinen
Lehren wiederholt Bemerkungen zum Thema Farbe eingestreut, die sich jedoch teilweise
nicht miteinander vereinbaren lassen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff)
In seinem Werk „De anima“ vertrat er die noch lange nachwirkende Lehre, wonach das
Licht dasjenige Medium ist, durch das Farbe erst gesehen werden kann.
In seiner Abhandlung „De sensu et sensibili“ (Von der sinnlichen Wahrnehmung und
ihren Objekten, 442a) erklärt ARISTOTELES, die Farben entstünden aus der Mischung von
Licht und Dunkel, also aus den verschiedenen Abwandlungen des Lichtes durch die
Dunkelheit. Darüber hinaus benannte er fünf zwischen Schwarz und Weiß angesiedelte
Farben, die er als unvermischt ansah und in einer Skala nach der abnehmenden
Helligkeit der Farben anordnete: Gelb, Karminrot, Violett, Lauchgrün und Tiefblau (siehe
Abbildung 2).
Abbildung 2: Farbtafel nach Aristoteles
Die lineare Folge der Farben nach ARISTOTELES lässt sich im Verlaufe eines Tages
beobachten: Das weiße Licht des Mittags wird erst gelblich und wechselt dann über
Orange zum Rot. Wenn die Sonne untergegangen ist, wandelt sich das Abendrot über
ein Purpurviolett zum Nachthimmel, der Tiefblau erscheint. Zwischendurch kann sich
grünes Licht zeigen. Wahrscheinlich haben die wenigsten Menschen einen grünen
Schimmer bei einem Sonnenuntergang gesehen, aber es gibt zahlreiche Fotografien, auf
denen diese Komponente dokumentiert worden ist.
ARISTOTELES neigte hier offenbar zu einem siebenfarbigen, von Schwarz bis Weiß
reichendem Spektrum und brachte als erster das Farbsystem mit einem anderen System,
18
3.1 ANTIKE
dem der musikalischen Harmonie in Verbindung. Er setzte sein siebenfarbiges
Farbsystem in die Nähe der musikalischen Oktave. Diese hatte er zum Vergleich
herangezogen, um die Methode zu veranschaulichen, nach der Farben durch Zahlenverhältnisse systematisch zu erzeugen seien.
In der „Meteorologica“ (372 a) sagt ARISTOTELES von Rot, Grün und Purpur, es seien die
einzigen reinen Farben, die nicht durch Mischung entstehen können. Rot sei der hellste
Farbwert und scheine räumlich in den Vordergrund zu drängen, Purpur und Grün seien
dunkler und treten in den Hintergrund. Violett galt als die dem Dunkel am nächsten
stehende Farbe. Gelb schien ihm keine ursprüngliche Farbe zu sein, da es im Regenbogen durch den Rot-Grün-Kontrast erst hervorgerufen werde. Den Regenbogen
erklärte ARISTOTELES als eine ungewöhnliche Spiegelung des Sonnenlichtes auf den
Wolken. Diese Theorie hielt sich bis ins Mittelalter.
Seine Schrift „Über die Farbe“ bietet nur wenige Variationen zum gleichen Thema,
obgleich hier offenbar Weiß (die Farbe der Luft, des Wassers und der Erde) und Gold
(die Farbe des Feuers) als Grund- und Hauptfarben gelten, während Schwarz schlicht zur
Farbe der im Prozess der Umwandlung begriffenen Elemente wird. Auch hier ist im
Endeffekt die Abwandlung des Lichts durch die Dunkelheit der Entstehungsgrund für die
Farben: Rot gilt als das primäre Produkt einer derartigen Abwandlung.
ARISTOTELES stellt die Forderung, dass man die Betrachtung über die Farben nicht vom
praktischen Standpunkt aus angehen soll, wie ein Maler, der seine Malfarben anmischt.
Vielmehr müsse man die Wirkung von mehreren Farben nebeneinander in der
Anschauung studieren. ARISTOTELES stellt somit fest, dass Farben in Gegenwart
bestimmter anderer Farben ihren Charakter verändern. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff,
26ff, 89 ff, 154 ff, 227 ff)
Als schönste Farben und dem Auge am meisten gefällig galten ihm diejenigen, deren
Mischung aus Weiß und Schwarz eine einfache Proportion (wie etwa 2:3, oder 3:4) zu
Grunde liegt (wie zum Beispiel Scharlach oder Purpur). Weniger schön seien die Farben,
die aus nicht zahlenmäßig bestimmten Mischungen hervorgehen.
Im Großen und Ganzen sind die Ausführungen über das Wesen der bunten Farben
durch die gleiche Unsicherheit gekennzeichnet wie jene PLATONS: „keine Farbe sehen wir
aber rein wie sie ist, sondern entweder durch den Einfluss fremder Farben oder durch
Licht und Schatten verändert; wir mögen daher einen Körper in den Sonnenstrahlen
oder im Schatten sehen, bei starker oder schwacher Beleuchtung, bei dieser oder jener
Neigung der Flächen; immer wird die Farbe anders erscheinen. Ebenso geschieht es bei
Feuer-, Mond-, oder Lampenlicht; den ein jedes von diesen hat eine eigene Farbe. Wenn
sie nun mit der Farbe des Körpers durcheinander spielt, so entsteht die gemischte Farbe,
die wir sehen.“ ([7] GAGE, John, S. 12) Farbe ist also nach ARISTOTELES untrennbar
verbunden mit Untergrund und Beleuchtung.
In der Schrift „Über die Farbe“ fordert ARISTOTELES weiterhin, man solle „die Betrachtung
über die Farben nicht in der Weise anstellen, dass man die Farben vermischt wie der
Maler, sondern dadurch, dass man die zurückgeworfenen Strahlen von bekannten
Farben nebeneinander sieht“. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff)
Eine der anschaulichsten Ausführungen des ARISTOTELES über die Kontrastwirkung von
Farbe ging aus seinen Beobachtungen zur Herstellung von Webstoffen hervor, die er in
seinem Werk „Meteorologica“ beschreibt: „Die gleiche Farbwirkung ergibt sich auch bei
bunten Stoffen; man kann es ja gar nicht ausdrücken, wie sehr der Farbeindruck in
Geweben und Stickereien je nach der Zusammenstellung differiert, zum Beispiel wirkt
Purpurrot ganz verschieden auf weißem oder schwarzen Wollstoff, bei dieser oder jener
Beleuchtung. Darum versichern auch die Buntweber, dass sie, wenn sie bei Lampenlicht
arbeiten, sich öfter in den Farben irren und die Falschen nehmen“. (vgl. [7] GAGE, John,
S. 12 ff)
3.1 ANTIKE
19
Hier wird in bemerkenswert deutlicher Form das Problem umschrieben, das wir heute
unter der Bezeichnung Metamerie kennen. Diese besagt, dass verschiedene Farbtöne
unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch, unter einem anderen Licht aber
unterschiedlich erscheinen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff)
Die vielseitigen Betrachtungen griechischer Philosophen und Naturwissenschaftler zu
den Ursachen und Wirkungen der Farben finden eigentlich erst in der Renaissance eine
Fortsetzung. Es wird zwar auch nach der griechischen Antike von Farbe gesprochen,
jedoch kommen keine wesentlich neuen Gesichtspunkte hinzu.
Von den römischen Schriftstellern behandelte zum Beispiel PLINIUS die Entstehung der
Farbe. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 14 f)
3.1.5 Farbe und Symmetrie
PLINIUS DER ÄLTERE (23 - 79 n. Chr.) überlieferte die Schriften „Über die Symmetrie“
und „Über die Farbe“ des um die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. tätigen Malers
und Bildhauers EUPHRANOR. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Schriften ursprünglich
zu einem Werk gehörten. PLINIUS zweiteilte also etwas, was im frühen griechischen
Denken über die Farbe eine einzige Idee gewesen war.
PLATON hatte in seinem Werk „Menon“ die Farben an sich als Ausflüsse der Körperoberfläche definiert, die beim Sehvorgang in die Poren im Auge hineinpassen: die Farbe
selbst galt als eine Form des vergleichenden Messens („symmetros“), der Symmetrie.
(vgl. [7] GAGE, John, S. 14)
In der späteren Antike wurde der Begriff hauptsächlich als ein bildhauerisches Konzept
verstanden, als Richtschnur für die Proportionsverhältnisse bei der menschlichen Figur.
Die Stoiker betrachteten zur Zeit des PLINIUS sowohl Symmetrie als auch Farbe als die
beiden elementaren, jedoch deutlich verschiedenen Bestandteile der Schönheit. Diese
Darstellung beeinflusste, besonders in ihrer Überlieferung durch CICERO, in hohem Maße
die Ästhetik des Mittelalters.
Die Symmetrie war ein zahlenmäßig begründetes Konzept. Ebenmaß war nur denkbar
im Sinne eines numerischen Verhältnisses zwischen einer bestimmten Anzahl von Teilen.
Bis auf ARISTOTELES’ eher planlose Assoziierung der Farbe mit der musikalischen Oktave
gab es in der Antike keinen Versuch, Farbe in zahlenmäßigem Sinn zu interpretierten.
Der griechische Philosoph PLOTIN (205 - 270 n. Chr.) nahm aus diesem Grund die Farbe
von der Kategorie der Schönheit aus: „Die schönen Farben, wie auch das Licht der
Sonne, da sie einfach [nicht teilbar] sind und ihre Schönheit also nicht auf Symmetrie
beruhen kann, bleiben vom Schönsein ausgeschlossen. Und das Gold, wie kann es da
noch schön sein, und das Funkeln der Nacht…?“ ([7] GAGE, John, S. 14) In dieser Sicht
PLOTINs wirkt die Anschauung seines Lehrmeisters PLATON nach. Es sind zwar keine
Gemälde erhalten, aber der Hinweis auf den Poseidon von EUPHRANOR in einem Text des
ersten nachchristlichen Jahrhunderts spricht von dessen „ganz außerordentlicher
Strahlkraft“. Es war diese als die Wirkung reflektierenden Lichts verstandene Strahlkraft,
der Glanz der Farben, der für den antiken Betrachter ihren wichtigsten Reiz ausmachte.
(vgl. [7] GAGE, John, S. 14)
PLINIUS DER ÄLTERE selbst greift neben EUPHRANOR auch auf griechische Quellen zurück
und spricht sich lobend über den Maler PARRHASIOS (400 - 388 vor Chr.) aus. Er habe in
der Malerei die „Regeln der Symmetrie“ übernommen und die Körperumrisse so
wiedergegeben, dass „die verborgenen Formen sichtbar geworden seien“. ([32]
SPITERIS, Tony, S. 9)
Diese Epoche kann als Krisenzeit der griechischen Malerei bezeichnet werden. Der
griechische Maler ZEUXIS ist der große Gegner von PARRHASIOS. Er verlässt den von den
Vorgängern eingeschlagenen Weg und folgt der Theorie des ARISTOTELES in der
20
3.1 ANTIKE
Darstellung einer vollkommenen Schönheit. Im Gegensatz zu PARRHASIOS stellt ZEUXIS die
sinnliche Wahrnehmung höher als die intellektuellen Werte, die Erscheinung höher als
die Idee. Er bemüht sich, eine Person als Persönlichkeit darzustellen. Sein Ziel war es
weder, sie zu einer Abstraktion zu steigern, noch zu einem bloßen materiellen Ding zu
degradieren. Das Werk ZEUXIS’ wird als Beispiel für vollkommene Mimesis genannt.
(vgl.[32] SPITERIS, Tony, S. 9)
3.1.6 Farbenlehre zur Zeit PLINIUS
Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich die Theoretiker in den Techniken der
Monumentalmalerei auskannten. Die Verwendung einer halbtransparenten Lasur in der
Wandmalerei ist bereits 1400 v. Chr. in Knossos bezeugt. Wesentlich später war es in
Pompeji in den wichtigsten Farbschemata zur Regel geworden, für Rot eine schwarze,
rosarote, braune oder graue Untermalung zu verwenden. PLINIUS beschrieb eine Reihe
von roten und blauen Untergründen, die verwendet wurden, um mit dem billigsten
Purpurpigment die glänzenste Wirkung zu erzielen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 15)
Zu den Farben äußert sich PLINIUS wiederholt. Er teilt sie in zwei Gruppen ein. Die erste
Gruppe nannte er die Colores floridi, das heißt die blühenden, leuchtenden Farben. Die
zweite Gruppe waren die colores austeri, das heißt die herben, gedämpften Farben.
Als Beispiele für blühende Farben benannte er Zinnoberrot (minium), Azurblau
(armenium), Drachenblutrot (cinnabaris) und Malachitgrün (chrysocolla), aber auch
Indigoblau (indicum) und leuchtendes Purpur (purpurissimum). Sie zählen zu den
buntesten, reinsten Farben mit der größten Leuchtkraft, die damals als Pigmente
verfügbar waren. Ihre Verwendung in der zeitgenössischen Malerei schien PLINIUS
übertrieben und zu prunkhaft zu sein, weswegen er sie ablehnte. Im Gegensatz dazu
bevorzugt PLINIUS Farben, deren Leuchtkraft verringert und deren Reinheit gedämpft ist.
Er führt als Beispiel zwei Erdpigmente an: den Rötel (rubrica) sowie die sinopische Erde
(sinopis).
Von PLINIUS ist auch das wichtigste Zeugnis einer theoretischen Einwirkung auf die
Malpraxis überliefert. Er ist der Meinung, dass die besten griechischen Maler mit vier
Farben ausgekommen seien: "Quattuor coloribus solis immortalia illa opera fecere - es
ex albis Melino, e silacis Attico, es rubris Sinopide Pontica, ex nigris atramento - APELLES,
Aetion, Melanthius, Nicomachus, clarissimi pictores ..." ("Nur allein mit Hilfe von vier
Farben, der melischen unter den weißen, der attischen unter den gelben, der
sinopischen vom Pontus unter den roten, und dem Atrament unter den schwarzen
Farben fertigten die hochberühmten Maler APELLES, AETION, MELANTHIOS, und NICOMACHOS
jene unsterblichen Werke, welche einzeln für das Vermögen ganzer Städte verkauft
wurden. Jetzt, wo der Purpur die Wände einnimmt, (...), ist der Ruhm der Malerei
erloschen."). ( [7] GAGE, John, S. 18)
PLINIUS führte den bekanntesten aller griechischen antiken Maler, APELLES, der seine
Hauptwerke um 330 - 320 v. Chr. schuf, als Vorbild an. Zu dieser Zeit, habe man mit
nur vier Farben besser gemalt als heute mit einer Vielzahl bunter Farben. Das bedeutet
jedoch nicht, dass die Maler sich tatsächlich nur dieser vier Pigmente bedient hätten,
oder gar, dass dies die Grundfarben seien, aus denen sich alle anderen ermischen ließen.
Die Farbpaletten griechischer und römischer Künstler waren keineswegs, wie lange
angenommen auf vier Farben (Weiß, Schwarz, Rot und Gelb) begrenzt. So lassen Werke
aus frühen Jahrhunderten wie die Wandmalerei „Grab der Taucher“ aus dem fünften
Jahrhundert v. Chr. (vgl. Abbildung 3) eine reiche Farbenvielfalt erkennen, die auch
leuchtendes Blau einschließt. (vgl. [7] GAGE, John, S. 18)
Demnach ist aus der Kunstgeschichte die Verwendung blauer Pigmente bei den Malern
der Antike wohl bekannt, obwohl diese Farbe in den Lehren über die Grundfarben gar
3.1 ANTIKE
21
keine Rolle spielte. Doch war die Idee von den vier Grundfarben zur Zeit des PLINIUS wohl
eine allgemein verbreitete Lehrmeinung, die nicht zuletzt auf die seit HIPPOKRATES
bekannte Zuordnung von Farben zu den vier Elementen und den vier menschlichen
Temperamenten zurückging. (vgl. [7] GAGE, John, S. 4 ff, 25ff, 29 ff, 108 ff)
Abbildung 3: Grab der Taucher, Paestum (Detail), 5. Jahrhundert v. Chr.
Der römische Arzt GALEN (um 129 - 199 n. Chr.) sah die Farben mit dem Auge eines
Mediziners. Als Arzt wusste GALEN zum Beispiel über die Maler von Miniaturen zu
berichten, dass sie, falls die Augen vom angestrengten Sehen auf das weiße Pergament
und die bunten Farben ermüdet sind, zum Ausgleich auf ein in ihrem Sichtfeld
angebrachtes graues oder dunkles Farbfeld sehen, um ihre Augen wieder zu
regenerieren.
GALEN ging in seiner Farblehre von medizinischen Lehrsätzen des antiken Arztes
HIPPOKRATES aus, welche die antike pseudophysiologische Temperamentenlehre
berührten. Er brachte sie mit der vier-Farben-Lehre des EMPEDOKLES zusammen. In GALENS
Theorie wurden die vier „humores“, die so genannten Grundsäfte des menschlichen
Körpers (Blut, Schleim, Gelbe Galle, Schwarze Galle) mit den vier Elementen und den
vier Grundfarben zusammengebracht. Danach ergaben sich die in Abbildung 4
folgenden Entsprechungen.
Als GALENS Auslegungen der Hippokratischen Lehre in der ganzen römischen Welt
bekannt wurden, entstanden die meisten Mumienporträts (der eindrucksvollste Bestand
antiker Porträtmalerei), die für die Farbe der Haut eine ähnlich begrenzte Palette
verwendeten. (vgl. [7] GAGE, John, S. 29, 30, 61)
3.1.7 Glanz und Bewegung
Betrachtet man die Techniken der Malerei und der Mosaikarbeit, die in der römischen
Antike entwickelt wurden, so erkennt man, dass auf den Effekt des Glanzes großen
Wert gelegt wurde. Die bemalten Wände von Pompeji wurden so lange poliert, bis sie
wie Spiegel glänzten. Die Fußböden von Pergamon und Morgantina wurden
abgeschliffen, gewachst und poliert, nicht nur um die Farbe hervortreten zu lassen,
sondern auch, um eine hochreflektierende Oberfläche zu erzeugen. Der angestrebte
Effekt hatte sicherlich Ähnlichkeit mit den Werken des APELLES, der nach PLINIUS’
Darstellung „seine vollendeten Werke mit einer dünnen Lasurschicht überzog, dass diese
3.1 ANTIKE
22
Grundsaft
Temperament
Element Farbe
Blut
Sanguiniker
(Lebhaftigkeit, Heiterkeit)
Luft
Rot
Gelbe Galle
Choleriker
(Leidenschaft, Reizbarkeit, Jähzorn)
Feuer
Gelb
Wasser
Weiß
Schleim
Schwarze Galle
Phlegmatiker
(Langsamkeit, schwer
anzusprechen,
Durchhaltevermögen)
Melancholiker
(Genialität, aber auch Neigung zu
Depression oder Manie)
Erde
Schwarz
Abbildung 4: vier-Farben-Lehre nach GALEN
infolge des Zurückstrahlen des Glanzes einen anderen Farbton hervorrief“. Zugleich
habe er „mit großer Berechnung [bewirkt], dass der Glanz der Farbe das Auge nicht
schmerze, indem man sie wie durch einen Spiegelstein sah, und das aus der Ferne der
gleiche Kunstgriff den all zu leuchtenden Farben unvermerkt einen tieferen Ton verlieh“.
([7] GAGE, John, S. 16)
Der Effekt einer gleichzeitigen Intensivierung und Dämpfung der Farbe auf einer
Oberfläche je nach dem wechselnden Blickwinkel eines sich bewegenden Betrachters ist
derselbe, der durch Polieren bewirkt wird.
Die Römer hatten, wie die Ausführung des PLINIUS über APELLES andeutet, ein fein
ausgeprägtes Gespür für Lichtwirkung auf Bilder. So schrieb etwa der römischer
Architekt, Ingenieur und Schriftsteller VITRUV im ersten Jahrhundert v. Chr. für Bildergalerien Nordlicht vor, dass eine gleichmäßige Beleuchtung garantiere.
Ein Interesse an Schimmern oder Glanz in farbigen Gegenständen und in der Malerei
spiegelt sich auch in bestimmten Farbpräferenzen der Spätantike wieder. Die eindeutig
am meisten geschätzte Farbe war Purpur, der kostbarste Farbstoff der Antike. PLINIUS
und PHILOSTRAT schrieben die Schönheit des Purpurs seinem Oberflächenglanz zu:
„Obgleich die Farbe dunkel wirkt, erlangt sie im Sonnenlicht einen besonderen Reiz, und
sie wird erfüllt von der Leuchtkraft der Sonnenwärme“. ( [7] GAGE, John, S. 16)
Die Farbe Rot signalisierte seit frühester Zeit und in den verschiedensten Kulturen das
Göttliche und galt als Farbe der Sonne. ARISTOTELES lokalisiert Rot in seiner Farbenskala
direkt neben Licht. Licht stand wiederum in engem Zusammenhang mit Leben.
Außerdem war Licht seit mykenischen Zeiten ein Zeichen der göttlichen Manifestation.
(vgl. [7] GAGE, John, S. 16 ff)
3.1 ANTIKE
23
3.1.8 Wichtigkeit der Farbe
Die Farbe in der Malerei hatte für die Gelehrten der Antike einen zutiefst
zweideutigen Status. Auf der einen Seite stand sie für das Nebensächliche, das rein
Dekorative und Illusorische andererseits aber war es die Farbe, die der Malerei Leben
und Wahrhaftigkeit verlieh. Diese Antithese war bereits offenkundig bei ARISTOTELES, in
dessen „Poetik“ sich der Satz befindet: „Wenn jemand mit den schönsten Farben, aber
sinnlos etwas anstreicht, kann er nie die schöne Wirkung erzielen wie eine Zeichnung
mit weißem Stift.“ (GAGE, John, S. 15)
PLATON spricht dagegen im „Politokos“ von einer „Darstellung, die zwar, was den
äußeren Umriss anlangt, fertig zu sein [scheint], aber gleichsam der sprechenden
Lebendigkeit des Ausdrucks noch ermangelt, die erst durch Farben und ihre
harmonischen Abtönung zu erreichen ist“. (GAGE, John, S. 15) Sogar der Dichter
PHILOSTRAT (2.-3. Jahrhundert nach Chr.), der über die reine Mimesis hinaus die
Möglichkeit einer Nachbildung nur mit dem Geiste in der Kunst postulierte, zog einen
Vergleich zwischen den zu kosmetischen Zwecken verwendeten Farben und den Farben
der Malerei, die der Nachahmung dienten: „Denn wenn dies nicht ihre Absicht ist, dann
ist es lächerlich, Farben ohne Sinn zu mischen“. (GAGE, John, S. 15) Doch die Farbe,
fuhr er fort, sei nicht einmal unentbehrlich für die Nachahmung, denn die
Wirklichkeitsnähe ließ sich, sofern die Zeichnung gut war, auch in einer einfarbigen
Darstellung erzielen: „Der Inder [wird uns] auch schwarz erscheinen, wenn wir ihn mit
weißen Linien zeichnen, verleihen doch die platte Nase, die steif aufgerichteten Locken,
die auffallende Kinnpartie und das gewisse Staunen im Blick dem Bild eine schwarze
Färbung…“ (GAGE, John, S. 15)
Der griechische Schriftsteller PLUTARCH (45-125 n. Chr.) brachte im ersten Jahrhundert n.
Chr. die klassische Sicht in einem Paradoxon auf den Punkt: „Ebenso wie in Bildern die
Farbe anregender ist als die Linienzeichnung, weil sie lebensecht ist und eine Illusion
erzeugt, so wirkt in der Dichtung die Unwahrheit in Verbindung mit Glaubwürdigkeit
einprägsamer und bereitet mehr Freude, als das in Metrum und Sprache äußerst
kunstvolle Werk, dass aber der Fantasie und Erfindung ermangelt“. (vgl. [7]GAGE, John,
S. 15)
Für die alten Gelehrten war Farbe, sofern sie nicht eindeutig schädlich war, nicht
unabdingbar für die darstellende Malerei. Als das Wesentliche der hellenistischen Kunst
ist nicht so sehr der Gebrauch der Farbe angesehen worden, sondern vielmehr die
Meisterschaft in der Konturenzeichnung.
Diese Ansichten sowie die Idee der Vierfarbenpalette nach PLINIUS scheinen jedoch nicht
ganz der Realität in den Malerwerkstätten entsprochen zu haben. Nachweislich
benutzten Maler in Pompeji Farbpaletten mit bis zu 29 verschiedenen Farbpigmenten.
Dies ist wiederum ein Nachweis dafür, dass Praxis und überlieferte Theorie nicht immer
deckungsgleich sind. (vgl. [7]GAGE, John, S. 15)
3.1.9 Zusammenfassung Antike
Es sind eher verschwommene Vorstellungen von Farbe, die die Antike der Nachwelt
zur Verfügung stellt. Die griechische und römische Antike überliefert eine Reihe von
zwiespältigen Vermutungen über Farbe. Auf der einen Seite ist sie bei der Abbildung
etwas rein Dekoratives und somit Nebensächliches, auf der anderen Seite liegt ihre
Bedeutung jedoch darin, dem Abbild Leben und Wahrheit zu verleihen.
Farbe gilt als eine Art Vermittler, der die Härte der Umrisse weich macht. ARISTOTELES
erläutert in seinem Mimesis-Gedanken, dass das Abbild seine völlig eigene Realität
schafft. Es stellt sich die Frage, ob nun die Abgrenzung zur Wirklichkeit gegebenenfalls
durch den Einsatz von Farbe stattfinden kann.
24
3.2 MITTELALTER
Sicher ist jedoch, dass dem Verhältnis von Licht und Schatten, dem Helldunkelwert
wesentlich mehr Bedeutung zugesprochen wurde, als der Farbe an sich. Farbe und Licht
sind nach antiker Sicht untrennbar miteinander verbunden, so wurde der Farbeindruck
in antiken Mosaiken durch das Polieren von Mosaiksteinen bewusst intensiviert oder
gedämpft.
Bereits APELLES riet, den Steinen, die entfernter wirken sollten einen tieferen Ton
zuzuschreiben. Darin lassen sich bereits erste Ansätze der Farbperspektive der
Renaissance erkennen.
Auch wurde der Begriff der Metamerie geprägt, welcher besagt, dass verschiedene
Farbtöne unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch, unter einem anderen Licht
aber unterschiedlich erscheinen können.
3.2 Mittelalter
Die europäische Malerei des Mittelalters findet zwischen dem Ausgang der Antike
und dem Aufkommen der Tafelmalerei in drei Hauptrichtungen jeweils eine neue Einheit
zwischen Farbe und Licht: in den frühchristlichen Wand- und Deckenmosaiken (seit
Mitte fünften Jahrhundert), in der Einführung des Goldgrunds, und in der Schöpfung
des Glasfenster mit dem Beginn der Gotik. Die Besonderheit der Farbwirkung in diesen
drei Fällen liegt darin, dass die unmittelbare Einbeziehung des realen physischen Lichts
zur Grundbedingung des Erscheinens von Farbe gemacht wird. Damit wird ein
Hauptproblem für die nachmittelalterliche Malerei gelöst: die Wiedergabe von Licht
durch Farben. Das Licht selbst ist real anwesend und lässt Farbe entstehen oder
unterstützt durch seine Gegenwart Tendenzen in der Farbe und den Farbzuordnungen.
Dass das reale Licht Grundbedingung des Erscheinens von Farbe wird, ist Folge einer
neuen metaphysischen Qualifikation des Lichts: „Die Lichtspekulation des Mittelalters
nutzt den Lichtbegriff nicht nur, um das Erkennen des Geistes zu klären, sondern auch
um das Sein näher zu bestimmen, das absolut göttliche Sein wie den Hervorgang der
endlichen Dinge aus ihm“. ([29] SCHÖNE, Wolfgang, S.58)
Im gleichen Zeitraum entstand die Farbsymbolik der mittelalterlichen Kunst. Farben
der Erfahrungswelt wurden dabei zu so genannten Vorstellungsfarben.
Der mittelalterliche Farbstil ist gekennzeichnet durch eine symbolische Qualifikation.
Besondere Merkmale der Farbe im Mittelalter sind unter anderem eine begrenzte
Farbskala, die Wahl reiner, abstrakter Farben mit dem Übergewicht ihres Eigen- und
Ausdruckswertes über die darstellenden Funktionen und die Berücksichtigung des
farbigen Eigenlichtes einer Farbe. Dieses Eigenlicht ergibt sich zum Beispiel aus
spezifischen Helligkeiten und Dunkelheiten dieser Buntfarben oder aus der Wechselwirkung mit dem Goldgrund und der Angabe von Modellierungshelle auf den
dargestellten Körpern. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 1 ff)
Allgemein wurde Maria beispielsweise im blauen Mantel und roten Gewand dargestellt,
während Petrus häufig in blau und weiß abgebildet wurde. (vgl. [8] GERICKE, Lothar,
SCHÖNE, Klaus, S.16)
Die Einschränkung der Farbskala auf abstrakte, unbewegte Buntwerte ist das Ergebnis
einer Entwicklung der Farbgestaltung seit der späten Antike (circa seit dem vierten
Jahrhundert nach Chr.). Sie findet ihren Höhepunkt in römischen Malereien und
Mosaiken des sechsten bis neunten Jahrhunderts und in der ottonischen Buchmalerei.
FRITZ HAEBERLEIN wies dazu in seiner Untersuchung „Grundzüge einer antiken
Farbenikonographie“ nach, dass mit dem Ende der Antike und der Entstehung der
christlichen Glaubenswelt die Farbigkeit der Mosaike und Buchmalerei eine Wandlung
erfährt. Seit dem Späthellenismus (30 vor Chr.) werden aus dem freien Farbenreichtum
Farben heraus genommen, die Verbleibenden vereinfacht und mit neuen Bedeutungen
3.2 MITTELALTER
25
belegt. Sie bilden so genannte Farbvokabeln, die als feste Formeln in die Bildsprache
des frühen und hohen Mittelalters übernommen wurden. Auch die farbige Wiedergabe
der Dinge ändert sich. Sie werden zu farbigen Zeichen und haben mit der eigentlichen
Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. So werden zum Beispiel blaue oder
goldene Himmel mit rosa Wölkchen versehen. Diese so genannten Vorstellungsfarben
entstammen einer Erfahrungswelt beziehungsweise Naturbeobachtungen.
Die Öffnung der mittelalterlichen Farbe in ein Licht, das sie erweckt, bildet einen strikten
Gegensatz zur Farbe der antiken Malerei. Hier ist das Bildlicht mit der Farbe identisch.
Oft kommt ein weißer Grund als Basis der gesamten Buntfarbigkeit zum Einsatz und
stärkt somit ihre Buntkraft. Es gibt weder Finsternis noch unfarbige Dunkelheit, denn
das Dunkel ist immer auch Farbe, auch das Schwarz der Bildhintergründe. So folgt die
Farbgestaltung dem so genannten koloristischen Prinzip. Farben sind durch Intaktheit,
Eindeutigkeit und Vitalität bestimmt. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 3 ff)
3.2.1 Mosaike
Wie bereits erwähnt, erfuhr die mittelalterliche Farbgestaltung im Mosaik ein neues
Farb-Licht-Verhältnis. Dabei war auch die Art der Farbzuordnung von großer Bedeutung.
Ein Grund für den Einsatz von Mosaiken als Kunstform ist dessen Intensivierung der
Farbwirkung mittels Aufteilung des farbtragenden Materials. Damit ist gemeint, dass
durch das Nebeneinandersetzen farbiger Mikroelemente und deren optische (nicht
pigmentäre) Mischung eine Steigerung der Farbigkeit erzielt wird. Diese Methode wurde
von den Malern des 19. Jahrhunderts als Divisionismus bezeichnet. (vgl. [3] DITTMANN,
Lorenz, S. 5)
Der Mathematiker und Geograf PTOLEMÄUS legte im zweiten Jahrhundert nach Chr. das
theoretischen Fundament für die optische Mischung. Seiner Analyse nach gibt es zwei
Ursachen für die optische Verschmelzung. Die erste Ursache sieht er in der Entfernung.
Der von winzigen Farbtupfern ausgehenden Lichtstrahlen ist zu gering, um vom Auge
getrennt wahrgenommen zu werden, weswegen zahlreiche verschiedene Punkte
zusammen gesehen wie ein und dieselbe Farbe wirken. Die zweite Ursache ist die
Nachwirkung des Lichteindrucks im Auge. Im Zuge derer legt sich bei der Beobachtung
eines sich bewegenden farbigen Objekts eine Art Nachbildung über das fortlaufende
Bild.
PTOLEMÄUS untersucht auch andere Beispiele optischer Mischung, so zum Beispiel die
Intensitätssteigerung benachbarter Farbflecken durch Kontrastwirkung, beziehungsweise die Abdämpfung ihrer Ränder durch Farbstreuung. Beispiele für die Anwendung
der ptolemäusschen Untersuchungen finden sich unter anderem in dem leuchtenden
Zinnoberrot der frühen Mosaiken des römischen Typs, das häufig in und um Hauptpartien herum eingefügt wurde. Dieses Rot wirkt nicht als Schlaglicht, sondern verleiht
der Haut einen wärmeren Farbton. (vgl. Abbildung 5). (vgl. [7] GAGE, John, S. 42 f)
3.2 MITTELALTER
26
Abbildung 5: Rom, Prassede, Cappella di S. Zeno,
Detail des Gewölbemosaiks. 9. Jahrhundert
Viele Maler des 19. und 20. Jahrhunderts sind der Auffassung, dass die zerlegte, in
mehr oder minder regelmäßige Stücke aufgespaltete Farbe reicher, belebter wirkt als die
homogen gegebene. Jedoch wird lediglich die Suggestion eines über der Farbwelt der
Bilder gelagerten Filters von universalem Licht erreicht. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 5)
Der Divisionismus ist somit die Grundlage für die Verbreitung von Mosaiken ab dem
fünften Jahrhundert nach Chr., da die Wirkung bei Mosaiken nicht nur auf den Farben
als solchen beruht, sondern vor allem auf dem durch die Art der Zusammenfügung
erzeugten Lichtschleier. Mit Hilfe dieses Lichtschleiers wird der Anschluss der Farbe an
das überirdische Licht gesucht. Diese Lichtwirkung ergibt sich nicht nur durch optische
Mischung im Auge, sondern auch durch die besondere Anordnung der einzelnen
farbigen Kuben. Bei Mosaiken liegt keine glatte Oberfläche vor und die leicht
unregelmäßigen Neigungswinkel reflektieren das Licht in vielfältiger Weise. Jedes
Farbstück wirkt als eigener Lichtbrecher. Es entsteht der Eindruck, sie wären selbst
Quelle des Lichts. Auch in einer dunklen Umgebung scheinen Mosaike Licht
auszusenden. Die damaligen Beleuchtungsquellen (Lampen, Kerzen) waren viel milder
und beweglicher als die heute üblichen, und der Betrachter wurde durch die stete
Veränderung des Lichts zur Bewegung gezwungen. Durch die optische Mischung
entsteht plastische Wirkung. Im siebten und achten Jahrhundert vollzieht sich in der
Mosaikkunst eine allmähliche Vereinfachung in der Verwendung von Farben durch die
Entwicklung von der Plastizität zum Flächenstil. Farben heben sich nun in großen,
geschlossenen Farbfelder mit Klarheit und Stärke voneinander ab. (vgl. [3] DITTMANN,
Lorenz, S. 5 ff)
3.2 MITTELALTER
27
3.2.2 Gold
Gold füllt im Farbensystem der nachantiken Kunst eine bedeutende Rolle aus, da es
als Metallfarbe eine dreifältige Wirkung besitzt. Es erzeugt Licht, ist Farbe, und
gleichzeitig eine kostbare Materie. Ursprünglich wurde Gold als lichtenzündendes Mittel,
als Funke in die Mosaikfarben eingestreut. Später wurde es in flächiger Ausbreitung, erst
als Streifen und dann als Bildgrund verwendet. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 7)
Nach SCHÖNE ist der Goldgrund „als Spender eines irrealen Lichtglanzes auf die
Phänomene des Raumes und der Fläche hin offen“. ([29] SCHÖNE, Wolfgang, S.25)
Die Farbe Gold besitzt jedoch nicht nur Materiecharakter sondern nach DAVID KATZ
auch einen „Raum“-Gehalt, denn im Glanz öffnet sich die Materie des Metalls in den
Raum: „Das Glanzlicht besitzt beim Metallglanz zuweilen den Charakter einer gewissen,
den Raum füllenden Dicke“. Aber „die Metalle erscheinen auch in ihren nicht- oder
mattglänzenden Teilen nicht wie einfachen Oberflächenfarben. Wir nehmen zwar die
Oberfläche von Metallflächen wahr, ihre Farbe scheint aber hinter dieser Oberfläche zu
sitzen; man glaubt, ähnlich wie bei der Flächenfarbe, in die Farbe des Metalls hinter
seiner Oberfläche eindringen zu können. Das Besondere des Metallglanzes liegt
demnach weniger in dem isolierten Farbeneindruck der glänzenden Teile, als in der
„Farbgestalt“, die sie eingehen mit den nichtglänzenden Teilen des Metalls.“ ([16]
KATZ, David, S. 34)
Das Bildgold des Mittelalters tritt in zwei Formen in Erscheinung: glänzend und stumpf.
Es zeigt einerseits seinen Lichtcharakter, auf der anderen Seite seinen Gelb- und
Materiegehalt. Diese Doppelnatur kann man auch in den Goldpartien von Mosaiken
beobachten.
DITTMANN schlussfolgert, dass durch die Ausbildung der Wand- und Deckenmosaike
sowie der Schöpfung des Goldgrundes im frühen Mittelalter offensichtlich wird, dass für
die bildnerischen Phantasie frühmittelalterlicher Maler die Farbe „ihre letztmögliche
Aussagefähigkeit nicht aus sich selbst, sondern erst in Wechselwirkung und
Durchdringung mit dem realen ‚äußeren’ Licht entfalten konnte“. Erst im Augenblick
der Begegnung dieses Lichtes mit dem stofflichen Farbträger (den Glaswürfeln des
Mosaiks oder den Metallblättchen des Grundbelags) „kommt Farbe durch die
Entzündung an der Materie zustande. Hierbei ist der Ort dieses Ursprungs von
entscheidender Bedeutung für die jeweilige Wirkungsweise der Farbe.“ DITTMANN meint
weiter, dass Licht auftreffend auf ein Mosaik aus der facettierten Oberfläche der Kuben
eine der Bildwelt entrückte Flimmerwirkung erweckt. Gleichfalls auftreffend erweckt es
„in dem (materiell gegebenen) Gold erst dessen Farbigkeit zum Glanze und verleiht
zugleich seiner farbigen Komponente, seinem ‚Gelbwert’, den so schwer bestimmbaren
Charakter einer allseitig grenzenlos offenen Sphäre, eines ‚Glanzraumes’…“ (vgl. [3]
DITTMANN, Lorenz, S. 8 ff)
3.2.3 Glasfenster
Die Glasmalerei erfuhr im Mittelalter ihre bis dahin höchste Blüte. Es wurden vor
allem reine und kräftige Farben wie Blau, Türkis, Grün, Purpur und Gelb verwendet. Die
Figuren sind zumeist nebeneinander angeordnet und es wird nicht beabsichtigt, einen
Raumeindruck entstehen zu lassen. Diese Art der Darstellung ist charakteristisch für die
mittelalterliche Bildgestaltung. Der flächige Charakter wird auch durch mehrere
hintereinander stehenden Gruppen nicht in Frage gestellt, da diese in Schichten
übereinander dargestellt werden. Die Farbe dient hier zur Unterstreichung und
Klarstellung fest umrissener Flächen oder hat auch rein symbolischen Wert. Es treten
keine wesentlichen Abstufungen innerhalb einer Farbe auf. Nicht nur in der Glasmalerei
3.2 MITTELALTER
28
sondern allgemein in der mittelalterlichen Kunst war der Wille zur Abstraktion und
Flächigkeit zu finden. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S.16)
Beim Glasfenster wirkt das Licht nicht von vorne auftreffend sondern von rückwärts
durchdringend. Das Fenster durchscheinend, erweckt es die Farbe und steigert den
Buntwert so, dass die Eigenhelligkeit der einzelnen Farben als solche gegenstandslos
wird. Finsternisfarben wie zum Beispiel Blau werden oft in ihr Gegenteil gekehrt. Mit der
Erweckung der Farbe durch das Licht unterzieht sich auch das Licht einer Wandlung,
indem es seinen irdischen Charakter verliert und aufhört, weißes Tageslicht zu sein.
Glasfensterlicht entfaltet jedoch erst dann seine volle Wirkung, wenn ihm die
Vorstellung eines absoluten Dunkel entgegengesetzt wird wie zum Beispiel dunkle
Innenräume. Das Dunkel begrenzt somit Licht und Farbe. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S.
10 f)
Im Allgemeinen fiel im frühen Mittelalter der Dunkelheit eine positive mystische
Bedeutung zu. Kirchen waren dunkel, es gab wenig Fenster. Es wurde damit gerechnet,
Bilder und Mosaike bei künstlichem Licht wie Kerzen und Lampen zu betrachten. Erst
mit Beginn der gotischen Glasmalerei im 13. Jahrhundert nahm die Anzahl von Fenster
in Kirchen zu. Die Beziehung zwischen Farbe und Licht wurde zwar diskutiert, allerdings
herrschte auch hier eine allgemeine Übereinstimmung darüber, dass Farbe bestenfalls
ein untergeordnetes Attribut des Lichtes, oder genauer gesagt dessen materiellster
Aspekt sei.
Abbildung 6: Glasfenster in St. Denis (Detail), um 1140
3.2 MITTELALTER
29
Im Mittelalter wurden Abhandlungen über das Sonnenlicht verfasst, wie die des irischen
Theologen und Philosoph JOHANNES SCOTUS ERIUGENA (810 - 877 n. Chr.). Diese besagt,
dass das Sonnenlicht heller wird, nicht je näher es an seiner Quelle ist, sondern je näher
es der Erde kommt, da es durch die Vermischung mit den stofflichen Dämpfen der
materiellen Welt überhaupt erst von den physischen Sinnen wahrgenommen wird.
Folglich war das Licht des fernen Himmels auf einer rein physischen Ebene zugleich auch
Dunkelheit. So ließ der Abt der karolingischen Kirche St. Denis Suger im nördlichen
Umland von Paris farbige Glasfenster einbringen (vgl. Abbildung 6): „Das leuchtende
Dunkel der Sugerschen Fenster in Saint-Denis war ein vollkommener Ausdruck der
göttlichen Präsenz in seiner Kirche. Lag es nicht nach ISIDOR SEVILLA gerade in der Natur
des Glases, dass es zu gleicher Zeit verhüllt und sichtbar macht, weshalb es der Abt
Suger für sein ikonographisches Programm anbot?“ (vgl. [7] GAGE, John, S. 69 ff)
3.2.4 Veröffentlichungen zur Farbe
JOB VON EDESSA (neuntes Jahrhundert nach Chr.) tritt in seinem „Buch der Schätze“ in
der Lehre von den Farben die Nachfolge griechischer Philosophen an. Seine Farbenlehre
in diesem Buch ist weitgehend griechisch. Schwarz und Weiß waren Primärfarben, Rot,
Safrangelb, Grün und Goldgelb Zwischenfarben. Die Buntfarben wurden mit den
Elementen assoziiert: Weiß mit trocken und Schwarz mit feucht. Das Auge selbst barg
schwarz und weiß und folglich sämtliche bunten Farben.
Im Zuge des Islams bildete sich im achten Jahrhundert nach Chr. in der arabischen und
asiatischen Welt eine nicht minder selbstbewusste und ausdrucksstarke Kultur heraus
(vgl. Abschnitt 3.5). Der islamische Philosoph und Arzt AVICENNA (980 - 1037 nach Chr.)
untersuchte das Verhältnis von Tonwerten und Spektralfarben. Er konnte dies jedoch
nur in Form einer Folge getrennter Stufen zwischen Schwarz und Weiß für jede einzelne
Buntart und für Grau beschreiben. (vgl. [7] GAGE, John, S. 63 f)
AVICENNA hatte erkannt, dass jeder einzelne Farbton eine Vielzahl von Abstufungen
umfasst, die sich nur in der Helligkeit unterscheiden. Neben der Abfolge von Weiß über
alle Grauwerte zum Schwarz werden in der aus dem zwölften Jahrhundert stammenden
lateinischen Übersetzung seiner Werke drei Farbreihen herausgestellt: „Die erste reine
Skala der Unbuntarten, die über ‘subpallidum’ und ‘pallidum’, eine zweite die über
Fahlrot (‘sunrubeus’) und Rot, und eine dritte, die über Grün und Indigo führte."
AVICENNA bestreitet, dass die Farbe in der Dunkelheit weiter besteht. (vgl. [7] GAGE,
John, S. 64)
Zusammen mit dem islamischen Naturforscher, Physiker und Mathematiker ALHAZEN
(965-1038) kümmerte sich AVICENNA um die Klärung des Verhältnisses zwischen Licht
und Farbe. Licht war dabei der wesentlich wichtigere Faktor. ALHAZEN jedoch unterschied
Licht von Farbe und gestand der Farbe eine gewisse Autonomie zu. ALHAZEN ist im
Gegensatz zu AVICENNA der Meinung, dass Farben in der Dunkelheit bestehen, aber
nicht auf das Auge wirken können. Er war um 1000 der Verfasser der umfassendsten
Abhandlung über die Optik im Mittelalter. Er begründete die Erforschung subjektiver
Farbphänomene so zum Beispiel mit der Kontrastwirkung der Farben. ALHAZEN beschrieb
hierbei scheinbare Helligkeitsunterschiede, die bei der Betrachtung der gleichen Farbe
auf verschiedenfarbigen Hintergründen zu sehen sind, beobachtete aber nicht die
typischen Farbverschiebungen aufgrund des farbigen Nachbildes. Mit Farbmischungen
auf einer sich schnell drehenden Scheibe experimentierte ALHAZEN wohl als erster, wobei
er feststellte, dass die hellere Farbe die dunklere überflutete (Optica, I, 31 und II, 19 f.).
ALHAZEN erklärte erstmals die Gesetze der Reflexion des Lichtes. (vgl. [7] GAGE, John, S.
64)
30
3.2 MITTELALTER
3.2.5 Farbsprache des Mittelalters
Während des gesamten Mittelalters fand der auf die Antike zurückgehende Gedanke,
dass Rot die Farbe des Lichts sei, weiterhin in der Kunst seine Bedeutung.
Mittelalterlich Maler interessierten sich weniger für klar definierte Einzelfarben,
sondern mehr für eine übergeordnete Farbklasse. Dabei wurden sowohl Rot als auch
Blau als die Farben des profanen Lichts und Dunkels angesehen und entsprechend
verwendet. Im Gegensatz zum heutigen Farbempfinden galt Gelb jedoch als besonders
harmonische Farbe. (vgl. [7] GAGE, John, S. 79)
Im Mittelalter war die Beziehung zwischen Rot und Grün am engsten, weil beide als
Mittelglied der Farbenskala galten. Schönheit und Harmonie nach mittelalterlichem
Verständnis lag im Mittelweg zwischen den Extremen. In der Kleidung war die
Kombination Rot-Grün am beliebtesten, besonders im nördlichen Europa. Dabei ist
jedoch nicht geklärt, ob diese Paarung in erster Linie auf ästhetische oder ökonomische
Gründe zurück zuführen ist. Bekannt ist jedoch, dass Stoffe dieser Farben im 14.
Jahrhundert bei weitem teurer waren, als blau gefärbte Stoffe. Es ist schwierig, die
Farbsymbolik des Mittelalters in eine moderne psychologische Sprache zu übertragen, da
bestimmte Farbbezeichnungen fließenden Charakter haben (zum Beispiel wurden Gelb
und Blau auf ähnliche Weise hergestellt und hatten ähnliche oder gleiche Namen. Auch
Rot und Grün enstanden aus demselben Kupferoxid, welches nur unterschiedlich lange
erhitzt werden musste).
Im 19. Jahrhundert bildete sich ein mehr psychologisch ausgerichtetes Verständnis der
Farbsymbolik heraus. Diese wirkte sich auch auf die Wappenkunde aus. So kam es dazu,
dass Farben auf Wappen durch Schraffuren angedeutet wurden. Beispielsweise sind
senkrechte Striche für das Auge etwas Abnormales. Sie wurde benutzt um kräftige
Farben wie Rot zu simulieren. Waagerechte Striche hingegen sind für das Auge etwas
Gewohntes. Sie wurden also verwendet, um neutrale Farbtöne wie Blau auszudrücken.
(vgl. [7] GAGE, John, S. 90)
Abbildung 7: Joachim von Fiore, „Die Hl. Dreifaltigkeit“, 12. Jahrhundert
3.2 MITTELALTER
31
Die im Mittelalter stark ausgeprägte Vorliebe für Systeme besagt nicht, dass den
Farben ein standardisierter Symbolwert zukam. Die Darstellungen des Abts JOACHIM VON
FIORE (1130/35 - 1202/1205) beispielsweise sind nur einige von vielen Schemata, die mit
einer Fülle von Farben für jedes der vier Komponenten aufwartet (siehe Abbildung 7).
Innerhalb einer einzigen Handschrift finden sich auf verschiedenen Seiten jeweils
unterschiedliche Farbentsprechungen für den Sohn und den heiligen Geist (vgl.
Abbildung 7). Farben bilden eher eine fantasievolle Verzierung, als dass sie irgendeinen
Begriff von objektiver Wahrnehmung verkörperten. ([7] GAGE, John, S. 87)
3.2.6 Zusammenfassung
Während des Mittelalters verändert sich im Vergleich zur Antike das Verhältnis von
Farbe und Licht. Das reale Licht wird als Grundbedingung des Erscheinens von Farbe
erkannt, es lässt die Farbe entstehen. Damit muss Licht im Gemälde nicht mehr durch
Farben wiedergegeben werden.
Das Mittelalter findet in den Kunstrichtungen Mosaik, Gold und Glasmalerei seinen
vorrangigen Ausdruck. In Mosaik und Goldgrund wird jeweils durch optische Mischung
und Metallglanz versucht, eine plastische und räumliche Wirkung zu erzielen. Zwar ist
im Mittelalter wie in der Antike auch die Ähnlichkeit von Natur und Abbild von
Wichtigkeit, jedoch wirken die Bilder des Mittelalters ohne den Einsatz von Perspektive
flächig. Die Farben stehen nebeneinander und verdecken sich nicht. Farbe bildet dabei
eher eine fantasievolle Verzierung. Sie wird zur so genannten Vorstellungsfarbe und hat
mit der eigentlichen Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. Jedoch leiten sich
diese Vorstellungsfarben direkt aus der Erfahrungswelt der Menschen zum Beispiel aus
Naturbeobachtungen ab. Es entsteht eine Art Farbvokabular.
Die alte Farbkonkordanz wird in einem anderen künstlerischen Sinne verwendet. Es
entstehen neue maltechnische Ausführungen um den sich neu entwickelnden
Vorstellungen zu entsprechen. Zum ersten Mal wird die Welt der Farben, die grundsätzlich unendlich ist, in eine bestimmte Grundvorstellung geordnet, die über große
stilistische Wandlungen hinweg eine Basis abzugeben vermag. Jedoch entstehen keine
standardisierten Symbolwerte oder einheitliche Farbdiagramme.
Die Glasmalerei wird als die höchste Kunstgattung aufgefasst. Dabei scheint Licht von
hinten auf die gefärbten Glasscheiben. Die Farbwirkung von Glasfenster kann mit dem
Prinzip der additiven Farbmischung verglichen werden. Dabei ist die Basis die unbunte
Grundfarbe Schwarz, die durch die Abwesenheit von Licht entsteht. Das heißt, scheint
kein Licht durch die Scheibe, erscheint das Fenster schwarz. Sind die Scheiben mit den
Grundfarben Violettblau, Grün und Orangerot eingefärbt, entstehen die entsprechenden Farbreize im Auge. Weiß hingegen kann durch klares Glas wiedergegeben werden.
3.2.7 Beginnender Realismus
Im byzantinischen Kunstverständnis haben sich zwei theoretische Hauptrichtungen
rausgebildet. Einerseits die Vorstellung von Wahrheit und Wirklichkeitsnähe ähnlich dem
Mimesis-Gedanken der Antike, andererseits das Bedürfnis, eine hieratische Distanz zu
erschaffen und eine zutiefst unwirkliche, geistige Wirkung zu erzielen. Jedoch bestand
schon bereits seit der Antike eher die Tendenz zu einer möglichst großen Ähnlichkeit
zwischen Abbild und Vorbild, als zum Ikonoklasmus. Die Rolle der Farbe bei der
Begründung des Realismus richtet sich ebenfalls nach dem traditionellen hellenistischen
Vorbild, nach dem durch Farbe größere Wirklichkeitstreue erzielt werden soll. So wurde
bereits im Mittelalter die Grundlage für die spätere Entwicklung der Farbe in der
32
3.3 RENAISSANCE
Renaissance gelegt. Ein Beispiel für die Bemühung um Realismus und naturgetreue
Abbildung sind die Bilder des Niederländers JAN VAN EYCK. (vgl. [7] GAGE, John, S. 47)
3.3 Renaissance
Mit Beginn der Renaissance tritt Kunst und Malerei in eine neue Blütezeit ein. In der
Malerei werden die flächige und kräftige Farbigkeit und das Nebeneinander von
kompakten Farbflächen des Mittelalters abgelöst von fein abgestimmten Modulationen
der Farbe. Schwarz und Weiß dienen weniger als Farben an sich, sondern werden zur
Helldunkel-Modellierung von Licht und Schatten im Bild eingesetzt. Die Farbakzente der
einzelnen Bildbereiche bleiben trotzdem klar und setzen sich deutlich ab. (vgl. [8]
GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus; S. 25)
3.3.1 GIOTTO als Wegbereiter
Die Grundlagen dafür legte bereits der italienische Maler GIOTTO DI BONDONE (1267(?) 1337) im 13. Jahrhundert. GIOTTO gilt als der entscheidende Wegbereiter der italienischen Renaissance. Sowohl in der Technik (er bediente sich der Feigenmilch und des
Eigelbs) als auch in der Farbgebung trat er als Neuerer auf. Er verlieh den Farben
Helligkeit und Klarheit. Als bedeutendste Aspekte seines Schaffens gelten jedoch die
hohe Natürlichkeit und Lebhaftigkeit seiner Figuren, ebenso wie die Vorbereitung der
Perspektive.
Er überwand die ikonographischen Normen der byzantinischen Malerei, die seit
Generationen die Maler des Abendlandes beeinflusst hatten und leitete eine
Entwicklung ein, die schließlich zu dem, für die nachgotische Kunst in Italien typischen
Realismus führte. Während für die herkömmliche Malerei zweidimensionale Figuren
charakteristisch waren, die als Symbole vor einem mit Symbolen dekorierten flächigen
Hintergrund angeordnet waren, stellte GIOTTO plastisch modellierte Individuen in einen
perspektivischen Raum. Diese Individuen unterhielten zueinander Beziehungen. Indem er
seine Figuren mit Breite und Faltenwurf ausstattete, verlieh er ihnen natürlich wirkendes
Volumen und Gewicht. GIOTTO vermittelte den Betrachtern seiner Werke das Gefühl der
Tastbarkeit und der Tiefe im Raum. Er war es folgerichtig auch, der sich mit der Zeit von
dem traditionellen Goldhintergrund abwandte und den Himmel über der Landschaft
blau anlegte. Er machte auch die ersten ernsthaften Versuche, perspektivische
Verkürzung in Landschaften und Gebäudedarstellungen zu realisieren.
Die Leistung GIOTTOS steht einsam in seiner Zeit. Erst zwei Generationen später knüpften
Künstler der Frührenaissance an die von ihm angestoßene Entwicklung an. (vgl. [3]
DITTMANN, Lorenz, S. 30 ff)
In Bezug auf die Farbe bestand GIOTTOS epochale Leistung nicht darin, dass er eine
andere Farbwahl oder andere Farbzusammenstellungen als in der mittelalterlichen
Malerei vollzog. Er brachte die Farbe in ein grundsätzlich anderes Verhältnis zum Bild,
zur Bildfläche und zum Bildraum. Damit änderte sich auch entsprechend der Bezug der
Farbe zur Linie.
Im Gegensatz zum mittelalterlichen Farbstil ist beispielsweise das Verhältnis zum
Goldgrund ein anderes. In GIOTTOS Werken bildet der Goldgrund eine Folie. Er trägt die
Darstellung während der mittelalterliche Goldgrund die Darstellung enthält. Genauso
überzieht die mittelalterliche Linie das Gemälde mit einer Linienstruktur und dient somit
der Farbe als Gerüst. Die Farbe wirkt dadurch homogen und wenig bewegungsfähig. Bei
GIOTTO hingegen wirken die Linien weniger prägnant und bilden einen Trennungsgrad
zwischen Dunkel und Hell. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 34 f)
3.3 RENAISSANCE
33
3.3.2 Der Streit DISEGNO (Zeichnung) - COLORE (Farbe)
Auch in der italienischen Renaissance wird die alt überlieferte Vorstellung wieder
aufgegriffen, dass Wiedergabe einzig und allein durch Konturenzeichnung möglich ist
und die Farbgebung eher nebensächlich ist. Das klassische Modell des historischen
Fortschritts der Kunst bei Autoren wie PLINIUS oder ISIDOR VON SEVILLA beschrieb eine
Entwicklung, die von Linienzeichnungen in den Anfängen zum Helldunkel und
schließlich zu Farben geführt hat. Jedoch wird auch hier wieder eingeräumt, dass die
Schönheit der Farbpigmente die Schönheit der Harmonie bereichere.
Aus psycho-physiologischer Sicht gibt es einiges was für den Glauben an die
Zulänglichkeit der Zeichnung spricht: Kleinkinder konzentrieren sich beispielsweise eher
auf Umrisse beim Erkunden ihrer Umgebung. Somit wird Farbenblindheit häufig erst
spät entdeckt weil die Farbwahrnehmung funktional weniger wichtig ist, als die
Wahrnehmung von Hell- und Dunkel-Werten. Außerdem hat die Erforschung der
Mechanismen des Farbsehens ergeben, dass das Auge über zwei unabhängige Systeme
von Farb- und Helldunkelrezeptoren verfügt. (vgl. [7] GAGE, John, S. 117)
3.3.3 Quattrocento
Mit dem Beginn des italienischen Quattrocento (Zeit der Frührenaissance in Italien
zwischen 1400 und 1500) setzte in Europa ein Epochenwandel vom Mittelalter zur
Renaissance ein. Die Renaissance, weithin bezeichnet als die Epoche der Wiedergeburt
der Antike, setzte den lange aus der Kunst verschwundenen menschlichen Körper
wieder in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise. Während das Mittelalter alles
Fleischliche verachtete, tritt mit Beginn der Renaissance die Bemühung ein, den
Menschen in seiner wirklichen Individualität zu malen. „Im Chor des Naumburger Doms
ist die Markgräfin Uta kaum mehr als ein Gesicht; niemand würde es auch nur in
Gedanken wagen, ihr den langen Mantel mit dem hochgeschlagenen Kragen
auszuziehen, in den sie gehüllt ist…. In Florenz jedoch, zwei Jahrhunderte später, darf es
Botticelli in vollem Glanz und in aller Pracht tun: eine der Grazien des Frühlings unter
ihrem durchsichtigen Schleier und die Venus in ihrer geschmeidigen Nacktheit
darzustellen.“ ( [6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7)
Im Ende des Quattrocento können auch die großen navigatorischen Entdeckungen, die
reale Besitzergreifung des Raumes, angesiedelt werden. „Die Perspektive ist die
humanistische und wissenschaftliche Antwort auf die universale Allegorie des Mittelalters.“ ( [6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7) Die Raumvorstellungen des griechischen
Mathematikers EUKLID (ca. 365 v. Chr. - 300 v. Chr.) gewannen die Kraft eines Dogmas,
mit deren Hilfe Künstler dem Realismus zu Schönheit und Ruhm verholfen haben. (vgl.
[6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7 f)
Der im Quattrocento vorherrschende Kolorismus war geprägt durch sukzessive
Kontraste starker und gebrochener Buntfarben und Neutralwerte. In der italienischen
Hochrenaissance des 16. Jahrhunderts hingegen verringerte sich die Farbenanzahl
gegenüber dem Quattrocento und es trat eine Konzentration auf wenige beherrschende
Bildfarben ein. Die Buntfarben wurden dunkler und auch die neutralen Töne setzten
tiefer an. Diese Konzentration hatte die Herausbildung der Primärfarbentrias zur Folge,
die die Grundlage der koloristischen Ordnung bei RAFFAEL, CORREGIO und TIZIAN bildeten.
Die wichtigste Neuerung ist die Wiedereinführung des Helldunkels, das bereits in der
Antike von Bedeutung war. Es gliedert sich in die italienische Bildstruktur ein durch die
Umdeutung der Schatten in Medien der Raumkonstruktion. Die Raumdunkelschichten
wurden nun durch ein Bildlicht kontrastiert, dass nicht mehr identisch ist mit den
Eigenhelligkeiten der Farben, sondern als eine Art Widerschein auf die Formen wirkte.
LEONARDO DA VINCI (1452 - 1519) war der Vorreiter in der Malerei des Helldunkel. Die
34
3.3 RENAISSANCE
einheitliche und chromatisch gedämpfte Harmonie der Bildoberfläche seiner Werke
ergab sich aus der Voreingenommenheit gegen verschwenderische Farbgebung und
entwickelte sich zum einflussreichsten Malstil des Quattrocento. DA VINCI ersetzte das
mittelalterliche Farbsystem der absoluten Farbe durch eine Modellierung aus dem
Helldunkelgehalt der Farben. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 135 ff)
Die Farben sind bei DA VINCI nicht mit Weiß und Schwarz gebrochen, sondern durch
Zusatz von Buntpigmenten so vergraut, dass sie visuell den Licht- und Schattenerscheinungen an Gegenständen in der Natur entsprechen (vgl. Abbildung 8). ([8]
GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 18)
Abbildung 8: Leonardo DA VINCI, Madonna in der Felsengrotte, um 1508
Von DA VINCI stammen auch zahlreiche Aufzeichnungen zum Thema Licht, Schatten,
Beleuchtung, Farbe und Helldunkel, Veränderung der Farbe im Schatten, Simultankontrast und vieles mehr. Zwar ist eine Farbenlehre bei DA VINCI nur in Ansätzen
vorhanden, jedoch war er einer der ersten, der eine Farbskala erstellte. Er führte sechs
einfache Farben ein, wobei Weiß die erste davon ist. Durch optische Mischungen mit
farbigen Gläsern versuchte DA VINCI herauszufinden, welche Farben sich durch Mischung
verbessern und welche verderben. So gewinnen Gelb und Grün hinter gelbem Glas,
während Blau die Gelbmischung nicht verträgt. Für harmonische Farbkombinationen
empfiehlt er die Kombinationen des Regenbogens als Vorbild. (vgl. [3] DITTMANN,
Lorenz, S. 138)
DA VINCI beobachtete auch die Veränderungen der Farben und ließ diese in Regeln für
die Malerei einfließen. So ändert sich die Farbe beispielsweise mit wachsender
Entfernung. Er rät, nur die Farben des Vordergrunds in ihrer Eigenfarbe zu belassen, die
3.3 RENAISSANCE
35
übrigen jedoch mit zunehmender Entfernung blauer wiederzugeben (vgl. Abbildung 8).
Diese malerische Regel wird das Prinzip der so genannten Farbperspektive, die seit der
Renaissance in der abendländischen Malerei Anwendung fand und findet. Sie
berücksichtigt die psychologischen Aspekte des menschlichen Sehens und der
Wahrnehmung (Vordrängen der warmen und Zurückdrängen der kalten Farben). Oft
wird sie in ihrem Gebrauch von der Luftperspektive begleitet. (vgl. [3] DITTMANN,
Lorenz, S. 139)
Die Farbperspektive ist ein auf psychologische Untersuchungen aufbauendes Mittel,
dass dazu dient in einer Abbildung die Illusion von Raumtiefe zu erzeugen. Konkret
erkannte man in der Renaissance, dass Tiefenwirkungen durch Verblauung, Trübung,
Aufhellung und Unschärfe zu erreichen ist. In der Verwendung von Farben heißt
Verblauung von warm nach kalt, Trübung von leuchtend nach trüb und Aufhellung von
dunkel nach hell. Eine Luftperspektive kann diese Wirkungen unterstützen, indem die
Genauigkeit, der in einem Bild befindlichen Objekte, mit der räumlichen Tiefe abnimmt,
das heißt von scharf zu unscharf. ([21] LISCHKA, K., S. 100)
Durch die umfangreichen Untersuchungen DA VINCIS und wegen der Besonderheit
seiner Malweise wurde er zum Vorbild für eine Vielzahl von Künstler wie RAFFAEL, TIZIAN,
REMBRANDT oder DELACROIX. Die Neuheit des Lichtes der Farben und des Schattenspiels,
die lichterfüllten Atmosphären und die Perspektive in seinen Werken beeindruckte
sichtbar andere große Maler. (vgl.[8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 20)
3.3.4 Zusammenfassung
In der Renaissance als Epoche der Wiedergeburt der Antike wird die Körperlichkeit
wieder entdeckt und das Interesse der Künstler verlagerte sich eindeutig auf die Form.
Die Künstler der Renaissance nutzen neue Erkenntnisse und Wege, in Bildern Natürlichkeit und Raumtiefe zu erzeugen. So setzte DA VINCI erstmals die Hell-Dunkelmodellierung
von Licht und Schatten im Bild ein. Der Schatten wurde zum Medium der Raumkonstruktion. Des Weiteren erzeugten die Maler der Renaissance Natürlichkeit und
Raumtiefe durch die Berücksichtigung von Perspektive und dem Wiedergeben der
Figuren in ihrer höchsten Natürlichkeit. DA VINCI lieferte in diesem Zuge die ersten
Ansätze der Farbperspektive durch Verblauung. Farbe wurde benutzt, um Schönheit und
Tiefenwirkung zu unterstreichen, nicht um einen besonderen Eindruck zu vermitteln.
Auch GROH schlussfolgert, dass „die Renaissance … uns [lehrt], Farben als Mittel
fließender (ja dynamischer) Übergänge zu nutzen. Bilder werden natürlich - sie zeigen
Bewegung.“ ([11] GROH, Rainer, FRANKE, Ingmar, S.3)
Im Vergleich dazu war die mittelalterliche Farbgebung durch die Farbperspektive der
Fläche, der so genannten Bedeutungsperspektive gekennzeichnet. Das heißt Bildelemente wurden entsprechend ihrer Bedeutsamkeit im Bildgefüge (wichtig = groß)
geordnet. [vgl. [27] PANOFSKY, E]. GROH schlussfolgert daraus, dass die Farbe damit die
resultierende flächige Wirkung, die für mittelalterliche Malerei charakteristisch ist, unterstützt.
3.4 NATURWISSENSCHAFT
36
3.4 Naturwissenschaft von NEWTON bis GOETHE
3.4.1 NEWTON
Im 17. Jahrhundert erfährt die Farbe als physikalisches Phänomen ihren größten
Wandel.
Der Physiker ISAAK NEWTON (1642-1726) stellte in seinen optischen Forschungen fest,
dass sämtliche Strahlen im Spektrum, einschließlich Grün, Orange und Violett,
autonome Farbträger sind und nicht als Mischungen anderer Farben angesehen werden
können. Folglich ist die Anzahl der so genannten einfachen Farben nach NEWTON
unendlich. (vgl. [7] GAGE, John, S. 153)
NEWTONS Experimente bestanden darin, das Tageslicht durch ein Prisma in einzelne
Farben zu zerlegen. Dabei stellte er sieben Hauptfarben fest: Rot, Orange, Gelb, Grün,
Blau, Indigo und Violett. Weiter fand NEWTON heraus, dass diese Reihe dem Farbton
nach in sich zurückläuft. Er stellte fest, dass Rot und Violett Ähnlichkeiten zeigen und
bei der Lichtmischung gemeinsam Purpur ergeben. NEWTON verknüpfte daraufhin das
violette Ende des Spektrums mit dem roten Anfang und schuf so den ersten Farbenkreis,
indem er die Farben des Spektrums zum Kreis anordnete.
Mit NEWTONS Farbkreis (siehe Abbildung 9) wird der Übergang von der ein- zur
zweidimensionalen Farbordnung vollzogen. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst
Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: Isaac Newton)
Abbildung 9: NEWTONS Farbkreis
Schwarz und Weiß befinden sich nicht mehr in NEWTONS Farbkreis. Stattdessen wird
die freie Kreismitte ausdrücklich dem Weißen zugeordnet, um zu symbolisieren, dass die
Summe aller angeführten Farben weißes Licht ergibt. JOHANN WOLFGANG GOETHE (17491832) wehrte sich vehement gegen diese Konzeption. Er zielte damit auf das
Fundament der Newtonschen Optik, an deren Anfang die Zerlegung des Tageslichts
durch ein Prisma steht.
Durch Experimente stellte NEWTON fest, dass die Farben keine Modifikationen des
weißen Lichts sind, sondern vielmehr seine ursprünglichen Bestandteile. Weißes Licht
besteht aus farbigem Licht, und zwar aus den sieben Komponenten, die sich im
Farbkreis finden. Dieses farbige Licht ist nicht zusammengesetzt, es ist im Gegenteil
3.4 NATURWISSENSCHAFT
37
einfach und seine Farbe ist rein. Es kann natürlich gemischt werden, um sekundäre
Farben zu erzeugen. Wenn die Komponenten im richtigen Verhältnis aufeinander
treffen, sieht das Licht weiß aus.
Die Palette, die bei der Brechung des Lichts an einem Prisma entsteht, nennt man das
Farbspektrum. Seine Komponenten sind die Spektralfarben.
NEWTONS Farbenkreis bleibt unvollständig erläutert. Er hinterlässt keinen Hinweis darauf,
ob er davon überzeugt war, dass Licht- und Schallausbreitung vergleichbar und auch
harmonisch übereinstimmend zu behandeln sind. NEWTON wählte sieben Farben, weil
eine Oktave sieben Tonintervalle zeigt. Er ordnet ihnen Abschnitte in Analogie zu deren
Größe in der dorischen Tonleiter zu. Die dazugehörenden einzelnen Töne fallen mit den
Grenzen zwischen den Farbqualitäten zusammen, das D zum Beispiel mit der Grenze
zwischen Violett und Rot, und das A mit der Grenze zwischen Grün und Blau. ([31]
SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: Isaac Newton)
3.4.2 GOETHE
JOHANN WOLFGANG GOETHE, der sich ungefähr 100 Jahre nach NEWTON in seiner
Abhandlung „Zur Farbenlehre“ mit dem Problem der Farbe beschäftigte, verwendete
den ganzen zweiten Teil seines dreiteiligen Buches darauf, NEWTONS Werk „Optick“ zu
analysieren und zu kritisieren. GOETHES Schlüsse basierten auf Experimenten, in denen er
die Schnittstellen heller und dunkler Partien durch ein Prisma beobachtete und die
farbigen Ränder untersuchte. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Licht an sich homogen
sei und das es nur Farbe erzeuge, wenn es durch Dunkelheit gestört werde. Rot bildet
sich nach GOETHE durch das Aufeinanderwirken der jeweils am stärksten ausgeprägten
Nuancen von Gelb und Blau. (vgl. [7] GAGE, John, S. 201)
Abbildung 10: GOETHES Farbkreis
GOETHE entwickelte sein System der Farbenlehre auf der Grundlage des elementaren
Gegensatzes von Hell und Dunkel (der bei NEWTON keine Rolle spielte). In seiner Schrift
„Über die Einteilung der Farben und ihr Verhältnis zueinander“ stellte GOETHE fest, dass
nur Gelb und Blau als ganz reine Farben wahrgenommen werden. Rot bildet sich durch
das Aufeinanderwirken der jeweils am stärksten ausgeprägten Nuancen von Gelb und
Blau. Das der Helligkeit am ehesten vergleichbare Gelb und das der Dunkelheit am
meisten verwandte Blau sind die beiden Gegenpole, zwischen denen sich alle anderen
Farben gruppieren lassen. In seinem 1793 skizzierten Farbenkreis (vgl. Abbildung 10)
3.4 NATURWISSENSCHAFT
38
erweitert er die Ausgangsfarben Blau und Gelb um das durch Steigerung entstandene
Rot zu einem Dreieck (vgl. Abbildung 11). Dem Rot stellte er das Grün gegenüber, das
aus der Mischung von Blau und Gelb entsteht. Der Farbdreieck wird vollständig zum
einen durch ein Orange auf der aufsteigenden Seite, das GOETHE noch Gelbrot nannte,
und zum anderen durch ein Blaurot auf der absteigenden Seite, welches oft auch als
Violett bezeichnet wird.
Abbildung 11: GOETHES Farbdreieck
GOETHE nannte die vom Gelb zum Rot laufenden Seite die Plusseite und die zum Blau
verlaufende die Minusseite. Dabei traf er folgende Zuordnungen: Das Gelb wurde mit
„Wirkung, Licht, Hell, Kraft, Wärme, Nähe, Abstoßen“ und das Blau mit „Beraubung,
Schatten, Dunkel, Schwäche, Kälte, Ferne, Anziehen“ in Verbindung gebracht. Damit
deutet sich an, dass GOETHES Absicht vor allem darin bestand, die so genannte „sinnlichsittliche Wirkung“ der einzelnen Farbe „auf den Sinn des Auges (...) und durch dessen
Vermittlung auf das Gemüt“ zu ermitteln. GOETHE greift bei seiner Analyse auf das
Gebiet der Psychologie zurück und versteht Farben in erster Linie „als
Bewusstseinsinhalte von sinnlichen Qualitäten“. Die Farben der Plusseite „stimmen
regsam, lebhaft, strebend“, Gelb wirkt „prächtig und edel“ und macht einen „warmen
und behaglichen Eindruck“. Die Farben der Minusseite „stimmen zu einer unruhigen,
weichen und sehnenden Empfindung“, und das Blau selbst „gibt uns ein Gefühl der
Kälte.“(vgl. [10] GOETHE, Johann Wolfgang)
Weiterhin existieren für GOETHE in seinem sechsteiligen Farbenkreis bestimmte
Harmoniebeziehungen, die er als charakteristisch (zum Beispiel Gelb-Rot), harmonisch
(zum Beispiel Gelb-Violett) und charakterlos (zum Beispiel Gelb-Grün) bezeichnet. Für
ihn wird nach den sinnlichen und sittlichen Wirkungen für den Künstler die ästhetische
Wirkung abgeleitet. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 37 ff)
Mit der Einteilung in die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben bringt GOETHE Ordnung in
die ästhetische Seite seiner Betrachtungen. Seiner Meinung nach ist Farbe ein Kolorit in
den Kategorien des Mächtigen, des Sanften und des Glänzenden. Auf Grund dieser
Sichtweise stellt GOETHE folgende Konzeption auf: Die mächtige Wirkung kommt
zustande, wenn Gelb, Gelbrot und Purpur überwiegen, das Sanfte wird vor allem vom
Blau und seinen Nachbarn bestimmt. Sind alle Farben nebeneinander im Gleichgewicht,
3.4 NATURWISSENSCHAFT
39
entsteht ein harmonisches Kolorit, das sowohl das Glänzende, als auch das Angenehme
hervorbringen kann. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von
STROMER, Klaus: JOHANN WOLFGANG GOETHE)
Die Herangehensweisen von GOETHE und NEWTON an das Thema Farbe sind von Grund
auf verschieden. Sie stehen aber nicht nur im Gegensatz zueinander, sie ergänzen sich in
dem Sinne, dass keines der beiden Systeme für sich betrachtet die Farben vollständig
erfassen kann. NEWTONS Analyse der Farben ist demnach komplementär zu GOETHES. Für
NEWTON ist reines Blau beispielsweise einfach, für GOETHE kompliziert, denn reines Blau
muss erst durch aufwendige Mittel angefertigt werden. Es ist künstlich. Einfach für
GOETHE ist hingegen weißes Licht, weil es ohne Aufwand und ganz natürlich vorhanden
ist. NEWTON sieht es hingegen als eine Mischung aller Farben. Weißes Licht ist für ihn
nicht einfach, sondern zusammengesetzt. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst
Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: JOHANN WOLFGANG GOETHE)
Im Allgemeinen leistete die Abhandlung GOETHES „Zur Farbenlehre“ eher einen
Beitrag zur Entwicklung der Physiologie der Wahrnehmung als der physikalischen Optik,
da GOETHE eine rein physikalische Zerlegung der Phänomene in ihre elementaren
Bestandteile widerstrebte. GOETHE legte Wert auf die Analyse der Entstehung von Farbe
aus Hell und Dunkel, sowie auf deren Aufnahme durch das Auge. Seine Eindrücke
wurden damit zur Grundlage der Betrachtungen zahlreicher Philosophen der Romantik
wie SCHOPENHAUER und SCHLEGEL. Selbst wissenschaftliche Gegner gestanden seiner
Farbenlehre einen großen Nutzen für die Malerei zu. So bildeten sich zwei verschiedenartige, getrennt zu betrachtende Farbenlehren heraus: eine speziell für Künstler und eine
für die Allgemeinheit. (vgl. [7] GAGE, John, S. 202)
3.4.3 RUNGE
GOETHE stand in engem Briefkontakt mit dem Maler PHILIPP OTTO RUNGE (1777-1810),
dessen Ansichten bezüglich der Wirkung von Farbe ähnlich zu denen GOETHES waren
und dessen Ergebnisse die Arbeit GOETHES an seiner Farbenlehre beeinflussten. RUNGE
geht jedoch im Gegensatz zu GOETHE nicht von Urgesetzen des Farbigen, sondern von
den Farbstoffen der Palette aus. GOETHE führte wie bereits erwähnt prismatische
Untersuchungen auf allen Gebieten der Farbe (physiologisch, psychologisch, chemisch)
durch und stellte die Steigerung von Rot aus Gelb und Blau fest.
RUNGE spricht niemals von einer Steigerung. In seinem 1810 veröffentlichten Werk über
die Farbenkugel gibt es nur die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau aus denen sich
durch qualitative Mischung Orange, Grün, und Violett erzeugen lassen.
Durch umfangreiche, malerische Versuche stellte RUNGE den Gegensatz zwischen
deckenden, lasierenden, durchsichtigen und undurchsichtigen Farbstoffen fest. In seine
Farbkugel flossen diese Erkenntnisse jedoch nicht ein.
Die wesentliche Neuerung an RUNGES Untersuchungen war die Darstellung einer
Farbordnung in drei Dimensionen. RUNGE erkannte, dass die 2 Dimensionen eines
Farbkreis nicht ausreichten um die Vielfältigkeit der Farbe auszudrücken. So ordnete er
die Farben auf einer globusähnlichen Kugel an. Die reinen Farben wurden am Äquator
angesiedelt, wobei ihnen die gleichen Intervalle zugestanden wurden (siehe
Abbildungen 12 und 13).
An den Nordpol setzte er Weiß, an den Südpol Schwarz. An den Längsgraden wurden
alle Farben dargestellt, die sich aus der Mischung der reinen Farben ergeben. Jede auf
3.4 NATURWISSENSCHAFT
40
Abbildung 12: RUNGES Farbkugel
Abbildung 13: Aufsicht und Querschnitt von RUNGES Farbkugel
der Kugeloberfläche platzierte Farbe kann sich in fünf Richtungen bewegen: In Richtung
der rechts beziehungsweise links stehenden Farben, nach oben zum Weißen, nach
unten zum Schwarzen, in die Mitte zum Grauen und durch die Mitte auf die
Komplementärfarbe zu. Im Inneren der Kugel befinden sich die trüben Farben.
Damit machte sich RUNGE als einer der ersten das Prinzip dreidimensionaler
Farbanordnung zu Nutze. RUNGES Farbenglobus steht am vorläufigen Ende einer
Entwicklung, die von den Farbenreihen über die zweidimensionalen Farbenkreise zur
räumlichen Anordnung der Farben in Form einer Pyramide geführt hat. (vgl. [8]
GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 46 f)
RUNGE wollte die reinen Farben im gleichen Abstand zu Schwarz und Weiß platzieren
und entschied sich deshalb bewusst für die runde Konstruktion und gegen eine
Pyramidenform wie beispielsweise zuvor der Astronom J. HEINRICH LAMBERT (1728-1777)
(vgl. Abbildung 14). Die Pyramidenform in ihrer Gestalt war eher mit der göttlichen
Ordnung des Kosmos in Verbindung zu bringen.
Abbildung 14: Farbpyramide nach LAMBERT
RUNGE muss darüber hinaus klar gewesen sein, dass die subtraktive Farbmischung (nur
die kommt bei seinen Malfarben in Frage) nicht das neutrale, mittlere Grau produziert,
das ihm so wichtig war. Der Schluss liegt nahe, dass RUNGE etwas ganz anderes im Sinn
3.4 NATURWISSENSCHAFT
41
hatte als LAMBERT. Dieser wollte vor allem ein praktisches System vorlegen, mit dessen
Hilfe Farben gemischt werden konnten. RUNGE wollte nicht das Verhältnis von
Mischungen, sondern vor allem die Harmonien von Farben anschaulich darstellen. Er
wollte Ordnung in die Gesamtheit der möglichen Farben bringen, wie er in einem Brief
an GOETHE festhielt: „Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün oder ein
gelbliches Violett denken will, wird einem zu Muthe wie bei einem südwestlichen
Nordwinde.“ Seine Kugel zielte auf das Veranschaulichen eines echten Farbsystems ab.
Dieser Darstellung ist in seinem Jahrhundert nicht wieder übertroffen worden. ([31]
SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: PHILIPP OTTO
RUNGE)
In der Folge beschäftigten sich zahlreiche Philosophen, Literaten und Künstler mit dem
Thema Farben unter anderem SCHILLER, SCHOPENHAUER, CHEVREUL und HELMHOLTZ.
3.4.4 Zusammenfassung
Im 17. Jahrhundert setzte eine völlig neue und folgenreiche naturwissenschaftliche
Forschungsarbeit auf dem Gebiet des Lichtes und der Farbe ein, die 1704 in NEWTONS
Werk „Optick“ ihren Höhepunkt fand. In NEWTONS Farbenkreis liegt die Farbe Weiß als
Summe aller Farben in der Mitte. Damit leistete Newton, indem er von den Lichtfarben
ausgeht, unbewusst erste Ansätze für die additive Farbmischung.
Auch GOETHE widmete sich umfangreichen Untersuchungen, die jedoch weniger
physikalischer als allgemeiner Natur waren. So führte er ebenso wie NEWTON
prismatische Versuche durch, bezog jedoch auch physiologische und physische Aspekte
in seine Arbeiten ein. Er beobachtete die Natur als Ganzes sowie die Phänomene der
Farbe und ihre Wirkungen auf den Menschen. Für GOETHE stellte die Farbe Weiß die
einfachste Farbe dar. Somit ist GOETHE eher bei den Vertretern der subtraktiven
Farbmischung anzusiedeln, die die Pigmente als Grundlage ihrer Betrachtung
annahmen.
Die Beschäftigung der Malerei mit Mischungen, mit Schatten und mit der von Weiß bis
Schwarz verlaufenden Farbskala, ebenso wie der Versuch, Farbe in einer kreisförmigen
Anordnung darzustellen und zu schematisieren, waren bereits in der Antike als auch im
Mittelalter Gang und Gebe. Neu hinzukam die Darstellung der Farbe in dreidimensionaler Form wie bei der Pyramide von LAMBERT 1772 oder der Farbenkugel RUNGES im
Jahre 1810.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Farbsehen (vgl. folgendes Kapitel vier), die
Erforschung der Optik und die naturwissenschaftliche Entdeckungen hatten ihren
Einfluss auf die Malerei der Neuzeit. So spielten reine Farben und die Stimmungen, die
Farben auslösen bei den Neoimpressionisten eine wichtige Rolle. Ihre Technik, der so
genannte Pointillismus bestand darin, ein Bild in winzige, dicht zusammenstehende
Punkte von Elementarfarben zu zerlegen, die im Auge wieder zusammengesetzt werden
sollen. Die übrigen Farben entstehen dabei erst durch Farbmischung im Auge des
Betrachters. Diese Art der Malerei wird daher auch als optische Malerei bezeichnet. Das
Ziel der Neoimpressionisten bestand darin, leuchtendere Farben zu erzeugen, als durch
Farbmischung auf der Palette. Ein ähnliches Prinzip wurde schon im byzantinischen und
später im mittelalterlichen Mosaik angewendet (vgl. Abschnitt 3.2.1). Jedoch bewirkte
diese additive Farbmischung im Endeffekt genau das Gegenteil, eine Vergrauung und
Verblassung der Farben. So entstand die divisionistische Methode, bei der die Farbflecke
größer sind und nicht mehr im Auge verschmelzen. Diese Technik schafft lokale
Farbkontraste, was die Farben verstärkt. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI,
Adriana S. 133 ff)
42
3.5 CHINESISCHE MALEREI
3.5 Abstecher in die chinesische Malerei
In diesem Kapitel wird die Farbe unter einem völlig anderen kulturellen und
geschichtlichen Hintergrund betrachtet: dem der chinesischen Kultur. Dieses Kapitel soll
erörtern, wie sich der Umgang mit Farbe in einem nicht europäischen Kulturkreis
gestaltet und inwieweit Kultur und Geschichte auf die Bedeutung und Entwicklung von
Farbe in der Kunst Einfluss nehmen.
3.5.1 Die chinesische Malerei
Die traditionelle chinesische Malerei ist eine Malerei, die mit Tusche und
Wasserfarben auf Papier und Seide einen völlig anderen Weg gegangen ist, andere
Absichten verfolgt aber auch andere Eindrücke, Empfindungen und Ideen vermittelt, als
die, die uns aus der abendländischen Malerei vertraut sind.
Ebenso wie die Malerei im abendländischen Raum kann die chinesische Malerei auf eine
lange geschichtliche Entwicklung zurückblicken, die vor ca. 5000-6000 Jahren begann.
Ähnlich wie bei den Werken des antiken Griechenland, sind auch in China aus der Zeit
vor 1500 v. Chr. keine weiter nennenswerten Werke erhalten geblieben. Jedoch sind
schriftliche Überlieferungen mit Beschreibungen der Kunst und Namen von Künstlern
überliefert.
Im Gegensatz zur Malerei des Abendlandes sind chinesische Maler von jeher nicht um
Originalität oder einen persönlichen Stil bemüht gewesen, sondern um die Bewahrung
einer allgemeingültigen Tradition. Dies bewirkt eine gewisse Zeitlosigkeit, die typisch ist
für chinesischer Bilder.
Mit dem Aufkommen der Landschaftsmalerei in der Tang-Dynastie (618-907 nach Chr.)
wurde die chinesische Malerei auch für den europäischen Betrachter zugänglich. Im
Gegensatz zur europäischen Malerei war die naturgetreue Darstellung von Landschaften
unwichtig. Es zählten mehr die Stimmung und die Atmosphäre die im Betrachter
Empfindungen wecken sollte. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, chinesische Malerei)
Das Dargestellte sollte im Betrachter zum Leben erweckt werden. Die im Bild
gebannte Vorstellung des Künstlers sollte nachvollziehbar sein. Vom Künstler wurde
erwartet, dass er mit seinem ganzen Wesen imstande ist, seine innere Vorstellung im
Bild sichtbar zu machen. (vgl. [33] QIANG, MAI, ERIK: chinesische Malerei)
Auch der Umgang mit den Bildern an sich gestaltete sich in China anders als im
abendländischen Kulturkreis. Bilder wurden nicht gerahmt und an einen festen Platz
angebracht, sondern auf Seiden- oder Papierrollen gemalt und nur hervorgeholt, wenn
man sie betrachten wollte. Die Seiden- oder Papierrollen boten dem chinesischen Maler
eine völlig andere Bildgrundlage. Korrekturen waren darauf nicht möglich. So musste
der Maler das Bild vorher im Kopf komplett vorgedacht haben, bevor er es auf das
Papier brachte. Die geistigen Voraussetzungen sind also im Vergleich völlig andere.
In den chinesischen Landschaftsbildern verzichten die Maler auf den übermäßigen
Gebrauch von Farbe, da Landschaftsbilder oft auch der Meditation dienten. Farbe würde
den Betrachter nur ablenken (vgl. Abbildung 15).
Dafür wird die Farbe in den vier anderen Hauptbereichen der chinesischen Malerei
stärker verwendet. Diese sind: Porträts, erzählende Genrebilder, Tierbilder und Blumenoder Pflanzenbilder. In diesen Bereichen wird meist auf Umrisslinien aus Tusche
verzichtet, was ihnen die Bezeichnung knochenlos einbrachte. Dem Landschaftsbild
hingegen verleihen diese so genannten Knochen als Umrisslinien Konturen. (vgl. [2]
COURTOIS, Michel, chinesische Malerei)
3.5 CHINESISCHE MALEREI
43
Abbildung 15: chinesische Landschaftsmalerei
Diese Ausdruckstechnik war eine grundlegende Besonderheit in der chinesischen
Landschaftsmalerei. Chinesische Landschaftsmaler verließen sich nicht auf Farbe,
Perspektive und Proportion. Sie benutzten hauptsächlich Linien und Punkte, um die
Beschaffenheit eines Objekts, dessen dynamischen oder statischen Zustand und die
Räumlichkeit darzustellen. Linien waren am wichtigsten, die Anwendung der Farbe
wurde den Linien untergeordnet werden.
Die Verwendung von Schriftzügen, die mit dem Bild harmonieren, ist eine weitere
Eigenheit der chinesischen Malerei und wird durch die einheitliche Führung des Pinsels
erreicht. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, chinesische Malerei) Die chinesische Malerei ist im
Wesentlichen aus der Schrift hervorgegangen. Beide ergaben sich aus der Pinseltechnik,
die eine lockere Beherrschung der Hand und des Armes erforderte. Sowohl für den
Maler als auch den Kalligraphen ist die Rhythmik der Linie und ihre Anordnung von
großer Bedeutung. Außerdem zeigen beide eine Tendenz zur Abstraktion. Das bedeutet,
sowohl die Formen zu vereinfachen, als auch zu vereinheitlichen oder zu spezifizieren.
Da sowohl Malen als auch Schreiben poetische Vorgänge sind, wurden bloße
Nachahmungen und formale Ähnlichkeiten abgelehnt.
Im Allgemeinen kennt die chinesische Malerei weder Schatten noch erzählende
Elemente und sucht jenseits der flüchtigen Spur und der zeitlichen Dauer das Bleibende
festzuhalten, das sie in der naturgegebenen Ordnung zu finden glaubt.
Die chinesische Malerei wird beeinflusst von drei philosophischen Richtungen, ohne
dass diese die Malerei jedoch in drei verschiedene ästhetische Richtungen spaltet. Die
erste Richtung ist der Konfuzianismus, der auf einem rationalen gedanklichen System
gegründet ist. Er führte zu einer beispielhaften, ethischen und erzieherischen Disziplin.
Die zweite Strömung ist der Taoismus, der die Intuition über die Vernunft erhob,
Freiheitsdrang und Individualismus weckte und eine poetische und mystische Grundlage
voraussetzte. Der Buddhismus als letzte der drei Strömungen fand nur über den
Taoismus einen Zugang zur profanen Malerei.
44
3.5 CHINESISCHE MALEREI
Im zehnten Jahrhundert zeichneten sich bei den Malern Gegensätze zwischen der
konfuzianischen Auffassung, einer stufenweisen Erkenntnis, und der taoistischen, einer
globalen Weltanschauung, ab. Für jede Richtung entwickelten sich entsprechende
Schulen: die so genannte Nordschule und die Südschule. Die Nordschule brachte
präzise, analytische und gewollt virtuose, monumentale und oft ornamentale
Zeichnungen hervor, während die Südschule bekannt wurde durch ihre lebhaften,
dynamischen Handschriften. Die Bedeutung der Farbe wurde in der Nordschule von
dekorativen Zielsetzungen beeinflusst, in der Südschule, wenn überhaupt verwendet,
diente sie nur dazu, die Transparenz der Tuschtöne und ihre Abstufungen zu
unterstreichen. Auch herrschte in der Sung-Zeit (11. und 13. Jahrhundert) die
Auffassung vor, dass der übermäßige Gebrauch von Farbe die innere Struktur der Dinge
dem Blick verschleiert.
Die Interpretation chinesischer Malerei fiel vom abendländischen Standpunkt aus lange
schwer, da ihr Raum nichts mit unserer herkömmlichen Linearperspektive gemeinsam
hat. Durch eine linksläufige, von oben nach unten führende Betrachtungsweise bedingt,
die sich an einer diagonalen Bewegung aus der rechten oberen Ecke nach der unteren
linken Ecke orientiert, öffnet sich ihre Komposition nach der Tiefe zu und kehrt die
Perspektive um, indem sie die Horizontlinie hinter den Betrachter projiziert. Die
Betrachtungsweise veranschaulicht den leeren und unendlichen Raum dergestalt, dass
der Betrachter in den räumlichen und zeitlichen Ablauf des Bildes hineingestellt wird
und ihn an dem meditativen Prozess des Künstlers schrittweise teilnehmen lässt. Die
Tusche unterstützt dabei lediglich den Realismus der Darstellungen. (vgl. [2] COURTOIS,
Michel, S. 7 f)
3.5.2 chinesische Farbharmonie
Auch in der chinesischen Geschichte der Farbharmonie gab es Bemühung, ähnlich
denen Aristoteles’, eine Harmonie der Farbe zu finden. Künstler und Philosophen
orientierten sich dabei vom vierten bis zum zweiten Jahrhundert v. Chr. vor allem an der
pentatonischen Skala (Tonleiter mit 5 Töne), die in ihrer Musik vorherrschte. In Analogie
dazu nahmen sie an, dass sich die Gesamtheit der Farbenharmonie aus fünf
Grundfarben ergibt, die jeweils einer Himmelsrichtung und Jahreszeit zugeordnet
werden kann. das Rot steht für den Süden, für den Sommer und das Federvieh. Das
Grün liegt im Osten und steht für den Frühling, das Holz und den Drachen. Das Schwarz
gehört zum Norden und steht für den Winter, das Wasser und die Schildkröte, und das
Weiß befindet sich im Westen und repräsentiert den Herbst und den Tiger. Das Gelb
nimmt eine besondere Stellung. Es steht für die Erde. Die Erde hat im Kanon der fünf
Elemente tragende und stützenden Funktionen zum Beispiel die Funktion des Ursprungs
und der Nahrung. Die Pflanzen sprießen aus der Erde, das Feuer bricht aus ihr hervor,
die Metalle treten in den Minen zutage, das Wasser entspringt den Quellen. Die Erde ist
das Zentrum. Dieser Entsprechung entstammt die Definition der Menschen als gelbe
Rasse, der Bewohnerin eben dieser Erde. Entsprechend der Himmelsrichtungen sind die
Farben auf dem Farbkreis angeordnet (vgl. Abbildung16).
3.5 CHINESISCHE MALEREI
45
Abbildung 16: chinesische Farbenharmonie
Für den Farbenkreis existieren zwei verschiedene Lesarten. Die eine befasst sich mit dem
Prinzip der Generation, die andere mit dem Prinzip der Herrschaft. Allgemein ist wichtig
zu beachten, dass im System der chinesischen Tradition so genannten Dienern eine
wichtige Rolle zukommt, da sie die Elemente verbinden und beeinflussen. Der Diener
des Generationsprinzips ist Cheng, der Diener des Herrschaftsprinzips ist K'ev.
Abbildung 17: mögliche Lesarten für den Farbkreis
46
3.5 CHINESISCHE MALEREI
In der rechten Zeichnung in Abbildung 17 ist das System der Generationen verdeutlicht.
Dessen Diener Cheng ist ein so genannter Aufbauer (ein Anaboliker) und seine
Charakteristik die Kontinuität. Kraft dieses Dieners ist jedes Element Erzeuger des darauf
folgenden und stammt gleichzeitig vom vorangegangenen ab. Im System der
Entsprechungen erzeugt somit jede Farbe, jedes Tier oder jede Jahreszeit die nächste,
wobei sie die Essenz der Vorangegangenen weiter trägt. Die gepanzerten Tiere wie die
Schildkröte, welche dem Norden, dem Wasser und der Farbe Schwarz entsprechen,
zeugen die Schuppentiere, zum Beispiel die Drachen, welche immer grün dargestellt
werden, da sie zum Holz gehören und im Osten stehen. Die Schuppentiere ihrerseits
erzeugen das Federvieh, welchem der Süden und die Farbe Rot zugeordnet sind. Diese
wiederum zeugen die Tiere mit einem Fell wie den Tiger oder das Pferd, welche dem
Westen, den Metallen und der Farbe Weiß zugehörig sind.
Das Wasser lässt das Holz sprießen, das Holz nährt das Feuer, das Feuer (die Asche)
düngt die Erde, die Erde reichert Metall an, das Metall zeugt das Wasser.
Auf der linken Zeichnung in Abbildung 17 ist das Prinzip der Herrschaft dargestellt. K'ev,
der Diener der Herrschaft, ist im Gegensatz zu Cheng ein Abbauer (ein Kataboliker),
seine Charakteristik die Mäßigung. In diesem Prinzip dominiert jedes Element ein
anderes: Die Erde saugt das Wasser auf, das Wasser löscht das Feuer, das Feuer schmilzt
das Metall, das Metall spaltet das Holz. Die Abfolge kann nun keine kontinuierliche
mehr sein, wie beim Prinzip der Generation, sondern nur eine alternierende. Die daraus
entstehende Figur nimmt die Form eines sternförmigen Fünfecks mit asymmetrischem
Zentrum an. Diese Darstellungsweise verdeutlicht die dem chinesischen Denken implizite
Asymmetrie. Dieses Denken zieht einer Struktur der Stabilität das Prinzip der Bewegung
vor. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus:
chinesische Tradition)
3.5.3 Zusammenfassung
China und andere Kulturkreise übten in den letzten fünfzig Jahren eine große
Faszination auf die Künstler des Abendlandes aus. Dies liegt nicht an reiner Willkür oder
am Geschmack des Exotischen, sondern drückt vielmehr die Nachfrage nach neuen
künstlerischen Konzeptionen aus, die sich aus der fortschreitenden Veränderung unseres
Weltbildes ergeben.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Spielraum der abendländischen Ästhetik
erweitert und in der Abkehr von der seit der Renaissance geltenden Linearperspektive,
die den Blick mit optischen Illusionen gefangen hielt, die Sicht auf eine tiefere,
umfassendere Wirklichkeit freigegeben. Es findet eine Abkehr von der Suche nach
einem verbindlichen Schönheitsideal statt. Ebenso ist das Bild nicht mehr eine fest
gefügte Welt mit dem Menschen als Mittelpunkt und Maß. Vielmehr beginnt die Suche
nach einer Erklärung des neuen Verhältnisses des Menschen zur Welt, das sich aus der
historischen, wissenschaftlichen, technischen und sozialen Entwicklung ergibt. Auch
wird versucht, abgerissene Bande zu nicht abendländischen Kulturen neu zu entdecken
oder wieder aufzunehmen und die Erfahrungen aller Völker und Kulturkreise
vergleichend, austauschend und assimilierend zu verwerten. (vgl. [2] COURTOIS, Michel,
S. 7)
So vermittelt uns der chinesische Kulturkreis eine unterschiedliche Einstellung zur
Bedeutung von Malerei. Die Wahrung einer allgemeingültigen Tradition geht dabei über
den Individualismus des Künstlers hinaus. Auch sind naturgetreue Abbildungen weniger
wichtig, als das Vermitteln von Gefühlen, das Wecken von Empfindungen im Betrachter
und das Festhalten von Dauerhaftem und Essenziellem. In dieser Einstellung
3.6 NEUZEIT
47
unterscheidet sich die chinesische Philosophie des Malens von der abendländischen, die
oft zum Ziel hat, flüchtige Momente naturgetreu nachzubilden und festzuhalten.
Die Psyche des Betrachters wird ganz anders in den Bildentstehungs- und
Verarbeitungsprozess miteinbezogen. Die Vorstellung des Künstlers, der künstlerische
Akt, soll nachvollziehbar werden. Der Künstler hat das Bild vor seiner Entstehung
komplett im Kopf vorgedacht, was einen ganz anderen, höheren geistigen Prozess
voraussetzt. Dies ist auch der Grund weshalb Malen als poetischer Prozess bezeichnet
wird und die bloße Nachahmung abgelehnt wird.
Die Farbe ordnet sich diesen geistigen und traditionellen Vorstellungen unter. In der
Landschaftsmalerei, die oft zur Meditation eingesetzt wird, wird Farbe nur sehr sparsam
benutzt, um nicht abzulenken. Linien und deren Anordnung haben eine große
Bedeutung. Aus dem Wunsch, das Dauerhafte festzuhalten, entsteht die Neigung zur
Abstraktion. In Porträts, erzählende Genrebilder, Tierbilder und Blumen- oder
Pflanzenbildern tritt die Umrisslinie hinter der Farbe zurück.
Anders als die abendländischen Farbordnungssysteme beruht das chinesische
Ordnungssystem auf den fünf Grundfarben Rot, Grün, Schwarz, Weiß und Gelb. Diese
Grundfarben werden durch Entsprechungen zu Himmelsrichtungen, Jahreszeiten oder
Tieren auf einem Farbkreis angeordnet und können durch zwei unterschiedliche
Lesarten gelesen werden.
3.6 Neuzeit
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von der bisherigen Betrachtung und
Entwicklung der Farbe in der Malerei und modernen Kunst abgewichen, da dieses
Thema zu umfangreich für diese Arbeit sein würde. Im Hinblick auf das interaktive Bild
gewinnt in der Neuzeit ein völlig neuer Faktor in der Kunst an Bedeutung: Die
Technologie. Mit der Erfindung der Fotografie zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der
Entwicklung über bewegte Bilder in Film und Fernsehen bis zum digitalen Bild der
Computergraphik ergeben sich neben der Malerei unzählige neue Möglichkeiten zur
Abstraktion, zur Abbildung und zur Nachahmung der Realität. Dabei kommen auch für
die Bedeutung der Farbe in der Kunst völlig neue Dimensionen hinzu.
3.6.1 Technologische Eckpunkte
In diesem Abschnitt wird zunächst Schritt für Schritt ein Ordnungsmodell entwickelt,
dessen Grundpfeiler die wichtigsten Eckpunkte der technologischen Entwicklung bis
zum interaktiven Bild der Computergrafik bilden. Diese Grundpfeiler sind Gemälde,
Fotografie und Film. Dabei ergeben sich bereits einige intuitive Vermutungen, Fragen,
Parallelen, Abgrenzungen und Eigenschaften zwischen den einzelnen Elementen des
Ordnungsmodells aber auch im Hinblick auf das interaktive Bild (vgl. Abbildung 18).
Im Anschluss werden in den jeweiligen Unterkapiteln die einzelnen Entwicklungsschritte
von Fotografie über Film bis zum computergrafischen Bild geschichtlich sowie
farbtechnisch untersucht, um in einem letzten Abschnitt dieses Kapitels über die Neuzeit
(vgl. Abschnitt 3.6.5) die ersten Annahmen und Gesetzmäßigkeiten des
Ordnungsmodells zu bestätigen, zu ergänzen, gegebenenfalls zu korrigieren oder zu
verwerfen.
3.6.1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE
48
Neuzeit
Gemälde
Foto
Film
interaktives Bild
Produktionszeit der Bilder
Abbildung 18: Ordnungsmodell 1 der Technologien
„Wenn ein Künstler einen Gedanken entwickelt und sich beeilt, ihn auf die
Leinwand zu bringen, wie seufzt er da, das er gezwungen ist, Stück für Stück zu
arbeiten, dass er den Gedanken in seinem Kopf nicht mit einem Pinselstrich
verwirklichen kann. Es ist der ganze Stolz der Fotografie, dass sie dies eben vermag“.
([24] NEWHALL, Beaumont, S.81) Mit Hilfe dieses Zitats lässt sich der
Kompositionscharakter von Malerei und Fotografie gut auseinander halten.
In der Malerei geht die Arbeit Stück für Stück und oft auch Schicht für Schicht
vonstatten. Komposition und Erzeugung eines Gemäldes stehen in einem ständigen
Wechsel. In der Fotografie erfolgt zuerst die Komposition des Bildes, welches
anschließend durch das Ablichten erzeugt wird. Ähnlich verhält es sich mit dem
Abfilmen einer Szene. Auch in der Computergrafik wird das interaktive Bild erst
programmiert und dann im Anschluss bei Bedarf erzeugt.
Demnach wird beim Gemälde viel mehr Zeit zur Herstellung benötigt, während die Zeit
des Herstellens eines Bildes durch Fotografieren oder Filmen nur den Prozess der
Aufnahme und Abbildung auf das Foto- beziehungsweise Filmmaterial dauert. Bei der
digitalen Erzeugung eines Bildes durch ein Programm entsteht das Bild in wenigen
Millisekunden im Rechner.
Es stellt sich die Frage, was es für Auswirkungen gehabt hätte, wenn ein Maler zur
damaligen Zeit so schnell hätte malen können, wie heute ein digitales Bild im Rechner
entsteht? Es bestünde die Möglichkeit, dass der Betrachter beispielsweise bei einer
Drehung bereits ein neues Bild erhielte. Wäre demnach Räumlichkeit und Interaktivität
also schon damals möglich gewesen oder gibt es dafür noch weitere Voraussetzungen?
Weiterhin unterscheiden sich die Grundpfeiler des Ordnungsmodells nicht nur in der
Herstellungszeit, sondern auch in ihrer Herstellungsart. Die Farbe ist als Pigment beim
Gemälde Material und Grundvoraussetzung zum Herstellen der Bilder. Auch werden in
Gemälden zum Beispiel bei der Technik JAN VAN EYCKS mehre Farbschichten subtraktiv
und schablonenartig übereinander aufgetragen. VAN EYCK nutzt diese Techniken
(Weißhöhung beispielsweise bei Händen und Gesicht), um die Farben von innen her
leuchten zu lassen und Realismus beziehungsweise Tiefe zu erzeugen.
Bei der Buntfotografie und beim Druck wird durch subtraktive Farbmischung die Farbe
auf das Fotopapier gebracht (vgl. Abschnitt 3.6.2.4), während der Bildschirm bereits
von innen leuchtend durch additive Mischung Farbe erzeugt (vgl. Abschnitt 3.6.3.4).
Diese unterschiedlichen Arten der Farberzeugung bei Druck und Monitor ergeben
3.6 1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE
49
Probleme, da Farben auf dem Bildschirm teilweise anders dargestellt werden, als später
im Druck auf dem Papier.
Beim Filmen auf Filmmaterial erfolgt ebenfalls eine sequenzielle Schichtung, hier werden
jedoch nicht wie bei VAN EYCK mehrere Schichten zu einem Bild, sondern mehrere Bilder
zu einem Film sequenziell verknüpft.
Neuzeit
Gemälde
Foto
Film
interaktives Bild
Produktionszeit der Bilder
Mächtigkeit der Technik
Abbildung 19: Ordnungsmodell 2 der Technologien
Im gleichen Zuge, in dem die Produktionszeit eines Bildes abnimmt, nimmt auf der
anderen Seite, wie bereits in der Einführung zu diesem Abschnitt erwähnt, die
Bedeutung der Technik in der Kunst zu. Der Einsatz von Technologie in Fotografie über
Film bis zur digitalen Computerkunst wächst (vgl. Abbildung 19).
Neuzeit
Gemälde
Foto
Film
interaktives Bild
Produktionszeit der Bilder
Mächtigkeit der Technik
statisch
lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
statisch
lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
dynamisch
kurze Betrachtungszeit
(pro Bild)
dynamisch
kurze/ lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
Abbildung 20: Ordnungsmodell 3 der Technologien
3.6.1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE
50
Die Länge der Betrachtungszeit unterscheidet sich von den statischen Medien
Gemälde beziehungsweise Foto zu den dynamischen Medien Film und Interaktives Bild
(vgl. Abbildung 20). Bei Gemälde und Foto steht dem Betrachter wesentlich mehr Zeit
zur Verfügung, um ein einzelnes Bild zu betrachten als beim Film (normalerweise 25
Bilder pro Sekunde) und der Computergrafik. Das hat zur Folge, dass Farben, die im
Foto oder Gemälde betrachtet werden, besser erinnert werden können da mehr Zeit
vorhanden ist, um sich die Farbe einzuprägen. Beim Film dagegen spult man
normalerweise nicht zurück sondern ist der Folge der Bilder ausgesetzt. Dies hat
Auswirkungen auf die Bedeutung von Farben in statischen und dynamischen Bildern. Es
stellt sich die Frage, inwieweit Farbe somit überhaupt in dynamischen Bildern von
Wichtigkeit ist. Diese Frage wird in Kapitel fünf unter Berücksichtigung der
physiologischen und psychologischen Wahrnehmung noch einmal aufgegriffen (siehe
Abschnitt 5.2).
Beim interaktiven Computerbild besteht wieder die Möglichkeit des Eingreifens in die
Farbwahrnehmung durch aktive Nutzerbeeinflussung der Szene. Es ist durchaus möglich
und sinnvoll, die Szene anzuhalten, beispielsweise bei PC-Spielen. Farbe muss also hier
nicht nur im dynamischen Bild, sondern auch als Element eines statischen Bildes
betrachtet werden. Damit schließt sich der Kreis über die Frage der Wichtigkeit von
Farbe in Abhängigkeit zur Betrachtungszeit und zur Statik beziehungsweise Dynamik
einer Szene.
Neuzeit
Gemälde
Foto
Film
interaktives Bild
Produktionszeit der Bilder
Mächtigkeit der Technik
statisch
statisch
lange Betrachtungszeit lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
(pro Bild)
Bild im Kopf/ aktiv
Abbild/ passiv
Pigmente
dynamisch
kurze Betrachtungszeit
(pro Bild)
Abbild/ passiv
dynamisch
kurze/ lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
Bild im Kopf/ aktiv
Pixel
Abbildung 21: Ordnungsmodell 4 der Technologien
Die horizontale Einteilung in Gemälde, Fotografie, Film und interaktivem Bild kann
ebenso als eine zeitliche Entwicklung betrachtet werden (vgl. Abbildung 21). Die
Entwicklung vom Gemälde erstreckte sich über die bereits betrachteten Epochen Antike,
Mittelalter und Renaissance (vgl. Abschnitt 3.1 bis 3.3). In der Neuzeit kam in ungleich
kürzeren zeitlichen Abständen die Erfindung und Entwicklung von Fotografie, Film und
Computergrafik hinzu. Das Gemälde als Vorfahre dieser neuen technischen Bilderzeugungsverfahren beeinflusste deren gedankliche Grundlagen und Ansätze in Bezug
auf die Farbe.
3.6 1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE
51
So können beispielsweise zwischen den Glasfenstern der Antike und des Mittelalters
Parallelen zur additiven Farbmischung von Film und Fernsehen gezogen werden. Licht
fällt wie bei einer Projektion von hinten durch das Fenster. Ist kein Licht vorhanden,
bleibt das Fenster schwarz. Die verschiedenfarbigen Glasfensterteile können verglichen
werden mit den in die Rasterscheiben der Bildröhren eingelassenen Phosphoren. Diese
werden durch das einfallende Sonnenlicht zum Strahlen gebracht.
Auch der antike Mimesis-Gedanke lässt sich in diesem Schema wieder finden. Nach
ARISTOTELES’ Mimesis-Gedanke wurde mit dem Bild eine eigene neue Realität erschaffen
(vgl. Abschnitt 3.1.3). Dies ist ein aktiver Vorgang der Umsetzung. Das Bild muss vorher
in einem geistigen Prozess im Kopf erfunden werden. Selbst wenn das Motiv real
existent ist, steht das Abbild immer unter dem direkten Einfluss des Malers, der ihm mit
dem Pinsel seinen Eigenwert verpasst. Diese Vorgehensweise findet sich im Schema
nicht nur bei der Bildentstehung von Gemälden sondern auch im interaktiven Bild
wieder. Beim interaktiven Bild kann die Mimesis derart verstanden werden, dass
Informationen von außerhalb verarbeitet werden, was auf dem ästhetischen Gebiet als
Nachahmung empfunden werden kann (zum Beispiel Animationen, interaktive
Medienkunst). Das Schreiben des Programms ersetzt die Pinselbewegung des Malers.
Das Foto und der Film stützen sich mit Hilfe eines technischen Geräts vom Prinzip auf die
bloße Abbildung der Realität, welche ein passiver Vorgang ist. Die Passivität bezieht sich
jedoch lediglich auf den Vorgang der Abbildung. Der kreative Prozess der Komposition
eines Fotomotivs oder einer filmischen Szene ist ebenfalls ein aktiver, geistiger Prozess.
Auch kann im Zuge der Digitalisierung Foto- und Filmmaterial nachträglich sehr leicht
verändert werden. Die Grenzen des aktiven Eingreifens und des willkürlich
dokumentierenden Aspektes von Fotografie und Film werden immer ungenauer.
KRAUSS beschreibt in seinem Buch „Kunst mit Photographie“, dass erst 1876 mit der
fotografischen Aufnahme eines Pferdes bewiesen wurde, wie ein Pferd im Trabe in einer
bestimmten Phase den Boden nicht berührt. Dies ist mit dem bloßen Auge nicht zu
erkennen. In der Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts konnte eine Bewegungsphase, von
der bis zum Jahre 1876 niemand eine Anschauung hatte, nur erfunden, das heißt
gemalt werden. Zu imaginieren war demnach schon von jeher Aufgabe der Malerei. Bei
der Fotografie war die Fixierung auf die Reproduktionsfähigkeit lange so stark, dass
niemand ihre Imaginationsfähigkeit erkannte. (vgl. [18] KRAUSS, Rolf H., SCHMALRIEDE,
Manfred, SCHWARZ, Michael S. 55 ABSCHNITT links)
Was hat nun die Betrachtung über das Aktive und Passive sowie die Unterscheidung
von Abbild und Bild im Kopf mit Farbe zu tun? In Gemälde und interaktivem Bild mischt
der Künstler Pigmente beziehungsweise Pixel in einem aktiven Prozess selbst zusammen,
um sie auf die jeweiligen Medien wie Leinwand oder Bildschirm auszugeben. In
Fotografie und Film wird die Farbe der Objekte in dem Sinne nicht selber erschaffen,
sondern es erfolgt eine Abbildung der real existierenden Gegenstände. Die Wirkung von
Farbe kann nicht direkt im Material selbst beeinflusst werden, sondern ergibt sich durch
Auswahl und Komposition. Diese Eigenschaft wird durch die Digitalisierung von Foto
und Film wieder in einen aktiven Schaffensprozess ausgeweitet.
In den folgenden drei Teilkapiteln werden die eben festgehaltenen Erkenntnisse
durch geschichtliche Daten und Erkenntnisse zu Fotografie, Film und interaktivem Bild
der Computergrafik erläutert und verdichtet.
3.6.2 FOTOGRAFIE
52
3.6.2 Fotografie
3.6.2.1 Fotografie und Malerei
Seit ihrer Erfindung vor ca. 150 Jahren wird die Fotografie gemessen und verglichen
mit jener alten Kunst, durch die dreidimensionale Wirklichkeit auf eine zweidimensionale
Bildwelt reduziert wird: der Malerei.
Mit der Erfindung der Fotografie kommt in der Kunst erstmal der Fotoapparat als
technisches Hilfsmittel zum Einsatz. Er eröffnet eine neue Dimension technischer
Genauigkeit von Darstellungen. So können beispielsweise Bewegungen fixiert werden,
die dem Auge als zu schnell entschwinden und anatomische Formen festgehalten
werden, die beim längeren Stehen des Modells erlahmen. Diese Eigenschaft führte
schon früh zur Nutzung fotografischer Vorlagen in der Malerei. Seitdem es mit der
Camera obscura möglich ist, fixierbare und damit dauerhafte Bilder herzustellen, gibt es
zwischen dem Gebiet der Malerei und der Fotografie Dependenzen. Jedoch wird der
Einfluss der Fotografie im Bezug auf Detailgenauigkeit, Bildausschnitte, Perspektive und
Bewegungsdarstellung überschätzt. In Abschnitt 3.3 wurde festgestellt, dass es die
Darstellung von Perspektive im Gemälde bereits seit der Renaissance gab. Auch waren
schon seit Jahrhunderten Bildausschnitte in dem Sinne gebräuchlich, dass Personen oder
Gesichter genauso wie Objekte vom Bildrand geteilt wurden. Ebenso stellte
beispielsweise der spanische Maler VELÁSQUEZ (1599-1660) die Bewegung eines
rotierenden Spinnrads als Scheibe ohne Speichen dar. Dieses sind zwar unverkennbare
Bildgestaltungs- und Darstellungsmerkmale der Fotografie, wurden jedoch von dieser
nicht als neue Qualität in die Malerei eingebracht.
Nichtsdestotrotz wurde die Kamera als Hilfsmittel der Malerei verwendet. Die Maler
zogen aber nicht nur einen technischen sondern auch einen ideellen Nutzen aus der
Kamera. Die Fotografie übte eine heilsame Wirkung auf die ästhetische Konzeption von
Bildern aus. So ist zum Beispiel in dem Gemälde von PAUL HOENIGER: „Im Café Josty in
Berlin“ von 1890 deutlich zu erkennen, das eine Fotografie als Vorlage verwendet
wurde (siehe Abbildung 22). Die Übernahme des ästhetischen Konzepts der Fotografie
reicht sogar so weit, dass HOENIGER Bewegung, Anschnitt, Perspektive, zufällige Überschneidungen und Detailgenauigkeiten nach Art der Momentfotografie mit einer
Konsequenz und Qualität zeigt, der die Fotografen zu diesem Zeitpunkt technisch nicht
folgen konnten.
Abbildung 22: fotografische Vorlage bei
Paul Hoenigers „Im Café Josty in Berlin“
3.6.2 FOTOGRAFIE
53
Selbst die zur damaligen Zeit neuen, empfindlichen Trockenplatten konnten den
Lichtkontrast zwischen drinnen und draußen nicht ausgleichen. Genauso wenig konnten
Bewegungen scharf aufgenommen werden, um eine den ganzen Bildraum
durchziehende Tiefenschärfe zu erzielen. Die Maler exponierten die fotografischen
Mittel mit größerer Meisterhaftigkeit als die Fotografen. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S.
9 ff)
Von dieser Beeinflussung lässt sich jedoch nicht auf eine Konvergenz in der geschichtlichen Entwicklung von Malerei und Fotografie schließen. Die Fotogeschichte hat sich zu
keinem Zeitpunkt im Gleichlauf mit der Malerei befunden, auch nicht phasenversetzt.
In der frühen Zeit der Fotografie endet die Vergleichbarkeit von Gemälden und
Fotografie spätestens bei der Farbe, da bis dahin mit nur wenigen Ausnahmen schwarzweiß fotografiert wurde. ENNO KAUFHOLD stellt deshalb in seinem Buch „Bilder des
Übergangs“ (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 198) die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist,
in dieser Phase die Fotografie mit der Malerei zu vergleichen. Seiner Meinung nach wäre
ein Vergleich mit der Grafik angebrachter. Dies scheitere jedoch an der fehlenden
speziellen Ästhetik und Kunsttheorie für die Grafik. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 9 ff)
3.6.2.2 Ist Fotografie Kunst?
Die ersten Jahrzehnte der Fotografie waren vom naiven Gebrauch des neuen
Mediums gekennzeichnet. Erst seit dem 19. Jahrhundert eigneten sich Kunstfotografen
das ästhetische und künstlerische Repertoire der Maler an und verbanden es mit den
Mitteln der Fotografie. So schärfte sich ihr Blick für das eigentlich Fotografische. Die
Fotografie ist demnach nicht komplett ästhetisch und künstlerisch von der Malerei
abhängt. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 9 ff)
Neue Impulse in der Kunst entstanden in der Geschichte oft aus dem Antrieb heraus,
etwas völlig Gegensätzliches zum bisher Bestehenden zu schaffen. Die Fotografen und
Theoretiker der Fotografie hingegen wetteiferten lange mit den Schönen Künsten, im
Speziellen mit der Malerei, bevor sie den Eigenwert der Fotografie als eigenständige
Kunstgattung erkannten. Dies geschah dadurch, dass sie sich den Bedingungen und
Möglichkeiten des eigenen Mediums zuwandten. Lange wurde die Fotografie als
einseitiges, mechanisches Reproduktionsverfahren angesehen. Allerdings wurde die
Bedeutung der Fotografie für die Entstehung des Films nie bestritten. (vgl. [18] KRAUSS,
Rolf H., SCHMALRIEDE, Manfred, SCHWARZ, Michael, S. 53 ff)
3.6.2.3 Farbe in der Fotografie
Anfangs wurden Fotografien nach dem Prinzip der Daguerreotypie hergestellt. Als
Daguerreotypie wird ein fotografisches Positiv-Verfahren des 19. Jahrhunderts
bezeichnet, das nach dem französischen Maler LOUIS JACQUES MANDÉ DAGUERRE (1787 1851) benannt wurde. Dieses Verfahren erzeugte jedoch nur Unikate, die nicht, wie bei
dem später von dem Engländer WILLIAM HENRY FOX TALBOT (1800 - 1877) erfundenen
Negativ-Positiv-Verfahren, der so genannten Talbotypie (auch Kalotypie), vervielfältigt
werden konnten.
Relativ bald nach den ersten gelungenen fotografischen Versuchen entstand der
Wunsch, auch die natürlichen Farben der Umwelt abzubilden. Erste Versuche in dieser
Richtung bestanden darin, den schwarzweißen Aufnahmen von Daguerreotypien
Farbtöne hinzuzufügen. Später stellte sich das von TALBOT beschriebene Verfahren als
das Geeignetere heraus. Bei diesem Verfahren werden lichtempfindliche Papierblätter
verwendet, die nach einer lange dauernden Belichtung in der Kamera negative Bilder
erzeugten. Sie konnten anschließend auf ein ähnliches Papier kopiert werden, um
3.6.2 FOTOGRAFIE
54
positive Bilder zu erhalten. Solche Bilder konnten recht einfach mit Wasserfarben oder
mit einem durchsichtigen Ölanstrich koloriert werden. (vgl. [2] COE, Brian, S. 8)
1861 projizierte der schottische Physiker JAMES CLERK MAXWELL (1831-1879) erstmals
eine richtige Farbaufnahme. Er veröffentlichte das erste Farbbild als Nachweis für die
Theorie der additiven Farbmischung. Seine Vorführung der additiven Farbmischung
basierte auf drei Diapositiven, die durch drei Farbfilter (Rot, Grün und Blau) fotografiert
worden waren (siehe Abbildung 23) und durch entsprechende Filter deckungsgleich
projiziert wurden (siehe Abbildung 24).
Abbildung 23: drei Diapositive von MAXWELL (1861)
Abbildung 24: Farbreprodduktion
Techniken und Länge der Belichtungszeit verbesserten sich in der Folgezeit in Europa
durch zahlreiche neue Erfindungen und Patentanmeldungen.
Die Brüder AUGUSTE und LOUIS LUMIÈRE stellten 1904 die ersten Autochrom-Platten her.
Mit dem auf der Farbrasterung basierenden Autochromverfahren wurde es erstmals
möglich, ein Farbbild mit einer einzigen Aufnahme herzustellen und nicht, wie früher,
die Aufnahme hintereinander durch drei Farbfilter zu erzeugen. Farben konnten sehr
realistisch wiedergegeben werden. Allerdings war die Belichtungszeit für eine Aufnahme
sehr lang.
Autochromplatten funktionierten mit rot, blau und grün eingefärbten Stärkekörnchen
aus Kartoffeln und einer Bromsilber-Gelatine-Emulsion. Die Kombination der
Farbkörnchen ergab eine scheinbar homogene Farbfläche auf Grund der additive
Farbsynthese. Obgleich dieses Verfahren bei großflächigen Standbildern mit seinen
weichen Farben und lichtechten Pigmenten erstaunliche Resultate erbrachte, war es für
den Kinofilm ungeeignet, da das grobe Raster ein störendes Rauschen erzeugte.
Die ersten Dreischichtenfilme wurden 1936 von Agfa und Kodak auf den Markt
gebracht. Nach diesem Verfahren funktionieren Farbfilme prinzipiell bis heute. (vgl. [2]
COE, Brian, S. 28 ff)
3.6.2 FOTOGRAFIE
55
Heute dominieren in der Fotografie jedoch die Subtraktionsverfahren, die im folgenden
Abschnitt näher erläutert werden sollen.
3.6.2.4 Farbmischgesetze
Der heutigen Buntfotografie liegt das Farbgesetz der subtraktiven Farbmischung
zugrunde (siehe Abbildung 25). Als subtraktive Mischung bezeichnet man die
Modulation von sichtbarer Strahlungsenergie durch lasierende Filterschichten.
Subtraktion ist immer dann gegeben, wenn von vorhandener Strahlungsenergie durch
Absorption etwas entfernt wird. Das heißt, dass durch das Absorptionsvermögen von
drei hintereinander geschalteten Filterschichten die Vielfalt des Farbraums reproduziert
wird. Nach diesem Grundprinzip funktioniert nicht nur die Farbfotografie, sondern auch
teilweise der Mehrfarbendruck. Ausgangspunkt ist die unbunte Grundfarbe Weiß. Bei
der Buntfotografie ist sie in Gestalt des weißen Lichts vorhanden, das nötig ist, um ein
Buntdia zu sehen. Im Druck übernimmt die weiße Papieroberfläche diese Aufgabe. Die
Grundfarbe Weiß ist dabei notwendig, damit die transparenten Farbschichten, die
darüber liegen, überhaupt ihr Absorptionsvermögen entfalten können. Solche
transparenten Farbschichten nennt man auch lasierend. Sie sind prinzipiell nichts
anderes als Farbfilter, die bei der subtraktiven Mischung in den Farben Gelb,
Magentarot und Cyanblau auftreten. Jede dieser Farbschichten absorbiert den
Strahlungsbereich des weißen Untergrunds für einen Zapfentyp (vgl. Abschnitt 4.1). Die
volle Farbschicht absorbiert möglichst die gesamten betreffenden Strahlungen, während
die gelbe Schicht zum Beispiel keine kurzwelligen Strahlungen durchlässt, so dass der
Empfangsbereich für Violettblau keinen Farbreiz erhält und deshalb auch kein
Empfindungspotential aktiviert.
Bei Reproduktionssystemen, die nach diesem Prinzip arbeiten, wird die Farbmenge in
den Filterschichten für jeden Bildpunkt variiert. In jeder Schicht entspricht das
Absorptionsvolumen der vorhandenen Farbmenge. Je größer nun diese Farbmenge ist,
desto mehr wird von der entsprechenden Strahlung absorbiert und desto weniger wird
durchgelassen. Ist gar keine Farbmenge da, wird in diesem Strahlungsbereich alles
durchgelassen. Dieser Fall entspricht in Abbildung 25 dem Weißen Bereich außerhalb
der drei Farbkreise.
Abbildung 25: subtraktive Farbmischung
3.6.3 FILM und FERNSEHEN
56
So hat jede Filterschicht die Aufgabe, eine Urfarbe im Sehorgan anzusteuern und zu
modulieren. Der Farbschicht Gelb ist dabei die Urfarbe Violett zugeordnet, der
Farbschicht Magentarot die Urfarbe Grün und der Farbschicht Cyanblau die Urfarbe
Orangerot. Je nach Farbmenge in der betreffenden Schicht fällt mehr oder weniger
Strahlungsenergie auf die zugeordneten Zapfen. Dabei sind alle Mengenvariationen
möglich. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 178 f)
Man kann demnach festhalten, dass Cyan Blau und Grün enthält und Rot absorbiert.
Magenta enthält Blau und Rot, absorbiert Grün und Gelb enthält Grün und Rot,
absorbiert Blau. Die Grundfarben bilden sich dabei nach dem Schema:
Gelb + Cyan = Grün (-Blau und -Rot)
Cyan + Magenta = Blau (-Rot und -Grün)
Gelb + Magenta = Rot (-Blau und -Grün)
3.6.2.5 Farbe in der Digitalfotografie
In der Digitalfotografie gibt es keinen chemischen Film. Die Speicherung der
Bildinformation erfolgt in der Regel elektromagnetisch oder optisch, meist in einem
standardisierten Dateiformat. Dabei wird das Bild mit seinen Farbinformationen kodiert.
Auch für digitale Bilder haben sich entsprechenden Präsentationsformen herausgebildet.
Üblich ist die Darstellung auf dem Monitor (vgl. Abschnitt 3.6.3). Genauso können
digitale Bilder auch gedruckt oder ausbelichtet werden. Hier stellt sich die Frage,
inwieweit die Farbbereiche von Monitor und Druck übereinstimmen oder so aufeinander
abgestimmt werden müssen, dass der Farbeindruck des Drucks den des digital auf dem
Bildschirm dargestellten Bildes wiedergibt.
3.6.3 Film und Fernsehen
3.6.3.1 Geschichte und Technik
Schon seit Beginn der Fotografie bestand Interesse daran, den Moment der
Bewegung im Bild festzuhalten, beziehungsweise sichtbar zu machen. Nicht weit lag
daher der Wunsch, auch die Bewegung an sich festzuhalten und reproduzierbar zu
machen. Die Fotografie hält eine bestimmte Szene fest, während der Film ganze
Geschichten und Handlungen einzufangen vermag.
Es stellte sich bald heraus, dass man durch die Anzeige einer Folge von Bildern in
kurzen Zeitabständen mit geeigneter Technik für den Betrachter die Illusion der
Bewegung erzeugen kann. Dieser Effekt, den man als Stroboskopeffekte bezeichnet,
macht sich die menschliche Wahrnehmung zu Nutze, die ab ungefähr 25 Bildern pro
Sekunde eine Illusion von Kontinuität erzeugt. Sind die Bilder nicht all zu verschieden,
sorgt die Trägheit des Auges dafür, dass die eigentlich verschiedenen Einzelbilder als
identisch und kontinuierlich empfunden werden. Der Film baut somit technisch gesehen
auf der Fotografie auf. (vgl. [26] NOWELL-SMITH, Geoffrey, S. 6 ff)
Den Gebrüdern AUGUSTE und LOUIS LUMIÈRE gelang es bereits Anfang 1895 erstmals
mit Hilfe einer Projektionsvorrichtung bewegte Bilder auf eine Leinwand zu werfen.
Nach weiteren Verbesserungen an ihrem Gerät, dem Cinématographe Lumière, gaben
sie noch im selben Jahr den Startschuss für das kommerzielle Kino. (vgl. [26] NOWELLSMITH, Geoffrey, S. 18)
Heute kann man festhalten, dass sich der Film über drei große Gebiete erstreckt,
wobei die Übergänge fließend sind. Zum einen gibt es die klassische Filmkunst, die mit
Hilfe fotografischer Verfahren Einzelbilder von Ereignissen in schneller Abfolge auf
3.6.3 FILM und FERNSEHEN
57
Filmmaterial ablichtet. Diese Bilder werden durch Projektion auf eine Leinwand
geworfen, wobei der Eindruck des bewegten Bildes entsteht. Ein Projektor ist
vereinfacht gesagt eine Kamera, die umgekehrt funktioniert. Während der StummfilmÄra liefen alle Projektoren, ob sie nun per Hand gekurbelt oder elektrisch angetrieben
wurden, mit wechselnden Geschwindigkeiten. Somit konnte der Vorführer das Tempo
des Projektors dem der Kamera anpassen. Da bei kleineren Geschwindigkeiten von 14
bis 18 Bildern pro Sekunde ein Flimmern auftrat, steigerte man sich mit der Zeit auf 24
Bilder pro Sekunde, was dann als Standard für den Tonfilm festgelegt wurde. (vgl. [23]
MONACO, James, S. 11)
Zum Zweiten besteht seit den 60er Jahren die Möglichkeit, Bilder durch elektronische
Verfahren aufzunehmen und anschließend auf einem Bildschirm (vgl. Abschnitt 3.6.3.4)
darzustellen. Dies ist der Bereich des Fernsehens und der Videokunst. Neben der
eigenständigen Videokunst als Kunstrichtung bietet das Video an sich zahlreiche Vorteile
für die Film- und Fernsehproduktion. Wird zur Produktion eines Films ein Videoband
eingesetzt, so muss dieses, anders als bei der klassischen Filmkunst, nicht erst entwickelt
werden, sondern kann sofort, auch auf mehreren Monitoren gleichzeitig, abgespielt
werden. Somit ist es beim Drehen eines Films auch anderen Personen außer dem
Kameramann möglich, die Szene zu sehen und sofort zu überprüfen. Außerdem
erleichtert die Videotechnik das Schneiden, da digitales Schneiden ungemeine Vorteile
gegenüber dem mechanischen Kleben des Films bringt. Außerdem vereinfacht sich das
Problem der Archivierung, da die elektronische Speicherung auf Platten den direkten
Zugang zu allen Aufnahmen bietet.
Das Fernsehen nutzt ebenfalls seit seinen Anfängen die Film-auf-Band-Überspielung.
Dabei wird eine Produktion auf Film gedreht und dann für die Sendung auf Band
überspielt.
Seit den 90er Jahren entwickelte sich schließlich das dritte große Gebiet der
Computeranimationsfilme als Nachfolger des Trickfilms. Dabei werden keine realen
Vorgänge als Ganzes abgefilmt, sondern die Bilder werden einzeln durch Zeichnen,
Stop-Motion (Filmtechnik zur Animation von Gegenständen), oder digitale Animation
erzeugt.
Seit dem letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Entwicklung der
Bildaufzeichnung durch die Digitalisierung einen neuen Höhepunkt erreicht. Die
technischen Grundlagen des Filmemachens veränderten sich dadurch völlig. Die gesamte
Herstellungskette von der Aufnahme über die Bearbeitung bis zur Speicherung im
Digitalformat ist betroffen. (vgl. [23] MONACO, James, S. 143 ff)
3.6.3.2 Film und Malerei
Wie schon im Abschnitt über die Fotografie (vgl. Abschnitt 3.6.2.1) erwähnt, brachte
ebenso beim Film die Technologie völlig neue Möglichkeiten für die visuellen Künste. Die
Kamera als technisches Medium, sieht man einmal von ihrer Begrenztheit der
Farbwiedergabe bis in die späten 60er Jahre ab, übertraf zusammen mit der Fotografie
die Malerei und Zeichnung ganz eindeutig in einem Aspekt. Sie konnten Bilder von der
Welt direkt aufzeichnen. Dieser Wunsch nach naturgetreuer Abbildung drückte sich
bereits seit der Antike (vgl. Abschnitt 3.1.3) und später in der Renaissance als
entscheidender Wert in der visuellen Ästhetik aus.
Auch bestand in der Kunst schon immer der Wunsch, Bewegungsabläufe festzuhalten.
Illustrationen auf Friesen zählen beispielsweise zu den wichtigsten Versuchen der
tonlosen visuellen Künste, eine Geschichte zu erzählen und von Ereignissen zu
berichten, die eine Existenz sowohl in der Zeit, als auch im Raum haben. Dies wird durch
die Erfindung des Films in einem ganz anderen Umfang möglich.
58
3.6.3 FILM und FERNSEHEN
Des Weiteren war es nun mit dem Film als ein sich bewegendes Bild möglich, ständig
wechselnde Perspektiven darzustellen. Diese Eigenschaft des Films versuchten Künstler
des Kubismus wie PABLO PICASSO und GEORGE BRAQUE in ihren Werken nachzuempfinden.
In diesem Sinne ist das Werk von MARCEL DUCHAMP „Nu descendent un escalier“ als ein
Versuch zu verstehen, die vielfältigen Perspektiven des Films auf die Leinwand zu
bannen (siehe Abbildung 26). (vgl. [23] MONACO, James S. 37)
Abbildung 26: vielfältigen Perspektiven in MARCEL
DUCHAMPS „Nu descendent un escalier“
3.6.3.3 Farbe im Film
Auch im Film stellte sich sehr schnell der Wunsch nach Kolorierung ein. Bereits 1896
existierten erste Filmkopien, die mit feinen Pinseln von Hand koloriert wurden. Das
Ergebnis dieser Technik war oft spektakulär, zum Beispiel bei GEORGE MÉLIÈS’ „Le
Royaume des Fées“ von 1903, dessen Bilder den Glanz mittelalterlicher Miniaturen
besaßen.
Die größte Schwierigkeit beim Kolorieren bestand darin, den Farbauftrag auf ein
bestimmtes Bilddetail zu beschränken. CHARLES PATHÉ (1863 - 1957) erfand daraufhin
1906 eine mechanische Kolorierungsmethode namens Pathécolor, die bis zu sechs
verschiedene Farbtöne zuließ. Eine viel billigere Methode und daher oft verwendete war
jedoch das Einfärben ganzer Sequenzen eines Filmes in einer einheitlichen Farbe.
Die ersten Versuche, Farbfilme wie heute durch die Überlagerung von roten, grünen und
blauen Bildern zu erreichen, gab es bereits 1899. 1906 gelang GEORGE ALBERT SMITH
(1864 - 1959) mit Kinemacolor ein wirtschaftlich nutzbares Verfahren. SMITH platzierte
vor die Kamera eine halbdurchsichtige Scheibe mit zwei Sektoren: Rot und Blau-Grün.
Der Film wurde dann mit denselben Filtern projiziert und die beiden Primärfarben
verschmolzen zu einem Bild. 1913 entwickelte Gaumont dieses System zum DreifarbenProzess weiter.
Die ersten wirklich farbempfindlichen Emulsionen wurden 1915 von Eastman Kodak
entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit begann die Technicolor Motion Picture Corporation
mit Experimenten zu einem System, das auf der additiven Synthese von zwei Farben
3.6.3 FILM und FERNSEHEN
59
beruht. Unzufrieden mit ihren Ergebnissen, wendeten sie sich 1919 der subtraktiven
Synthese zu. Diese beruht auf der Kombination von Bildern, bei denen jeweils Licht einer
bestimmten Farbe ausgefiltert wurde. Durch die Kombination dieser Bilder wird die
Farbbalance wieder hergestellt. Der erste vom Technicolor-Team präsentiert Film dieser
Art beruhte auf zwei Negativen sowie auf zwei Serien von Positivbildern, die in
unterschiedlichen Farben von beiden Seiten auf den Filmstreifen übertragen wurden.
Trotz zahlreicher weiterer Erfindungen auf dem Gebiet des Farbfilms dominierte das
System von Technicolor in den 30er und 40er Jahren die professionelle Filmproduktion.
(vgl. [26] NOWELL-SMITH, Geoffrey, S. 9)
3.6.3.4 Farbmischgesetze
Während der Film früher und auch heute noch in den Kinos über die Projektion auf
eine Leinwand dem Betrachter zugänglich gemacht wird, nutzen das Fernsehen und die
digitale Filmtechnik den Bildschirm als Ausgabemedium.
Dem Bildschirm des Buntfernsehens beziehungsweise des Farbfernsehens liegt das
Farbgesetz der additiven Mischung zu Grunde. Das heißt, dass das gleichzeitiges
Zusammenwirken von Farbreizen auf die Netzhaut den Farbeindruck im Auge erzeugt
(siehe Abbildung 27). Die additive Farbmischung ist das Gegenstück, die so genannte
komplementäre Gesetzmäßigkeit, zur subtraktiven Farbmischung. Unter additiver Farbmischung versteht man das Prinzip, durch Variationen der Intensität der Farblichter
Violettblau, Grün, Orangerot die Farbvielfalt systematisch nachzumischen und auf diese
Weise den Farbraum bestmöglich zu reproduzieren.
Abbildung 27: additive Farbmischung
Die additive Mischung ist somit der technologische Versuch, die Arbeitsweise des
Sehorgans zu imitieren beziehungsweise zu simulieren. Die Basis ist die unbunte
Grundfarbe Schwarz, die durch die Abwesenheit von Licht entsteht. Wie bei der
subtraktiven Mischung sollten die drei Farblichter spektral so beschaffen sein, dass ein
jedes in einem der drei Zapfen-Empfangsbereich des Auges volles Empfindungspotential
aktiviert und in den beiden anderen möglichst keines (vgl. Abschnitt 4.1). Die
Empfindung Weiß entsteht dabei durch das gleichzeitig Ansprechen aller drei
60
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Zapfentypen. Dort wo sich jeweils zwei Lichter überlagern entstehen die Grundfarben
Gelb, Magentarot und Cyanblau.
In der technischen Umsetzung der additiven Mischung, beispielsweise in einem
Bildschirm, ist somit Schwarz die Dunkelheit, welche das nicht in Anspruch genommene
Potential ausfüllt. In die Rasterscheiben der Bildröhren sind winzige Phosphore in den
Grundfarben Violettblau, Grün und Orangerot eingelassen, die zum Strahlen gebracht
werden. Ihre Strahlungsintensität wird dabei für jede dieser drei Grundfarben
kontinuierlich ausgesteuert. Das Aussehen der einzelnen Farbnuancen kommt wiederum
durch die entsprechenden Werte in den drei Empfangsbereichen der Zapfentypen
zustande. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 175 f)
3.6.4 Das interaktive Bild
3.6.4.1 Begriffe
Die Vorgänger dynamischer und interaktiver Bilder sind die digitalen statischen Bilder.
Im Folgenden sollen die beiden Begriffe statische und dynamische Computerbilder, die
teilweise schon im Abschnitt 3.6.1 erwähnt wurden, definiert werden. Des Weiteren
werden ihre Eigenschaften erläutert und gegenüber dem ursprünglichen materiellen Bild
der Malerei abgegrenzt.
Das digital statische Bild gehört zu Kategorie der künstlichen, synthetischen Bilder.
Künstliche Bilder sind technische Bilder, die mit Hilfe von Apparaten, wie zum Beispiel
dem Computer, dem Fotoapparat oder der Videokamera beziehungsweise Filmkamera
hergestellt werden. Im Ordnungsmodell vom Abschnitt 3.6.1 trifft diese Bezeichnung
demnach auf alle Ordnungspunkte außer dem Gemälde zu (also auf Fotografie, Film
interaktives Bild).
Gemälde sind dagegen natürliche Bilder, da sie von Menschenhand unter Verwendung
bestimmter natürlicher, greifbarer, stofflicher Materialen ohne das Zwischenschalten
einer Maschine angefertigt werden.
Ein digitales, statisches Bild bezeichnet ein stilles, statisches, computergeneriertes Bild,
das immaterieller Natur ist. Man kann Bilder dieser Bildgattungen als statisch
bezeichnen, während bewegte Bilder durch das Additiv dynamisch umschrieben werden
können. Durch die Immaterialität lässt sich das statische Computerbild jederzeit
verändern und in ein bewegtes dynamisches Bild umwandeln.
Das digital statische Bild kann gegenüber dem traditionellen, stillen materiellen Bild
abgrenzt werden, da dieses immer dinghaft, an einem Ort jeder Zeit präsent ist und
haptisch und visuell wahrgenommen werden kann.
Weiterhin ist das digitale, statische Bild dadurch charakterisiert, dass es keine analoge
Vorlage aus der Realität benötigt und keine materielle, sondern eine numerische
Grundlage besitzt. Diese besteht aus einem Binärcode aus Einsen und Nullen. Anders als
in der Fotografie braucht das digitale, computergenerierte Bild als Entstehungsgrundlage
weder Bezug zu Realem noch zu real Wahrnehmbarem. Es kann vollkommen frei nach
der Fantasie des Künstlers entstehen.
Durch seine immaterielle Natur ist das digitale statische Bild wahrnehmbar, wird aber
erst dann wirklich stofflich greifbar, wenn es in eine andere Präsentationsform wie Dia
oder Druck umgewandelt wird. Diese sollen hier aber nur kurz erwähnt werden, da der
Hauptschwerpunkt dieser Arbeit auf dem interaktiven Bild der Computergrafik liegt und
dieses in seiner ursprünglichen Art untrennbar mit dem Rechner und der Darstellung auf
dem Bildschirm verbunden ist.
Ein digitales Bild kann also neben der Ausgabe auf dem Monitor als Dia oder als
Ausdruck in eine materielle Form transformiert werden. Das Dia entstand durch das
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
61
Abfotografieren der Bildschirmbilder. Die Qualität war jedoch relativ schlecht, bedingt
durch die Bildschirmkrümmung aber auch durch Lichtreflexionen und Spiegelungen auf
dem Monitor. Später konnten Dias auf dem digitalen Weg direkt vom Datensatz
belichtet werden.
Die zweite Möglichkeit ein digitales Bild stofflich greifbar zu machen, ist der Druck. Der
Ausdruck war in den ersten Jahren des Computerbildes eine zwingende Notwendigkeit,
um überhaupt visuelle Ergebnisse der Berechnungen sehen zu können. Heute übernimmt der Monitor diese Aufgabe und der Ausdruck hat an Bedeutung verloren. (vgl.
[13] GUMINSKI, Karin, S. 195 ff)
Eine weitere Eigenschaft des Computerbildes, die sich aus seinem immateriellen
Charakter ergibt, besteht darin, dass es im Gegensatz zum materiellen Bild der Malerei
kein Gewicht hat. Es ist nicht ertastbar. Auch der Monitor als Bildträger, das heißt als
der Teil des Bildes, auf den die Farbe aufgetragen wird, ist beim Computerbild
gewissermaßen immateriell. Auch wenn der Monitor tatsächlich vorhanden ist, so wird
nicht direkt auf die Glasscheibe des Bildschirms gemalt. Das digitale Bild verändert den
Bildträger nur momentan, nicht aber dauerhaft, wie es bei der Leinwand der Fall wäre.
Das digitale Bild hat somit einen temporären Charakter, während das materielle Bild von
dauerhaftem Bestand ist.
Auch hat der digital arbeitende Künstler nicht die Wahl zwischen mehreren Bildträgern.
Diese Option existiert lediglich als Funktion in verschiedenen Gestaltungsprogrammen
und tritt als visuell wahrnehmbarer Effekt nur auf dem Monitor in Erscheinung, ohne die
Arbeitsweise zu beeinflussen. Die Wahl eines Bildträgers im konventionellen Sinn, wie
zum Beispiel Holz oder Leinwand, beeinflusst den Prozess des künstlerischen Arbeitens
und die Bildcharakteristik. Beim digitalen Bild ist der Bildträger immer der Monitor. Auch
bei der Nutzung verschiedener Monitore sind diese alle von gleicher Materialbeschaffenheit und besitzen die gleichen Eigenschaften. Abgesehen vom qualitativen
Aspekt haben Monitore keinerlei Einfluss auf die Bildcharakteristik. Sie unterscheiden
sich lediglich in ihrem Äußeren, wie zum Beispiel Design oder Größe.
Die Größe des Monitors und damit auch die Darstellungsgröße des digitalen Bildes hat
mit der tatsächlichen Bildgröße, die in den Daten festgelegt ist, nichts zu tun. Materielle
Bildträger dagegen bestimmen die Bildgröße tatsächlich.
Wie bereits erwähnt hat das Computerbild neben der Darstellung auf dem Bildschirm
noch eine zweite Präsentationsform: das ausgedruckte Bild. Dabei ändert sich die
Charakteristik des Bildes. Es existiert unabhängig von der Technik und ist materiell.
Solange das Bild jedoch nicht ausgedruckt ist, und der Bildschirm die Projektionsebene
für das Bild ist, besteht eine zwingende Verbindung zur Computertechnologie. Das
digitale Bild lehnt sich zwar dabei teilweise an traditionelle Bildtechniken an, die mit
dem Computer simuliert werden, nutzt aber auch eigene, computerspezifische
Darstellungstechniken und stellt gegenüber den natürlichen Bildern eindeutig eine
eigene Bildgattung dar. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 16 ff)
Eine letzte Charakteristik digitaler Bilder ist deren geschlossene Bildstruktur. Während
beim Malen auf der Leinwand über das Bild verteilt völlig verschiedene Strukturen und
Relieferscheinungen, die als Insellösungen bezeichnet werden, möglich sind, besteht das
digitale Bild darüber hinaus aus einer Gesamtheit. Der Datensatz eines digitalen Bildes
kann auch in dieser Gesamtheit modifiziert werden. Während man beim üblichen Malen
nur an der Stelle punktuell in das Bild eingreift, an der der Pinsel das Bild berührt,
besteht beim digitalen Bild neben dieser punktuellen Veränderungen die Möglichkeit,
die Farbe mit einem Mal über das gesamte Bild hinweg zu wechseln. Diese Eigenschaft
ist ein absolutes Spezifikum digitaler Bilder. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 218 ff)
Abschließend kann man zu den Betrachtungen über das Computerbild sagen, dass
statische digitale Bilder sich nach ihrer Herstellungsart grob in zwei Bildarten unterteilen
62
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
lassen: In die 2D-Computerbilder und die 3D-Computerbilder. Auf die Entstehung und
Entwicklung dieser zwei Bildarten wird in Abschnitt 3.6.4.3 näher eingegangen. Beide
Bildtypen sind im Druck und am Bildschirm als zweidimensionale Bilder zu sehen.
Außerdem existieren für beide Bildtypen verschiedene Methoden der Bilderstellung. (vgl.
[13] GUMINSKI, Karin, S. 16 ff)
3.6.4.2 Der Interaktionsbegriff
Computergrafisch erzeugte Bilder sind im Allgemeinen Bilder, die mit Hilfe eines
Computers erzeugt und manipuliert werden können. Diese Bilder kann man sowohl auf
Papier als auch auf Film generieren. Beispiele für diese Art von Computergrafik sind
Einspielungen von TV-Titeln und Bilder aus der Computerkunst. Diese Bilder sind
exemplarisch für die nicht-interaktive oder passive Computergrafik, das bedeutet, der
Betrachter hat keine Bildkontrolle. Kommt jedoch eine Eingabeeinheit dazu, über die der
Betrachter das Bild kontrolliert, kann er dem Computer Signale geben und Einfluss auf
den Ablauf nehmen (zum Beispiel in einem Videospiel). Diese Art der Computergrafik
nennt man interaktiv.
Interaktive Computergrafik bedeutet somit, dass es zwischen Computer und Benutzer
eine Zweiweg-Kommunikation gibt. Der Computer erhält über die Eingabeeinheit
Signale, die ihn das darstellende Bild verändern lassen. Auf diese Weise entsteht eine Art
Konversation oder Dialog mit dem Computer.
Interaktion wird erst durch bestimmte technische Voraussetzungen möglich, wie zum
Beispiel eine ausreichende Geschwindigkeit, mit der ein Computer Informationen
grafisch darstellt. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff)
3.6.4.3 Die Computertechnologie
Die ursprüngliche Entwicklung der Computertechnologie, die die Voraussetzung für
die Entstehung der Computergrafik bildete, wurde im Wesentlichen durch das Militär
und die Raumfahrt vorangetrieben. Künstler und Grafiker profitierten lange Zeit von den
nicht speziell für ihren Bereich getätigten Entwicklungen. So war zum Beispiel ein Ziel
der Wissenschaftler, naturgetreue, möglichst hochauflösende Bilder in den Bereichen
Biologie, Chemie und Medizin generieren zu können. 1972 gelang es das erste Mal mit
dem Verfahren der Computertomographie, eine Schichtenaufnahme eines menschlichen
Kopfes auf Film zu belichten. Farbsysteme wiederum entwickelte man ca. 1974, um
Satellitenbilder besser lesbar zu machen. Die von den Bildern mitgelieferten Farben
genügten nicht zur Unterscheidung der einzelnen Bestandteile. So benötigte man
Farbtabellen, aus denen beliebige Farben aus Millionen von Farbnuancen ausgewählt
werden konnten. Ende der 70er verwendete die NASA die Computergrafik zur
Raumfähren-Simulation, was zu einer stärkeren Entwicklung von 3D-Software führte.
([13] GUMINSKI, Karin, S. 44 ff)
Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, ist der Bildschirm als
Bildträger die Grundvoraussetzung zur Darstellung computergrafischer Bilder. Diese
Entwicklung fand primär in den USA statt. In dieser Hinsicht war das Massachusetts
Institute of Technology (MIT) maßgeblicher Begründer und Entwickler der interaktiven
Computergrafik. Die erste computergesteuerte Bildschirmeinheit war 1950 ein an ein
MITs Whirlwind I Computer angeschlossenes Display zur Darstellung einfacher Bilder. In
diesem Display wurde eine Kathodenstrahlröhre (CRT = Cathode Ray Tube) verwendet,
ähnlich der Braunschen Röhre in einem Fernseher. (vgl. [25] NEWMAN, William M.;
SPROULL, Robert F., S. 3 ff) Eines der ersten Programme, basierend auf mathematischen
Daten, die eigens für Whirlwind geschrieben worden waren, zeigte einen Ball, der auf
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
63
und nieder sprang und schwerkraftbedingt an Höhe verlor. Diese Entwicklung wird als
die erste Generation von Computern zusammengefasst. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S.
48)
In den 50er Jahren gab es auf dem Gebiet der interaktiven Computergrafik nur kleine
Fortschritte, da die damaligen Computer für einen interaktiven Einsatz nicht geeignet
waren. Erst mit der Entwicklung des TX-0 und TX-2 durch das MIT wuchs das Interesse
an der Computergrafik. Ab Mitte der 60er Jahre riefen große Gesellschaften wie MIT,
General Motors und andere Unternehmen umfangreiche Forschungsprogramme zur
Entwicklung der Computergrafik ins Leben. Damit begann das goldene Zeitalter der
Computergrafik. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff)
In den 80er Jahren ging es in der Computertechnologie im Wesentlichen um die
Verbesserung der Rechenleistung und der Bedienerfreundlichkeit. Für den Bereich der
bewegten Bilder und der 3D-Computerbilder war die Steigerung der Rechenleistung bis
in die 90er Jahre eines der wichtigsten Entwicklungsthemen. Von höchster Priorität war
es, in Echtzeit arbeiten zu können. Parallel zur Hardware fand auch eine Entwicklung auf
dem Gebiet der 3D-Software statt. Diese begann in den 60er Jahren, als rudimentäre
digitale Bildererzeugung möglich wurde. Die erste spezielle Zeichensoftware wurde
1961-1963 von IVAN SUTHERLAND am MIT entwickelt. Mit diesem interaktiven
Zeichenprogramm, Sketchpad genannt, war es möglich, mit Hilfe eines Lichtgriffels
direkt auf eine Kathodenstrahlröhre zu zeichnen. Einfache Manipulationen der
Bildelemente waren ausführbar. So konnten geometrische Grundelemente wie Linien
und Kreise gezeichnet, rotiert und verschoben werden.
Schon bald kam es dazu, dass die Automobil- und Luftfahrt-Industrie Grafikcomputer
für ihre technischen Konstruktionen nutzte. Sketchpad stellt heute die Grundlage der
Grafiksoftware dar. 1968 kam mit dem Grafik-Terminal LDS-1 die Möglichkeit hinzu,
Figuren zu drehen.
Bis zur Erfindung des Arbeitsspeichers 1970 war man lediglich in der Lage,
Strichzeichnungen und Drahtmodelle (Vektor-Grafik) von Objekten in Schwarz-Weiß
darzustellen. Flächige Darstellungen waren aufgrund der hohen Speicherkosten erst mit
der Erfindung des Arbeitsspeichers umsetzbar.
Ebenfalls in die 70er Jahren ist die Entwicklung von 3D-Software für Computeranimationen und stillen 3D-Bildern anzusiedeln. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 51 ff)
3.6.4.4 Das Computerbild
Die wesentliche Entwicklung der Computergrafik begann etwa 1950 und vollzog sich
bis in die 80er Jahre. Sie war stets abhängig von den technischen Entwicklungen auf
dem Computersektor (vgl. Abschnitt 3.6.4.3). Technische Neuerungen zur rechnergesteuerten Bilderzeugung wurden kontinuierlich zumeist von Wissenschaftlern und
später auch von Künstlern getestet. Die Bildresultate der 50er und 60er Jahre waren
überwiegend Pionierarbeiten ohne künstlerische Absicht, die im Rahmen von
Forschungsneugier entstanden. Im Folgenden wird auf die einzelnen Dekaden von den
50er Jahren bis zu den 90er Jahren genauer eingegangen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S.
56 ff)
In den 50er Jahren entstanden erstmals in der Geschichte einige wenige
Darstellungen mit Hilfe von elektronischen Analogrechnern, die als Vorläufer der
digitalen Grafiken zu sehen sind. Sie sind jedoch selber nicht digital, da sie nicht in Form
eines im Binärcode geschriebenen Datenbestandes existieren, sondern mit Spannungen
arbeiten. Diese nehmen visuell das Aussehen von Wellenkurven an. Analoge Grafiken
gehören zum Bereich der elektronischen Gestaltung und sind ebenso wie die späteren
digitalen Bilder immaterieller und temporärer Natur. Im Gegensatz zum konventionellen
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
64
Gestalten sind beim elektronischen Bild technisch-wissenschaftliche und mathematische
Überlegungen entscheidend für das Bildresultat. Es wurde Mathematikern
beziehungsweise Physikern eine völlig neue Sichtweise auf Sachverhalten ermöglicht.
Technisch entscheidend für das Aufkommen dieser Bilder war der Kathodenstrahloszillograph, das erste elektronische Gerät, das es ermöglichte, Bilder zu erzeugen.
Unter Oszillogrammen versteht man Schwingungsbilder, die auf einem Oszillographen
aufgezeichnet wurden (vgl. Abbildung 28).
Abbildung 28: Herbert W. Franke:
Oszillogramm (1956)
Mit Hilfe eines Oszillators konnten auf dem Bildschirm Formen sichtbar gemacht
werden, die aus der Modulation von Elektronen beziehungsweise elektromagnetischen
Felder entstehen. Diese entziehen sich der sinnlichen Wahrnehmung. Das Bild wird
dabei vom Apparat nicht nach einer Vorlage reproduziert, sondern in Abhängigkeit von
elektrischen Parametern generiert. Sichtbar wird nicht der vom elektrischen Feld
modulierte Elektronenstrahl, sondern lediglich die Wirkung desselben beim Aufprall der
Elektronen auf die Fluoreszenzschicht des Monitors. Das ist in Form einer Leuchtspur zu
erkennen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 75 ff)
In den 60er Jahren boomte die experimentelle Schwarz-Weiß-Computergrafik in
verschiedenen Ländern der Welt. Dabei handelte es sich bei den grafischen
Darstellungen ausschließlich um programmierte Gestaltung, das bedeutet, um Bilder
erzeugen zu können, mussten Programme geschrieben werden. Dies erledigten
gewöhnlich Wissenschaftler, selten aber Künstler. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 79)
Ab 1963 wurden die ersten ästhetischen Computerbilder bekannt, die mit einem
Großrechner entstanden waren. 1965 begann die Computergrafik sowohl in Europa als
auch in den USA populär zu werden. In dieser Zeit setzten die Anfänge der
Computerkunst mit dazugehörigen Ausstellungen ein. Computerkunst bezeichnet dabei
im Gegensatz zur Computergrafik Bilder, die mit künstlerischer Intention entwickelt
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
65
wurden. Computergrafik bezeichnet Arbeiten, die aus wissenschaftlichem Interesse und
Experimentierfreude entstanden sind. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff)
In den 60er Jahren handelte es sich bei computergrafischen Bildern in erster Linie um
Druck- und Strichgrafiken. Die Bildresultate konnten überwiegend in den Bereich des
Abstrakten eingeordnet werden. Die ersten figürlich-gegenständlichen Computergrafiken stammen aus dem Jahre 1967. Farbige Darstellungen waren zu dieser Zeit noch
selten, da die erforderlichen technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die
wenigen Farbdarstellungen arbeiteten mit Tricks, um Farbe abzubilden. So wurden die
Leuchtschirmbilder beispielsweise mit vorgehaltenen Farbfiltern abfotografiert oder die
Computerbilder wurden im Nachhinein fotochemisch eingefärbt.
In den Jahren um 1964 bis 1966 erfolgte der Wechsel zu überwiegend digitalen
Grafiken.
Bereits ab Mitte der 60er Jahre begann auch die Entwicklung in Richtung des heutigen
Bildschirms. Durch diese Entwicklungen im Bereich der Datensichtgeräte wurde
allmählich der Plotter abgelöst, der bis dahin zum Teil eine Stunde benötigte, um ein
digital erstelltes Bild sichtbar zu machen. In der frühen Zeit des Monitors erfolgte die
Darstellung noch Schwarz-Weiß, später auch farbig. Der Bildschirm bot gegenüber dem
Plotter den Vorteil, dass die Bilder in Bruchteilen von Sekunden angezeigt werden
konnten.
Bereits in den 60er Jahren konnten Bilder auf Grund ihrer Produktionsmethode in vier
verschiedene Bildarten unterteilt werden. Diese Bildkategorien sind generierende Bilder,
Picture Processing Bilder, Zufallsbilder und stilanalysierende Bilder. In den nachfolgenden
Jahrzehnten entwickelten sich diese vier Bildkategorien weiter.
1. Generierende Bilder werden durch ein Programm erzeugt und entstehen ohne bereits
vorhandenes Bildmaterial. Sie können dabei mathematische Funktionen, Schwingungsbilder oder Anordnungs-Symmetriebilder grafisch darstellen. Ein Beispiel ist das Bild
„Klee Nr. 2“ von FRIEDER NAKE. Darin wird das Grundelement der Linie mit Hilfe eines
Programms in bestimmter Weise angeordnet (vgl. Abbilung 29).
2. Bilder, die mit dem Picture Processing erzeugt wurden, sind überwiegend
gegenständlicher Natur. Sie verwenden als Gestaltungsbasis Bildmaterial
unterschiedlicher Herkunft, das auf unterschiedlichen Wegen verfremdet wird. Das
Picture Processing ist eine Vorstufe der heutigen Bildbearbeitung.
3. Zufallsbilder nehmen in der Aufzählung der digitalen Bildkategorien keine eigene
Bildgattung ein. Sie sind eine Sonderkategorie, da der Zufall nahezu jede der hier
erwähnten Bildarten begleitet. Ein Zufallsgenerator kann als freier Parameter
herangezogen werden. Mit Hilfe dieses stochastischen Rechenprozesses kamen die
Computergrafiker zu weitaus komplizierteren und damit auch interessanteren Lösungen.
Abbildung 29 ist ebenfalls ein Beispiel für ein Zufallsbild, da die Positionierung der Linien
nach einer Zufallsfunktion erfolgte.
4. Die stilanalysierenden Bilder als letzte Kategorie sind programmierte, experimentelle
Bilder, die nach Stilgesetzlichkeiten (oder Anlehnungen daran) oft namenhafter Künstler
aus dem manuellen Gestaltungsbereich erstellt wurden. Basis dieser Bilder ist eine
syntaktische Bildanalyse. In späteren Jahren wurden derartige Erkenntnisse in kommerziell erhältliche Softwarepakete integriert. Beispielsweise enthalten die Programme
‚Photoshop’ und ‚Painter’ Pinsel, die Pinselstriche von VAN GOGH oder REMBRAND
simulieren. Weiterhin kann man ganze Bilder beispielsweise im impressionistischen Stil
abbilden lassen.
66
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Abbildung 29: Frieder Nake: Klee Nr. 2 (1965)
Auch in diese Bildkategorie lässt sich Abbildung 29 einordnen. FRIEDER NAKE untersucht
darin die Formsprache und das Verhalten der Formen untereinander bei ausgewählten
Bildern von PAUL KLEE. Die so entdeckten Gesetzmäßigkeiten integrierte er in ein neues
Programm, mit dem er anschließend eine Serie von Bildern erstellte. So enstand „Klee
Nr. 2“ aus dem Jahre 1965. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 79 ff)
In den 70er Jahren entstand im kommerziellen und im künstlerischen Bereich eine
Vielzahl von 2D-Computergrafiken. Ab 1974/75 beschäftigte sich der französische
Mathematiker BENOIT B. MANDELBROT mit den irregulären Strukturen (fraktale
Geometrien). Diese für das 3D-Bild wesentliche Entwicklung ermöglichte es, unregelmäßige Naturerscheinungen wie Landschaften oder Gebirgszüge zu simulieren. (vgl. [13]
GUMINSKI, Karin, S. 56 ff)
In den 70er Jahren entwickelte sich die Rastergrafik. Dadurch wurden flächige Darstellungen auf dem Computer möglich. Ein Raster ist neben der Vektorgrafik eine der
beiden Möglichkeiten, um ein Bild zu beschreiben. Das digitale Bild entwickelte sich so
von der Zeichnung weiter zu Illustration, Malerei und Bildbearbeitung.
Die zweite wesentliche Neuerung dieses Jahrzehnts war das Hinzutreten der Farbe. Bis
dahin überwogen Schwarz-Weiß-Darstellungen. Nun gewann Farbe in den digitalen
Bildern zunehmend an Bedeutung. Die Bildgattung der programmierten Gestaltung der
60er Jahre (generierende Bilder) wurde unter Verwendung der Farbe in diesem
Jahrzehnt fortgeführt und nahm eine zentrale Rolle unter den Computerbildern ein.
Zusätzlich tauchten farbige Drahtmodellbilder, Fraktale, digital-analoge Mischbilder (zum
Beispiel ausgedruckte Computerbilder, die mit Wasserfarbe und Tusche handkoloriert
wurden) und generierende 2D-Bilder mit flächigem Charakter auf.
Zu Anfang des Jahrzehnts waren maximal 16 Farben gleichzeitig darzustellen. Doch
bereits gegen Ende der 70er Jahre stand Software zur Verfügung, die es erlaubte, mit
Millionen von Farben zu operieren. Durch die Rastergrafik konnten Farben auch flächig
und damit malerisch eingesetzt werden. Bislang war Farbe in erster Linie nur für farbige
Zeichnungen verwendet worden.
Eine dritte bedeutende Neuerung war das Aufkommen von 3D-Software gegen Ende
der 70er Jahre. Das Interesse an Interaktivität und das Arbeiten am Computer in Echtzeit
als Grundvoraussetzung für die intuitive Gestaltung stieg. 1979 war es bereits in
weniger rechenintensiven Fällen möglich, grafische Daten in Echtzeit, also zeitgleich mit
der Eingabe in den Computer, zu verarbeiten und am Bildschirm sichtbar zu machen.
Damit wurde Interaktivität möglich. Diese machte die Gestaltungsmaschine für Künstler
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
67
wesentlich interessanter und trug dazu bei, dass Künstler ab diesem Zeitpunkt verstärkt
den Computer nutzten. Durch Interaktivität wurde erstmals eine Basis geschaffen, auf
der Künstler ohne Programmierkenntnisse am Computer arbeiten konnten. Die Vorgehensweise beim künstlerischen Schaffensprozess war dabei im Gegensatz zu früheren
annähernd vergleichbar mit dem materiellen künstlerischen Arbeiten. Intuitives
Gestalten am Rechner wurde möglich. Auch die Chance, virtuelle Welten mit Hilfe von
3D-Software generieren zu können, war eine weitere kreative Herausforderung. Der
Künstler DAVID EM beispielsweise stellte auf diese Weise Dinge dar, die vollständig der
Fantasie entstammten. Ein Beispiel für ein farbiges 3D-Bild EMS ist „Transjovian Pipeline“
aus dem Jahre 1979 (siehe Abbildung 30). DAVID EMS Bilder der 70er Jahre zählen zu den
ersten 3D-Bildern, in denen er neue Gestaltungsmöglichkeiten ausprobierte.
Abbildung 30: David Em „Transjovian Pipeline“ (1979)
Auf dem Gebiet der 2D-Computergrafik kam in den 70er Jahren allmählich Software für
den Gestaltungsbereich auf den Markt. Das erste rasterorientierte Paint-System ‚Aurora’
wurde bereits Anfang der 70er Jahre in San Francisco von der Firma Aurora vorgestellt.
1977 war es mit dem Malprogramm ‚Paint3’ erstmals möglich, mit 24-Bit zu arbeiten
und 16,7 Millionen Farben darzustellen. 1978 folgte ein interaktives, grafisches System,
mit dem man interaktiv zeichnen konnte. Computergrafiksysteme waren zu dieser Zeit
jedoch zu teuer, so dass diese Lösungen nur für kommerzielle Zwecke und
Forschungszwecke rentabel waren.
Das Aussehen der ersten nicht programmierten Bilder der 70er Jahre war geprägt durch
die, von der jeweiligen Software zur Verfügung gestellten, gestalterischen Elemente. Es
dominierten Linien, Kreise, Rechtecke und Ellipsen. Diese Formen konnten einfarbig
gefüllt werden. Farbverläufe gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die Bilder zeigten auf
Grund der geringen Bildauflösung einen Pixeleffekt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 116
ff)
In den 80er Jahren setzte allmählich die Entwicklung ein, dass der Computer zu
einem selbstverständlichen Gestaltungsinstrument wurde. Er begann, sich langsam in
die Reihe der künstlerischen Werkzeuge einzugliedern. Doch noch immer war ein
Grafikcomputer mit entsprechender Software für Künstler nicht erschwinglich. Künstler
waren weitestgehend darauf angewiesen, an Rechnern in Ausbildungsstätten,
Forschungseinrichtungen, beziehungsweise Firmen zu arbeiten. In Deutschland ist der
68
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Computer als selbstverständliches, künstlerisches Werkzeug zeitversetzt um fünf bis
zehn Jahre einzuordnen.
In den 80er Jahren setzte sich die Entwicklung zum 3D-Computerbildern fort, die sich
bereits Ende der 70er Jahre angedeutet hatte. Eine Vielzahl von 3D-Softwarepaketen
kamen auf den Markt. Ebenso gab es für die Erstellung von Computerbildern relevante
technische Innovationen, sowohl auf der Hardware- als auch auf Softwareebene. Die
neue, im Vergleich zur zweidimensionalen Bildgestaltung sehr komplexe Gestaltungsmethode fand großen Anklang. Vielerorts waren 3D-Standbilder zu sehen. Auch in Film
und Werbung wurden diese Art von Bildern nun häufiger genutzt. Verstärkt wurde die
neue Bildgenerierungsmethode im Bereich der Animation eingesetzt. Dies hing mit der
Technik an sich zusammen, die sich hierfür anbot.
Ist eine dreidimensionale, virtuelle Bildszene einmal erstellt, lassen sich die modellierten
und oberflächengestalteten Objekte auch in Bewegung setzen. Diese Entdeckung löste
eine große Faszination aus. Der Arbeitsaufwand zur Erstellung eines 3D-Standbildes ist
ebenso groß wie für ein Film- beziehungsweise Animationsstandbild. Aus diesem Grund
verweilten viele Gestalter und Entwickler nicht lange beim Standbild, sondern gingen in
den Bereich der Animation über. Viele der in Büchern und Katalogen abgebildeten 3DBilder sind Einzelbilder aus Animationssequenzen. Sie wurden nie absichtlich als
Einzelbilder konzipiert. Da wirkliche Einzelbilder aber mit einer anderen Absicht und
anderen Intensität gestaltet und ausgearbeitet werden als Filmstandbilder, können
qualitative Unterschiede erkennbar sein.
Die Euphorie gegenüber dem 3D-Bild fand jedoch auch seine Gegner. Das 3D-Bild war
schwer einzuschätzen und mit den gewohnten, zeitspezifischen Bildkriterien kaum zu
beurteilen. Es zeigte eine, für traditionsbedingte Vorstellungen von künstlerischer
Qualität, ungewohnte, fast schon neu wirkende bildnerische Qualität. Die Assoziation
mit Foto- und Filmstandbild lag nahe, aber das 3D-Computerbild ging mit seinen
Möglichkeiten, real nicht vorhandene Dinge quasi realistisch darzustellen, darüber
hinaus.
Ästhetisch betrachtet brach das 3D-Bild mit den Errungenschaften der Kunst des 20.
Jahrhunderts (zum Beispiel mit dem Impressionismus und dem Expressionismus) sowie
den formalen Befreiungen und dem Eigenwert der Farbe (vgl. Abschnitt 3.7.1), indem es
Gegenständliches ohne formale Verschlüsselung zeigte und die Farbe wieder an den
Gegenstand gebunden auftauchte. Es rückt somit in die Nähe der Kunst des 19.
Jahrhunderts. Ebenso wurde Handwerkliches, in dem Fall Hochtechnisches wie in der
Vergangenheit wieder zelebriert. Der Romantiker bildete Landschaften auf subjektive Art
und Weise ab, der digital arbeitende Künstler simuliert Landschaften, wobei er die
gleichen Bilder der Natur in seinem Kopf gespeichert beziehungsweise vor seinem Auge
hat wie der Künstler zu Zeiten der Romantik (vgl. Abbildung 31 und 32).
Für Gestalter übte das dreidimensionale Computerbild einen großen Reiz auf Grund
seiner hohen technischen Bildqualität aus. Diese war bislang nur beim Abbilden von
Realem mit technischen Geräten möglich, nicht aber beim eigenständigen Bildgenerieren.
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Abbildung 31: simulierte Landschaft von
David Em: „The Far“(1968)
69
Abbildung 32: Landschaftsmalerei der Romantik
von Caspar David Friedrich
Wie schon beim 2D-Bild der 70er Jahre war die Voraussetzung eines hohen technischen
Verständnisses, das beim 3D-Bild noch zunahm, ein Hindernisgrunds für viele Künstler.
Die ersten Softwareprogramme erforderten zum Teil noch das Arbeiten mit einer
Szenenbeschreibungssprache, einer vereinfachten, verständlich geschriebenen Form der
verwendeten Programmiersprache. Das Erlernen der Syntax einer solchen Sprache blieb
daher nicht aus. Intuitives Arbeiten war erst nach längerer Einarbeitungszeit möglich.
Dieser Umstand stellte ein Problem für viele Künstler dar, da das Erlernen einer
Computersprache ein Hindernis für das freie und ungezwungene Erstellen eines
Kunstwerks mit dem neuen Gerät Computer darstellte. Vielfach führte diese Problematik
zur Arbeitsteilung. Künstler mussten, wie das bereits ab den 60er Jahren üblich war, mit
Programmierern zusammenarbeiten. Teamarbeit ist bis heute auf Grund der Komplexität
der Aufgabenstellung im Bereich der 3D-Gestaltung üblich. Zwingend notwendig war
die Zusammenarbeit in den 80er Jahren teils auch noch in den 90er Jahren, wenn
Objekte wie amorphe Formen, atmosphärische Dinge wie Wolken und Nebel oder
Substanzen wie Wasser möglichst naturgetreu dargestellt werden sollten. Diese Dinge
ließen sich damals mit den Standardfunktionen der Software nicht generieren.
Die technische Qualität der digitalen Bilder steigerte sich zu dieser Zeit in allen
Bereichen. Ein wichtiger Grund dafür war das Interesse, das den Bildern plötzlich von
Film und Werbung entgegengebracht wurde. In diesen Bereichen nutzte man digitale
Bilder, um Dinge, die es gar nicht gibt, fotorealistisch auf Leinwand oder Bildschirm
darzustellen. Der Einsatz des Mediums in populären Bereichen wie Film und Werbung
trieb nicht nur die Entwicklung auf dem Hard- und Softwaresektor voran, sondern trug
auch zur weiteren Verbreitung des Computers im künstlerischen Sektor bei.
Nicht nur die Anzahl der in den 80er Jahren entstandenen Bilder war ungleich größer als
die in den beiden vorausgegangenen Dekaden. Auch die Anzahl der künstlerisch
wertvollen Arbeiten stieg in diesem Jahrzehnt. Das lag zum einen daran, dass sich die
Künstler bereits länger mit dem Medium auseinandergesetzt hatten. Zum andern kann
es darauf zurückgeführt werden, dass die digitalen Werkzeuge ausgereifter und vor
allem bedienerfreundlicher geworden waren und damit für den intuitiven künstlerischen
Gebrauch geeigneter wurden.
Zusammenfassend kann man die Entwicklung des digitalen Bildes in den 80er Jahren in
zwei Gattungen einteilen: die 2D- und 3D-Bildern. Während die programmierte
Gestaltung abnahm, gewann die intuitive Gestaltung an Beachtung. Die Idee war,
Programme verstärkt in ästhetischer Richtung zu entwickeln und zwar in den Bereichen
2D, 3D und Picture Processing. Diese Bilder wurden mit dem Begriff Computer Science
Art bezeichnet. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 146 ff)
70
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
In den 90er Jahren war technisch gesehen die, für das stille Computerbild relevante
Entwicklung von Hard- und Software so weit ausgereift, dass die technischen
Neuerungen nicht mehr Auslöser weiterer Experimente waren. Damit waren die
technischen Erfindungen auch nicht mehr entscheidend für das Aussehen der zu dieser
Zeit generierten digitalen Bilder. Die Tendenz der Computerkünstlern entfernte sich,
ausgelöst durch neue technische Entwicklungen, vom Standbild in Richtung Animation
und später zur multimedialen Anwendung. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff)
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet lässt sich also das Computerbild in zwei
große Klassen unterteilen: Das 2D-Computerbild und das 3D-Computerbild. Das 2DComputerbild unterscheidet sich dahingehend vom 3D-Computerbild, dass man,
möchte man den Bildinhalt beispielsweise in der Perspektive ändern, das gesamte Bild
neu gestalten muss. Die Vorgehensweise der zweidimensionalen Bildgestaltung ähnelt
dabei dem Erstellen einer Zeichnung oder eines gemalten Bildes auf Papier. Insofern
knüpft diese Bildtechnik an das traditionelle Zeichnen beziehungsweise Malen an. Auch
die Ideenentwicklung kann in diesem Fall ähnlich erfolgen, entsprechend dem nicht
maschinellen Gestalten entweder geplant oder spontan. Mit Hilfe von pixel- und
vektororientierten Programmen kann nun in der Fläche gezeichnet, gemalt oder frei
gestaltet werden, sowohl mit zeichnerischen, malerischen und grafischen Elementen.
(vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 285 ff)
Der Herstellungsprozess der 3D-Computergrafik hingegen hat weder Ähnlichkeit mit der
Herstellung eines digitalen 2D-Bildes noch mit dem gewohnten manuellen bildnerischen
Gestalten. Der Maler erzeugt, meist von einem festen Standpunkt ausgehend, nach den
Gesetzen der Zentralperspektive mittels materieller Farbschichten auf planer Fläche zum
Beispiel die Illusion eines Würfels. Diese Ansicht ist unveränderlich und somit fixiert. Ein
3D-Würfel hingegen ist nicht nur die flächige Darstellung einer Würfelillusion, sondern
ein vollständig, als Würfel mathematisch definiertes Objekt, dass durch entsprechende
Eingaben um alle Achsen gedreht, skaliert und örtlich verschoben werden kann.
Auch die Ideenentwicklung eines 3D-Bildes verläuft anders als beim manuellen bildnerischen Gestalten. Sie muss auf jeden Fall zuvor, zumindest gedanklich, geplant sein.
Allgemein ist der Herstellungsprozess eines 3D-Bildes in zwei große Bereiche zu teilen:
die Modellierung und das Rendern von räumlichen Daten. Die Modellierung bezeichnet
die Erstellung räumlicher Daten im virtuellen Raum. Das Rendern hingegen bedeutet die
weitgehend automatische Erzeugung eines endgültig berechneten, zweidimensionalen
Bildes oder Filmes (eine perspektivischen Ansicht des virtuellen Raumes) aus räumlichen
Daten. Dies präsentiert sich wieder in der gewohnten zweidimensionalen Form eines
Bildes. Die Gesamtheit der räumlichen Daten, die später gerendert werden sollen,
bezeichnet man als Szene. Diese wird weitgehend von Hand mit so genannten 3DModellierungswerkzeugen oder einfach 3D-Modeller erstellt.
Es lässt sich folgendes Grundprinzip der 3D-Bildentwicklung ableiten. In einem leeren
virtuellen Raum werden Gegenstände aus geometrischen Formen, Kurven, Netzen und
anderen Grundelementen aufgebaut. Es entstehen Drahtmodelle, die im Raum durch
die Koordinaten X, Y und Z positioniert werden können. Nach dem Modellieren erfolgt
die Oberflächengestaltung der Objekte. Im nächsten Schritt werden Lichtquellen
generiert und im Raum positioniert. Anschließend wird mindestens eine virtuelle Kamera
erzeugt. Diese wird entsprechend den Vorstellungen des Gestalters definiert und
positioniert.
Dieser Arbeitsablauf hat wenige Gemeinsamkeiten mit dem intuitiven, freien Arbeiten
eines Künstlers. Der Künstler arbeitet in der Phase der Modellierung eher wie ein
Konstrukteur oder Bildhauer, in der Phase des Licht- und Kameragenerierens und
Modifizierens eher wie ein Fotograph. Die Arbeitsphase der Oberflächengestaltung ist
nicht mit anderen bekannten Vorgehensweisen vergleichbar. Sehr entfernt lassen sich
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
71
Parallelen zum farbigen Gestalten (Bemalen) von Skulpturen ziehen. (vgl. [13]
GUMINSKI, Karin, S. 291 ff)
Zwei große Anwendungsbereiche der 3D-Computergrafik stellen heute die virtuelle
Realität und die Augmented Reality (erweiterte Realität) dar. Beide legen ihr
Hauptaugenmerk auf die Echtzeitfähigkeit und die sich daraus ergebende Interaktion
mit dem Betrachter (zum Beispiel Veränderung der Perspektive bei einer Drehung des
Kopfes). Während in der virtuellen Realität die Welten komplett im Rechner generiert
werden, beschäftigt sich die Augmented Reality mit dem Einbinden von künstlichen
Objekten in die Realität (zum Beispiel über Datenbrillen).
Eine weitere wichtige Anwendung der 3D-Computergrafik ist die Darstellung von CADVolumenmodellen, die unter anderem für Festigkeitsberechnungen, direkt zur Fertigung
ohne Zeichnungen oder im Fahrzeugbau für Crashsimulationen verwendet werden
können.
Weiterhin findet die 3D-Computergrafik in der Erzeugung von hochwertigen Spezialeffekten oder Computeranimationen Verwendung, etwa in der Werbe- und
Filmindustrie (Computer Generated Imagery). Weitere, eher technische Anwendungsbereiche sind Simulationen in der Architektur oder Optik. Hierbei wird oft auf eine
möglichst hohe Detailtreue und Realitätsnähe Wert gelegt. Echtzeitfähigkeit ist hierbei
nicht unbedingt erforderlich. (vgl. [35] WATT, Alan, S. 43 ff, 145 ff)
3.6.4.5 Computergrafik und zeitgenössischer Kunst
Im Abschnitt 3.6.4.4 über die Geschichte des interaktiven Bild ist schon öfter der
Begriff Computerkunst in Abgrenzung zur Computergrafik verwendet worden. Es stellt
sich die Frage, ob der Begriff Computerkunst als Bezeichnung einer Kunstrichtung wie
Impressionismus oder abstrakte Kunst verwendet werden kann.
Betrachtet man Computerbilder im Kontext künstlerisch entstandener Bilder, so
finden sich Anknüpfungspunkte hinsichtlich thematischer Art, stilistischer Richtung oder
Intension. Es gibt Computerbilder, die impressionistischen oder surrealistischen Stils sind
oder große Ähnlichkeit mit Werken der Op-Art (Abbildung 33), Pop-Art und des
Fotorealismus haben. Mit dem Computer als Gestaltungsmaschine besteht die
Möglichkeit, diverse Kunstrichtungen wieder aufzugreifen (intentionale Absicht)
beziehungsweise stilistisch und inhaltlich zu simulieren und weiterzuführen. Man kann
jedoch die Computerkunst der Anfangszeit nicht gleich als eigene Kunstform
bezeichnen, da es zu Beginn lediglich einzelne Künstler gab, die sich des Werkzeugs
bedienten. Damit verfolgten sie zum einen eine bestimmte Kunstrichtung, zum anderen
setzten diese Künstler größtenteils keine neuen Schwerpunkte, sondern produzierten
Ähnliches, unter Umständen in weiterentwickelter oder veränderter Form.
Der Stil der ersten Bilder wurde durch die zur Verfügung stehenden formalen Mittel
geprägt und entwickelte sich eher zufällig in die Richtung des Konstruktivismus. Im
Zentrum standen Punkte, Kugeln und Linien, die 40 bis 50 Jahre zuvor schon
Untersuchungsgegenstände von KANDINSKY waren. Der Ursprung der Computergrafik ist
unter anderem in der Weiterentwicklung der konstruktivistischen Idee zu sehen.
Computergrafik ist somit als Teil der konstruktivistischen Kunst anzusehen, obwohl
zwischen dem Konstruktivismus und den ersten Computerbildern zeitlich gesehen
bereits 40 bis 45 Jahre lagen. Jedoch ist die Computergrafik nicht als eine Art NeoKonstruktivismus zu verstehen, da es hierfür weder ein Konzept noch Künstler gab, die
dieses verfolgten.
72
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Abbildung 33: Beispiel für Bilder im Stil der
Pop-Art: Andy Warhol: „Goethe“ (1986)
Trotzdem gibt es eine Reihe von frühen Computerbildern, die eine Verwandtschaft zum
Konstruktivismus aufweisen. Eine weitere Parallele zwischen Konstruktivismus und der
programmierten Computerbildgestaltung liegt in der Arbeitsweise. Bei beiden ist vor
Beginn der Ausführung das Kunstwerk gedanklich vollends präzisiert (vgl. Abschnitt
3.6.1). Dies trifft aber nur auf das programmierte Computerbild zu, das wie bereits
erwähnt, die frühen Jahre der Computergestaltung dominierte. Unterschiedlich war die
Ausführung der Idee dahingehend, dass dies in dem einen Fall die Menschenhand, in
dem anderen Fall die Maschine erledigte. Die Maschine liefert eventuell präzisere
Ergebnisse, die Idee kommt jedoch nach wie vor vom Menschen.
Jedoch ist anzumerken, dass es ebenso Künstler gab, die ihre Bilder ebenso planten und
die Ideen dann von angestellten Malern umsetzen ließen. Bei der frühen Computergrafik
war dies oft ähnlich: Der Künstler lieferte seine Idee, der Programmierer setzte sie in ein
Programm um, der Computer realisierte sie.
Vom computergenerierten Bild lassen sich ebenfalls Parallelen zur Op-Art ziehen, da
diese eine technisch-mathematische Genauigkeit voraussetzte, die sich ebenfalls in den
ersten Computerbildern wieder findet. Mathematische Konzepte waren, wie bereits
erwähnt, verstärkt in der Welt der frühen Computerbilder vorhanden, da mit ihnen
erstmals Formeln und Funktionen visualisiert werden konnten. Der Charakter der Op-Art
ist geprägt von formaler Nüchternheit und mechanischer Präzision. Sie ist demnach
potenziell Computerkunst, nimmt diese quasi vorweg und fordert sie heraus.
Mit dem Aufkommen von 3D-Programmen und Paintsoftware wurde es möglich,
impressionistisch, expressionistisch, fotorealistisch, sowie surrealistisch anmutende Bilder
zu generieren. Diese Bilder haben jedoch keine kunsthistorische Relevanz im
ursprünglichen Sinne, da ihnen der zeitliche Bezug fehlt. Die Absicht des Künstlers ist
vermutlich eher auf die Neugier als auf die zur Verfügung stehenden Funktionen
bezogen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Computerbilder die bereits existierenden
Stilrichtungen wieder aufgriffen und eine Erweiterung dazu darstellen. Computergrafik
ist kein Stil im eigentlichen Sinne wie Expressionismus oder Pop-Art, sondern ein
künstlerisches Ausdrucksmittel wie die Malerei. Computerbilder lassen sich pauschal
gesehen nicht als Kunstrichtung bezeichnen. Ihre Gemeinsamkeit liegt lediglich im
Produktionswerkzeug. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 31 ff)
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
73
3.6.4.6 Der Monitor als Bildträger
Ein heutiges, interaktives Grafikdisplay besteht aus drei Komponenten: einem
digitalen Speicher oder Rahmenpuffer, indem die Intensitätswerte des Bildes in
Matrixform abgespeichert sind, aus einem Monitor, zum Bespiel dem Fernsehgerät oder
dem PC-Bildschirm als Ausgabegerät, und einem einfachen Interface, dem DisplayController, der den Inhalt des Rahmenpuffers zum Monitor leitet. (vgl. [25] NEWMAN,
William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff)
Bildschirme als Ausgabegerät auf Basis von Braunschen Röhren kommen seit den
1950er Jahren zum Einsatz, zunächst mit vektorieller Ansteuerung. Später wurden
vorwiegend Rastergrafiken zum Aufbau des Bildes verwenden.
In jüngster Zeit eroberten auf Flüssigkristalltechnik basierende Flachbildschirme den
Computermarkt. Heutzutage werden mehr Flüssigkristallbildschirme verkauft als konventionelle Geräte mit Bildröhre.
Seit etwa 2001 gibt es auch Bildschirme, die dreidimensionale Bilder darstellen können,
so genannte autostereoskopische Displays oder auch 3D-Monitore. Die Entwicklung
befindet sich jedoch noch im Anfangsstadium und eine befriedigende virtuelle Realität
ist mit diesen Geräten noch nicht möglich.
Im Abschnitt 3.6.4.1 wurde festgehalten, dass der Monitor der Bildträger des
digitalen Computerbildes ist, das heißt, er ist der Teil eines Bildes, auf den die Farbe
aufgetragen beziehungsweise dargestellt wird. Die darauf applizierten bildnerischen
Elemente sind visuell wahrnehmbar.
Klassische Bildmaterialien besitzen jedoch im Vergleich zum Monitor eine spezifische
Stofflichkeit. Damit verbunden zeigen alle darauf entstandenen Arbeiten materialabhängig eine bestimmte Charakteristik. Das Computerbild hingegen kann verschiedene
Charakteristika traditioneller Bildträger simulieren, kann aber auch rein computerspezifische Eigenschaften zeigen, die mit keiner anderen Technik erzeugt werden
können. So haben zum Beispiel Computerbilder, deren Inhalt meist virtuell ist, eine ganz
spezifische Bildcharakteristik.
Im Gegensatz zu den traditionellen Bildträgern ist der Bildträger des Computerbildes
gewissermaßen immateriell. Die Oberfläche gibt eigentlich nur vor, eine zu sein, denn
auf die materielle Glasscheibe des Monitors wird nicht direkt gemalt. Zwischen dem
Gestalter und seinem Werk befindet sich also vergleichbar mit einem Filter eine
Glasscheibe, die je nach Qualität des Bildschirms mehr oder weniger auffällig ist. Bei
einfachen Monitoren sind die Scheiben meist gekrümmt und nicht vollkommen
entspiegelt. Dadurch erhält die Glasscheibe zusätzlich ein Eigenleben. Das gestaltete Bild
wird immer in Zusammenhang mit den Begleiterscheinungen des Monitors
wahrgenommen. Der daraus resultierende Effekt ist eine Wirkung, die eine neue
Bilddimension, eine Art Schichtwirkung, mit sich bringt. Es entsteht der Eindruck, als
würden sich mehrere transparente Bildschichten, die jeweils eine Art Eigenlicht besitzen,
minimal verschoben überlagern.
Der Bildschirm ist ein energetisch geladenes Trägersystem. Der eingeschaltete Monitor
leuchtet, er beleuchtet sein Umfeld, zum Beispiel einen dunklen Raum. Dabei gibt er
Strahlung ab und ist unter der Voraussetzung von Stromzufuhr stets aufgeladen. Diese
Eigenschaften grenzen ihn deutlich von allen anderen Bildträgern ab.
Eine weitere abgrenzende Eigenschaft des Monitors besteht darin, dass er ohne
Beschränkung auf eine bestimmte Zahl und ohne Qualitätsverlust des Bildträgermaterials
wechselnde Bilder darstellen kann. Daher wird der Monitor als temporärer Bildträger
bezeichnet.
Des Weiteren bestimmt die Größe des Monitors das Bildformat, auf dem gearbeitet
wird. Die tatsächliche Bildgröße des digitalen Bildes bleibt jedoch unabhängig von der
Monitorgröße unverändert.
74
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
Beim digitalen Gestalten fehlt dem Künstler die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Bildträgern. Selbst wenn verschiedenen Monitore zur Auswahl stehen, sind diese
alle von der gleichen Materialbeschaffenheit und auch die Arbeitsweise ist immer die
gleich. Beispielsweise ist der Farbauftrag auf Holz anders als auf Leinwand. Monitore
verhalten sich im Gegensatz dazu immer Gleiche. So sind Materialeigenschaften beim
Farbauftrag nicht zu spüren. Bildschirme unterscheiden sich nur gering durch Design,
Bildwiederholsequenz, Bildschirmauflösung und andere technische Merkmale wie zum
Beispiel die LCD-Technologie.
Eine Besonderheit des Monitors ist jedoch, dass er 3D-Szenen, also Virtuelles, in
Wirklichkeit nicht Vorhandenes, zeigen kann. Dass Datensichtgeräte diese Funktion
erfüllen können, hängt jedoch mehr mit den Möglichkeiten der 3D-Software zusammen,
als mit dem Gerät Bildschirm an sich. Der Monitor bietet nur die Plattform für den Zutritt
zu dieser Welt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 180 ff) Der Datenbestand der 3D-Szene
besteht, anders als dies beim 2D-Bild der Fall ist, nicht nur aus der einen gerenderten,
endgültig berechneten Bildansicht, sondern aus einer dreidimensionalen Bildszene, einer
Art virtuellem Bühnenbild. Daher bietet sich auch eine interaktive Bildbetrachtung am
Bildschirm an. Der Betrachter kann sich frei im virtuellen Raum bewegen und nach
eigener Wahl Bildperspektiven berechnen lassen. Er würde somit das Kunstwerk
mitbestimmen. Der Betrachter bewegt sich mit Hilfe von Eingabegeräten wie Maus oder
Stift in der virtuellen Welt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 209)
3.6.4.7 Farbe am Monitor
Es stellt sich nun die Frage, wie die Farbe auf dem Monitor dargestellt wird. Zu
Beginn der Computerkunst wurde ähnlich wie bei der Fotografie Farbe im Bild durch
Handkolorieren des Ausdrucks oder abfotografieren des Bildschirms mit vorgehaltenen
Farbfiltern erzeugt.
Es waren viele Entwicklungsschritte nötig, um Farbe nicht nur auf dem Monitor
anzeigen zu können, sondern auch die Möglichkeit bereitzustellen, in Grafikprogramm
mit Farbe arbeiten zu können. 1982 stellte die Firma Number Five die erste PCGrafikkarte mit 16 Farben für den Apple-Computer vor. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S.
50). Auch im Druckbereich bestand das Hauptproblem darin, dass Computerausdrucke
in den Farben verblassen und damit nicht lange haltbar waren. Die ersten Tinten waren
absolut nicht lichtecht und verblassten in kürzester Zeit, insbesondere wenn sie dem
Sonnenlicht ausgesetzt waren. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 67)
Genauso wie der Bildschirm als Bildträger immaterieller Art ist, wird auch die Farbe,
die auf ihm dargestellt wird, als immaterielle Farbe oder digitale Farbe bezeichnet.
Immaterielle Farben haben numerische Bezeichnungen. Dies sind entweder CMYKWerte, RGB-Werte oder aber Sondernummern benannt durch deren Hersteller. Hinter
den Farbnummern verbergen sich stets exakt dieselben Farbtöne. Das Spektrum der
digitalen Farben umfasst 16,7 Millionen Farbtöne, also mehr, als der Mensch mit dem
bloßen Auge wahrnehmen kann (unter günstigsten Bedingungen sind etwa 3 bis 4
Millionen Farben wahrnehmbar). Jeder dieser Farbtöne hat seine eigene numerische
Bezeichnung. Bei den materiellen Farben, die beispielsweise in Tuben erhältlich sind, ist
das anders. Es existieren dort auch Namen und Nummern, jedoch gibt es nicht jeden
denkbaren Farbton als Tubenfarbe. Eine Vielzahl der 16 Millionen digitalen Farben muss
aus den materiellen Farben gemischt werden. Dies ist weniger präzise und steuerbar, als
die Wahl von bereits vorhandenen numerischen, digitalen Farben.
Digitale Farben haben Eigenschaften, die materielle Farben nicht haben. Sie haben eine
ganz besondere Leuchtkraft am Bildschirm und werden deshalb auch als Lichtfarben
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
75
bezeichnet. Dies hat zur Folge, dass sie ohne das spezifische Monitorlicht zum Beispiel
auf Papier gedruckt, zwangsläufig immer leicht verändert erscheinen.
Anders herum besitzen materielle Farben Eigenschaften, die digitalen Farben fehlen. So
macht die materielle Farbe das Spiel des Lichtes auf der Oberfläche, der meist
unterschiedlich und oft erhaben aufgetragenen Farben, lebendig. Dieser Effekt fehlt bei
den immateriellen Farben. Die Lichtfarben fallen so gesehen immer gleich und weniger
abwechslungsreich aus. Es existieren jedoch Softwarefunktionen, die Effekte und
spezifische Oberflächenverhalten wie unterschiedliche Pinsel für Aquarell, Ölfarben etc.
zu simulieren versuchen. Dies geschieht mehr oder weniger zufrieden stellend durch die
Simulation des Licht- und Schattenverhaltens auf der Farboberfläche. (vgl. [13]
GUMINSKI, Karin, S. 185 ff)
Obwohl dem Fotorealismus innerhalb der Computergrafik umfangreiche Forschungen
gewidmet wurden, fehlt bisher ein exakter Farbansatz. Dies könnte unter anderem
daran liegen, dass die Rendering-Modelle selbst offensichtliche Unzulänglichkeiten
haben, die visuell viel ernster zu nehmen sind als die Behandlung von Farbe.
Bildunregelmäßigkeiten im Ortsraum sind sichtbar, während Bildunregelmäßigkeiten im
Farbraum im Allgemeinen unsichtbar sind.
Abgesehen von einigen Ausnahmen, wurden kaum Forschungen zum Rendering mit
genauer Behandlung von Farbe durchgeführt. Jedoch würden immer mehr
Anwendungen von einer genauen Farbsimulation profitieren. Außerdem erlangte die
Farbe beim Volumen-Rendering eine kritische Bedeutung. Hier wird Farbe verwendet,
um einem Betrachter die Wahrnehmung von Veränderungen in Datenwerten im
Dreiraum zu ermöglichen, die ausgesprochen fein sein können. In diesem
Zusammenhang ist es wichtig, dass die verwendeten Farben die Informationen in
optimaler Weise vermitteln. Dieses Verfahren beruht auf wahrgenommenen
Farbmodellen.
Die Farbwissenschaft versucht, den Vorgang der menschlichen Farbwahrnehmung durch
mathematische Modelle beschreibbar zu machen. Diese Modelle sollen die Farbreproduktion in digitalen technischen Systemen zur Aufnahme, Übertragung und
Wiedergabe von Bildern verbessern. Das angestrebte Ziel besteht darin, Farben technisch
so zu reproduzieren, dass sie auf einem Bildschirm oder in einem Druck genau so
erscheinen, wie sie bei dem direkten Betrachten einer Szene oder eines Objektes durch
das menschliche Auge wahrgenommen werden.
Mit den heute zur Verfügung stehenden Technologien von Kameras, Bildschirmen und
Druckern der Multimediatechnik ist eine derartig farbtreue Reproduktion prinzipiell noch
nicht möglich. Ursachen dafür sind die unveränderte Übernahme der Farbtechnik des
Fernsehers in der Multimediatechnik obwohl diese nicht für die Vielfalt der heutigen
Geräte in der Multimediatechnik entwickelt worden war. Die Entwicklung der
Farbfernsehtechnik vor 60 Jahren war mit den damaligen Möglichkeiten der analogen,
elektronischen Technik eine großartige Leistung. Sie ist jedoch alleine auf die typischen
Geräte und Übertragungsstrecken des Fernsehens hin optimiert. Erst in jüngerer Zeit hat
die Ingenieurwissenschaft das Thema Farbe wieder aufgenommen. Angestoßen wurde
dies durch die explodierende Vielfalt von neuen digitalen Technologien in der
Multimediatechnik und die dabei erst richtig in das Bewusstsein getretenen Problematik
der exakten Farbwiedergabe.
Sucht man also nach eine geeigneten Farbsimulation stellen sich gewisse Probleme:
Welches beschreibende Farbsystem oder Modell verwendet man, um Farben zu
kategorisieren? Wie lassen sich zwei in einem Standardsystem spezifizierte Farben in der
Reproduktion und Ansicht so darstellen, dass sie für den Betrachter gleich aussehen?
Dies ist nur der Fall, wenn sie auf sorgfältig kalibrierten Monitoren reproduziert werden,
die unter gleichen Bedingungen betrachtet werden. Obwohl Farbe mit Hilfe eines
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
76
Farbmessers lokal präzise gemessen werden kann, werden Verschiebungen, zum Beispiel
aufgrund von Kontrasten mit umgebenen Farben, immer auftreten (auf die
Kontrastwirkung von Farbe wird in Abschnitt 4.1 näher eingegangen). Dieses praktische
Problem ist nicht einfach zu lösen, und wenn es keine Beachtung findet, steht es der
Verwendung einer genauen Farbsimulation entgegen.
Um Farben in der Computerbildgestaltung einzusetzen, müssen sie in bestimmter Weise
so quantifiziert werden, dass sie uns die Vorstellung eines Farbenraums oder einer
Domäne vermitteln. Dieser Farbraum wurde als dreidimensionaler Raum festgelegt, in
dem sich alle Farben von Interesse befinden. Dass dreidimensionale Farbräume für die
Farbbeschreibung am geeignetsten sind, ist bereits seit J. HEINRICH LAMBERT bekannt (vgl.
Abschnitt 3.4.3).
Stellt man die unterschiedlichen Farbpaletten in einem Schema dar, so ergibt sich eine
Hierarchie der Farbpaletten. Dazu gehören die Palette aller durch Menschen mit
normaler Farbvorstellung wahrnehmbaren Farben, die Palette von Farben, die durch
einen Monitor angezeigt werden kann und die Palette, die durch Grafikprogramme
berechnet und in einem in einem Bildspeicher gespeichert werden kann (siehe
Abbildung 34a). Diese fallen normalerweise in den Anzeigebereich des Monitors, jedoch
können auch Farben erzeugt werden, die sich außerhalb des Anzeigebereichs befinden.
546 nm
Film
RGB-Monitor
Spektralzug
(Sättigung 100%)
RGB-Monitor
700 nm
436
nm
400 nm
Abbildung 34a: „Der CIE- Farbraum“
Da Farben in einem dreidimensionalen Vektorraum beschreibbar sind, können sie als
Vektor mit drei Komponenten dargestellt werden. Diese Spezifikation von Farbe durch
drei numerische Kennungen ist deshalb möglich, weil das menschliche Auge drei
verschiedenen Zapfentypen mit unterschiedlicher Sensibilität auf verschiedene
Wellenlängen besitzt (vgl. Abschnitt 4.1.1). Es ist möglich, durch Mischung dreier
farbiger Lichter eine bestimmte Farbe zu treffen. Nach diesem Prinzip können die
meisten aller wahrnehmbaren Farben durch das Mischen geeigneter Mengen von drei
Grundfarben erzeugt werden. Die numerische Katalogisierung erfolgt also durch drei
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
77
Grundfarben zum Beispiel Rot, Grün, Blau. Bezeichnet man eine Farbe mit C, erhält
man:
C = rR + gG + bB
r, g und b sind dabei die relativen Gewichtungen.
In einem Computergrafik-Monitor erfolgt die Erzeugung von Farbe auf ähnliche Weise
indem eine Farbe durch Tripel aneinander grenzender, aus roter, grüner und blauer
Leuchtsubstanz bestehenden Punkten erzeugt wird. Da die Punkte sehr klein sind,
nimmt das Auge die Tripel als einzelnen Farbpunkt wahr. Jedoch entsteht die Farbe am
Monitor nicht durch Mischen der Strahlen dreier Lichtquellen, sondern durch Platzieren
der Lichtquellen in dichter Nähe zueinander.
Auf Grund dieser Drei-Komponenten-Betrachtung wird die Interaktion von Licht und
Objekt nur an drei Punkten des Spektrums ausgewertet. Wenn jedoch eine genaue
Simulation der Interaktion von Licht und Objekt in einer Szene beabsichtigt wird, ist eine
genaue Auswertung der Interaktion bei mehr als drei Wellenlängen nötig. Andernfalls
werden aufgrund der Unterabtastung der Funktionen der Lichtverteilung und der
Objektreflexion Bildunregelmäßigkeiten im Farbraum hervorgerufen. Diese bestehen
einfach nur aus einer Verschiebung der Farbe entgegen des gewünschten Effekts und
sind in diesem Sinne unsichtbar (Das steht im Gegensatz zu Bildunregelmäßigkeiten im
Ortsraum, die störende Artefakte erzeugen).
Die Suche nach entsprechenden Zahlen, mit denen Farbe in numerischer Kennung
dargestellt werden soll, führt zur Festlegung verschiedener Farbräume oder -domänen.
Dazu muss allgemein festgehalten werden, dass Bilder im so genannten RGB-MonitorRaum erzeugt werden müssen, um einen bestimmten Monitor anzusteuern. Für die
Speicherung und Übertragung ist jedoch ein universeller Standard nötig. Der Farbraum
eines Monitors, der RGB-Monitor-Raum, ist gerätespezifisch. Die Geräte haben verschiedene Skalen oder Farbbereiche, die alle Unterpaletten der Palette wahrnehmbarer
Farben darstellen.
Ein universeller Raum hingegen ist vom Gerät unabhängig und umfasst alle
wahrnehmbaren Farben. Das CIE-XYZ-System ist ein solcher Raum und ist seit 1931 der
international definierte Standard für Farbdefinitionen. Eine Farbe wird dabei als Palette
von drei Stimuliwerten oder künstlichen Grundfarben XYZ als numerisches Tripel (X, Y,
Z) eindeutig beschrieben. Der CIE-Standard umfasst alle durch den Menschen
wahrnehmbaren Farben und basiert auf der experimentell bestimmten Funktionen der
Farbübereinstimmung. Daher ist er im Gegensatz zu andern Farbräumen, die im
Anschluss kurz angesprochen werden, kein Monitorskala-Raum. (vgl. [35] WATT, Alan,
S. 463 ff)
Zur besseren Handhabung des CIE-Systems wird als Projektionsebene der Farben jene
bestimmt, für die gilt: x + y + z = 1 (siehe Abbildung 34b graue Fläche). Zudem werden
die Primärvalenzen zu einem orthogonalen System geordnet. Die gesamte Darstellung
wird auf die XY-Ebene reduziert. ([12] Groh, Rainer, S. 27)
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
78
CIE-Farbkegel
Schwarz
Betrachtungsrichtung
Abbildung 34b: das CIE- XYZ- System
Es gibt eine Reihe von Verwendungsmöglichkeiten für das CIE-Farbqualitätsdiagramm. Von Bedeutung ist es für den Vergleich der Farbräume unterschiedlicher
Darstellungsgeräte, da es ein universeller Standard ist. Dies ist in der Computergrafik
wichtig, wenn ein Bild auf einer Reihe verschiedener Geräte wiedergegeben wird. In der
Abbildung 34a ist ein CIE-Farbqualitätsdiagramm abgebildet mit dem Farbraum eines
typischen Grafikmonitors. Der Farbraum für die Druckfarben ist im Monitorfarbraum
enthalten. Andererseits ist der Farbraum des Farbfilms größer als der eines
Grafikmonitors und enthält somit sowohl den Farbraum für Grafikmonitore als auch für
Druckfarben (vgl. Abbildung 34a). Das bedeutet, dass einige Farben, die auf einem Film
realisierbar sind, auf einem Grafikmonitor nicht wiedergegeben werden können und
bestimmte Monitorfarben im Druck nicht reproduzierbar sind. Die Farbräume der
Anzeigegeräte und Reproduktionstechniken sind immer im Raum der wahrnehmbaren
Farben enthalten, wobei die gesättigten oder die Spektralfarben am schwierigsten zu
reproduzieren sind.
Neben dem CIE-XYZ-Raum als Farbraum gibt es den Spektralraum, den RGB-Raum,
den RGB-Monitor-Raum, den HSB-Raum und den YIQ-Raum als hauptsächlich
verwendete Farbräume. Diese Farbräume sollen hier kurz erläutert werden.
Im Spektralraum werden bei der Bildsynthese Lichtquellen in diesem Raum als n
Wellenlängen einer Intensitätsverteilung beschrieben. Die Objektreflexion wird ähnlich
definiert. Farbe wird auf Basis der Wellenlänge spezifiziert.
Der RGB-Raum ist eine Version des Spektralraums mit drei Abtastwerten. Lichtquellen
und Objektreflexion werden als drei Wellenlängen spezifiziert: Rot, Grün und Blau. So ist
(0, 0, 0) in diesem System Schwarz und (1, 1, 1) Weiß. Dieses Modell ist die traditionelle
Form der Farbdefinition in der Computer-Bildgestaltung. Der Raum aller in diesem
System verfügbaren Farben wird durch den RGB-Würfel dargestellt (siehe Abbildung
35).
Im RGB-Monitor-Raum erzeugt ein Tripel in diesem Raum eine bestimmte Farbe auf
einem bestimmten Bildschirm. Dies ist, wie bereits erwähnt, der spezifische Farbraum
eines Monitors. Dasselbe Tripel muss auf verschiedenen Monitoren nicht zwangsläufig
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
79
Blau
Cyan
Magenta
Grün
Schwarz
Gelb
Rot
Abbildung 35: der RGB- Farbraum
dieselbe Farbe erzeugen, da diese nicht nach einem einheitlichen Standard kalibriert
sind.
Der HSB-Raum ist eine nichtlineare Transformation des RGB-Raums, die es ermöglicht, Farbe als Farbton, Sättigung und Wert anzugeben (vgl. Abbildung 36)
während der YIQ-Raum eine nichtlineare Transformation des RGB-Raums ist, die im analogen Fernsehen verwendet wird (vgl. Abbildung 37). (vgl. [35] WATT, Alan, S. 463 ff)
Sättigung
Helligkeit
n
to
rb
Fa
Abbildung 36: der HSB- Farbraum
Abbildung 37: der YIQ- Farbraum
Eine ernsthafte Verwendung von Farbe in der Computer-Bildgestaltung muss immer
unter den jeweiligen Aspekten des darstellenden Monitors betrachtet werden.
Computergrafik-Monitore sind nicht standardisiert und die Anwendung des gleichen
RGB-Tripels auf verschiedenen Monitoren führt zu unterschiedlichen Farben auf dem
Bildschirm (RGB-Monitor-Raum).
Zu den wichtigsten Faktoren eines Monitors gehören erstens, dass Farbe nicht durch
Mischen der drei Lichter auf dem Monitor erzeugt wird, sondern durch räumliches
Mischen im Auge. Zweitens bilden Leuchtsubstanzen mit unterschiedlichen Verteilungen
der Spektralenergie die Grundlage für Monitore. Drittens ist der Zusammenhang
zwischen den für den Monitor verwendeten RGB-Werten und der auf dem Bildschirm
erzeugten Lichtintensität nichtlinear. Um dies zu beheben, kann eine Gamma-Korrektur
80
3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD
(eine nichtlineare Transformation) durchgeführt werden. Viertens und letztens können in
der Bildsynthese durch Schattierungsgleichungen Farben entstehen, die sich außerhalb
der Skala des Monitors befinden und somit nicht darstellbar sind. Diese Farben müssen
begrenzt oder in den Farbraum des Monitors zurückgebracht werden.
Anwendungen, bei denen in der Computer-Bildverarbeitung reale Farben erzeugt
werden, sind zum Beispiel das Rendern von Spektralräumen. Im Spektralraum kann man
ein CIE-XYZ-Tripel aus der gültigen Ergebnispalette erzeugen. Dabei wird der CIE-XYZRaum als endgültiger Standard verwendet und es wird eine gerätespezifische
Transformation benötigt, um vom CIE-XYZ-Raum zum entsprechenden RGB-MonitorRaum zu gelangen.
Monitorfarbräume überschneiden sich teilweise und Farben, die auf einem Monitor
verfügbar sind, lassen sich unter Umständen nicht auf einem anderen reproduzieren.
Dieses Problem kann auch beim Rendern auftreten und verstärkt sich sogar im Fall von
Ausgabegeräten wie Druckern, die kleinere Farbräume als Monitore aufweisen. Das Ziel
ist es, den Bildfarbraum so zu komprimieren, bis er genau in den Gerätefarbraum passt,
so dass die Bildqualität erhalten bleibt. Dieses gesamte Fachgebiet stellt noch immer ein
Forschungsthema dar. Es gibt bereits einige einfache Strategien. Der Vorgang des
Erzeugens einer anzeigbaren Farbe aus einer Farbe, die sich außerhalb des
Monitorfarbraums befindet, wird als Color-Clipping bezeichnet. Ebenso kann man einen
einfachen Blockieransatz übernehmen und außerhalb des Bereichs liegende Werte
ausfiltern.
Ausgefeiltere Ansätze teilen nicht anzeigbare Farben in zwei Kategorien: Farben mit
Farbqualitäten außerhalb des Monitorfarbraums (negative RGB-Werte) und Farben mit
anzeigbaren Farbqualitäten, jedoch mit Intensitäten außerhalb des Monitorfarbraums
(RGB-Werte größer als 1). Die Korrekturen beziehen sich auf eine Verschiebung oder
Veränderung der berechneten Farbe in Farbton, Sättigung oder im Wert. Für die erste
Kategorie kann man Weiß zur Farbe hinzufügen oder den Sättigungsgrad so weit
verringern, dass die Farbe anzeigbar wird. Dabei bleiben der Farbton und die Helligkeit
auf Kosten der Sättigung erhalten. Im zweiten Falle kann das gesamte Bild skaliert
werden, bis die höchste Intensität innerhalb des Bereichs liegt. Alternativ kann die
Farbqualität erhalten bleiben und die Intensität skaliert werden. Ebenso können auch
der dominierende Farbton und die Intensität erhalten bleiben und der Sättigungsgrad
der Farbe durch Hinzufügen von Weiß verringert werden. (vgl. [35] WATT, Alan, S. 482
ff)
Nachdem wir nun die Eigenschaften und Probleme von Farbe und deren Darstellung
am Monitor betrachtet haben, stellt sich die Frage, wie Farbe in der Interaktion am
Monitor unterstützend eingesetzt werden kann. Von der Seite des Monitors aus
betrachtet kann man festhalten, dass die Darstellung der Farbe so präzise wie möglich
sein muss. Die Farbsysteme und Monitore müssen somit die Farbe so genau wie möglich
darstellen, damit die spezifisch beabsichtigte Wirkung zur Geltung kommt. Farbe darf
durch die Eigenschaften des Monitors nicht negativ auffallen.
Die Lösung des Problems, wie Farben beschaffen sein müssen, um die Interaktion im
Computerbild zu fördern, ist jedoch nicht auf dem Gebiet der Computergrafik oder
Monitortechnik zu suchen, sondern auf dem Gebiet der Farbwahrnehmung und
Farbwirkung. Diese Aspekte werden im folgenden Kapitel vier näher beleuchtet.
Zunächst jedoch werden aufgrund der gesammelten Erkenntnisse über Fotografie,
Film und Interaktives Bild die Vermutungen aus Abschnitt 3.6.1 überarbeitet.
3.6.5 EIN ORDNUNGSMODELL
81
3.6.5 Ein Ordnungsmodell
Das Ordnungsmodell aus Abschnitt 3.6.1 kann nun, nachdem die jeweiligen
technologischen Entwicklungsschritte der Neuzeit von Fotografie über Film zum
interaktiven Bild eingehend betrachtet wurden, noch einmal genauer überarbeitet und
ergänzt werden (vgl. Abbildung 38).
Neuzeit
Gemälde
Foto
Film
interaktives Bild
Produktionszeit der Bilder
Mächtigkeit der Technik
statisch
lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
Bild im Kopf/ aktiv
Aktion vom Maler
Orientierung an Realem
Abstraktion
Leinwand/ Papier
Pigmente
Pinsel/ Farben
analog
statisch
lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
dynamisch
kurze Betrachtungszeit
(pro Bild)
Abbild/ passiv
Abbild/ passiv
Abbildung von Realem
Abbildung von Realem
Fotopapier/ Monitor
Projektion/ Bildschirm
Fotoapparat
analog/ digital
Kamera
analog/ digital
dynamisch
kurze/ lange Betrachtungszeit
(pro Bild)
Bild im Kopf/ aktiv
Aktion vom Anwender
Generierung neuer, frei erfundener
Objektformen
Monitor (Druck: Papier)
Pixel
Programm (Kamera der Szene)
digital
Abbildung 38: Ordnungsmodell 5 der Technologien
Mit Beginn der Neuzeit nahmen erstmals technische Hilfsmittel Einfluss auf die Kunst.
Diese Entwicklung setzte mit der Erfindung des Fotoapparates ein und steigerte sich
über die Video- beziehungsweise Filmkamera zum Programm des Rechners. Auf der
anderen Seite nahm die nötige Zeit für die Herstellung beziehungsweise Berechnung
eines Bildes ab.
In der Malerei erfolgen in einem aktiven, künstlerischen Prozess die Komposition und
Erzeugung eines Bildes im Wechsel, indem Farben als Pigmente auf den Bildträger
aufgetragen werden. Dabei orientiert sich der Maler bei der Abbildung zumeist an der
Realität anstatt Phantasieformen auszudrücken. Gegebenenfalls erfolgt eine Abstraktion
von der Realität. Die Aktion geht vom Maler aus. Seine Werkzeuge sind Pinsel und
Farbpigmente, der Bildträger die Leinwand, Papier oder andere geeignete Unterlagen,
auf die die Farbe aufgetragen wird. Das Material sowie die Brechung von Licht auf den
Pigmenten beeinflussen die Wirkung der Farbe. Beim Betrachten eines Gemäldes ist der
Betrachter in seiner Betrachtungszeit nicht eingeschränkt. Dies erhöht die Erinnerbarkeit
von Bildelementen zum Beispiel der Farbe.
Fotografie und Film hingegen sind passive Abbildungsprozesse. Dabei erfolgt die
reine Abbildung von real vorhandenen Objekten. Die Ausgabe erfolgt auf Fotopapier
oder auf dem Fernsehmonitor.
82
3.6.5 EIN ORDNUNGSMODELL
Die Farbe wird dabei in dem Sinne nicht selbst erschaffen wie in der Malerei, sondern
auf Foto- oder Filmmaterial in einem subtraktiven beziehungsweise additiven Farbmischprozess fixiert. Diese Fixierung bezieht sich auf einen Moment, das heißt auf einen
bestimmten Blickwinkel zu einem bestimmten Zeitpunkt, indem Farbe, Materialeigenschaften und Lichtbrechung beziehungsweise Reflexionen einen bestimmten Farbeindruck erzeugen. Beim Film erweitert sich dieses Prinzip auf eine Folge von
Momenten. Die Abbildung von Farbe liegt im Film somit näher an der realen Art und
Weise der Betrachtung.
Die Komposition erfolgt nicht wie in der Malerei im Wechsel mit der Herstellung. Die
Szene wird erst zusammengestellt und anschließend abgelichtet. Die reine Herstellungszeit ist wesentlich kürzer als bei Gemälden. Die Betrachtungszeit für ein Bild in der
Fotografie ist ähnlich lang wie bei Gemälden, beim Bewegtbild jedoch entsprechend
kürzer. Dies verringert die Erinnerbarkeit von Farbe.
Interaktive Bilder sind synthetische beziehungsweise technische Bilder immaterieller
Natur, die auf einer numerischen Grundlage beruhen und somit einen völlig anderen
Bildcharakter haben, als alle vorher betrachteten Bilder. Das interaktive Bild bietet über
die herkömmliche Abbildung von Fotografie und Film hinaus die Möglichkeit der
Generierung völlig neuer, frei erfundener Objekte, die keinen Bezug zur Realität haben.
Die Pixel werden in einem aktiven Prozess auf dem Bildträger gemischt.
Die Aktion geht nicht nur vom Künstler aus, sondern auch vom Anwender, der durch
Interaktion auf die Szene einwirkt. Diese Interaktion hat Einwirkung auf die Betrachtungszeit eines Bildes. Es entsteht eine Mischform zwischen kurzer und langer
Betrachtungszeit und somit eine unterschiedliche Erinnerbarkeit von Bildelementen. Bei
der Komposition eines Computerbildes muss man in 2D- und 3D-Bild unterscheiden. In
einem 2D-Computerbild erfolgt die Bildgestaltung wie beim traditionellen Zeichnen oder
Malen. Die Ideenentwicklung kann geplant oder spontan erfolgen. Bei einer
programmierten 3D-Szene muss die Szene vorher im Kopf geplant werden. Beide
Vorgänge sind jedoch aktive Prozesse.
Der Bildträger eines interaktiven Bildes ist der Monitor. Die Eigenschaften des Monitors
geben ebenfalls eine eigene spezifische Bildcharakteristik digitaler Bilder vor (zum
Beispiel durch die gekrümmte Scheibe, die nicht vollständig entspiegelt ist). Auch die
dort dargestellten Farben sind immaterieller beziehungsweise temporärer Natur und
haben einen anderen Charakter als herkömmliche Pigmentfarben. Durch ihre
Leuchtkraft werden sie auch als Lichtfarben bezeichnet. Farben auf dem Monitor wirken
in der Regel immer gleich, wenig abwechselungsreich und nicht realistisch. Aus diesem
Grund beschäftigt sich die Farbwissenschaft mit der Suche nach einem mathematischen
Modell, um Farbe auf dem Monitor oder im Druck genauso darzustellen, wie beim
direkten Betrachten in der Realität. Solche Modelle sind nötig, um Farben zu
kategorisieren. Der Farbraum der digitalen Farben ist darin dreidimensional. Farben
lassen sich dort numerisch als Vektoren oder Tripel beschreiben.
3.6.6 Zusammenfassung
Mit Beginn der Neuzeit wurden erstmals technische Hilfsmittel wie Fotoapparat,
Kamera und Rechner in der Kunst eingesetzt. Innerhalb jeder der im Ordnungsmodell
festgehaltenen, technischen Entwicklungsstufe verändert die Farbe ihren Charakter und
erfährt einen ganz unterschiedlichen Einfluss auf ihre Eigenschaften, Darstellung und
Bedeutung. Genauso wie Bilder, die mit Hilfe technischer Geräte hergestellt werden, als
technische Bilder bezeichnet werden, bekommt auch die Farbe einen technischen
Charakter.
3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE
83
Wird in der Malerei Farbe noch als materielles Farbpigment auf den Bildträger
aufgetragen und von den jeweiligen Materialeigenschaften sowie der Brechung von
Licht auf den Pigmenten in ihrer Wirkung beeinflusst, so wird die Farbe in Foto und Film
in dem Sinne nicht selbst erschaffen, sondern lediglich auf Foto- oder Filmmaterial durch
eine chemischen Prozess abgebildet beziehungsweise fixiert. Diese Fixierung bezieht sich
auf einen Moment, das heißt auf einen bestimmten Blickwinkel zu einem bestimmten
Zeitpunkt, indem Farbe, Materialeigenschaften und Lichtbrechung beziehungsweise
Reflexion einen bestimmten Farbeindruck erzeugen. Beim Film erweitert sich dieses
Prinzip auf eine Folge von Momenten, wobei die abgebildete Farbe realitätsnäher
wiedergegeben wird.
Durch die technischen Hilfsmittel wie Fotoapparat oder Kamera, die beim Auftragen der
Farbe assistieren, bildet sich ein unbestimmter Abstand zur Farbe. Farbe scheint im
Gegensatz zum Pigment der Malerei weniger greifbar. Die Glasscheibe des Monitors
kann darüber hinaus mit einer Art Filter verglichen werden, der sich zwischen Gestalter
und Werk schiebt und den direkten Kontakt mit dem Material vermeidet. Dieses kann
eine befremdende Wirkung haben.
Farbe kann, wie die Bilder der Fotografie, des Film und im interaktiven Bild selbst,
beliebig oft und vergleichsweise schnell reproduziert werden. Dies kann dazu führen,
dass das Bild an sich und die Farbe darin an Wert verliert.
In der Fotografie und Filmtechnik wird es nötig, Farbe nach den Gesetzmäßigkeiten der
additiven und subtraktiven Farbmischgesetzen zu produzieren und zu manipulieren.
Die am Monitor dargestellte Farbe des interaktiven Bildes ist darüber hinaus
immaterieller beziehungsweise temporärer Natur und hat dadurch ebenfalls einen
anderen Charakter als herkömmliche Pigmentfarben. So wird sie auf Grund ihrer
Leuchtkraft auch als Lichtfarbe bezeichnet. Weiterhin wirken Farben auf dem Monitor in
der Regel wenig abwechselungsreich und nicht realistisch. Ein Computerbild ist dadurch
unverkennbar gekennzeichnet. Die Farbwissenschaft widmet sich aus diesem Grund der
Suche nach einem mathematischen Modell, um Farbe auf dem Monitor oder im Druck
genauso realistisch nachzubilden, wie beim direkten Betrachten in der Realität. Ein
Standardmodell ist der CIE-Standardfarbraum.
3.7 Zusammenfassung Geschichte
Die Zusammenfassung zum Kapitel „Geschichte der Farbe“ unterteilt sich in zwei
Abschnitte. Der erste Abschnitt bezieht sich auf die zeitgeschichtlichen Aspekte über
Farbe in der Malerei von Antike bis zur Neuzeit, während sich der zweite Abschnitt dem
Zusammenspiel von Farbe und Technologie widmet.
3.7.1 Farbe von Antike bis Neuzeit
Von der Antike über die Renaissance bis in die Malerei der Neuzeit erstreckt sich der
ewige Konflikt über die Wichtigkeit der Farbe gegenüber der Hell-Dunkel-Gestaltung
und anderen strukturgebenden Bildelementen. Manche Maler übertrugen ihre
Botschaften alleine durch Hell-Dunkel andere schufen Räume bloß mit Hilfe von Farben.
Kunsthistoriker weisen darauf hin, dass die Zeiten, in denen der Zeichenaspekt und
die Form in der Malerei dominieren, sich mit den Zeiten abwechseln, in denen das
Interesse für die Farbe im Vordergrund steht. Aber auch innerhalb einer Epoche gibt es
sowohl Meister der Form als auch Künstler, die ihre Botschaft lieber durch Farbe
ausdrücken. Beispielsweise benutzten in der Renaissance die florentinischen Künstler
perspektivische Elemente, um Figuren und Landschaften zu harmonisieren, während ihre
3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE
84
Zeitgenossen aus Venedig dazu die Farbe verwendeten. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto,
FIORENTINI, Adriana S. 137 ff)
In Abbildung 39 werden die geschichtlichen Zusammenhänge von Farbe und deren
Bedeutung in den jeweiligen Epochen verdeutlicht. Zusätzlich können für die Farbe in
jeder Epoche typischen Eigenschaften hinsichtlich Farbton, Farbsättigung und Helligkeit
festgehalten werden.
Farbe als Vermittler
Bedeutungsperspektive Farbperspektive
Reine Farben
Neuzeit
Antike
Mittelalter
Linienzeichnung
Fläche
Renaissance
Form
Abstrakte Malerei
Abstraktion
Abbildung 39: Modell 1 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern
In der Antike galt die Farbe als Vermittler oder Weichzeichner zwischen der Linienzeichnung auf der Bildebene und dem Auge des Betrachters. Aus diesem Grund wurden
wenig gesättigte Farben, fade, fast farblose Töne und selten reine Farben eingesetzt. Oft
entstand der verschwommene Eindruck eines hellen Schleiers über dem Bild. Vom
Farbton betrachtet wurden oft freundliche helle Farben wie gelb, beige, orange
eingesetzt.
Im Mittelalter wurden Objekte nach ihrer Bedeutung in der so genannten
Bedeutungsperspektive angeordnet. Es entstanden Farbvokabulare mit eindeutigen
Bedeutungen. Dieses Prinzip kann heute die Grundlage für flächige Ordnungssysteme
bilden und Schnitte symbolisieren oder Signalwirkung unterstützen. Weiterhin wurden
mittelalterliche Bilder von Flächigkeit beherrscht. Diese wurde durch entsprechende
Farbigkeiten unterstützt. Es wurden häufig reine Farben zum Beispiel in den Farbtönen
blau, rot, gelb, grün verwendet. Die Farben waren gesättigt, wirkten stark und hatten
eine eindeutige Aussagekraft. Im Gegensatz zur hohen Sättigung wurden jedoch eher
dunkle Farben von geringer Helligkeit eingesetzt.
Die Kunst der Renaissance fand zurück zu Körperlichkeit und Formen. Es wurden zartere
Farbtöne und gemischte Farben wie rosa, grün-braun, blau-grün, braun eingesetzt. Der
vorherrschende Kolorismus im Quattrocento war geprägt durch sukzessive Kontraste
starker und gebrochener Buntfarben. In der italienischen Hochrenaissance hingegen
wurden die Buntfarben dunkler. Erstmals wurde Perspektive gestaltet und durch Farbe
in der so genannten Farbperspektive unterstützt. Dieses Prinzip kann heute die Grundlage für die Gestaltung möglicher Übergänge zur Navigationsunterstützung im Rechner
darstellen. Die Sättigung und Helligkeit der Farbe in der Renaissance waren eher variabel
jedoch nie hundert Prozent.
Die neuzeitliche, moderne Malerei weicht ab von real existenten Formen. Farbe jeglichen
Tons und jeglicher Helligkeit beherrscht das Bild mit absoluter Macht, beispielsweise in
der expressionistischen Malerei. Die abstrakte Malerei kommt völlig ohne Objekte aus,
die Harmonie des Bildes entwickelt sich ausschließlich aus der Farbe. Farbe gewinnt über
den Symbolcharakter hinaus eine emotionale Bedeutung. Sie wird für sich alleine fähig,
Elemente aus der Welt der Gefühle darzustellen. Dieses Prinzip kann heute die
Grundlage für die Verdeutlichung von Elementararisierung und Ordnung sowie einer
Signalwirkung sein.
3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE
85
3.7.2 Farbe und Technologie
In Abbildung 40 wird die geschichtliche Zeitleiste aus Abschnitt 3.7.1 für die Neuzeit
fortgesetzt. Dabei verlagert sich die Diskussion, ob Farbe überhaupt von Bedeutung ist
dahingehend, wie Farbe am naturgetreusten wiedergegeben werden kann.
Pigment
Gemälde
Bild im Kopf
Chemikalie
Neuzeit
Fotografie
Abbild
Chemikalie
Film
Abbild
Pixel
Interaktives Bild
Fiktion
Abbildung 40: Modell 2 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern
Es muss berücksichtigt werden, dass mit Beginn der Neuzeit technische Geräte Einzug in
die Kunst hielten. Dadurch wurden jeweils der Charakter und die Eigenschaften der
Farbe verändert.
Wurden in der Malerei noch materielle Farbpigmente durch Mischen in einem aktiven
künstlerischen Prozess von der Hand des Malers auf den Bildträger aufgetragen, so wird
die Farbe in Foto und Film nicht selbst erschaffen, sondern lediglich auf Foto- oder
Filmmaterial durch einen chemischen Prozess entwickelt.
Im interaktiven Bild ist die Farbe in Form von Pixeln durch die Darstellung am Monitor
immaterieller beziehungsweise temporärer Natur. Der Künstler erhält jedoch die
Möglichkeit Dinge, die real nicht existieren, frei nach seiner Phantasie fotorealistisch
darzustellen.
Im kommenden Kapitel über die physiologische und psychologische Wahrnehmung
von Farbe wird gezeigt werden, dass der Prozess des Farbsehens von dem des
Formsehens getrennt abläuft. Vielleicht ist es gar nicht so verwunderlich, dass in
einzelnen Epochen oder bei einzelnen Künstlern mal die Form, mal die Farbe eine
entscheidende Rolle spielte. Man kann sich vorstellen, dass bei den einen der Teil der
Sehrinde dominiert, der die Farben verarbeitet, und bei den anderen das Zentrum der
Formwahrnehmung. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana S. 141)
86
4 WAHRNEHMUNG von FARBE
87
4 Wahrnehmung von Farbe
Bisher bezogen sich die Betrachtungen zur Farbe fast ausschließlich auf geschichtliche
und herstellungsspezifische Aspekte. Ausgespart wurde die Erläuterung der Grundvoraussetzungen, unter denen es im menschlichen Auge überhaupt zum Sehen von
Farbe kommt. Dieser Aspekt, sowie der Aspekt der psychologischen Farbwirkung soll im
vierten Kapitel unter Berücksichtigung des oben eingeführten Schemas und mit Hinblick
auf die Anwendungsbeispiele für die Computergrafik in Kapitel fünf beleuchtet werden.
4.1 Physiologie
4.1.1 Küppers Farbenlehre
Wir können Farbe in Gemälden, Fotografie, Film und auf dem Monitor nur deshalb
wahrnehmen, weil unser Auge über eine komplexe Physiologie des Farbsehens verfügt.
Das Sehorgan ist dabei das Instrument zur Erzeugung der Sinnesempfindung Farbe. Für
die Erzeugung dieser Empfindung bedarf es eines von außen kommenden
physikalischen Anstoßes. Küppers beschreibt den Vorgang in seiner Farbenlehre
folgendermaßen: Beleuchtungslicht (siehe Abbildung 41-1) fällt auf einen Gegenstand.
Ein Teil des Lichtes wird absorbiert und in Wärme umgewandelt (siehe Abbildung 41-2).
Der nicht absorbierte Teil, das Restlicht, wird als Farbreiz (siehe Abbildung 41-3) ins
Auge des Betrachters reflektiert (siehe Abbildung 41-4). Nach den organeigenen
Anpassungsvorgängen der Adaptation, der Umstimmung und des Simultankontrastes
wird für jeden Bildpunkt auf der Netzhaut ein elektrischer Code gebildet und über die
Nervenbahnen (siehe Abbildung 41-5) ins Gehirn geschickt. Aus diesen farblosen Daten
baut sich das vielfarbige dreidimensionale Gesichtsfeld als Bewusstsein auf (siehe
Abbildung 41-6). Die Punkte 1 bis 4 der Abbildung von Küppers fallen dabei unter den
Bereich der Physik, Punkt 5 unter den Bereich der Physiologie und Punkt 6 unter den der
Psychologie. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 9 f)
3
1
2
5
4
Emission elektromagn. Material
Reflektion Umwandlung
Energie
Absorption Transmission
6
Leitung Farbempfindung
Abbildung 41: Vorgang des Farbensehens nach Küppers
88
4.1 PHYSIOLOGIE
Der von außen kommende Farbreiz, der in Schritt 4 durch das optische System des
Auges auf die Netzhaut projiziert wird, regt die dort eingebetteten winzig kleinen
Sehzellen, die so genannte Lichtrezeptoren an. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von
Lichtrezeptoren, die Zapfen und die Stäbchen. Im Zentrum der Netzhaut, das als
Sehgrube bezeichnet wird, sind etwa 6 Millionen Zapfen in großer Dichte gelagert, die
für die Farbwahrnehmung zuständig sind. Im äußeren Feld der Netzhaut liegen über 100
Millionen Stäbchen, die ringförmig um die Sehgrube gelagert sind. Diese Stäbchen sind
bei geringer Lichtintensität aktiv und haben die Aufgabe, Schwarz-Weiß-Kontrasten zu
unterscheiden.
Es gibt drei Typen von Zapfen, die jeweils für die Erfassung eines bestimmten
Wellenbereiches des Lichtes ausgelegt sind. Je ein Typ reagiert auf Rot, Grün oder Blau.
Die additive und die subtraktive Farbentstehung, die bei der Betrachtung von Fotografie
oder Fernsehen in Abschnitt 3.6.2.4 und 3.6.3.4 bereits eine Rolle gespielt haben und
im folgenden Abschnitt (vgl. Abschnitt 4.1.2) noch näher erläutert werden sollen,
begründen sich in der Farbempfindlichkeit der drei Zapfenarten. Diese entsprechen den
drei additiven Grundfarben Rot, Grün und Blau. Die Reaktionen der drei verschiedenen
Zapfentypen werden im Gehirn zu einer Einheit verschmolzen, die die Farbempfindung
auslöst. Deshalb hat auch jeder Zapfen seine eigene Verbindung über eine Nervenfaser
zum Gehirn (siehe Abbildung 41-5). Additive Mischung kommt also durch physikalische
Überlagerung von Strahlen verschiedener Wellenlängen zustande (zum Beispiel durch
drei Elektronenstrahlquellen in Rot, Grün und Blau im Bildschirm), kann aber auch in
unserem Auge stattfinden.
Unterschiedliche spektrale Zusammensetzungen des Lichts können beim Menschen den
gleichen Farbeindruck hervorrufen. Diesen Effekt nennt man metamäre Farbgleichheit
(vgl. Abschnitt 3.1.4). Die metamäre Farbgleichheit macht man sich in der Technik zu
Nutze. Mit Hilfe dreier schmalbandiger Lichtquellen, zum Beispiel der drei
Leuchtphosphore auf Fernsehbildschirmen, wird ein Großteil der in der Realität
vorkommenden Farbeindrücke auf dem Bildschirm nachgebildet. Zum Beispiel kann
durch Addition von etwas rotem (langwelligem) mit viel blauem (kurzwelligem) Licht der
Farbeindruck Violett erzeugt werden, obwohl spektralreines Violett noch kurzwelliger als
das blaue Licht ist. Dieses gemischte Violett hat allerdings eine etwas geringere
maximale Farbsättigung und sieht aus, als hätte man dem spektralreinen Violett ein
wenig Grau hinzu gegeben.
Die Stäbchen hingegen reagieren, wie bereits erwähnt, auf das Hell-Dunkel, indem sie
die Intensität des Lichtes als Signale aufnehmen. Sie können keine Farbigkeit
interpretieren, sondern übertragen die Helligkeitswerte in eine Grauskala. Die Stäbchen
verhalten sich weitaus lichtempfindlicher als die Zapfen. Dies hat zur Folge, dass zur
Wahrnehmung von Farben eine höhere Lichtstrahlung notwendig ist, als zur
Wahrnehmung von Hell-Dunkel-Kontrasten. Diese Eigenschaften erklären, warum
Farben bei zunehmender Dunkelheit immer schlechter zu unterscheiden sind, bis
schließlich in der Dunkelheit nur noch die Stäbchen aktiv bleiben.
Aus dem Ausfall von Zapfen oder Stäbchen ergeben sich weithin bekannte Farbsinnstörungen. So entsteht beispielsweise die Rot-Grün-Krankheit durch den Ausfall des für
diesen Wellenbereich zuständigen Typs an Zapfen. Wenn die Stäbchen nicht auf
unterschiedliche Lichtverhältnisse reagieren, hat dies die Nachtblindheit zur Folge. (vgl.
[5] ENGELBERT, Prof. Dr. Arthur: physische Wahrnehmung)
4.1 PHYSIOLOGIE
89
4.1.2 Urfarben und Grundfarben
Die drei Empfindungskräfte, die zu den drei Zapfenarten des Sehorgans gehören,
werden als Urfarben (Urf) bezeichnet. Dem Zapfentyp, der auf kurzwellige Strahlungen
reagiert, ist die Urfarbe Violettblau (Urf V) zugeordnet. Wenn nur dieser Zapfentyp allein
angesprochen ist, führt das zur Farbempfindung Violettblau. Wenn nur mittelwellige
Strahlung vorhanden ist, reagiert das Sehorgan mit der Farbempfindung Grün. Deshalb
sprechen wir hier von der Urfarbe Grün (Urf G). Und schließlich führt langwellige
Strahlung, die allein den betreffenden Zapfentyp erregt, zur Farbempfindung Orangerot
und damit zur Urfarbe Orangerot (Urf O).
Küppers zieht aus dieser Tatsache folgende Schlussfolgerungen: Wenn im Sehorgan
diese drei Empfindungskräfte wirken, ergibt sich daraus, dass acht extreme Farbempfindungen möglich sind. Diese acht maximalen Farbempfindungen bezeichnet er als
Grundfarben (Grf). Sie ergeben sich auf folgende Weise (siehe Abbildung 42).
Urfarben
Grundfarben
Keine Urf
= Grf S
Urf V
= Grf V
Urf G
= Grf G
Urf O
= Grf O
Urf V + Urf G
= Grf C
Urf V + Urf O
= Grf M
Urf G + Urf O
= Grf Y
Urf V + Urf G + Urf O
= Grf W
Abbildung 42: Urfarben und Grundfarben
90
4.1 PHYSIOLOGIE
In Küppers‘ Farbenlehre haben die acht Grundfarben folgende Farbnamen: Schwarz (S),
Violettblau (V), Grün (G), Orangerot (O), Cyanblau (C), Magentarot (M), Gelb (Y von
yellow, weil das "G" für Grün bereits besetzt ist) und Weiß (W).
Es gibt die zwei unbunten Grundfarben Weiß und Schwarz und die sechs bunten
Grundfarben Gelb, Magentarot, Cyanblau, Orangerot und Violettblau. (vgl. [20]
KÜPPERS, Harald, S. 21)
4.1.3 Farbmischgesetze nach Küppers
Nach Küppers sind Farbmischgesetze Manipulationsmöglichkeiten des Sehorgans. Sie
erklären sich aus dessen Arbeitsweise (siehe Abbildung 4.1.1). Bei Reproduktionsprozessen kommt es darauf an, einen Farbreiz so zu erzeugen, dass im Betrachter eine
bestimmte Farbempfindung hervorgebracht wird. Die Modulation des Farbreizes kann
an verschiedenen Stellen der in der Abbildung gezeigten Wirkungskette stattfinden. Es
kann direkt der ins Auge fallende Farbreiz manipuliert werden. Diesen Prozess
bezeichnet man als additive Mischung (vgl. Abschnitt 3.6.3.4). Er bildet die Grundlage
für die Technik des Fernsehens.
Die Manipulation kann aber auch im Materialbereich stattfinden und wird als subtraktive
Mischung bezeichnet. Dabei werden dem weißen Licht der Allgemeinbeleuchtung durch
Absorption gezielt bestimmte spektrale Anteile entzogen. Das Restlicht ergibt den
gewünschten Farbreiz. Diese Manipulation im Materialbereich kann beispielsweise mit
lasierenden Farbmitteln erfolgen. Dabei werden Filterschichten hintereinander
geschaltet. Dem Licht, das nacheinander durch verschiedene Filterschichten fällt, werden
durch Absorption jene spektralen Anteile entzogen, die für den gewünschten Farbreiz
nicht gebraucht werden. (vgl. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 19 f) Die lasierenden Farbmittel
können beispielsweise die Malerfarben oder Pigmente unterschiedlicher Farbtöne sein,
die miteinander vermischt werden. Die Pigmente verhalten sich dabei praktisch wie
Filter. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 107). Die Technik der
subtraktiven Mischung wird bei der Film- und Fototechnik sowie beim konventionellen
Mehrfarbendruck eingesetzt (vgl. Abschnitt 3.6.2.4). (vgl. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 19
f). Allerdings kann auch mit Druckfarben eine additive Mischung simuliert werden,
indem die Grundfarben in einzelnen, dicht benachbarten Bildpunkten dargestellt
werden, ohne sie zu überlagern, so dass die Mischung erst im Auge zustande kommt.
([22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 107)
4.1.4 Farbe und Gehirn
Im Auge können unter Berücksichtigung einiger physikalischer und physiologischer
Gesetzmäßigkeiten gewisse Effekte erzielt werden, die man sich bei der Anwendung
von Reproduktionsverfahren zu Nutze machen kann. Im Folgenden werden einige
beschrieben.
Bei einem roten und blauen Rechteck auf schwarzen Grund ergibt sich der Eindruck,
dass die beiden Flächen räumlich nicht in einer Ebene liegen. Die rote Fläche scheint auf
den Betrachter zuzukommen, während die blaue Fläche eher zurückzuweichen scheint.
Das kann teilweise damit erklärt werden, dass Lichtstrahlen unterschiedlicher
Wellenlänge im Auge unterschiedlich stark gebrochen werden, blaues Licht etwas
stärker als rotes. Es entsteht ein Prismeneffekt, der zu je einem roten und einem blauen
Netzhautbild führt. Diese Bilder sind dazu in beiden Augen leicht unterschiedlich und
erzeugen einen binokulären Stereoeffekt, der allerdings den Raumeindruck nicht vollständig erklären kann, denn dieser bleibt auch beim Betrachten mit nur einem Auge
teilweise bestehen. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 131)
4.1 PHYSIOLOGIE
91
Im Gegensatz zu einem Messgerät, bei dem die gleichen Lichtstrahlen immer die
gleichen Messwerte ergeben, reagiert die Netzhaut nicht immer gleich auf die gleiche
Lichtstrahlung. Die von einer bestimmten Strahlung ausgelösten Helligkeits- und Farbempfindungen können je nach Umständen sehr verschieden sein. Das kann zum einem
daran liegen, dass das Unterscheidungsvermögen der Netzhaut in verschiedener Hinsicht
begrenzt ist. Der Vorgang der optischen Wahrnehmung ereignet sich in so kurzer Zeit,
dass seine Dauer nicht bewusst erfahren wird. Wenn die Nervenzellen durch zu dicht
nebeneinander liegende oder durch zu rasch wechselnde Lichtimpulse überfordert
werden, vermischen sich die unterschiedlichen Signale. Durch diesen, als optische
Mischung (vgl. Abschnitt 3.2.1) bezeichneten Vorgang, entstehen andere Farbempfindungen, das heißt neue Farben.
Auf der anderen Seite erfolgt die Reaktion der Netzhaut nach bestimmten, vorgegebenen Mustern. Die eintreffenden Lichtimpulse werden in den verschiedenen Zellschichten der Netzhaut nach bestimmten Kriterien beurteilt und verändert. Die Netzhaut
ist sozusagen vorprogrammiert. Signale, die als wichtig bewertet werden, verstärken
sich, andere werden als unwesendlich abgeschwächt. Dieser Mechanismus dient zur
möglichst raschen und deutlichen Wahrnehmung der für die visuelle Orientierung
wichtigen Informationen. Das Aussehen der Farbe wird durch diesen Vorgang stark
beeinflusst.
Ebenfalls beeinflusst wird das Aussehen einer Farbe von ihrer Umgebung. Das Auge
vergrößert den Unterschied einer Farbe, wenn diese auf zwei aneinander grenzenden
Farbflächen ins Auge reflektiert wird. Durch die Betonung der vorhandenen Unterschiede, die als Simultankontrast bezeichnet (vgl. Abbildung 43) werden, können wir die
Dinge in unserer Umgebung deutlicher und schneller wahrnehmen. Eine Farbe kann
unter dem Einfluss einer andersfarbigen Umgebung in drei Richtungen verändert
werden: in der Helligkeit, in der Farbrichtung und in der Buntheit. (vgl. [36] ZWIMPFER,
Moritz, S. 260, 268, 315)
4.1.5 Tiefenwirkung durch Farbe
Durch Farben können Raumeffekte erzeugt werden. In der Malerei setzen die
Künstler bereits seit geraumer Zeit bewusst Farben ein, um das Gemälde harmonischer
zu gestalten, beziehungsweise um Tiefe zu erzeugen. Dabei spielen Kontrasteffekte eine
große Rolle. Es gibt sowohl kontrastreiche Effekte, die erst im Auge entstehen, als auch
solche, die durch die Art und Weise entstehen, wie der Maler verschiedenen Farben
gegenüberstellt. In diesem Abschnitt sollen einige dieser Effekte im Hinblick auf die
spätere Verwendung bei der Computergrafik beschrieben werden.
Erst ab einer bestimmten Helligkeit ist die Dreidimensionalität der Farbenwelt
gegeben. Beleuchtung ist also die Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung von
Raumtiefe.
In der Farbe selbst befinden sich nach der Tiefe wirkende Kräfte, mit denen die Farbe
räumliche Wirkung erzielt. Neben dem rein farblichen Kontrast (zum Beispiel Rot-Grün)
können diese Kräfte als Komplementär, Hell-Dunkel oder Kalt-Warm (warme Farben auf
kaltem Hintergrund schaffen den Eindruck räumlicher Tiefe), als Qualitäts- (Unterschiede
in der Farbsättigung), Quantitäts- (in einer größeren einheitlichen Fläche befindet sich
ein kleines, stark unterschiedliches Detail) oder Sukzessivkontrast in Erscheinung treten
(siehe Abbildung 43).
92
4.1 PHYSIOLOGIE
Der Hell-Dunkel-Kontrast
Die Farben Schwarz und Weiß sind das stärkste Ausdrucksmittel für
Hell und Dunkel. Dazwischen liegen die Grautöne und die Farben.
Kalte Farben wirken durchsichtig und leicht. Warme Farbtöne wirken
undurchsichtig.
Grenzen unbunte Farben an bunte Farben gleicher Helligkeit verlieren
sie ihren unbunten Charakter. Soll dieser bewahrt werden, müssen sie
eine andere Helligkeit aufweisen.
Gesättigte leuchtende Farben haben unterschiedliche
Helligkeitswerte. Gelb ist sehr hell, es gibt kein dunkles leuchtendes
Gelb. Blau ist sehr dunkel, Hellblau ist charakterlos, ohne Leuchtkraft.
Rot leuchtet nur als dunkle Farbe, so hell wie Gelb hat es keine
Leuchtkraft mehr. Gibt Gelb den Hauptcharakter an, wird die
Komposition eher hell. Sind es Blau und Rot, ist die Komposition eher
dunkel. Eine Farbe mit Schwarz- oder Weißgehalt ist eine gebrochene
oder getrübte Farbe.
Der Komplementär-Kontrast
Komplementärfarben liegen sich im Farbkreis gegenüber. Sie steigern
sich gegenseitig zu höchster Leuchtkraft.
Zerlegt man sie, stellt man fest, dass immer die drei Grundfarben
(Gelb, Rot, Blau) in ihnen vorhanden sind. Sowohl Nachbild als auch
Simultaneffekt fordern die Komplementärfarbe.
Der Farbe-an-sich-Kontrast
Alle Farben können ungetrübt in ihrer stärksten Leuchtkraft
verwendet werden. Es sind mindestens drei klar voneinander
abstehende Farben notwendig. Die Wirkung wird schwächer, je
weiter man sich von den Farben 1. Ordnung entfernt.
Der Kalt-Warm-Kontrast
Rotorange und Blaugrün sind die Pole des Kaltwarmkontrasts, die
Farben dazwischen wirken entweder kalt, oder warm, je nach ihrer
Kontrastierung mit wärmeren oder kälteren Tönen. In der Landschaft
wirkt Entfernteres immer kälter. Der Kalt-Warm-Kontrast suggeriert
somit nah und fern. Die Wirkung ist am stärksten, wenn man den
Hell-Dunkel-Kontrast ausschaltet.
Der Quantitätskontrast
Hierunter versteht man die Farbmengenverhältnisse und
Größenverhältnisse von zwei oder mehr Farbflächen zueinander. Zwei
Faktoren bestimmen die Wirkungskraft, die Leuchtkraft und die
Flächengröße. Um den Lichtwert festzustellen muss man die Farben
vor neutralem, grauem Hintergrund vergleichen.
4.1 PHYSIOLOGIE
93
Der Qualitäts-Kontrast
Unter Farbqualität versteht man den Reinheits- und Sättigungsgrad
von Farben. Der Qualitäts-Kontrast ist der Gegensatz von leuchtenden
zu stumpfen, getrübten Farben. Die Farben mit der größten
Leuchtkraft sind die prismatischen Farben. Es gibt die vier folgenden
Möglichkeiten:
- Brechen mit weiß, dadurch wird der Farbcharakter kälter
- Brechen mit schwarz, dadurch geht der strahlende Charakter
verloren, die Farben wirken fahl und gelähmt
- Brechen mit grau, die Farben werden neutralisiert und blind, sie
werden heller oder dunkler, in jedem Fall aber trüber
- Beimischen der Komplementärfarbe, die Tonwerte liegen dann
zwischen den zwei Farben
Um den Qualitäts-Kontrast voll auszuschöpfen muss die jeweilige
Farbe in ihrer eigenen Trübung stehen.
Der Simultan-Kontrast
Der Simultan- oder Sukzessivkontrast ist eine Erscheinung im Auge,
die zu einer Farbe immer gleich (simultan) die Komplementärfarbe
verlangt. Diese entsteht im Auge des Betrachters.
Der Vorgang beweißt, dass die Farbharmonie die Erfüllung des
Komplementärgesetzes in sich schließt.
Will man dem Simultankontrast entgegenwirken, muss man der
Farbe etwas entgegen mischen oder durch verschiedene Helligkeiten
den Effekt unterdrückt. Um den Simultankontrast zu verstärken
ändert man die Mengenverhältnisse der Farben.
Abbildung 43: Farbkontraste nach Johannes Itten
Weiterhin kann man beobachten, dass wenn man die sechs Farben Gelb, Orange,
Rot, Violett, Blau und Grün ohne Zwischenräume auf einem schwarzen Hintergrund
aneinander setzt, das helle Gelb nach vorne zu kommen scheint und das Violett in der
Tiefe des schwarzen Grundes schwebt. Alle anderen Farben bilden Tiefenstufen
zwischen Gelb und Violett. Auf einem weißen Hintergrund hingegen scheint sich das
Violett abzustoßen während das Gelb als heller Verwandter zurückgehalten wird. An
diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht nur die Farbe an sich, sondern auch ihre
Bezugsfarbe für die Tiefenwirkung von Bedeutung ist. Beim Vergleich von kalten und
warmen Tönen treten die warmen Töne bei gleicher Helligkeit nach vorn während die
kalten Töne der Tiefe (vgl. Farbperspektive Abschnitt 3.3.3) zustreben. Eine leuchtende
Farbe tritt nach vorn im Vergleich zur gleich hellen aber stumpferen Farbe.
In den meisten Fällen verbinden sich die Farbkontraste mit einem Hell-Dunkel-Kontrast,
weil entweder die Farben dazu tendieren, wie zum Beispiel Gelb und Violett, oder vom
Maler bewusst ein Helligkeitsunterschied geschaffen wird. Befinden sich gleich helle
Farben verschiedener Farbtöne nebeneinander in einem Bild, erscheinen die Umrisse
weniger deutlich, der Unterschied zwischen Vorder- und Hintergrund wird geringer,
Distanzen verschwinden. Ein reiner Farbkontrast ist somit weniger geeignet, um
dreidimensionale Formen darzustellen. Dies kann mit der Organisation unseres
Sehapparates begründet werden. Die Sehschärfe bei reinen Farbkontrasten ist
wesentlich geringer. Farbpunkte, die unser Auge voneinander unterscheiden soll,
94
4.1 PHYSIOLOGIE
müssen drei- bis viermal weiter auseinander liegen als schwarze Punkte auf weißem
Hintergrund.
MAFFEI und FIORENTINI geben dazu in ihrem Buch „Das Bild im Kopf: von der optischen
Wahrnehmung zum Kunstwerk“ als Beispiel das Bild „Giovanni Arnolfini und seine
Frau“ von JAN VAN EYCK an. Sie bereiteten das Bild so auf, dass in einem Bild nur noch
reine Farbkontraste erhalten waren und beim zweiten Bild nur noch der reine HellDunkel-Kontrast. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass die Figur bei reinem Farbkontrast
wesentlich weniger plastisch, fast schon collagenartig wirkt. (vgl. [22] MAFFEI,
Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 126 ff)
Ein letztes Phänomen, welches nicht direkt die Ursache von Räumlichkeit ist sondern
eher eine Folge von Beleuchtung, sind die Schatten. Diese erfahren auf Grund ihrer
Beleuchtung ebenfalls eine Veränderung. Wenn ein Objekt von intensiv farbigem Licht
bestrahlt wird, dann nehmen die Schatten einen Farbton an, der der
Komplementärfarbe des Lichtes entspricht.
Der Farbton des Schattens entsteht durch einen Kontrasteffekt, der in der Malerei oft
angewandt wird, um die Tiefenwirkung zu erhöhen. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto,
FIORENTINI, Adriana, S. 132 f)
4.1.6 Zusammenfassung
Die Fähigkeit des Sehapparates zur Erzeugung der Sinnesempfindung Farbe ist die
Grundvoraussetzung des Farbensehens. Die Zapfen erzeugen durch additive Farbmischung den Farbeindruck im Gehirn. Der Farbreiz, der in das Auge fällt, kann
entweder durch additive Mischung erzeugt werden oder er entsteht durch subtraktive
Mischung im Materialbereich.
Farben erzeugen auf Grund der physikalischen und optischen Eigenschaften des Auges
gewisse Effekte bei der Farbwahrnehmung. Durch unterschiedliche Brechungswinkel
von lang- beziehungsweise kurzwelligem Licht scheint ein rotes Objekt zum Beispiel
näher zu sein als ein gleich weit entferntes blaues Objekt. Außerdem reagiert die
Netzhaut nach bestimmten Reaktionsmustern, indem sie wichtige Signale verstärkt,
unwichtige abschwächt und zu schnell eintreffende Signale durch optische Mischung
vermischt. So vergrößert das Auge beim Simultankontrast die Farbwirkung
nebeneinander gesetzter ungemischter Pigmente, so dass Objekte schneller und
deutlicher wahrgenommen werden können. Diese Mechanismen helfen bei der
möglichst raschen visuellen Orientierung im Raum.
Einige Farbzusammensetzungen folgen ebenfalls Gesetzen, die sich auf den Eigenschaften der Farben begründen. So wurde die Farben schon früh in der Malerei genutzt,
um Tiefenwirkung zu erzielen, beispielsweise durch Hell-Dunkel-Kontrast, Warm-KaltKontrast, Qualitäts- und Quantitätskontrast. Farbkontraste gehen dabei oft mit einem
Hell-Dunkel-Kontrast einher, da gleichhelle Farben verschiedener Farbtöne wenig
räumliche Distanz erzeugen. Diese Eigenschaften von Farben werden bei den Anwendungsbeispielen in Kapitel fünft zur Farbe in der Computergrafik berücksichtigt.
4.2 PSYCHOLOGIE
95
4.2 Psychologie
4.2.1 Psychologische Wirkung
Neben der physiologischen Entstehung des Farbeindrucks, die den Gesetzen der
Optik und der Funktionsweise des Sehorgans folgt, können Farben auch so genannte
unsichtbare Sinneswahrnehmungen erzeugen. Diese unsichtbaren Sinneswahrnehmungen können ganz unterschiedliche Wirkungen beim Betrachter auslösen. Zum
Beispiel können sie psychologische, symbolische, kulturelle oder traditionelle Wirkung
erzeugen, die sich aus dem jeweiligen kulturellen oder persönlichen Umfeld über einen
langen Zeitraum hinweg entwickelt haben. Im Folgenden sollen einige dieser
Wirkungen, deren geschichtliche Zusammenhänge und Abhängigkeiten erklärt werden.
Die psychologische Wirkung
Trifft im Auge Licht einer bestimmten Wellenlänge ein, so hat dieses außer der
ausgelösten Sinnesempfindung wie Rot oder Blau noch weitere komplexe, farbspezifisch
psychologische Auswirkungen. Diese psychologische Wirkung von Farbe entsteht aus
Erfahrungen, die wir so oft gemacht haben, dass sie verinnerlicht sind. Das kann
automatische, unbewusste Reaktionen und Assoziationen auslösen. Grün steht beispielsweise für Unreife, einfach aus dem Eindruck heraus, dass noch grüne Früchte unreif
sind.
Die symbolische Wirkung
Wir können uns Farben losgelöst von einem Gegenstand vorstellen und sie in eine
abstrakte Idee verwandeln (vgl. Farbvokabeln Abschnitt 3.2). Farben haben in allen
Kulturen einen gewissen Symbolwert. Auch symbolische Farbzuordnung entsteht durch
Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind jedoch nicht persönliche, sondern meist jahrhundertealte Überlieferungen. Grün als die Farbe der Hoffnung könnte also daher stammen,
dass die Hoffnung mit dem Frühling verbunden wird.
Die kulturelle Wirkung
Des Weiteren haben Farben eine kulturelle Wirkung. Unterschiedliche Lebensweisen in
unterschiedlichen Kulturen bedingen unterschiedliche Farbwirkungen. In Europa ist Grün
beispielsweise die normale Landschaftsfarbe während sie für Wüstenvölker die Farbe des
Paradieses ist.
Die traditionelle Wirkung
Die traditionelle Wirkung von Farbe verweist oft auf alte Verfahren der Farbgewinnung
und der Färberei. Grün wird deshalb unter anderem als giftig empfunden, da die grüne
Malfarbe früher Arsen enthielt. Auch waren Farben zu früheren Zeiten nicht beliebig
verfügbar. Teure Stoffe wurden mit teuren Farben gefärbt, billige Stoffe mit billigen
Farben. So waren rote und blaue Stoffe den Würdenträgern und Königen vorbehalten,
während die Kleidung einfacher Leute meist Grün eingefärbt war. (vgl. [14] HELLER, Eva,
S. 13)
Auf diese Weise haben sich für jede Farbe im Laufe der Zeit charakteristische
Wirkungen, Bedeutungen und Assoziationen herauskristallisiert. Einige davon sind in
den Tabellen unten aufgeführt (siehe Abbildung 44a und 44b).
4.2 PSYCHOLOGIE
96
bunte
Farben
Psychologische Wirkung
Rot
Blut, Feuer, Energie, Wärme, Liebe, Leidenschaft, Erotik, Sünde, Gefahr, Sozialismus,
Kommunismus, Revolution, Leben, Freude, Scham, Zorn. In der Politik für Links, in
China steht Rot für Glück und generell in unserem Kulturkreis gilt Rot als Signalfarbe
für Verbotenes, Stopp und Negatives.
Grün
Gras, Natur, Unreife, Gift, Ökologiebewegung, Hoffnung, Frieden, auf Fahnen: Islam,
Frische, als Gesichtsfarbe: Krankheit, Signalfarbe: erlaubt, vorhanden, Start, OK
Blau
Wasser, Himmel, Freiheit, Kälte, Adel, Ferne, Sehnsucht, Treue, Wissen, Philosophie,
Beständigkeit, Mäßigkeit, Israeliten: Gott, Himmel, Glauben, Offenbarung, Harmonie,
Ausgeglichenheit, Ruhe; als Signalfarbe: vorgeschrieben, Jugend
Gelb
Zitrone, Frische, Fröhlichkeit, Lebensfreude, Lebenskraft, Liberalismus, Neid, Hass,
Eifersucht; als Signalfarbe: eingeschränkt, teilweise, Zwischenzustand, Warnung
Goldgelb
Sonne, Reichtum, Macht, Freude, Ostkirchen: Himmel
Orange
Orange, Erfrischung, Fröhlichkeit, Widerstand, Buddhismus, das Exotische, Holland
Braun
Lehm, Erde, Dreck, Gemütlichkeit, Nationalsozialismus
Violett
Frauenbewegung, Mystisch, Alter,
Protestantismus;Katholiken: Buße
Trauer,
Entsagung,
Würde,
lutherischer
Abbildung 44a: Psychologische Wirkung von Farbe
unbunte
Farben
Psychologische Wirkung
Weiß
Unschuld, Reinheit, Medizin, Neutral, Katholiken/Israeliten: Heiligkeit, Asien (bes.
China): Trauer
Grau
Maus, Farblosigkeit, Neutralität, Unauffälligkeit, Depression
Schwarz
Asche, Tod, Trauer, Konservatismus, Seriosität, Macht, Bosheit, unerlaubter
Handel/Arbeiten; Anarchie, Leere, Weltraum-Kunst; Kirche: orthodox
Abbildung 44b: Psychologische Wirkung von Farbe
4.2 PSYCHOLOGIE
97
In den folgenden vier Abschnitten wird vertieft auf die Hauptfarben Rot, Gelb, Grün
und Blau eingegangen, um einige der Farbwirkungen speziell anhand der Farben zu
erläutern.
4.2.2 Die Urfarbe Rot
Die Farbe Rot (vgl. Abbildung 45) gilt, wie schon aus der Tabelle ersichtlich, als die
Farbe des Feuers oder des Blutes. Diese Begriffe können sowohl positiv als auch negativ
belegt sein.
Bei den Griechen und später auch im Christentum wurde das helle, leuchtende Rot mit
dem männlichen Prinzip verbunden, es war die Farbe der griechischen Kriegsgötter
Phoebus und Ares. In den frühen Kulturen jedoch wurde, wie heute noch in Japan, das
dunkle Rot des Blutes dem Weiblichen zugeordnet.
Abbildung 45: die Farbe Rot in MATTHIAS GRÜNEWALD’:
„Auferstehung Christi“, Teil des Isenheimer Altars (um 1515)
Rot war wahrscheinlich die erste Farbe, die der Mensch wahrnehmen konnte. Diesen
Schluss zieht man aus der Beobachtung, dass bei Hirnverletzungen, die eine
vorübergehende Blindheit auslösen, der Patient während der Genesung zuerst das Rot
wieder wahrnimmt, bevor sich die anderen Farben einstellen.
Schon in der Frühgeschichte tritt die Farbe Rot als die bedeutendste Farbe im
Zusammenhang mit Jagd, Höhlenmalerei und Bestattung auf. Es herrschte der Glaube
vor, Rot schütze vor bösen Einflüssen. So nimmt man an, dass die Jäger der Steinzeit
und später auch die germanischen Krieger ihre Waffen oder sogar sich selbst im Blut der
erlegten Tiere tauchten, wie der Held der Siegfried-Sage. Die Gladiatoren Roms tranken
das Blut ihrer sterbenden Gegner, um deren Kräfte in sich aufzunehmen. Andere Völker
badeten Neugeborene im Blut besonders schöner und kräftiger Tiere.
Selbst im Mittelalter verwendete man in Deutschland noch rotes Bettzeug, da dieses vor
den so genannten roten Krankheiten wie Fieber, Ausschlag oder bei Fehlgeburten helfen
sollte. In JAN VAN EYCKS Ölgemälde "Vermählungsbild des Giovanni Arnolfini" aus dem
Jahre 1434 ist dies abgebildet.
98
4.2 PSYCHOLOGIE
Bei den Römern war das Tragen von, mit Purpur gefärbten Gewändern, nur dem Kaiser
erlaubt und somit das Zeichen höchster Macht. Dieser hohe Stellenwert hing mit dem
äußerst schwierigen und teuren Herstellungsprozess roter Pigmente zusammen.
Jedoch war die Farbe Rot nicht immer positiv besetzt. Im Mittelalter wurde Maria zwar
noch mit roten Haaren gemalt und Engel traten in roten Gewändern auf. Ab ca. 1500
wandelte sich jedoch die überaus positive Rolle der Farbe Rot. Mit der Einführung des
Christentums wurde die Bedeutung des Rots bei den germanischen Göttern abgewertet.
Es entstand die Gestalt des Teufels mit roten Haaren und rotem Bart. Frauen mit roten
Haaren galten als Dirnen oder Hexen, und die Mohnblume wurde zur Teufelsblume. Die
Haare der Maria wurden fortan blond gemalt.
In der jüngeren Geschichte wurde Rot oft für politische Zwecke zum Beispiel bei Flaggen
eingesetzt, da sie von weitem am besten sichtbar ist. Dabei ist die Konnotation auch hier
wieder zweigeteilt. In kalten Ländern wie Russland ist Rot von jeher eine positiv besetzte
Farbe (der "rote Platz" in Moskau hieß auch "schöner Platz") während im Westen
dagegen das politische Rot negativ besetzt ist (man spricht von "roter Gefahr" oder von
den "Roten", der politischen Linken).
Heilpraktisch gesehen, nutzt man die wohltuende und wärmende Wirkung der Farbe
Rot (als Infrarotstrahlung). Allgemein wirkt sie anregend und appetitfördernd. Die bloße
Wahrnehmung der Farbe Rot erhöht den menschlichen Stoffwechsel um 13,4 Prozent.
Die Farbe kann aber auch destruktive Aggressionen und Gewaltbereitschaft auslösen.
Im Straßenverkehr signalisiert die Farbe Rot Gefahr. Rote Ampeln verbieten das
Weiterfahren. Bremslichter und Alarmknöpfe sind ebenfalls rot. Die Werbung nutzt die
Assoziationen von Rot mit erotischen Reizen. Jedoch ist die Farbe Rot aufgrund ihrer
Aufdringlichkeit in der Werbung nicht so beliebt wie die Farbe Blau. (vgl. [14] HELLER,
Eva, S. 49 ff)
4.2.3 Die Urfarbe Blau
Die Farbe Blau gilt als Farbe des Himmels oder des Wassers. Das Blau des Wassers, als
Farbe der Tiefe, verkörpert das weibliche Prinzip. Das Himmelsblau war früher mit dem
Männlichen verbunden. Es ist die Farbe aller Himmelsgötter und symbolisiert das Ferne,
das Göttliche und das Geistige (vgl. Abbildung 46).
Abbildung 46: die Farbe Blau in der "Verkündigung an Maria"
4.2 PSYCHOLOGIE
99
Noch heute gilt die Farbe Blau als Farbe der Treue, denn Treue erweist sich erst aus der
Sicht der Ferne.
Im alten Ägypten wurden dem Blau lebensspendende Eigenschaften nachgesagt. Das
tiefe Blau des Wassers wurde als Synonym des Lebens gesehen, im Blau des Himmels
das Göttliche. Somit findet sich der Ursprung für die Symbolik der Farbe Blau bereits im
alten Ägypten.
Blau erhielt sowohl in der Literatur (die blaue Blume der Romantik als Symbol des
Aufbruchs zur Erfüllung von Sehnsüchten und aber auch Symbol des Findens des
eigenen, persönlichen Glücks und Lebenssinnes), als auch in der Kunst (der blaue Reiter)
seine ganz eigene Bedeutung.
Blau versetzt in einen Zustand des Träumens, die Farbe stimmt sehnsüchtig, sie wirkt
beruhigend und führt zu einer ernsthaften Sicht der Dinge nach innen. Die Farbe Blau
gilt als Farbe des Gemüts und stimmt positiv. In der Werbung suggeriert sie Sauberkeit
und Frische. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 21 ff)
4.2.4 Die Urfarbe Grün
Grün ist die Farbe des Lebens, der Pflanzen und des Frühlings(vgl. Abbildung 47). Sie
symbolisiert Hoffnung und Unsterblichkeit. In China ist die Farbe Grün (wie Schwarz)
dem weiblichen Yin zugeordnet, dem passiven, empfangenden Prinzip. Auf der anderen
Seite steht Gelb für das männliche Yang, das aktive, schöpferische Prinzip.
Grün entsteht aus Blau und Gelb und vereint so das Geistige der Farbe Blau mit der
emotionalen Wärme der Farbe Gelb. Beides zusammen schafft Wachstum und Weisheit.
Die Farbe Grün ist auch Symbol für Unerfahrenheit.
Abbildung 47: die Farbe Grün in
Claude Monets "Das Seerosenbecken"
Obwohl Grün in Form von Chlorophyll schon seit Milliarden von Jahren auf der Erde
existiert, spielte die Farbe Grün bei den Jägern und Sammlern der Steinzeit im
Gegensatz zur Farbe Rot eine untergeordnete Rolle. Erst nach dem Untergang der
Jagdvölker und mit dem Aufkommen des Ackerbaus traten zunehmend Götter in
4.2 PSYCHOLOGIE
100
Erscheinung, welche mit der Farbe Grün in Verbindung gebracht wurden. Im alten
Ägypten war die Farbe Grün wie das Blau positiv besetzt.
Im Mittelalter und der Zeit der Minnesänger war Grün auf der einen Seite die Farbe der
Liebe, auf der anderen Seite die Farbe der bösen Schlangen und Dämonen.
Im alten China besaß der oft mit der Farbe Grün in Verbindung gebrachte Drache eine
sehr positive Bedeutung. Er symbolisierte die göttliche Macht der Umwandlung, den
Rhythmus der Natur, sowie übernatürliche Weisheit und Stärke. Das Christentum
deutete das positive Symbol des chinesischen Drachen um und kreierte ein
drachenähnliches Ungeheuer, welches grüne Hautfarbe und grüne Augen besaß.
Die Bedeutung der Farbe als Hoffnungsträger und als Symbol der Erneuerung ist jedoch
bis heute im Christentum erhalten geblieben. Während Christus auf alten Darstellungen
oft rote Gewänder trug und Maria blaue, erschien der heilige Geist oft als weiße Taube
vor einem grünen Hintergrund.
Durch Ihre Assoziation mit der Natur wirkt die Farbe Grün im Gegensatz zur anregenden
Wirkung der Farbe Rot beruhigend, harmonisierend und entspannend. Grün ist für die
Augen angenehm und hebt die Kontrastwirkung mit anderen Farben hervor. Durch die
Verwendung von Grün erfolgt eine Konzentration auf das Wesentliche.
Im Straßenverkehr signalisiert die Farbe Grün einen freien Durchgang. Die Werbung
macht sich die Assoziation von Grün mit Umweltverträglichkeit und biologischer
Herkunft zu Nutze. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 71 ff)
4.2.5 Die Grundfarbe Gelb
Die Farbe Gelb symbolisiert seit jeher das Sonnenlicht, die Erkenntnis und das
Gedeihen des Lebendigen, aber auch den Herbst und die Reife (vgl. Abbildung 48). Die
alten Griechen hatten die Vorstellung, dass der griechische Sonnengott Helios in einem
gelben Gewand auf einem von vier Feuerrossen gezogenen Wagen über den Himmel
fährt. Das strahlende, gelbe Licht der Sonne verkörperte die göttliche Intelligenz. Die
alten Ägypter, aber auch der Maler FRANZ MARC, sahen im Gelb, im Gegensatz zum
chinesischen männlichen Yang, das Weibliche, das Sanfte, Heitere und Sinnliche.
Abbildung 48: die Farbe Gelb in J.M.W. Turner:
„Licht und Farbe - Der Morgen nach der Sintflut“
4.2 PSYCHOLOGIE
101
Seit dem Mittelalter gilt Gelb auch als Farbe des Neides und als Schandfarbe von
diskriminierten Gruppen. Safrangelb galt beispielsweise ursprünglich als Farbe der Liebe,
später jedoch auch als Farbe der Wollust. Die römische Liebesgöttin Venus trug ein
gelbes Gewand. Aus diesem Grund wurde die Farbe im Mittelalter vom Christentum zur
Farbe der Dirnen umfunktioniert. Sie wurden gezwungen, zur Erkennung ein gelbes
Band, einen gelben Gürtel oder einen gelben Umhang zu tragen. Der Maler GIOTTO DI
BONDONE (1267-1337) stellte Judas im Fresko "Der Judaskuss" als Verräter in einem
gelben Mantel dar. (vgl. [30] SEILNACHT, Thomas: Gelb)
Auf das Gemüt wirkt die Farbe Gelb anregend, aufheiternd und erwärmend. In seiner
Farbenlehre schrieb GOETHE: "Sie führt in ihrer höchsten Reinheit immer die Natur des
Hellen mit sich und besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft (...) So ist es
der Erfahrung gemäß, dass das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen
Eindruck mache. Diesen wärmenden Effekt kann man am lebhaftesten bemerken, wenn
man durch ein gelbes Glas, besonders in grauen Wintertagen, eine Landschaft ansieht.
Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das Gemüt erheitert; eine unmittelbare
Wärme scheint uns anzuwehen." (vgl. [10] GOETHE, Johann Wolfgang: Zur Farbenlehre)
Gelb kann allerdings ebenso eine reizende und beunruhigende Wirkung haben.
Im Straßenverkehr hat die Farbe Gelb die beste Fernwirkung. Aus diesem Grund sind
beispielsweise das Vorfahrtsschild und die umschaltende Ampel gelb. Die Verbindung
Gelb-Schwarz gilt International als Warnfarbe.
In der Werbung werden warme Gelbfarben eingesetzt, um eine heitere und friedliche
Stimmung zu suggerieren. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 127)
4.2.6 Farbe und Form
Schon lange existiert das Verlangen, für die Farbe andere Ausdrucksmöglichkeiten zu
finden. So beschäftigte die Beziehungen zwischen Farbe und Form die Künstler und
Lehrer der Bauhaus-Universität in den 20er Jahren sehr intensiv. Die Suche nach der
richtigen Farbe als Gestaltungs- und Orientierungsmittel durchzieht die gesamte Bauhausgeschichte. Die beiden Bauhauslehrer JOHANNES ITTEN und WASSILY KANDINSKY
entwickelten mit ihren Schülern bis heute gültige Farbordnungen und Farbsysteme. Auf
deren Grundlage untersuchten sie den Zusammenhang zwischen Farbe und Form und
ordneten den Farben bestimmte Eigenschaften und Charaktere zu.
Im Zentrum der Lehre des Schweizer Malers und Kunstpädagogen JOHANNES ITTEN (1888
bis 1967) stand zunächst das Erkennen und Gestalten von Farbkontrasten und der
Farbbeziehungen untereinander. Die von ihm untersuchten und weithin bekannten
Kontrastarten beeinflussen bis heute Design, Kunst und Architektur. In seinem Buch
"Kunst der Farbe" (vgl. [15] ITTEN, Johannes) beschreibt der Künstler Ausdruck und
Wirkung der Farben und geht in seiner expressiven Farbenlehre dazu über, einzelnen
Farben bestimmte Charaktere und abstrakte, geometrische Formen zuzuordnen.
Die Farbe Rot stellt für ITTEN die körperhafte Materie dar. Sie wirkt statisch und schwer.
Er ordnet deshalb der Farbe die statische Form des Quadrates zu. Gelb zeigt sich
kämpferisch und aggressiv, besitzt einen schwerelosen Charakter und steht bei ITTEN für
den Geist und das Denken. Diesem Charakter entspricht das Dreieck. Die Farbe Blau
dagegen wirkt für ITTEN rund, erweckt ein Gefühl der Entspanntheit und Bewegung und
steht für den "in sich bewegten Geist", wie er sich ausdrückt. Der Kreis entspricht der
Farbe Blau, da er ein Symbol der "stetigen Bewegung" darstelle. (vgl. [15] ITTEN,
Johannes) ITTEN übertrug diese drei Farbcharaktere in seiner so genannten Farbtyplehre
später auf die menschlichen Charaktertypen und die damit verbundenen, wie er meinte,
erklärbaren Farbpräferenzen eines jeden Menschen.
4.2 PSYCHOLOGIE
102
Für die im Farbkreis liegenden Sekundärfarben Orange, Grün und Violett leitete ITTEN
ebenfalls entsprechende geometrische Formen ab. Zwischen dem roten Quadrat und
dem gelben Dreieck liegt folglich das orangefarbene Trapez. Im Übergang vom blauen
Kreis zum roten Quadrat entsteht eine Ellipse, in der Farbe Violett. Und zwischen
gelbem Dreieck und blauen Kreis formt sich ein sphärisches, grünes Dreieck mit
abgerundeten Ecken. Stimmen Farbe und Form in ihrem Ausdruck überein, summiert
sich nach der Meinung ITTENS ihre Wirkung (siehe Abbildung 49). (vgl. [15] ITTEN,
Johannes, S. 75ff, S. 77ff)
Abbildung 49: ITTENS expressive Farbenlehre
Auch der expressionistische Maler WASSILY KANDINSKY (1966 bis 1944) beschäftigte
sich mit der Frage, welchen Charakter bestimmte Farben haben und in welchen Formen
sie am besten wirken. Wie schon bei ITTEN bildeten die drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau
und deren Zuordnung zu den Grundformen Quadrat, Dreieck, Kreis den Ausgangspunkt
für KANDINSKYS Farbenlehre. Er verfolgte dies weiter und stellte den drei Basisfarben
dreidimensionale Körper gegenüber: Aus dem Quadrat entstand ein roter Kubus, aus
dem Dreieck eine gelbe Pyramide, und dem Kreis entspricht in seiner räumlichen
Konsequenz die blaue Kugel.
KANDINSKY belegte die Farben jedoch nicht nur mit Charakteren, er konnte sie auch
hören. So klingt die Farbe Gelb für ihn in hohen und durchdringenden Tönen, die
Gegenfarbe Blau jedoch tief und dunkel.
In seinen abstrakten, farbigen Bildern stellte er eine Verbindung zwischen Musik und
Farben her. Sie fordern den Betrachter dazu auf, Analogien in Gehörtem zu finden. Der
Maler wählte für seine Werke Titel wie "Konzert" und "Fuge" oder nannte seine Serien
"Komposition und Improvisation". Man geht davon aus, dass viele dieser Bilder die
Farbempfindungen KANDINSKYS beim Hören von Musikstücken widerspiegeln.
Die gegenseitige Unterstützung von Form- und Farbgebung entsprang dem Wunsch,
gültige Gestaltungsprinzipien zu finden, die in Kunst und Design universell anwendbar
waren und wirkungsvolle Kommunikationsmittel darstellten. Im Bauhausunterricht
fanden die Theorien über den Zusammenhang von Farbe und Form zahlreiche
Umsetzungen in Grafikdesign und Innenarchitektur, zum Beispiel in der Anwendung
grafischer Orientierungssysteme, im Plakatentwurf, der Wandgestaltung und im Möbeldesign. (vgl. [28] RÜDEN, Egon, S. 27 ff)
4.2.7 Zusammenfassung
Mit jeder Farbe sind neben den physiologischen Sinnesempfindungen auch
unsichtbare Sinneswahrnehmungen verknüpft. Diese können ganz unterschiedliche
Wirkung beim Betrachter auslösen. Zum Beispiel können sie psychologische,
symbolische, kulturelle oder traditionelle Wirkung erzeugen, die sich aus dem jeweiligen
kulturellen oder persönlichen Umfeld über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt
haben.
Jede Farbe erzeugt darüber hinaus ganz bestimmte Assoziationen und Gefühle, die sich
auch durch eine jeweilige unterschiedliche Entwicklungsumgebung widersprechen
können. So steht Rot beispielsweise für Wärme und Liebe, aber ebenso für das Negative
4.2 PSYCHOLOGIE
103
und die Sünde. Auch gilt in europäischen Breitengraden die Farbe Schwarz als die Farbe
der Trauer, während in Asien die Farbe Weiß Trauer ausdrückt.
Farben können auch mit Formen synchronisiert werden, denn auch Formen haben
sinnlich-sittliche Werte. Dabei unterstützen sich Farben und Formen und deren
Wirkungen wird summieren sich. ITTEN geht bei dieser Theorie, der so genannten
expressiven Farbenlehre, von zweidimensionalen Formen aus. Die Frage ist, ob sich
dieses Prinzip auf die 3D-Objekte der Computergrafik übertragen lassen.
4.3 Zusammenfassung Wahrnehmung
Um Farbe wahrnehmen zu können müssen im Sehapparat die anatomischen
Grundvoraussetzungen gegeben werden, die im Gehirn den Eindruck von Farbe
erzeugen. Diese Aufgabe erfüllen die Zapfen im Auge, die durch additive Farbmischung
die Sinnesempfindung Farbe und somit den Farbeindruck im Gehirn erzeugen, indem sie
den Farbreiz, der ins Auge fällt, verarbeiten.
Darüber hinaus hat die Farbe an sich ihre spezifischen physikalischen und optischen
Eigenschaften, durch die bestimmte Effekte bei der Farbwahrnehmung im Auge erzeugt
werden. Ein Beispiel dazu sind die unterschiedlichen Brechungswinkel von langbeziehungsweise kurzwelligem Licht, die im Auge Entfernung simulieren können.
Ebenso sind in der Netzhaut bereits bestimmte Reaktionsmuster vorprogrammiert. Sie
verstärken beispielsweise wichtige Signale oder schwächen unwichtige ab. So vergrößert
das Auge beispielsweise beim Simultankontrast die Farbwirkung nebeneinander
gesetzter ungemischter Pigmente derart, dass Objekte schneller und deutlicher
wahrgenommen werden können.
Eine Eigenschaft, die sich ebenfalls aus der Charakteristik der Farbe an sich ergibt, ist die
Möglichkeit der Erzeugung von Tiefenwirkung und Kontrasten durch Farbe. So können
mit Farbe Hell-Dunkel-Kontrast, Warm-Kalt-Kontrast, Qualitäts- und Quantitätskontrast
hervorgerufen werden.
Mit jeder Farbe sind allerdings nicht nur optische Sinneswahrnehmungen verbunden
sondern auch die so genannten unsichtbaren Sinneswahrnehmungen, die beim
Betrachter Wirkungen verschiedenster Art erzeugen können. Diese Wirkungen können
zum Beispiel psychologischer, symbolischer, kultureller und traditioneller Art sein. Sie
haben sich zumeist in einem langwierigen kulturellen oder persönlichen Lern- und
Erfahrungsprozess entwickelt.
Ein kurzer Abschnitt des Kapitels über die psychologischen Wahrnehmung der Farbe
widmete sich einer Idee Johannes ITTENS, der versuchte, Farben mit Formen zu
synchronisieren, denn seiner Meinung nach haben auch Formen sinnlich-sittliche Werte.
Dabei unterstützen sich Farben und Formen in ihren Wirkungen. ITTEN nennt diese
Theorie die expressive Farbenlehre.
Die in Kapitel vier gewonnenen Erkenntnisse werden nun unter anderem mit dem in
Abschnitt 3.6.1 eingeführten Ordnungsmodell anhand von Anwendungsbeispielen auf
das Interaktive Bild der Computergrafik angewandt.
104
5 ANWENDUNG der ERKENNTNISSE
105
5 Anwendung der Erkenntnisse
5.1 Farbe und Form
In Abschnitt 4.1 wurde festgehalten, dass die Wahrnehmung von Farbe ein von der
Wahrnehmung der Form getrennter Prozess ist.
Jedoch kann man den Versuch unternehmen, die physiologischen und psychologischen
Erkenntnisse zur Farbwahrnehmung aus den Abschnitten 4.1 und 4.2 auf die Objekte
einer 3D Welt der Computergrafik anzuwenden.
Hier soll nun ein kleines Anwendungsbeispiel konstruiert werden, indem die von der
expressiven Farbenlehre ITTENS ausgehenden psychologischen und physiologischen
Gesetzmäßigkeiten auf eine 3D-Szene übertragen werden (siehe Abbildung 50).
Fläche
Objekt
Szene
Abbildung 50: Anwendung für 3D-Szene
Man kann anhand von ITTENS expressiver Farbenlehre ein Objekt an sich und ein Objekt
in einer Szene betrachten und unter der Berücksichtigung der unter Abschnitt 4.1
festgehalten physiologischen Gesetzmäßigkeiten den Szenenaufbau gestalten.
Die Farbe des Objekts wählt man entsprechend seiner Form, indem, angelehnt an ITTENS
rotes Quadrat seiner expressiver Farbenlehre, ein Quader mit der Farbe Rot eingefärbt
wird (vgl. Abschnitt 4.2.6: KANDINSKY stellte den drei Basisfarben dreidimensionale
Körper gegenüber). Die Seitenwände des Quaders, sowie bei jedem folgenden Objekt,
können aus einem Farbverlauf von Rot zu einem weniger farbgesättigten Rot bestehen
und somit durch Qualitätskontrast Raumtiefe erzeugen. Im Beispiel wurde das Rot mit
Schwarz gebrochen. Somit geht der strahlende Charakter des Rot verloren.
106
5.1 FARBE und FORM
Innerhalb einer Szene kann man nach hinten versetzt eine blaue Kugel (selbes Prinzip
nach ITTEN) anordnen, die im Vergleich zum roten Quader durch seine dunklere Farbe
(Hell-Dunkel-Kontrast sowie Kalt-Warm-Kontrast) noch zusätzlich in den Raum
zurücktritt.
Durch eine gelbe Pyramide neben der blauen Kugel kann der Komplementärkontrast
verdeutlicht werden. Die Pyramide strebt, von der blauen Kugel aus betrachtet und
abhängig von einem hellen oder dunklen Hintergrund, jeweils dem Hintergrund oder
dem Betrachter zu. Ein orangefarbenes Trapez neben der gelben Pyramide platziert,
zeigt wiederum, dass reine Farbkontraste ohne große Helligkeitsunterschiede in einer
Szene ebenso wenig zu Tiefenwirkung führen, wie auf einem zweidimensionalen
Ausdruck.
Dieses schematische Beispiel kann auf komplexe Figuren eines interaktiven Bild
übertragen werden und durch die Hinzunahme weiterer malerischer Elemente wie
beispielsweise farbige Schatten die realistische Wirkung eines interaktiven Bildes
verbessern.
5.2 Farbe und Bewegung
Für das interaktive Bild der Computergrafik stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten es
gibt, die Bewegung eines Objekts innerhalb einer Szene mit Hilfe von Farbe zu unterstützen.
Der Wahrnehmungsprozess von Bewegungen und Formen im Gehirn ist von der Farbwahrnehmung losgelöst. Hierzu muss kurz auf die neuronalen Mechanismen eingegangen werden, die der Wahrnehmung von Bewegung zugrunde liegen. Bewegung ist
eine Primäreigenschaft von Wahrnehmung, die sich nicht auf elementare Empfindungen
zurückführen lässt.
Physikalisch gesehen, steht Bewegung in Beziehung zu Raum und Zeit. Die Wahrnehmung einer Bewegung kann jedoch nicht auf die Wahrnehmung von Raum und Zeit
reduziert werden. In unserem Nervensystem, in der Sehrinde und im Gehirnbereich gibt
es Elemente, die auf die Bewegungswahrnehmung spezialisiert sind. Schädigungen
dieser Bereiche führen zu Störungen der Bewegungswahrnehmung, während Form- und
Farbwahrnehmung unbeeinflusst bleiben. Bewegungen können auch direkt zur
Wahrnehmung von Formen führen, die man sonst gar nicht entdeckt hätte. So tarnen
sich manche Tiere so perfekt, dass sie von ihrer Umgebung kaum zu unterscheiden sind.
Eine winzige Bewegung ihrerseits genügt jedoch, um sie zu erkennen. (vgl. [22] MAFFEI,
Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 205) Farbe ist also von der Wahrnehmung aus
betrachtet nicht zwingend notwendig, um ein bewegtes Objekt von seinem Untergrund
abzuheben.
Beobachtet man den Umgang mit Bewegung in der Malerei, kann man feststellen, dass
sich in Gemälden zur Bewegungsdarstellung unterschiedlicher Methoden bedient
werden zum Beispiel dem Einsatz von Blickrichtung und Andeutung von Bewegung
durch Linien (ähnlich wie im Comic durch Striche).
GROH bringt zu diesem Thema in seinem Aufsatz zur Farbperspektive im Kontext von
Navigation durch virtuelle Welten (vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.) den
küpperschen Farbkreis mit dem System der syntaktischen Felder zusammen (siehe
Abbildung 51).
5.2 FARBE und BEWEGUNG
107
Abbildung 51: syntaktische Felder
Dabei lässt sich seiner Meinung nach auf das syntaktische Feld der Bewegung die
Farbperspektive der Renaissance anwenden. Die Farbe kann dabei Bewegung im Bild
durch einen Farbverlauf unterstützen und in diesem Fall die Handlung des Nutzers in
Richtung eines bestimmten Ziels beeinflussen. (vgl. Abbildung 52). (vgl. [11] GROH,
Rainer; FRANKE, Ingmar S., S. )
Abbildung 52: Interaktionsfördernde Farbgebung (Detail)
Bewegt sich ein Nutzer also mit Hilfe einer virtuellen Kamera durch eine interaktive
Szene, kann die Richtung seiner Bewegung durch einen entsprechend gewählten
Farbverlauf beeinflusst werden.
Bewegt sich jedoch das Objekt in der Szene, ist nicht unbedingt die Unterstützung der
Bewegungswahrnehmung durch Farbe nötig. Vielmehr kann das Objekt durch eine
unauffällige Farbwahl getarnt werden und erst zum gewünschten Zeitpunkt durch
Bewegung hervorgehoben werden.
108
5.3 BETRACHTUNGSZEIT
5.3 Betrachtungszeit und Länge einer Einstellung
Ein anderer Ansatz, der sich während der Beschäftigung mit dem Thema Farbe in
Geschichte und Psychologie aufgezeigt hat, ist der mögliche Einfluss der Zeit, die
vorhanden ist, um ein Bild zu betrachten.
Wie in Abschnitt 3.6.1 bereits festgehalten wurde, unterscheidet sich die Länge der
Betrachtungszeit für ein Bild statischer Medien, wie Gemälde beziehungsweise Foto,
und einem Bild dynamischer Medien, wie Film und Interaktives Bild. Dies hat
Auswirkungen auf die Erinnerbarkeit von Farben. Bei der Betrachtung einer Fotografie
ist genügend Zeit vorhanden, um sich beispielsweise die Farbe eines roten Mantels zu
merken. Während man in einer Filmszene vielleicht noch weiß, dass eine Person im
Mantel die Szene durchlaufen hat, die Farbe aber nicht mehr genau zuordnen kann, da
andere Elemente der Szene wie Bewegung oder Sprache im Vordergrund standen.
Dieser Effekt wird unterstützt durch schnelle Schnitte in eine andere Szene. Es stellen
sich nun dieselben Fragen, die sich bereits durch alle Epochen der Malerei gezogen
haben: Inwieweit ist Farbe von Bedeutung? Welche Farbe würde sich in einer bewegten
Szene gut einprägen, welche Auswirkungen hat diese auf den Wahrnehmungsapparat
und wie muss sie eingesetzt werden, um eine Überreizung zu vermeiden?
Vorschläge
In kurzen Einstellungen kann man sich beispielsweise den Quantitätskontrast zu Nutze
machen, um den Schwerpunkt einer Szene schnell und eindeutig hervorzuheben. Wird
der Mantel in der Signalfarbe Rot gehalten, würde er in der Szene schneller erfasst
werden, wenn die sonstige Szene in einer weniger leuchtenden Farbe zum Beispiel Grün
gehalten ist. Stellt man dazu noch die Person im Mantel im Vergleich zur restlichen
Szene flächenmäßig relativ klein dar, fällt die Aufmerksamkeit schnell auf diesen einen
Punkt im Bild. Daraus kann man schlussfolgern, dass Farbe in kurzen Einstellungen also
bei geringer Betrachtungszeit als bedeutend eingestuft werden kann.
Lange Filmszenen ohne Schnitt haben bereits durch ihre Länge die Eigenschaft, eine
gewisse Stimmung zum Beispiel Harmonie beim Betrachter zu erzeugen. Die
Aufmerksamkeit, die bei kurzen Einstellungen nur auf bestimmte Punkte gerichtet
werden kann, verteilt sich hier auf das gesamte Bild. Dieses Erzeugen von Stimmungen
kann durch Farbeinsatz zum Beispiel einem Rot-Grün-Kontrast verstärkt werden, nimmt
jedoch keinen entscheidenden Einfluss. Durch die längere Einstellung besteht die
Möglichkeit, sich Farbe besser merken zu können, jedoch scheint sie dabei nicht so sehr
von Bedeutung zu sein, wie bei kurzen Szenen.
Diese Betrachtung kann mit dem Fakt untermauert werden, dass es in frühen SchwarzWeiß-Filmen üblich war, längere Einstellungen zu verwenden und weniger hektische
Schnitte zu vollziehen, als in heutigen Filmproduktionen. Durch die fehlende Farbe zu
Beginn der Filmkunst wurden andere Kanäle genutzt, um die Botschaft einer Szene zu
übertragen, zum Beispiel über Licht und Schatten, wie auch Mimik und Gestik der
Darsteller. Daraus kann man schlussfolgern, dass sich in Schwarz-Weiß-Filmen oder in
Filmen mit sparsamen Farbeinsatz die Stimmung eher über den ganzen Film hin entsteht
und erstreckt, während bei starkem Einsatz von Farben in Verbindung mit schnellen
Schnitten in jeder Szene die Möglichkeit besteht, eine unterschiedliche Stimmungen zu
erzeugen.
Bezieht man diese Betrachtung auf das interaktive Bild, kann ein Großteil der
Erkenntnisse übertragen werden, da es sowohl interaktive, statische als auch interaktive,
dynamische Bilder gibt. Deren Elemente können genauso behandelt werden, wie die
Elemente eines Films oder einer Fotografie (zum Beispiel der rote Mantel). Durch die
Interaktivität kommt hinzu, dass sich statische und dynamisch ablaufende Bilder in einer
Szene abwechseln können (wenn der Nutzer beispielsweise in den Verlauf der Szene
5.4 FARBE oder SCHWARZ-WEISS
109
eingreift und diese anhält) und Farbe nicht nur die Bedeutung der Elemente einer Szene
beeinflussen kann, sondern auch unterstützend auf die Navigation einwirken kann.
(vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.)
5.4 Farbe oder Schwarz-Weiß
Das letzte Beispiel befasst sich mit Farbe und deren Bedeutung im Bild neben anderen
bildgestalterischen Elementen.
Gemälde sind immer farbig, jedoch kann man sie in verschiedene Kategorien
unterteilen. Es gibt Gemälde deren Wirkung völlig auf der Farbe beruht. Ohne Farbe
verlöre das Bild völlig seine Ausdrucksfähigkeit. Auf der anderen Seite gibt es Gemälde,
die durch den Verlust der Farbe nichts von ihrer Aussage einbüßen würden. Woran liegt
das?
Zur Erläuterung dieser Frage kann die Fotografie zu Hilfe geholt werden. Stellt man
Buntfotografie und Schwarz-Weiß-Fotografie gegenüber, kann man Ähnliches feststellen: in Bilder, die eher flächig angelegt sind, ist die Farbe essenziell zum
Transportieren einer Aussage. Im Beispiel sieht man, dass das Foto zum großen Teil seine
Wirkung verliert, wenn die Farbe herausgenommen wird (vgl. Abbildung 53 und 54).
Dieses Phänomen erinnert an die Bedeutungsperspektive des Mittelalters. Farbe war dort
für die Unterstützung der flächigen Wirkung von großer Bedeutung.
Abbildung 53: Farbe in der Fläche
Abbildung 54: S/W in der Fläche
Enthält eine Fotografie oder ein Gemälde jedoch Bildelemente wie Perspektive, Fluchtpunkte oder Licht und Schatten, beziehungsweise Hell-Dunkel-Kontraste, verliert die
Farbe als Übermittler einer Aussage ihre Bedeutung. Am Beispielbild sieht man, dass die
Fotografie in seiner Gesamtheit auch ohne die Farbe zu wirken scheint. Lediglich
einzelne Bildelemente wie zum Beispiel die rote Markise links im Bild verlieren ihre
Anziehungskraft im Schwarz-Weiß-Bild. Sie tritt hinter der Wirkung des Gesamtbildes
zurück, wobei sie in Farbe eher die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte (vgl.
Abbildung 55 und 56).
110
5.4 FARBE oder SCHWARZ-WEISS
Geschichtlich betrachtet lassen sich Parallelen zur Malerei der Renaissance ziehen. Dort
wurde die Bedeutung der Farbe oft anderen Bildelementen untergeordnet zum Beispiel
Hell-Dunkel oder Perspektivdarstellungen.
Abbildung 55: Farbe in der Perspektive
Abbildung 56: S/W in der Perspektive
Im interaktiven Bild der Computergrafik kann nun beachtet werden, dass Farbe in
flächigen Bildern einer Szene eher eine Chance hat, ihre farbspezifischen Wirkungen zur
Geltung zu bringen, als in perspektivisch angelegten Bildern.
6 EIN TAFELWERK
111
6 Praktischer Teil: Ein Tafelwerk
Am Lehrstuhl Mediengestaltung entsteht ein „Tafelwerk für die Bildsprache“. Dazu werden
Bilder auf typische Konstanten und Bedingungen untersucht. Es besteht unter anderem
die Möglichkeit, Bilder verschiedener Epochen wie der Renaissance und des Mittelalters
auf bildgestalterische Elemente wie zum Beispiel Perspektiven zu untersucht und diese
im Tafelwerk zu formalisieren.
Diese Arbeit wendet sich im Bezug darauf konkret dem gestalterischen Aspekt Farbe im
Bild zu. Die Erkenntnisse werden im Tafelwerk auf 35 Seiten zusammengefasst und
stellen damit den Bereich des bildgestalterischen Elements „Farbe im Bild“ (siehe
Abbildung 57).
Farbe
1 Einleitung
2 Geschichte der Farbe
Antike
Mittelalter
Renaissance
Naturwissenschaft
Neuzeit
Ein Ordnungsmodell
Zusammenfassung
3 Wahrnehmung von Farbe
Physiologie
Psychologie
Zusammenfassung
4 Anwendung der Erkenntnisse
Farbe und Form
Farbe und Bewegung
Farbe oder Schwarz-Weiß
Betrachtungszeit
5 Zusammenfassung
Autor: Johanna Barheine
Abbildung 57: Farbe im „Tafelwerk für die Bildsprache“
112
7 ZUSAMMENFASSUNG
113
7 Zusammenfassung
Ziel dieser Arbeit sollte es sein, das Gestaltungselement Farbe als Konstante oder
Formel in Form einer schematischen Darstellung aus Bildern und Gemälden vergangener
Epochen für das interaktive Bild der Computergrafik zu entwickeln.
Eine Aufgabenstellung dieses Themengebiets ist sehr umfangreich. Wie sich allein das
Thema Farbe in den abendländischen Kulturen vom Beginn der Antike ausprägte und bis
in die heutige Zeit entwickelte, ist in unzähligen Literaturquellen und in unterschiedlichsten Auslegungen belegt.
Des Weiteren hat praktisch jeder in irgendeiner Weise einen persönlichen Bezug zu
Farbe und bei kaum einem bildgestalterischen Element bestimmt der Geschmack des
Künstlers oder Betrachters derart die Bewertung eines Bildes.
Diese Aspekte machten im Verlauf der Arbeit relativ schnell deutlich, dass sich die
Anwendung von Farbe in der Malerei nur schwer in einer konkreten Formel im
herkömmlichen Sinne ausdrücken lässt, die dann direkt auf das interaktive Bild
angewendet werden kann.
Dennoch lassen sich für jede geschichtliche Epoche bestimmte Merkmale für Farben
herauskristallisieren. Dieser Aufgabe widmet sich der Großteil dieser Arbeit. Farbe wird
dabei detailliert in der Kunst der Antike, des Mittelalters, der Renaissance und unter dem
Einfluss der Naturwissenschaft betrachtet. Ein kurzer Abstecher in die Farbgeschichte der
chinesischen Malerei ermöglicht einen Einblick in den Umgang mit Farbe in einem
anderen Kulturkreis. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, aus der Vielzahl an Quellen
und Meinungen eine allgemeingütige Aussage über die Bedeutung der Farbe in der
jeweilige Epoche zu spezifizieren.
Fazit
Allgemein lässt sich für die Farbe ein Konflikt herauskristallisieren, der sich über alle
Epochen erstreckte: der Konflikt über ihre Wichtigkeit und Bedeutung gegenüber HellDunkel-Gestaltung und anderen strukturgebenden Bildelementen. In jeder Epoche gab
es Maler, die ihre Bilder alleine mit Hell-Dunkel gestalteten. Andere hingegen schufen
Räume nur mit Hilfe von Farben.
Aus der Antike sind sehr verschwommene und widersprüchliche Vorstellungen zum
Thema Farbe überliefert. Auf der einen Seite galt Farbe als etwas rein Dekoratives und
damit Nebensächliches während sie auf der anderen Seite dem Abbild Leben und
Wahrhaftigkeit verleihen sollte. Farbe wurde im Allgemeinen als eine Art Vermittler oder
Weichzeichner zwischen der Linienzeichnung auf der Bildebene und dem Auge des
Betrachters angesehen. Es herrschten wenig gesättigte Farben, fade, fast farblose Töne
vor. Selten wurden reine, oft jedoch freundliche, helle Farben eingesetzt.
Im Mittelalter wurde das reale Licht als Grundvoraussetzung des Erscheinens von
Farbe bei der Betrachtung miteinbezogen. Die mittelalterlichen Bilder wirken durch die
Bedeutungsperspektive flächig. Farben wurde im Allgemeinen eher nebeneinander und
nicht übereinander gesetzt. Sie wurde zur fantasievollen Verzierung stilisiert und hatte
mit der eigentlichen Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. Es bildeten sich
Vorstellungsfarben, die jedoch direkt aus der Erfahrungswelt des Menschen zum Beispiel
114
7 ZUSAMMENFASSUNG
aus Naturbeobachtungen abgeleitet und in einer Art Farbvokabular zusammengefasst
wurden.
Die flächige Wirkung der Farbe wurde durch entsprechende Farbigkeiten unterstützt. Es
wurden häufig reine, gesättigte Farben in dunklen Tönen und von geringer Helligkeit
verwendet.
Die Kunst der Renaissance beinhaltete mit der Wiederentdeckung der Form und der
Verehrung des Körperlichen das Ideal der Antike in sich. Nach der Flächigkeit des
Mittelalters stand wieder das Streben nach Natürlichkeit im Mittelpunkt. Licht und
Schatten wurden zum Medium der Raumkonstruktion. Es wurden zartere Farbtöne und
gemischte Farben, später eher dunkle Farben eingesetzt. Erstmals wurde Perspektive
gestaltet und durch Farbe in der so genannten Farbperspektive unterstützt.
Ab dem 17. Jahrhundert wurden naturwissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet
der Farbe betrieben. Dabei untersuchten wissenschaftliche Größen wie NEWTON und
GOETHE die Farbe im allgemeinen sowie physikalischen Kontext. Es stellte sich heraus,
dass die geeigneteste Darstellungsform von Farbe ein 3D-Modellen ist (zum Beispiel
RUNGES Farbkugel).
Der anschließende Abstecher in die chinesische Malerei soll aufzeigen, inwieweit ein
anderer Kulturkreis Farbe im Vergleich zur abendländischen Kultur behandelt und ob
dies auf unseren Kulturkreis Einfluss nimmt. Die chinesische Malerei vertritt eine andere
Einstellung zur Bedeutung von Malerei und Farbe. Malerei ist ein poetischer Prozess, die
bloße Abbildung wird abgelehnt. Die Farbe ordnet sich diesen geistigen und traditionellen Vorstellungen unter.
Der letzte große Abschnitt des dritten Kapitel wendet sich von der Malerei ab und
berücksichtigt eine völlig neue Entwicklung auf dem Gebiet der Kunst: der Einfluss von
Technologie. Eine Entwicklungsspanne, für die vorher Jahrhunderte nötig waren,
ereignete sich auf diesem Gebiet innerhalb von Jahrzehnten.
Mit der Erfindung der Fotografie hielten technische Geräte Einzug in die Kunst. Diese
Entwicklung setzte sich vom Fotoapparat über die Kamera fort bis zum Rechner als
Hilfsmittel zum Erstellen digitaler Bilder.
Nicht nur die Bilder an sich, sondern auch die Farbe darin bekam bei allen drei
Bildgattungen einen völlig neuen, technischen Charakter. Bilder wurden beliebig
reproduzierbar.
In Fotografie und Film existieren Gesetzmäßigkeiten wie die additive und subtraktive
Farbmischung, um Farbe zu manipulieren und auf das Foto- beziehungsweise
Filmmaterial zu bringen. Durch den Einsatz von Fotoapparat und Kamera, die beim
Auftragen der Farbe auf das Material assistieren, entwickelt sich ein gewisser Abstand
zum Bild und zur Farbe, den es in der Malerei so nicht gibt. Beim interaktiven Bild
verstärkt sich dieser Eindruck noch durch den Bildschirm, der sich wie eine Filterschicht
zwischen Betrachter und Werk befindet.
Interaktive Bilder haben einige Eigenschaften, die sie von Gemälden, sowie
Fotografien und Filmen abgrenzen. Zunächst sind sie wie Fotografie und Filmbilder
technische Bilder, da sie mit Hilfe eines Apparates erzeugt wurden. Jedoch werden sie
auch als künstliche, synthetische Bilder bezeichnet, da sie aus Pixeln bestehen und auf
einer numerischen Grundlage (Binärcode) beruhen. Sie sind immaterieller, temporärer
Natur, da sie nicht haptisch greifbar sind. Dadurch ist ein Wechsel vom statischen zum
dynamischen Computerbild schnell möglich. Bilder können am Monitor wechselnd und
ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zahl dargestellt werden. Des Weiteren verfügen
sie über eine geschlossen Bildstruktur und können zusätzlich zu punktuellen Veränderung wie im Gemälde auch über das gesamte Bild hinweg in einem Arbeitsschritt
verändert werden.
7 ZUSAMMENFASSUNG
115
Die Betrachtungen über die unterschiedlichen Arten von Bildern lassen sich nahezu
vollständig auf die Farbe in diesen Bild übertragen. Farben in Gemälden sind Pigmente
materieller Natur, wohingegen Farbe im interaktiven Bild ebenso als immateriell und
digital bezeichnet werden kann, wie das digitale Bild selbst. Digitale Farben haben
numerische Bezeichnungen und werden entweder mit CMYK- oder RGB-Werten
ausgedrückt. Über diese Werte lassen sich im Gegensatz zu Pigmentfarbnamen exakte
Farbtöne bestimmen und bei der Erzeugung präzise steuern.
Ein Problem der digitalen Farbe ist die unterschiedliche Darstellung, zum Beispiel auf
dem Monitor oder im Druck. Die Farbwissenschaft widmet sich diesem Problem, indem
sie versucht, den Vorgang des menschlichen Sehens durch mathematische Modelle
beschreibbar zu machen. Ein Standardsystem ist beispielsweise das CIE-Farbsystem.
Die Ergebnisse aus den einzelnen Betrachtungen zu Malerei, Fotografie, Film und
interaktivem Bild wurden schließlich am Ende des dritten Kapitels in einem Ordnungsmodell zusammengefasst. In diesem Modell lassen sich als Quintessenz aus dem
gesamten Kapitel die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Entwicklungsschritte auf der Technikskala zum interaktiven Bild verfolgen.
Um Farbe jedoch umfassend einordnen zu können, reicht eine Betrachtung aus dem
Blickwinkel der Erzeugung nicht aus. Farbe muss ebenso vom Standpunkt des
Betrachters aus beleuchtet werden. Damit beschäftigte sich das vierte Kapitel. Darin
wird zunächst auf die anatomischen Grundvoraussetzungen zur Farbwahrnehmung im
Auge eingegangen. Anschließend werden die spezifischen physikalischen und optischen
Eigenschaften der Farbe und des Gehirn erläutert, durch die bestimmte Effekte bei der
Farbwahrnehmung im Auge erzeugt werden. Im Anschluss daran beschreibt ein
Abschnitt die Möglichkeit der Erzeugung von Tiefenwirkung und Kontrasten durch
Farbe im Hinblick auf das interaktive Bild.
Der letzte Punkt dieses Kapitels beschäftigt sich mit den so genannten unsichtbaren
Sinneswahrnehmungen, die beim Betrachter Wirkungen verschiedenster Art erzeugen
können zum Beispiel psychologische, symbolische, kulturelle und traditionelle
Wirkungen. Diese Wirkungen haben sich oft in einem langwierigen kulturellen oder
persönlichen Lern- und Erfahrungsprozess entwickelt und sollten bei der Verwendung
von Farben berücksichtigt werden.
Im Laufe der Untersuchungen ergaben sich Ansätze und Ideen, sowohl im
geschichtlichen Teil der Arbeit als auch im Kapitel über die Wahrnehmung der Farbe, die
im Hinblick auf die Computergrafik vertieft betrachtet werden. Dies geschieht in Kapitel
fünf. Dort werden für das interaktive Bild vier Anwendungsbeispiele entwickelt.
116
7 ZUSAMMENFASSUNG
Ausblick
Das Phänomen Farbe ist in der Kunstgeschichte bereits in vielfältiger Art und Weise
untersucht und analysiert worden. Die Forschung auf dem Gebiet der Farbe im digitalen
Bild beziehungsweise am Bildschirm befindet sich jedoch noch in der Entwicklung und
ist vergleichsweise wenig vorangeschritten. Es gibt zwar bereits standardisierte
Farbmodelle wie den CIE-Farbraum, die die Farbe allgemeingültig definieren. Auch sind
Möglichkeiten zur Umrechung eines Farbraums in einen anderen entwickelt worden
(zum Beispiel vom RGB-Raum in den CMYK-Raum für den Druck).
Farben auf dem Monitor wirken in der Regel jedoch nicht realistisch und kennzeichnen
damit unverkennbar ein Computerbild. Die Farbwissenschaft widmet sich aus diesem
Grund der Suche nach einem mathematischen Modell, um Farbe auf dem Monitor oder
im Druck genauso realistisch nachzubilden, wie beim direkten Betrachten in der Realität.
Auch auf dem Gebiet der physiologischen und psychologischen Wahrnehmung gibt
es eine Vielzahl von Untersuchungen und wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit
Farbwahrnehmung beschäftigen. Das Interesse an der Farbe kann man bis in die Antike
zurückverfolgen. Mit der Zeit haben sich einige Lehren und Ansichten zur
Farbwahrnehmung zum Beispiel die Küppersche Farbenlehre als Standard herauskristallisiert. Allerdings kommt es auch auf den Gebieten der Psychologie und
Physiologie heute noch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese müssen mit
den bereits Vorhandenen konfrontiert und verglichen werden.
117
118
ANHANG
119
Anhang
LITERATURVERZEICHNIS
[1] BECKETT, Wendy: Die Geschichte der
Malerei: 8 Jahrhunderte abendländischer Kunst
in 425 Meisterwerken, DuMont Buchverlag,
Köln, 1995
[2] COE, Brian: Farbphotographie und ihre
Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica GmbH
& Co. KG, München, 1979
[2] COURTOIS, Michel: Weltgeschichte der
Malerei – Die Chinesische Malerei, Editions
Rencontre, Lausanne, 1966
[3] DITTMANN, Lorenz: Farbgestaltung und
Farbtheorie in der abendländischen Malerei,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt,
1987
[5] ENGELBERT, Arthur: Farben und Wahrnehmung, Fachhochschule Potsdam, 2005
[6] FLAMAND, Elie-Charles: Weltgeschichte der
Malerei - Die Malerei der Renaissance I, Editions
Rencontre, Lausanne, 1966
[7] GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von
der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann
Verlag, Leipzig, Berlin, 2001
[8] GERICKE, Lothar; SCHÖNE, Klaus: Das
Phänomen der Farbe - Zur Geschichte und
Theorie ihrer Anwendung, Henschelverlag,
Berlin, 1970
[9] GOETHE, Johann Wolfgang: Die Schriften zur
Naturwissenschaft, Bd.6, Weimar ,1957
[10]
GOETHE,
Johann
Wolfgang:
Zur
Farbenlehre, Bd. 1-2, Cotta Verlag, Tübingen,
1810 (Neuauflage: Insel Verlag, Frankfurt, 1994)
[11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.:
Farbperspektive im Kontext von Navigation
durch
virtuelle
Welten-Artikel
zu
den
theoretischen
Grundlagen
der
Interfacegestaltung, Technische Universität Dresden,
Fakultät Informatik, 2005 (<http://www.inf.tudresden.de/mg/> )
[12] GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und
Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden,
Fakultät für Informatik, 2005 http://www.inf.tudresden.de/mg/ (14.02.2006)
[13] GUMINSKI, Karin: Kunst am ComputerÄsthetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002
[14] HELLER, Eva: Wie Farben wirken:
Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei
Hamburg, 1990
[15] ITTEN, Johannes: Kunst der Farbe, gekürzte
Studienausgabe, Urania Verlag, Stuttgart, 1970
[16] KATZ, David: Der Aufbau der Farbwelt,
zweite Auflage, Leipzig 1930
[17] KAUFHOLD, Enno: Bilder des Übergangs zur Mediengeschichte von Fotografie und
Malerei in Deutschland um 1900, Jonas Verlag
für Kunst und Literatur GmbH, Marburg, 1986
[18] KRAUSS, Rolf H.; SCHMALRIEDE, Manfred;
SCHWARZ, Michael: Kunst mit Photographie,
Fröhlich & Kaufmann GmbH, Berlin, 1983
[19] KÜPPERS, Harald: Das Grundgesetz der
Farbenlehre, DuMont Buchverlag, Köln, 1978, 9.
überarbeitete Auflage 2000
[20] KÜPPERS, Harald: Die Farbenlehre der
Fernseh-, Foto- und Drucktechnik: Farbtheorie d.
visuellen
Kommunikationsmedien,
DuMont
Buchverlag, Köln, 1985
[21] LISCHKA, K.: Spielplatz Computer: Kultur,
Geschichte, und Ästhetik des Computerspiels,
Heise Verlag, Heidelberg, 2002
[22] MAFFEI, Lamberto; FIORENTINI, Adriana:
Das Bild im Kopf: von der optischen
Wahrnehmung zum Kunstwerk, Birkhäuser
Verlag, Basel, 1997
[23] MONACO, James: Film verstehen: Kunst,
Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des
Films und der neuen
Medien,
Rowohlt
Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg,
2000
120
[24] NEWHALL, Beaumont: Geschichte der
Photographie, Schirmer/Mosel, München, 1998
[25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F.:
Grundzüge der interaktiven Computergrafik,
McGraw-Hill Book Company GmbH, Hamburg,
1986
[26] NOWELL-SMITH, Geoffrey (Herausgeber):
Geschichte des internationalen Films, Verlag J.B.
Metzler, Stuttgart, Weimar, 1998
[27] PANOFSKY, E.: Aufsätze zu Grundlagen
der Kunstwissenschaften, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin, 1985
[28] RÜDEN, Egon von: Zum Begriff
künstlerischer Lehre bei Itten, Kandinsky, Albers
und Klee, Verlag Gebr. Mann, Berlin, 1999
[29] SCHÖNE, Wolfgang: Über das Licht in der
Malerei, Verlag Gebr. Mann, Berlin, 1994
[30]
SEILNACHT,
Thomas:
Naturwissenschaftliche Arbeiten: Farbe-Kunst, Bern, 2005,
(http://www.seilnacht.com, 03.01. 2006)
[31] SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter;
STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in
Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998
[32] SPITERIS, Tony: Weltgeschichte der Malerei
– Griechische und Etruskische Malerei, Editions
Rencontre, Lausanne, 1966
[33] QIANG, MAI, ERIK: Chinesische Malerei,
Bochum, 2005,
(http://www.chinaposter.de, 13. 01. 2006)
[34] VIERTEL, Rudi: Farbe und 'Farbordnungssysteme, Hemhofen, 2005,
(http://www.rudiviertel.de, 17.12.2005)
[35] WATT, Alan: 3D-Computergrafik, Pearson
Studium, München, 2002
[36] ZWIMPFER, Moritz: Farbe: Licht, Sehen,
Empfinden, Moritz Zwimpfer-Bern, Stuttgart:
Haupt, 1985
ANHANG
ANHANG
BILDNACHWEIS
Abbildung 1, Seite 14 - „die vier Grundfarben
des Empedokles“ nach: VIERTEL, Rudi: Farbe und
'Farbordnungssysteme, Hemhofen, 2005
Abbildung 2, Seite 17 - „Farbtafel nach Aristoteles“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst
Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont,
1998
Abbildung 3, Seite 21 - „Grab der Taucher“,
Paestum (Detail), 5. Jahrhundert v. Chr. aus:
GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der
Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann
Verlag, Leipzig, Berlin, 2001
Abbildung 4 , Seite 22 - „die vier 4-Farben-Lehre
nach GALEN“ nach: VIERTEL, Rudi: Farbe und
'Farbordnungssysteme, Hemhofen, 2005
Abbildung 5, Seite 26 - Rom, S. Prassede,
Cappella di S. Zeno, Detail des Gewölbemosaiks,
9. Jahrhundert aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der Antike bis zur
Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig,
Berlin, 2001
Abbildung 6, Seite 28 - „Glasfenster in St.
Denis“, (Detail), um 1140 aus: GAGE, John:
Kulturgeschichte der Farbe – Von der Antike bis
zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig,
Berlin, 2001
Abbildung 7, Seite 30 - Joachim von Fiore, „Die
Hl. Dreifaltigkeit“, 12. Jahrhundert aus: GAGE,
John: Kulturgeschichte der Farbe – Von der
Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann
Verlag, Leipzig, Berlin, 2001
121
Abbildung 11, Seite 38 - „GOETHES Farbdreieck“
aus: , Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion
-Grundlagen der Gestaltung; (Lehrmaterial)
Technische Universität Dresden, Fakultät für
Informatik, 2005
Abbildung 12, Seite 40 - „RUNGES Farbkugel“
aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter;
STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in
Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998
Abbildung 13, Seite 40 - „Aufsicht und Querschnitt von RUNGES Farbkugel“ aus: SILVESTRINI,
Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus
(Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und
Wissenschaft, DuMont, 1998
Abbildung 14, Seite 40 - „Farbpyramide nach
LAMBERT“ aus SILVESTRINI, Narciso; FISCHER,
Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber):
Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft,
DuMont, 1998
Abbildung 15, Seite 43 - „chinesische Landschaftsmalerei“ aus QIANG, MAI, ERIK: Chinesische Malerei, Bochum, 2005
Abbildung 16, Seite 45 - „chinesische Farbenharmonie“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER,
Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber):
Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft,
DuMont, 1998
Abbildung 17, Seite 45 - „mögliche Lesarten für
den Farbkreis“ aus: SILVESTRINI, Narciso;
FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft,
DuMont, 1998
Abbildung 18, Seite 48 - „Ordnungsmodell 1 der
Technologien“
Abbildung 8, Seite 34 - DA VINCI „Madonna in
der Felsengrotte“, um 1508, aus: BECKETT,
Wendy: Die Geschichte der Malerei: 8 Jahrhunderte abendländischer Kunst in 425
Meisterwerken, DuMont Buchverlag, Köln, 1995
Abbildung 19, Seite 49 - „Ordnungsmodell 2 der
Technologien“
Abbildung 9, Seite 36 - „NEWTONS Farbkreis“
aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter;
STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in
Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998
Abbildung 21, Seite 50 - „Ordnungsmodell 4 der
Technologien“
Abbildung 10, Seite 37 - „GOETHES Farbkreis“
aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter;
STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in
Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998
Abbildung 20, Seite 49 - „Ordnungsmodell 3 der
Technologien“
Abbildung 22, Seite 52 - Paul Hoenigers „Im
Café Josty in Berlin“ aus: KAUFHOLD, Enno:
Bilder des Übergangs-zur Mediengeschichte von
Fotografie und Malerei in Deutschland um 1900,
Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH,
Marburg, 1986
122
ANHANG
Abbildung 23, Seite 54 - „drei Diapositive“ aus:
COE, Brian: Farbphotographie und ihre
Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica
GmbH & Co. KG, München, 1979
Abbildung 33, Seite 72 - Beispiel für Bilder im
Stil der Pop-Art: Andy Warhol: „Goethe“ (1986)
aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer –
Ästhetik,
Bildtheorie
und
Praxis
des
Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 24, Seite 54 - „Farbreprodduktion“
aus: COE, Brian: Farbphotographie und ihre
Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica
GmbH & Co. KG, München, 1979
Abbildung 34a, Seite 76 - „CIE- Farbraum“ aus:
GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und
Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden,
Fakultät für Informatik, 2005
Abbildung 25, Seite 55 - „subtraktive
Farbmischung“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre):
Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität
Dresden, Fakultät für Informatik, 2005
Abbildung 34b, Seite 78 - „das CIE- XYZSystem“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe
und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung,
(Lehrmaterial) Technische Universität Dresden,
Fakultät für Informatik, 2005
Abbildung 26, Seite 58 - vielfältigen Perspektiven in Marcel Duchamps „Nu descendent un
escalier“ aus: MONACO, James: Film verstehen:
Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie
des Films und der neuen Medien, Rowohlt
Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg,
2000
Abbildung 35, Seite 79 - „der RGB- Farbraum“
aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und
Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden,
Fakultät für Informatik, 2005
Abbildung 27, Seite 59 - „additive Farbmischung“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre):
Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität
Dresden, Fakultät für Informatik, 2005
Abbildung 36, Seite 79 - „der HSB- Farbraum“
nach: JEWETT, Tom: Color tutorial, Department
of Computer Engineering and Computer Science
California State University, Long Beach, 2006,
(www.cecs.csulb.edu/~jewett/colors/hsb.html,
22. 02. 2006)
Abbildung 28, Seite 64 - „Oszillogramm“ aus:
GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer –
Ästhetik,
Bildtheorie
und
Praxis
des
Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 37, Seite 79 - „der YIQ- Farbraum“
aus: COLANTONI, Philippe: Couleur.Or, Faculté
des Sciences Université Jean Monnet de Saint
Etienne,2006,
(www.couleur.org/index.php?page=transformati
ons, 22.02. 2006)
Abbildung 29, Seite 66 - Frieder Nake „Klee Nr.
2“ aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer –
Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 38, Seite 81 - „Ordnungsmodell 5 der
Technologien“
Abbildung 30, Seite 67 - David Em „Transjovian
Pipeline“ (1979) aus: GUMINSKI, Karin: Kunst
am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis
des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 39, Seite 84 - „Modell 1 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern“
Abbildung 40, Seite 85 - „Modell 2 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern“
Abbildung 31, Seite 69 - simulierte Landschaft
von David Em: „The Far“(1968) aus: GUMINSKI,
Karin: Kunst am Computer – Ästhetik,
Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG
Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 41, Seite 87 - „Vorgang des Farbensehens nach Küppers“ nach: KÜPPERS, Harald:
Die Farbenlehre der Fernseh-, Foto-und Drucktechnik: Farbtheorie d. visuellen Kommunikationsmedien, DuMont Buchverlag, Köln, 1985
Abbildung 32, Seite 69 - Landschaftsmalerei der
Romantik von Caspar David Friedrich aus:
GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer-Ästhetik,
Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG
Bild-Kunst, Bonn 2002
Abbildung 42, Seite 89 - „Urfarben und Grundfarben nach Küppers“ nach: KÜPPERS, Harald:
Die Farbenlehre der Fernseh-, Foto- und
Drucktechnik: Farbtheorie d. visuellen Kommunikationsmedien, DuMont Buchverlag, Köln, 1985
ANHANG
Abbildung 43, Seite 92-93 - „Farbkontraste nach
Johannes Itten“ nach: HECK, Andreas: Farbcodes, Diplomprojekt von Andreas Heck an der
Filmakademie
Baden-Württemberg,
2006,
(http://www.beta45.de/farbcodes/theorie/itten.h
tml, 22. 02. 2006)
Abbildung 44a, Seite 96 - „Psychologische
Wirkung von Farbe“ nach: HELLER, Eva: Wie
Farben wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik,
kreative Farbgestaltung, Rowohlt Verlag,
Reinbeck bei Hamburg, 1990
Abbildung 44b, Seite 96 - „Psychologische
Wirkung von Farbe“ nach: HELLER, Eva: Wie
Farben wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik,
kreative Farbgestaltung, Rowohlt Verlag,
Reinbeck bei Hamburg, 1990
Abbildung 45, Seite 97 - die Farbe Rot in
Matthias Grünewald: „Auferstehung Christi“,
Teil des Isenheimer Altars (um 1515) aus: GAGE,
John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der Antike
bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag,
Leipzig, Berlin, 2001
Abbildung 46, Seite 98 - die Farbe Blau in der
"Verkündigung an Maria" aus: SEILNACHT,
Thomas: Naturwissenschaftliche Arbeiten: FarbeKunst, Bern, 2005, (http://www.seilnacht.com,
03.01. 2006)
Abbildung 47, Seite 99 - die Farbe Grün in
Claude Monets "Das Seerosenbecken" aus:
SEILNACHT, Thomas: Naturwissenschaftliche
Arbeiten:Farbe-Kunst,Bern,2005,
(http://www.seilnacht.com, 03.01. 2006)
Abbildung 48, Seite 100 - die Farbe Gelb in
J.M.W. Turner: „Licht und Farbe - Der Morgen
nach der Sintflut“ (1843) aus: GAGE, John:
Kulturgeschichte der Farbe - Von der Antike bis
zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig,
Berlin, 2001
Abbildung 49, Seite 102 - Ittens expressive
Farbenlehre aus: ITTEN, Johannes: Kunst der
Farbe, gekürzte Studienausgabe, Urania Verlag,
Stuttgart, 1970
Abbildung 50, Seite 105 - „Anwendung für 3DSzene“
123
Abbildung 51, Seite 107 - „syntaktische Felder“
aus: GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.: Farbperspektive im Kontext von Navigation durch
virtuelle Welten-Artikel zu den theoretischen
Grundlagen der Interfacegestaltung, Technische
Universität Dresden, Fakultät Informatik, 2005
(<http://www.inf.tu-dresden.de/mg/> )
Abbildung 52, Seite 107 - „Interaktionsfördernde Farbgebung“ (Detail) nach: GROH,
Rainer; FRANKE, Ingmar S. : Farbperspektive im
Kontext von Navigation durch virtuelle WeltenArtikel zu den theoretischen Grundlagen der
Interfacegestaltung,
Technische
Universität
Dresden,
Fakultät
Informatik,
2005
(<http://www.inf.tu-dresden.de/mg/> )
Abbildung 53, Seite 109 - Farbe in der Fläche 1
Abbildung 54, Seite 109 - Farbe in der Fläche 2
Abbildung 55, Seite 110 - Farbe in der Perspektive 1
Abbildung 56, Seite 110 - Farbe in der Perspektive 2
Abbildung 57, Seite 111 - Farbe im „Tafelwerk
für die Bildsprache“