Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in
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Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in
Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in MALEREI, FOTOGRAFIE und COMPUTERGRAFIK Erklärung Hiermit erkläre ich, Johanna Barheine, dass diese vorliegende Arbeit zum Bakkalaureat im Studiengang Medieninformatik mit dem Thema „Ein Tafelwerk für die Bildsprache - Farbe in Malerei, Fotografie und Computergrafik“ von mir selbständig und ausschließlich unter der Verwendung der im Literaturverzeichnis aufgeführten Informationsquellen verfasst wurde. Dresden, 01. 03. 2006 Johanna Barheine Technische Universität Dresden Fakultät Informatik Institut Software- und Multimediatechnik Lehrstuhl Mediengestaltung Hochschullehrer: Prof. Dr. Rainer Groh Betreuer: M. Sc. Ingmar Franke Ein TAFELWERK für die BILDSPRACHE FARBE in MALEREI, FOTOGRAFIE und COMPUTERGRAFIK Bakkalaureatsarbeit im Studiengang Medieninformatik von Johanna Barheine “Formas Rerum Obscuras Illustrat Confusus Distinguit Omnes Ornat Colorum Suavis. Nec Vita Nec Sanitas Nec Pulchritudo Nec Sine Colore Iunetus. “ „Die herrliche Mannigfaltigkeit der Farben verdeutlicht die unklaren Formen der Dinge, entwirrt das Durcheinander und verschönert alles. Ohne Farbe gibt es weder Leben noch Gesundheit, weder Schönheit noch Jugend“ [Londoner ‚International Exhibition’(1862): Inschrift in der leuchtfarben ausgemalten Nische über der ‚Zartgetönten Venus’ von John Gibson, 1851-1856] ([7] GAGE, John, S. 11) 7 INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung - 9 Motivation, Zielsetzung, Gliederung 2 Begriffe und Definitionen - 11 Farbe, Farbmischung, Bildträger, Interaktion 3 Geschichte der Farbe - 13 3.1 Antike - 13 3.1.1 Farbe in der griechischen Malerei - 13 3.1.2 Griechische Farbentheorien - 14 3.1.3 Der Mimesis-Gedanke - 15 3.1.4 Farbenlehre:PLATON und ARISTOTELES -16 3.1.5 Farbe und Symmetrie - 19 3.1.6 Farbenlehre zur Zeit PLINIUS - 20 3.1.7 Glanz und Bewegung - 21 3.1.8 Wichtigkeit der Farbe - 23 3.1.9 Zusammenfassung - 23 3.2 Mittelalter - 24 3.2.1 Mosaike - 25 3.2.2 Gold - 27 3.2.3 Glasfenster - 27 3.2.4 Veröffentlichungen zur Farbe - 29 3.2.5 Farbsprache des Mittelalters - 30 3.2.6 Zusammenfassung - 31 3.2.7 Beginnender Realismus - 31 3.3 Renaissance - 32 3.3.1 GIOTTO als Wegbereiter - 32 3.3.2 Der Streit DISEGNO – COLORE - 33 3.3.3 Quattrocento - 33 3.3.4 Zusammenfassung - 35 3.4 Naturwissenschaft - 36 3.4.1 NEWTON - 36 3.4.2 GOETHE - 37 3.4.3 RUNGE - 39 3.4.4 Zusammenfassung - 41 3.5 Abstecher in die chinesische Malerei - 42 3.5.1 Die chinesische Malerei - 42 3.5.2 chinesische Farbharmonie - 44 3.5.3 Zusammenfassung - 46 3.6 Neuzeit - 47 3.6.1 Technologische Eckpunkte - 47 3.6.2 Fotografie - 52 3.6.3 Film und Fernsehen - 56 3.6.4 Das interaktive Bild - 60 3.6.5 Ein Ordnungsmodell - 81 3.6.6 Zusammenfassung - 83 3.7 Zusammenfassung Geschichte - 83 3.7.1 Farbe von Antike bis Neuzeit - 83 3.7.2 Farbe und Technologie - 85 4 Wahrnehmung von Farbe - 87 4.1 Physiologie - 87 4.1.1 Küppers Farbenlehre - 87 4.1.2 Urfarben und Grundfarben - 89 4.1.3 Farbmischgesetze nach Küppers - 90 4.1.4 Farbe und Gehirn - 90 4.1.5 Tiefenwirkung durch Farbe - 91 4.1.6 Zusammenfassung - 94 4.2 Psychologie - 95 4.2.1 Psychologische Wirkung - 95 4.2.2 Die Urfarbe Rot - 97 4.2.3 Die Urfarbe Blau - 98 4.2.4 Die Urfarbe Grün - 99 4.2.5 Die Grundfarbe Gelb - 100 4.2.6 Farbe und Form - 101 4.2.7 Zusammenfassung - 102 4.3 Zusammenfassung Wahrnehmung - 103 5 Anwendung der Erkenntnisse - 105 5.1 Farbe und Form - 105 5.2 Farbe und Bewegung - 106 5.3 Betrachtungszeit - 108 5.4 Farbe oder Schwarz-Weiß - 109 6 Praktischer Teil: Ein Tafelwerk- 111 7 Zusammenfassung - 113 Fazit und Ausblick Anhang - 117 Literaturverzeichnis Bildnachweis 8 1 EINLEITUNG 9 1 Einleitung Motivation Welche Konstanten und Bedingungen gibt es in Bildern der Bildtypologien? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Zusammenstellung eines „Tafelwerks für die Bildsprache“ am Lehrstuhl Mediengestaltung. Das Thema kann von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden. So besteht die Möglichkeit, Bilder verschiedener Epochen wie der Renaissance und des Mittelalters auf bildgestalterische Elemente wie zum Beispiel Perspektiven zu untersucht und diese im Tafelwerk zu formalisieren. Zielsetzung Die vorliegende Arbeit wendet sich im Hinblick auf dieses Überthema konkret dem gestalterischen Aspekt Farbe im Bild zu. Durch die Analyse von Bildern und Gemälden der Antike, des Mittelalters und der Renaissance soll die Farbe im Bild konkret betrachtet werden. Ziel ist es, herauszukristallisieren, ob Farbe als gestalterisches Element im Bild formalisiert und typologisiert werden kann und beispielsweise in einem Ordnungsmodell, Schemata oder einer sonstigen Struktur beschreibbar ist. Weiterhin wird darauf eingegangen, inwieweit sich Farbe in den neuzeitlichen durch technische Entwicklungen geprägten Kunstrichtungen wie Fotografie, Bewegtbild von Film und Fernsehen oder im digitalen Bild der Computergrafik verhält. Es stellt sich die Frage, ob die Merkmale und Formalisierungen der Malerei auf dieses Gebiet übertragen und für das interaktive Bild nutzbar gemacht werden können. Die Untersuchung stützt sich dabei auf die Betrachtung der Farbe im historischen Kontext von der Antike bis zur Renaissance und tangiert die Fachgebiete der Wissenschaften über Wahrnehmung und Psychologie (zum Beispiel die psychologische Wirkung von Farben auf das Wahrnehmungssystem), sowie das Gebiet der Angewandten Informatik (zum Beispiel Interaktion und Bewegung im Bild durch Farbe). 10 1 EINLEITUNG Das einleitende Zitat beschreibt ein Kunstwerk, das sich zeitlich und inhaltlich an den zu dieser Zeit entdeckten vorklassischen Überresten von Mykene und Knossos orientiert. Es verdeutlicht, dass Farbe bereits seit der Antike einen ganz eigenen und bedeutenden Charakter in der Kunstgeschichte einnahm. Jedoch sind ebenfalls aus der Antike Berichte überliefert, die die Farbe als etwas rein Dekoratives und somit Nebensächliches bezeichneten. Dieser Zwiespalt über die Bedeutung der Farbe in Kunst und Malerei setzt sich in den nachfolgenden Epochen fort. Gliederung Der erste Teil dieser Arbeit geht darauf ein, wie sich dieser Zwiespalt in den einzelnen Epochen von der Antike über das Mittelalter bis zur Renaissance verhält und welche Aufgabe und Bedeutung der Farbe in der Kunst zugewiesen wird. Dabei wird miteinbezogen, dass sich das Phänomen Farbe aus den verschiedenen Aspekten Farbton, Farbsättigung und Helligkeit zusammensetzt, über die sich die Wirkung der Farbe regulieren lässt. Im zweiten Teil der geschichtlichen Betrachtung zur Farbe wird die Entwicklung der Farbe unter Einwirken von technischen Geräten in der Kunst wie Fotoapparat oder Computer beleuchtet. Die Betrachtung schließt die Frage mit ein, inwieweit sich dadurch der Charakter der Farbe wandelte beziehungsweise welche Eigenschaften erhalten bleiben. Um die Bedeutung und Entwicklung der Farbe bis zum Interaktiven Bild komplett zu erfassen, reicht es nicht aus, Farbe nur von ihrer geschichtlichen und technologischen Entwicklung zu betrachten. Es muss ebenso berücksichtigt werden, dass Farbe einen subjektiven Sinneseindruck im Auge des Betrachters erzeugt. Wie der Farbreiz im Auge entsteht und wie so genannte unsichtbare Sinneswahrnehmungen (zum Beispiel kulturell erlernte Konnotation von Farbe) die Wahrnehmung und Wirkung von Farbe beeinflussen, wird im dritten Teil dieser Arbeit behandelt. Schließlich ergeben sich aus der geschichtlichen und wahrnehmungspsychologischen Untersuchung der Farbe einige Ideen und Ansätze für das Interaktive Bild, die anhand von vier Anwendungsbeispielen erläutert werden. 2 BEGRIFFE und DEFINITIONEN 11 2 Begriffe und Definitionen Zu Beginn werden wichtige Begriffen, die im Laufe der Arbeit immer wieder von Bedeutung sind, abgegrenzt und erläutert. FARBE Nach DIN (Standard 5033 von 1979) ist die Farbe ein durch das Auge vermittelter Sinneseindruck, also eine Gesichtsempfindung. Die Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Betrachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bereich allein unterscheiden kann. Farbe ist also im Unterschied zum Pigment ein subjektiver Sinneseindruck und keine physikalische Eigenschaft eines Gegenstandes, der entsteht, wenn Licht einer bestimmten Wellenlänge oder eines Wellenlängengemisches auf die Netzhaut des Auges fällt. Das Phänomen Farbe ist daher auch nicht auf der Oberfläche der Objekte selbst lokalisiert, sondern nur auf deren Abbild, das uns unser Gehirn in unserem Bewusstsein präsentiert, und damit in unserem Gehirn selbst. Farben können auch durch Pigmente ausgelöst werden. Dabei bewirkt deren räumliche oder zeitliche Nähe subjektive Kontrastverstärkungen. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 14 ff) FARBRAUM Ein Farbraum ist eine Menge von Farben, die innerhalb eines Koordinatensystems dargestellt und beschrieben werden können. Farbräume können von Ein- oder Ausgabegeräten (zum Beispiel Scanner, Bildschirm, Drucker oder auch dem Auge) unter spezifischen Bedingungen erkannt beziehungsweise dargestellt werden kann. Farbräume werden auch als Farbmodell bezeichnet. Es gibt zum einen technischphysikalische Modelle, bei denen Farben aus anderen Farben gemischt werden (zum Beispiel RGB, CMYK), zum anderen wahrnehmungsorientierte (perzeptuelle) Modelle, die Farben durch die Merkmale Helligkeit, Sättigung und Farbton beschreiben (zum Beispiel HSV, HLS). FARBMISCHGESETZ Nach Küppers sind Farbmischgesetze Manipulationsmöglichkeiten des Sehorgans. Bei Reproduktionsprozessen kommt es darauf an, einen Farbreiz so zu erzeugen, dass im Betrachter eine bestimmte Farbempfindung erzeugt wird. Die Modulation des Farbreizes kann durch additive beziehungsweise subtraktive Mischung erfolgen. (vgl. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 19 f) FARBKONTRAST Farbkontraste sind eine Möglichkeit, die Wirkung von Farbe und deren gegenseitige Beeinflussung zu beschreiben. FARBREIZ Der Farbreiz ist die Strahlungsleistung, die in den Zapfen der Netzhaut des Auges absorbiert wird. Er ist die physikalische Ursache für Farbempfindung. FARBPERSPEKTIVE 12 2 BEGRIFFE und DEFINITIONEN Die Farbperspektive lässt sich begrifflich unterscheiden in die Farbperspektive der Tiefe und die Farbperspektive der Fläche. Die Farbperspektive der Tiefe ist ein auf psychologische Untersuchungen aufbauendes Mittel, dass dazu dient, in einer Abbildung die Illusion von Raumtiefe zu erzeugen. Konkret erkannte man in der Renaissance die Tiefenwirkungen durch Verblauung, Trübung, Aufhellung und Unschärfe. In der Verwendung von Farben bedeutet Verblauung von warm nach kalt, Trübung von leuchtend nach trüb und Aufhellung von dunkel nach hell. Eine Luftperspektive kann diese Wirkungen unterstützen, indem die Genauigkeit, der in einem Bild befindlichen Objekte, mit der räumlichen Tiefe abnimmt zum Beispiel von scharf nach unscharf. Die Farbperspektive der Fläche bezeichnet das mittelalterlicher Prinzip der Bedeutungsperspektive, das heißt Bildelemente werden entsprechend ihrer Bedeutsamkeit geordnet (wichtig = groß). Farbe unterstützt die resultierende flächige Wirkung. (vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S., S. 3) METAMERIE Verschiedene Farbtöne wirken unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch, unter einem anderen Licht aber können sie unterschiedlich erscheinen. Das heißt, zwei oder mehrere Objekte sind metamer, wenn sie trotz unterschiedlichen Spektren die gleiche Farbwahrnehmung auslösen. Zwei Farben, die bedingt gleich sind, sind metamer, wenn sie unter einer bestimmten Lichtart gleich aussehen. MIMESIS Mimesis bedeutet nach Aristoteles Nachahmung beziehungsweise Abbildung von Natürlichem. BILDTRÄGER Ein Bildträger ist der Teil des Bildes, auf den die Farbe aufgetragen wird. Er kann unterschiedlichen Materials sein, zum Beispiel eine Leinwand, Holz oder ein Monitor. COMPUTERGRAFIK und COMPUTERKUNST Computerkunst bezeichnet im Gegensatz zur Computergrafik Bilder, die mit künstlerischer Intention entwickelt wurden. Computergrafik bezeichnet Arbeiten, die aus wissenschaftlichem Interesse und Experimentierfreude entstanden sind. INTERAKTION Interaktion ist die wechselseitige Einwirkung zwischen Akteuren und Systemen. 3 GESCHICHTE der FARBE 13 3 Geschichte der Farbe 3.1 Antike Seit der Renaissance galt die blendende Reinheit weißen Marmors als eines der edelsten Merkmale antiker Kunst. Im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch gelangten Altertumsforscher in ganz Europa und Skandinavien immer mehr zu der Einsicht, dass Bauwerke und Skulpturen im alten Griechenland tatsächlich bemalt gewesen sein mussten. Die Entdeckungen der vorklassischen Überreste von Mykene und Knossos in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewiesen, dass die griechische Welt seit jeher eine äußerst farbenfrohe Welt gewesen war. Künstler und Architekten machten sich daraufhin die archäologischen Entdeckungen der griechischen Polychromie zu Nutze und ließen die Ideen in ihre eigenen Kunstwerke einfließen. So trat beispielsweise GOTTFRIED SEMPER 1834 dafür ein, moderne Bauwerke nach klassischem Stil bunt zu bemalen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11) Von den Werken der großen klassischen Malerei ist heute nichts mehr erhalten. Am Anfang der Entwicklung der abendländischen Kunst steht, was die Malerei betrifft, die große Leere. Deswegen ist man gezwungen, bei der Beschreibung und Einordnung antiker Malerei weitestgehend auf schriftlich überlieferte Texte von Dichtern und Philosophen zurückzugreifen. Feststeht jedoch, dass antike Schriftsteller mit ebensoviel Begeisterung von den Gemälden Ihrer Zeit, wie von Skulpturen sprachen. Die Malerei nahm demnach schon in der Antike einen bedeutenden Platz ein. Erhalten geblieben sind die aus dem 5. Jahrhundert stammenden Malereien auf den Wänden attischer Vasen und die Fresken in Etruskischen Gräbern. Ein Beweis für die Bedeutung, den Reichtum und die Vielseitigkeit dieser Kunst ist ihr Einfluss, den sie bei ihrer Ausbreitung von der mittelmeerischen Welt bis ins römische Reich und nach dessen Fall bis nach Byzanz zu behaupten wusste. (vgl. [32] SPITERIS, Tony, S. 7) 3.1.1 Farbe in der griechischen Malerei Da die Werke der Malerei nicht erhalten sind, ist es schwer, die Rolle der Farbe in der griechischen Kunst eindeutig zu bestimmen. Nur die Periegeten und die Autoren des ersten Jahrhunderts v. Chr. geben uns einigen Aufschluss und vermitteln uns durch ihre Berichte wenigstens einige, wenn auch geringfügige Kenntnisse. Diese Texte wurden durch mehr oder minder getreue Kopien der Meisterwerke ergänzt. Sie finden sich auf Vasen und in Mosaiken, dem Schmuck römischer Häuser. Auch Töpferarbeiten können als weitgehend treuer Abglanz der Monumentalmalerei zur Deutung der Bedeutung von Farben in der antiken Malerei herangezogen werden. Im Allgemeinen schien die Farbe in der Antike von außerordentlicher Bedeutung zu sein. Sie ist ergänzender Bestandteil der Skulptur und der Architektur und trägt zu ihrer Bereicherung bei. Die Gründe für die Wichtigkeit der Farbe sind zahlreich. Das Klima und die Art des Lichts sind wahrscheinlich Faktoren, die die griechischen Künstler beeinflusst haben. Der klare Himmel, die Sonne und die Landschaft haben fade, fast farblose Töne. Alles scheint von einem hellen Schleier verdeckt zu sein, von dem sich die Umrisslinien abheben und das Ganze beherrschen. Berücksichtigt man diese Beobachtungen der Naturgegebenheiten, wird deutlich, wie die Griechen zum Studium der Farben kamen und weshalb sie dieses sinnlich schmeichelnde Element in ihre 3.1 ANTIKE 14 Architektur und Plastik aufnahmen. Marmor, Stein und Holz wurden durch die hinzutretende Farbe an Wert gehoben. In dieser Atmosphäre, in der das Licht alle Einzelheiten zugunsten der Linie auslöscht, dient die Farbe, indem sie sich der Landschaft anpasst als eine Art Vermittlung. Durch das Spiel der Farbtöne entsteht ein Ausgleich für die scharf betonten Umrisse, die so ihre Härte verlieren. Auch mögen praktische Gründe die Anwendung von Farbe veranlasst haben. Noch heute wird weißer Gipsputz in griechischen Dörfern verwandt. Er soll das Sonnenlicht auf den Mauern reflektieren und somit vor Überhitzung der Gebäude schützen. Aus ähnlichen Gründen bemalten die alten Griechen vielleicht ihre Denkmäler und Gebäude. Bis heute erhaltene Spuren beweisen, dass Statuen, Kulthäuser und öffentliche Gebäude aber auch weniger bedeutende Bauwerke und Grabstellen mit farbigen Wänden und dekorativer Bemalung überzogen wurden und so das Auge des Betrachters mit prachtvoller Polychromie fesselte. Bis zum Ende des fünften Jahrhunderts nach Chr. sah der antike Künstler die Farbe mit den Augen des Dekorationsmalers. Aus schriftlichen Überlieferungen wird deutlich, dass die verwendete Farbskala recht begrenzt war. Höchstwahrscheinlich wurden die Polychromie und die Komplementärfarbe schon im vierten Jahrhundert v. Chr. verwandt, doch erst viel später in der hellenistischer Zeit, im großen Jahrhundert der griechischen Malerei, machte die Technik bedeutendere Fortschritte. Erst jetzt wurde der Schritt von der vordergründigen zur dreidimensional wirkenden Malerei vollzogen. (vgl. [32] SPITERIS, Tony, S. 30 f) 3.1.2 Griechische Farbentheorien Das Phänomen Farbe setzt sich aus vielen Aspekten zusammen. Neben den Merkmalen des Farbtons und der spezifischen Intensität oder Buntkraft, die für den modernen Betrachter im Allgemeinen den höchsten Stellenwert einnehmen, gibt es das Merkmal des Tonwerts. Der Tonwert ist der spezifischen Grad der Helligkeit beziehungsweise des Helldunkelgehalts einer bestimmten Farbe. Besonders diesem letzten Merkmal maßen die alten Griechen große Bedeutung bei. Dies hatte ihren Grund in der griechischen Farbenlehre. Farbe Weiß Element Eigenschaft Feuer heiß + trocken Wasser kalt + feucht Rot Luft feucht + heiß Ockergelb Erde trocken + kalt Schwarz Abbildung 1: die vier Grundfarben des EMPEDOKLES 3.1 ANTIKE 15 Die frühesten schriftlichen Überlieferungen, die sich auf Farbe beziehen, stammen aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. und spiegeln die Überlegungen des Gegensatzes Schwarz-Weiß beziehungsweise Dunkelheit und Licht wider. Zu dieser Zeit stellte jener Gegensatz das Grundgerüst für die komplexen Theorien von EMPEDOKLES (483 - 423 v. Chr.) und DEMOKRIT (460 - um 370 v. Chr.). (vgl. [7] GAGE, John, S. 11) EMPEDOKLES nahm vier Grundfarben an (Weiß, Schwarz, Rot und Ockergelb) und ordnete sie den vier Elementen zu. Weiterhin definiert er vier Eigenschaften, von denen jedes Element zwei besitzt (siehe Abbildung 1). In seiner Beschreibung des Malens erwähnt EMPEDOKLES die Formgebung durch Linie oder Umriss nicht und erklärt das zustande kommen einer Figur aus dem gelungenen Nebeneinander der Farbmischungen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11ff, 29 ff) Die Theorien des DEMOKRIT zur Farbenlehre sind uns durch ihre Wiedergabe in den Werken des THEOPHRAST überliefert. Der Legende nach hat DEMOKRIT eine schriftliche Abhandlung über Malerei und Farben hinterlassen, die jedoch nicht erhalten ist. DEMOKRIT unterscheidet wie vor ihm EMPEDOKLES vier Grundfarben, doch ersetzt er dessen Ockergelb durch Grüngelb. Somit ergeben sich Weiß, Schwarz, Rot, Grüngelb (‘chloron’) als die vier Grundfarben. Aus deren Mischung sollen sieben weitere, gemischte Farben entstehen: Gelbrot (aus Weiß und Rot), Purpur (aus Weiß, Schwarz und Rot), Indigo (aus Tiefschwarz und Grüngelb), Lauchgrün (aus Rot und Indigo oder Grüngelb und Purpur), Dunkelblau, Nussfarben und Feuerfarben (unter Umständen auch helles Braungelb). DEMOKRIT glaubte, dass bei der Entstehung der Farben die geometrische Anordnung der Atome eine Rolle spielen würde. Er hielt die Elemente an sich nicht für farbig. Farbe schien ihm eine sekundäre Eigenschaft der Außenwelt zu sein, sie war für ihn substanzlos, eine bloße Wirkung. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11ff, 30 ff) Die Farbe ist nach DEMOKRIT „nichts von Natur aus Notwendiges sondern ein durch Gesetz, Übereinkunft, Gewöhnung Angenommenes und Festgestelltes.“ ([9] GOETHE, Johann Wolfgang, S. 74) Zum Sehvorgang vertrat DEMOKRIT, die Theorie, dass die beleuchteten Objekte winzige Partikelchen einer lichtähnlichen Substanz gegen das Auge hin aussenden. (vgl. [7] GAGE, John, S. 11ff, 30 ff) Diese Lehren von EMPEDOKLES und DEMOKRIT wurden im vierten Jahrhundert v. Chr. von PLATON (427 - 347 v. Chr.) und ARISTOTELES (384 - 322 v. Chr.) aufgenommen und ausgearbeitet. So wurden sie zum Ausgangspunkt für sämtliche späteren Farbordnungen bis NEWTON. ([7]GAGE, John, S. 12) 3.1.3 Der Mimesis-Gedanke Auch PLATON und ARISTOTELES beriefen sich bei der Entwicklung ihrer Kunsttheorien sowohl auf die Arbeiten der Maler als auch auf die Werke der Dichter. PLATON gründete seine Gedanken auf seine persönliche Auffassung der Mimesis und leitete davon logisch die Behauptung ab, dass die Kunst zu verwerfen sei. ARISTOTELES sah im Gegensatz zu PLATON die Mimesis als eine Äußerungsform des Verstandes an. Er errichtete das Gebäude seiner Poetik auf dieser Grundlage und kam so zur Darlegung der neuen Grundsätze seiner Ästhetik. ARISTOTELES ging von der Unterscheidung der geistigen Kräfte des Denkens und des Wahrnehmens, der Unterscheidung von Idee und Abbild aus. Er lehnte die alte Vorstellung ab, welche Idee und Abbild als Einheit ansah. DEMOKRIT zum Beispiel stellte die beiden Geisteskräfte nebeneinander. Abbild und Darstellung gaben nach ihm das wirkliche Wesen der Dinge wieder. Er behauptete, dass das Bild, welches sich im Geiste des Menschen bildet, wenn er seine Umgebung betrachtet, nicht genau die Dinge im Einzelnen wiedergibt, sondern das Ganze der sichtbaren Dinge zur Erscheinung bringt. Wenn man das Begriffspaar Idee-Abbild in 16 3.1 ANTIKE diesem Sinne auffasst, stellt man es in die Nähe des mythischen Denkens, das weniger eine Summe von Glaubensüberzeugungen als einen Zusammenhang von dichterischen, in Gestalt erscheinenden Bildern umfasst. Wenn die philosophischen Systeme PLATONs und ARISTOTELES’ so unmittelbar auf die Entwicklung der Kunst in ihrem Lande bezogen sind, lassen sich mit einiger Sicherheit folgende Behauptungen aufstellen: 1. PLATON kannte die Zeit, in welcher sich die Malerei der Aufgabe stellte, das Sichtbare wiederzugeben. 2. Wenn er die Zusammengehörigkeit von Idee (Verstand) und Abbild (sinnliche Wahrnehmung) so kritisierte, musste er eine Malerei vor Augen haben, die sich zu einer anderen Art des Ausdrucks und zur Trennung von Idee (philosophisches Denken) und Abbild (sinnlich erfassbare Wirklichkeit) bekannte. 3. Sein negatives Urteil bezieht sich auf diese Art der Malerei. Sie ist seiner Meinung nach minderwertig, weil sie nur kopiert. 4. ARISTOTELES gibt der Mimesis den Rang eines geistigen Aktes. Damit erhält die Kunst, und die Malerei im Besonderen, die Aufgabe, die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit, das heißt die Natur zu erkennen. ([32] SPITERIS, Tony, S. 7 f) Die Unterscheidung der Griechen von Malerei und Plastik begründete sich jedoch nicht nur auf Farbe und Relief, denn auch ihre Skulpturen waren farbig behandelt. Wenn Mimesis in ihren Augen die Nachahmung der Natur gewesen wäre, hätte die Plastik gegenüber der Malerei als die vollkommenere, getreuere und vollständigere Kunstgattung gelten müssen. Diese Denkweise der Griechen ist jedoch nirgends überliefert. Wenn der Malerei Relief fehlt, wurde das nicht als Fehler, sondern als bestimmende Eigenschaft der Malerei aufgefasst. Wenn der Maler nicht nachahmt, sondern ein Bild hervorbringt, wird das Bild zu einer Wirklichkeit, und nicht zu einer Kopie der Wirklichkeit. Es kommt der Wahrheit umso näher, je weniger Nachdruck es auf die körperliche Seite des Wirklichen legt, die eigentlich nicht existiert. Das Gemälde geht von der Wirklichkeit aus, schafft sich aber, wenn es entsteht, seine eigenen Maße, so dass es sich nicht in die allgemeinen räumlichen Dimensionen auflösen kann. Auch die Plastik grenzt sich gegen die äußere Wirklichkeit ab, zum Beispiel durch architektonische Rahmen. Die Malerei stellt jedoch noch höhere Forderungen und beschränkt sich nicht nur auf eine Fläche in einer räumlichen Einheit. Sie projiziert auf eine Bildfläche, zerstört sich aber damit zugleich. Die Bildfläche der Malerei ist imaginärer Natur, von derselben Art wie die Ebene, auf die die Ideen oder die Phantasmen des Geistes projiziert werden. ([32] SPITERIS, Tony, S. 8) 3.1.4 Farbenlehre: PLATON und ARISTOTELES PLATON nahm in seine Farbenlehre Thesen des DEMOKRIT und des EMPEDOKLES auf. In verschiedenen seiner Werke, deren Schriften zum größten Teil erhalten sind, finden sich eingestreute Bemerkungen über die Farben. Die ausführlichste Erwähnung findet das Thema Farbe bei ihm in einem Vortrag über die Schöpfung im „Timaios“, in dem er eine rationale Theorie der Farben erläutert. Er benennt vier Grundfarben: Weiß, Schwarz, Rot und eine Farbe, die er als Glänzend beziehungsweise Glanzfarbe bezeichnet. PLATON verfocht, anders als DEMOKRIT, eine Theorie der Sehstrahlen, die das Auge beim Sehvorgang aktiv aussendet. In „Menon“ (76 d) heißt es, dass Farben als Ausflüsse der Körperoberflächen zu betrachten seien, die beim Sehvorgang in dazu passende Poren des Auges hineinpassen. Weiß war danach der Effekt, der sich aus der Ausdehnung des Sehstrahls ergibt, der Effekt Schwarz war im Zusammenziehen des Sehstrahls begründet. 3.1 ANTIKE 17 PLATON hatte nicht vor, bei der Zusammenstellung der Elemente eine handwerkliche Anleitung zum Mischen von Malfarben zu geben. So konnten seine Erklärungen nicht durch praktische Versuche verifiziert werden. Vielmehr suchte er das Wesen der Farben überhaupt aus einer moralischen und theoretischen Symbolik des Lichtes, die dem Dunkel nur einen negativen Wert zuweist zu erklären. Farbe ist für PLATON, neben Form und Proportion, ein wichtiges Kriterium von Kunstwerken. Er fordert auch die Harmonie der Farben, jedoch gibt er keine eingehenderen Hinweise zur Frage, wodurch Farbharmonie zu Stande kommt. Auch sieht er sich außerstande, spezifischen Maßverhältnisse beim Mischen anzugeben: „Die [für die jeweiligen Farben] spezifische Mischverhältnisse der Mischung anzugeben, hat, auch wenn sich jemand zutraute, es zu wissen, keinen Sinn, denn es handelt sich um Dinge, für die niemand weder ein notwendiges Gesetz noch einen wahrscheinlichen Grund auch nur annähert richtig angeben könnte.“ So hinterließ uns PLATON eine besonders dürftige Farbordnung. (vgl. [7] GAGE, John, S. 26 ff, 64, 143 ff) ARISTOTELES dagegen, mit seinem weit stärker ausgeprägten Interesse am Experiment, hat eine wesentlich komplexere Sammlung von Schriften über die Farbe hervorgebracht. Seine philosophische Schule brachte die einzige theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Farbe hervor, die uns aus der Antike überliefert ist. ARISTOTELES hat in seinen Lehren wiederholt Bemerkungen zum Thema Farbe eingestreut, die sich jedoch teilweise nicht miteinander vereinbaren lassen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff) In seinem Werk „De anima“ vertrat er die noch lange nachwirkende Lehre, wonach das Licht dasjenige Medium ist, durch das Farbe erst gesehen werden kann. In seiner Abhandlung „De sensu et sensibili“ (Von der sinnlichen Wahrnehmung und ihren Objekten, 442a) erklärt ARISTOTELES, die Farben entstünden aus der Mischung von Licht und Dunkel, also aus den verschiedenen Abwandlungen des Lichtes durch die Dunkelheit. Darüber hinaus benannte er fünf zwischen Schwarz und Weiß angesiedelte Farben, die er als unvermischt ansah und in einer Skala nach der abnehmenden Helligkeit der Farben anordnete: Gelb, Karminrot, Violett, Lauchgrün und Tiefblau (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Farbtafel nach Aristoteles Die lineare Folge der Farben nach ARISTOTELES lässt sich im Verlaufe eines Tages beobachten: Das weiße Licht des Mittags wird erst gelblich und wechselt dann über Orange zum Rot. Wenn die Sonne untergegangen ist, wandelt sich das Abendrot über ein Purpurviolett zum Nachthimmel, der Tiefblau erscheint. Zwischendurch kann sich grünes Licht zeigen. Wahrscheinlich haben die wenigsten Menschen einen grünen Schimmer bei einem Sonnenuntergang gesehen, aber es gibt zahlreiche Fotografien, auf denen diese Komponente dokumentiert worden ist. ARISTOTELES neigte hier offenbar zu einem siebenfarbigen, von Schwarz bis Weiß reichendem Spektrum und brachte als erster das Farbsystem mit einem anderen System, 18 3.1 ANTIKE dem der musikalischen Harmonie in Verbindung. Er setzte sein siebenfarbiges Farbsystem in die Nähe der musikalischen Oktave. Diese hatte er zum Vergleich herangezogen, um die Methode zu veranschaulichen, nach der Farben durch Zahlenverhältnisse systematisch zu erzeugen seien. In der „Meteorologica“ (372 a) sagt ARISTOTELES von Rot, Grün und Purpur, es seien die einzigen reinen Farben, die nicht durch Mischung entstehen können. Rot sei der hellste Farbwert und scheine räumlich in den Vordergrund zu drängen, Purpur und Grün seien dunkler und treten in den Hintergrund. Violett galt als die dem Dunkel am nächsten stehende Farbe. Gelb schien ihm keine ursprüngliche Farbe zu sein, da es im Regenbogen durch den Rot-Grün-Kontrast erst hervorgerufen werde. Den Regenbogen erklärte ARISTOTELES als eine ungewöhnliche Spiegelung des Sonnenlichtes auf den Wolken. Diese Theorie hielt sich bis ins Mittelalter. Seine Schrift „Über die Farbe“ bietet nur wenige Variationen zum gleichen Thema, obgleich hier offenbar Weiß (die Farbe der Luft, des Wassers und der Erde) und Gold (die Farbe des Feuers) als Grund- und Hauptfarben gelten, während Schwarz schlicht zur Farbe der im Prozess der Umwandlung begriffenen Elemente wird. Auch hier ist im Endeffekt die Abwandlung des Lichts durch die Dunkelheit der Entstehungsgrund für die Farben: Rot gilt als das primäre Produkt einer derartigen Abwandlung. ARISTOTELES stellt die Forderung, dass man die Betrachtung über die Farben nicht vom praktischen Standpunkt aus angehen soll, wie ein Maler, der seine Malfarben anmischt. Vielmehr müsse man die Wirkung von mehreren Farben nebeneinander in der Anschauung studieren. ARISTOTELES stellt somit fest, dass Farben in Gegenwart bestimmter anderer Farben ihren Charakter verändern. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff, 26ff, 89 ff, 154 ff, 227 ff) Als schönste Farben und dem Auge am meisten gefällig galten ihm diejenigen, deren Mischung aus Weiß und Schwarz eine einfache Proportion (wie etwa 2:3, oder 3:4) zu Grunde liegt (wie zum Beispiel Scharlach oder Purpur). Weniger schön seien die Farben, die aus nicht zahlenmäßig bestimmten Mischungen hervorgehen. Im Großen und Ganzen sind die Ausführungen über das Wesen der bunten Farben durch die gleiche Unsicherheit gekennzeichnet wie jene PLATONS: „keine Farbe sehen wir aber rein wie sie ist, sondern entweder durch den Einfluss fremder Farben oder durch Licht und Schatten verändert; wir mögen daher einen Körper in den Sonnenstrahlen oder im Schatten sehen, bei starker oder schwacher Beleuchtung, bei dieser oder jener Neigung der Flächen; immer wird die Farbe anders erscheinen. Ebenso geschieht es bei Feuer-, Mond-, oder Lampenlicht; den ein jedes von diesen hat eine eigene Farbe. Wenn sie nun mit der Farbe des Körpers durcheinander spielt, so entsteht die gemischte Farbe, die wir sehen.“ ([7] GAGE, John, S. 12) Farbe ist also nach ARISTOTELES untrennbar verbunden mit Untergrund und Beleuchtung. In der Schrift „Über die Farbe“ fordert ARISTOTELES weiterhin, man solle „die Betrachtung über die Farben nicht in der Weise anstellen, dass man die Farben vermischt wie der Maler, sondern dadurch, dass man die zurückgeworfenen Strahlen von bekannten Farben nebeneinander sieht“. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff) Eine der anschaulichsten Ausführungen des ARISTOTELES über die Kontrastwirkung von Farbe ging aus seinen Beobachtungen zur Herstellung von Webstoffen hervor, die er in seinem Werk „Meteorologica“ beschreibt: „Die gleiche Farbwirkung ergibt sich auch bei bunten Stoffen; man kann es ja gar nicht ausdrücken, wie sehr der Farbeindruck in Geweben und Stickereien je nach der Zusammenstellung differiert, zum Beispiel wirkt Purpurrot ganz verschieden auf weißem oder schwarzen Wollstoff, bei dieser oder jener Beleuchtung. Darum versichern auch die Buntweber, dass sie, wenn sie bei Lampenlicht arbeiten, sich öfter in den Farben irren und die Falschen nehmen“. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff) 3.1 ANTIKE 19 Hier wird in bemerkenswert deutlicher Form das Problem umschrieben, das wir heute unter der Bezeichnung Metamerie kennen. Diese besagt, dass verschiedene Farbtöne unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch, unter einem anderen Licht aber unterschiedlich erscheinen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 12 ff) Die vielseitigen Betrachtungen griechischer Philosophen und Naturwissenschaftler zu den Ursachen und Wirkungen der Farben finden eigentlich erst in der Renaissance eine Fortsetzung. Es wird zwar auch nach der griechischen Antike von Farbe gesprochen, jedoch kommen keine wesentlich neuen Gesichtspunkte hinzu. Von den römischen Schriftstellern behandelte zum Beispiel PLINIUS die Entstehung der Farbe. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 14 f) 3.1.5 Farbe und Symmetrie PLINIUS DER ÄLTERE (23 - 79 n. Chr.) überlieferte die Schriften „Über die Symmetrie“ und „Über die Farbe“ des um die Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. tätigen Malers und Bildhauers EUPHRANOR. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Schriften ursprünglich zu einem Werk gehörten. PLINIUS zweiteilte also etwas, was im frühen griechischen Denken über die Farbe eine einzige Idee gewesen war. PLATON hatte in seinem Werk „Menon“ die Farben an sich als Ausflüsse der Körperoberfläche definiert, die beim Sehvorgang in die Poren im Auge hineinpassen: die Farbe selbst galt als eine Form des vergleichenden Messens („symmetros“), der Symmetrie. (vgl. [7] GAGE, John, S. 14) In der späteren Antike wurde der Begriff hauptsächlich als ein bildhauerisches Konzept verstanden, als Richtschnur für die Proportionsverhältnisse bei der menschlichen Figur. Die Stoiker betrachteten zur Zeit des PLINIUS sowohl Symmetrie als auch Farbe als die beiden elementaren, jedoch deutlich verschiedenen Bestandteile der Schönheit. Diese Darstellung beeinflusste, besonders in ihrer Überlieferung durch CICERO, in hohem Maße die Ästhetik des Mittelalters. Die Symmetrie war ein zahlenmäßig begründetes Konzept. Ebenmaß war nur denkbar im Sinne eines numerischen Verhältnisses zwischen einer bestimmten Anzahl von Teilen. Bis auf ARISTOTELES’ eher planlose Assoziierung der Farbe mit der musikalischen Oktave gab es in der Antike keinen Versuch, Farbe in zahlenmäßigem Sinn zu interpretierten. Der griechische Philosoph PLOTIN (205 - 270 n. Chr.) nahm aus diesem Grund die Farbe von der Kategorie der Schönheit aus: „Die schönen Farben, wie auch das Licht der Sonne, da sie einfach [nicht teilbar] sind und ihre Schönheit also nicht auf Symmetrie beruhen kann, bleiben vom Schönsein ausgeschlossen. Und das Gold, wie kann es da noch schön sein, und das Funkeln der Nacht…?“ ([7] GAGE, John, S. 14) In dieser Sicht PLOTINs wirkt die Anschauung seines Lehrmeisters PLATON nach. Es sind zwar keine Gemälde erhalten, aber der Hinweis auf den Poseidon von EUPHRANOR in einem Text des ersten nachchristlichen Jahrhunderts spricht von dessen „ganz außerordentlicher Strahlkraft“. Es war diese als die Wirkung reflektierenden Lichts verstandene Strahlkraft, der Glanz der Farben, der für den antiken Betrachter ihren wichtigsten Reiz ausmachte. (vgl. [7] GAGE, John, S. 14) PLINIUS DER ÄLTERE selbst greift neben EUPHRANOR auch auf griechische Quellen zurück und spricht sich lobend über den Maler PARRHASIOS (400 - 388 vor Chr.) aus. Er habe in der Malerei die „Regeln der Symmetrie“ übernommen und die Körperumrisse so wiedergegeben, dass „die verborgenen Formen sichtbar geworden seien“. ([32] SPITERIS, Tony, S. 9) Diese Epoche kann als Krisenzeit der griechischen Malerei bezeichnet werden. Der griechische Maler ZEUXIS ist der große Gegner von PARRHASIOS. Er verlässt den von den Vorgängern eingeschlagenen Weg und folgt der Theorie des ARISTOTELES in der 20 3.1 ANTIKE Darstellung einer vollkommenen Schönheit. Im Gegensatz zu PARRHASIOS stellt ZEUXIS die sinnliche Wahrnehmung höher als die intellektuellen Werte, die Erscheinung höher als die Idee. Er bemüht sich, eine Person als Persönlichkeit darzustellen. Sein Ziel war es weder, sie zu einer Abstraktion zu steigern, noch zu einem bloßen materiellen Ding zu degradieren. Das Werk ZEUXIS’ wird als Beispiel für vollkommene Mimesis genannt. (vgl.[32] SPITERIS, Tony, S. 9) 3.1.6 Farbenlehre zur Zeit PLINIUS Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich die Theoretiker in den Techniken der Monumentalmalerei auskannten. Die Verwendung einer halbtransparenten Lasur in der Wandmalerei ist bereits 1400 v. Chr. in Knossos bezeugt. Wesentlich später war es in Pompeji in den wichtigsten Farbschemata zur Regel geworden, für Rot eine schwarze, rosarote, braune oder graue Untermalung zu verwenden. PLINIUS beschrieb eine Reihe von roten und blauen Untergründen, die verwendet wurden, um mit dem billigsten Purpurpigment die glänzenste Wirkung zu erzielen. (vgl. [7] GAGE, John, S. 15) Zu den Farben äußert sich PLINIUS wiederholt. Er teilt sie in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe nannte er die Colores floridi, das heißt die blühenden, leuchtenden Farben. Die zweite Gruppe waren die colores austeri, das heißt die herben, gedämpften Farben. Als Beispiele für blühende Farben benannte er Zinnoberrot (minium), Azurblau (armenium), Drachenblutrot (cinnabaris) und Malachitgrün (chrysocolla), aber auch Indigoblau (indicum) und leuchtendes Purpur (purpurissimum). Sie zählen zu den buntesten, reinsten Farben mit der größten Leuchtkraft, die damals als Pigmente verfügbar waren. Ihre Verwendung in der zeitgenössischen Malerei schien PLINIUS übertrieben und zu prunkhaft zu sein, weswegen er sie ablehnte. Im Gegensatz dazu bevorzugt PLINIUS Farben, deren Leuchtkraft verringert und deren Reinheit gedämpft ist. Er führt als Beispiel zwei Erdpigmente an: den Rötel (rubrica) sowie die sinopische Erde (sinopis). Von PLINIUS ist auch das wichtigste Zeugnis einer theoretischen Einwirkung auf die Malpraxis überliefert. Er ist der Meinung, dass die besten griechischen Maler mit vier Farben ausgekommen seien: "Quattuor coloribus solis immortalia illa opera fecere - es ex albis Melino, e silacis Attico, es rubris Sinopide Pontica, ex nigris atramento - APELLES, Aetion, Melanthius, Nicomachus, clarissimi pictores ..." ("Nur allein mit Hilfe von vier Farben, der melischen unter den weißen, der attischen unter den gelben, der sinopischen vom Pontus unter den roten, und dem Atrament unter den schwarzen Farben fertigten die hochberühmten Maler APELLES, AETION, MELANTHIOS, und NICOMACHOS jene unsterblichen Werke, welche einzeln für das Vermögen ganzer Städte verkauft wurden. Jetzt, wo der Purpur die Wände einnimmt, (...), ist der Ruhm der Malerei erloschen."). ( [7] GAGE, John, S. 18) PLINIUS führte den bekanntesten aller griechischen antiken Maler, APELLES, der seine Hauptwerke um 330 - 320 v. Chr. schuf, als Vorbild an. Zu dieser Zeit, habe man mit nur vier Farben besser gemalt als heute mit einer Vielzahl bunter Farben. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Maler sich tatsächlich nur dieser vier Pigmente bedient hätten, oder gar, dass dies die Grundfarben seien, aus denen sich alle anderen ermischen ließen. Die Farbpaletten griechischer und römischer Künstler waren keineswegs, wie lange angenommen auf vier Farben (Weiß, Schwarz, Rot und Gelb) begrenzt. So lassen Werke aus frühen Jahrhunderten wie die Wandmalerei „Grab der Taucher“ aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. (vgl. Abbildung 3) eine reiche Farbenvielfalt erkennen, die auch leuchtendes Blau einschließt. (vgl. [7] GAGE, John, S. 18) Demnach ist aus der Kunstgeschichte die Verwendung blauer Pigmente bei den Malern der Antike wohl bekannt, obwohl diese Farbe in den Lehren über die Grundfarben gar 3.1 ANTIKE 21 keine Rolle spielte. Doch war die Idee von den vier Grundfarben zur Zeit des PLINIUS wohl eine allgemein verbreitete Lehrmeinung, die nicht zuletzt auf die seit HIPPOKRATES bekannte Zuordnung von Farben zu den vier Elementen und den vier menschlichen Temperamenten zurückging. (vgl. [7] GAGE, John, S. 4 ff, 25ff, 29 ff, 108 ff) Abbildung 3: Grab der Taucher, Paestum (Detail), 5. Jahrhundert v. Chr. Der römische Arzt GALEN (um 129 - 199 n. Chr.) sah die Farben mit dem Auge eines Mediziners. Als Arzt wusste GALEN zum Beispiel über die Maler von Miniaturen zu berichten, dass sie, falls die Augen vom angestrengten Sehen auf das weiße Pergament und die bunten Farben ermüdet sind, zum Ausgleich auf ein in ihrem Sichtfeld angebrachtes graues oder dunkles Farbfeld sehen, um ihre Augen wieder zu regenerieren. GALEN ging in seiner Farblehre von medizinischen Lehrsätzen des antiken Arztes HIPPOKRATES aus, welche die antike pseudophysiologische Temperamentenlehre berührten. Er brachte sie mit der vier-Farben-Lehre des EMPEDOKLES zusammen. In GALENS Theorie wurden die vier „humores“, die so genannten Grundsäfte des menschlichen Körpers (Blut, Schleim, Gelbe Galle, Schwarze Galle) mit den vier Elementen und den vier Grundfarben zusammengebracht. Danach ergaben sich die in Abbildung 4 folgenden Entsprechungen. Als GALENS Auslegungen der Hippokratischen Lehre in der ganzen römischen Welt bekannt wurden, entstanden die meisten Mumienporträts (der eindrucksvollste Bestand antiker Porträtmalerei), die für die Farbe der Haut eine ähnlich begrenzte Palette verwendeten. (vgl. [7] GAGE, John, S. 29, 30, 61) 3.1.7 Glanz und Bewegung Betrachtet man die Techniken der Malerei und der Mosaikarbeit, die in der römischen Antike entwickelt wurden, so erkennt man, dass auf den Effekt des Glanzes großen Wert gelegt wurde. Die bemalten Wände von Pompeji wurden so lange poliert, bis sie wie Spiegel glänzten. Die Fußböden von Pergamon und Morgantina wurden abgeschliffen, gewachst und poliert, nicht nur um die Farbe hervortreten zu lassen, sondern auch, um eine hochreflektierende Oberfläche zu erzeugen. Der angestrebte Effekt hatte sicherlich Ähnlichkeit mit den Werken des APELLES, der nach PLINIUS’ Darstellung „seine vollendeten Werke mit einer dünnen Lasurschicht überzog, dass diese 3.1 ANTIKE 22 Grundsaft Temperament Element Farbe Blut Sanguiniker (Lebhaftigkeit, Heiterkeit) Luft Rot Gelbe Galle Choleriker (Leidenschaft, Reizbarkeit, Jähzorn) Feuer Gelb Wasser Weiß Schleim Schwarze Galle Phlegmatiker (Langsamkeit, schwer anzusprechen, Durchhaltevermögen) Melancholiker (Genialität, aber auch Neigung zu Depression oder Manie) Erde Schwarz Abbildung 4: vier-Farben-Lehre nach GALEN infolge des Zurückstrahlen des Glanzes einen anderen Farbton hervorrief“. Zugleich habe er „mit großer Berechnung [bewirkt], dass der Glanz der Farbe das Auge nicht schmerze, indem man sie wie durch einen Spiegelstein sah, und das aus der Ferne der gleiche Kunstgriff den all zu leuchtenden Farben unvermerkt einen tieferen Ton verlieh“. ([7] GAGE, John, S. 16) Der Effekt einer gleichzeitigen Intensivierung und Dämpfung der Farbe auf einer Oberfläche je nach dem wechselnden Blickwinkel eines sich bewegenden Betrachters ist derselbe, der durch Polieren bewirkt wird. Die Römer hatten, wie die Ausführung des PLINIUS über APELLES andeutet, ein fein ausgeprägtes Gespür für Lichtwirkung auf Bilder. So schrieb etwa der römischer Architekt, Ingenieur und Schriftsteller VITRUV im ersten Jahrhundert v. Chr. für Bildergalerien Nordlicht vor, dass eine gleichmäßige Beleuchtung garantiere. Ein Interesse an Schimmern oder Glanz in farbigen Gegenständen und in der Malerei spiegelt sich auch in bestimmten Farbpräferenzen der Spätantike wieder. Die eindeutig am meisten geschätzte Farbe war Purpur, der kostbarste Farbstoff der Antike. PLINIUS und PHILOSTRAT schrieben die Schönheit des Purpurs seinem Oberflächenglanz zu: „Obgleich die Farbe dunkel wirkt, erlangt sie im Sonnenlicht einen besonderen Reiz, und sie wird erfüllt von der Leuchtkraft der Sonnenwärme“. ( [7] GAGE, John, S. 16) Die Farbe Rot signalisierte seit frühester Zeit und in den verschiedensten Kulturen das Göttliche und galt als Farbe der Sonne. ARISTOTELES lokalisiert Rot in seiner Farbenskala direkt neben Licht. Licht stand wiederum in engem Zusammenhang mit Leben. Außerdem war Licht seit mykenischen Zeiten ein Zeichen der göttlichen Manifestation. (vgl. [7] GAGE, John, S. 16 ff) 3.1 ANTIKE 23 3.1.8 Wichtigkeit der Farbe Die Farbe in der Malerei hatte für die Gelehrten der Antike einen zutiefst zweideutigen Status. Auf der einen Seite stand sie für das Nebensächliche, das rein Dekorative und Illusorische andererseits aber war es die Farbe, die der Malerei Leben und Wahrhaftigkeit verlieh. Diese Antithese war bereits offenkundig bei ARISTOTELES, in dessen „Poetik“ sich der Satz befindet: „Wenn jemand mit den schönsten Farben, aber sinnlos etwas anstreicht, kann er nie die schöne Wirkung erzielen wie eine Zeichnung mit weißem Stift.“ (GAGE, John, S. 15) PLATON spricht dagegen im „Politokos“ von einer „Darstellung, die zwar, was den äußeren Umriss anlangt, fertig zu sein [scheint], aber gleichsam der sprechenden Lebendigkeit des Ausdrucks noch ermangelt, die erst durch Farben und ihre harmonischen Abtönung zu erreichen ist“. (GAGE, John, S. 15) Sogar der Dichter PHILOSTRAT (2.-3. Jahrhundert nach Chr.), der über die reine Mimesis hinaus die Möglichkeit einer Nachbildung nur mit dem Geiste in der Kunst postulierte, zog einen Vergleich zwischen den zu kosmetischen Zwecken verwendeten Farben und den Farben der Malerei, die der Nachahmung dienten: „Denn wenn dies nicht ihre Absicht ist, dann ist es lächerlich, Farben ohne Sinn zu mischen“. (GAGE, John, S. 15) Doch die Farbe, fuhr er fort, sei nicht einmal unentbehrlich für die Nachahmung, denn die Wirklichkeitsnähe ließ sich, sofern die Zeichnung gut war, auch in einer einfarbigen Darstellung erzielen: „Der Inder [wird uns] auch schwarz erscheinen, wenn wir ihn mit weißen Linien zeichnen, verleihen doch die platte Nase, die steif aufgerichteten Locken, die auffallende Kinnpartie und das gewisse Staunen im Blick dem Bild eine schwarze Färbung…“ (GAGE, John, S. 15) Der griechische Schriftsteller PLUTARCH (45-125 n. Chr.) brachte im ersten Jahrhundert n. Chr. die klassische Sicht in einem Paradoxon auf den Punkt: „Ebenso wie in Bildern die Farbe anregender ist als die Linienzeichnung, weil sie lebensecht ist und eine Illusion erzeugt, so wirkt in der Dichtung die Unwahrheit in Verbindung mit Glaubwürdigkeit einprägsamer und bereitet mehr Freude, als das in Metrum und Sprache äußerst kunstvolle Werk, dass aber der Fantasie und Erfindung ermangelt“. (vgl. [7]GAGE, John, S. 15) Für die alten Gelehrten war Farbe, sofern sie nicht eindeutig schädlich war, nicht unabdingbar für die darstellende Malerei. Als das Wesentliche der hellenistischen Kunst ist nicht so sehr der Gebrauch der Farbe angesehen worden, sondern vielmehr die Meisterschaft in der Konturenzeichnung. Diese Ansichten sowie die Idee der Vierfarbenpalette nach PLINIUS scheinen jedoch nicht ganz der Realität in den Malerwerkstätten entsprochen zu haben. Nachweislich benutzten Maler in Pompeji Farbpaletten mit bis zu 29 verschiedenen Farbpigmenten. Dies ist wiederum ein Nachweis dafür, dass Praxis und überlieferte Theorie nicht immer deckungsgleich sind. (vgl. [7]GAGE, John, S. 15) 3.1.9 Zusammenfassung Antike Es sind eher verschwommene Vorstellungen von Farbe, die die Antike der Nachwelt zur Verfügung stellt. Die griechische und römische Antike überliefert eine Reihe von zwiespältigen Vermutungen über Farbe. Auf der einen Seite ist sie bei der Abbildung etwas rein Dekoratives und somit Nebensächliches, auf der anderen Seite liegt ihre Bedeutung jedoch darin, dem Abbild Leben und Wahrheit zu verleihen. Farbe gilt als eine Art Vermittler, der die Härte der Umrisse weich macht. ARISTOTELES erläutert in seinem Mimesis-Gedanken, dass das Abbild seine völlig eigene Realität schafft. Es stellt sich die Frage, ob nun die Abgrenzung zur Wirklichkeit gegebenenfalls durch den Einsatz von Farbe stattfinden kann. 24 3.2 MITTELALTER Sicher ist jedoch, dass dem Verhältnis von Licht und Schatten, dem Helldunkelwert wesentlich mehr Bedeutung zugesprochen wurde, als der Farbe an sich. Farbe und Licht sind nach antiker Sicht untrennbar miteinander verbunden, so wurde der Farbeindruck in antiken Mosaiken durch das Polieren von Mosaiksteinen bewusst intensiviert oder gedämpft. Bereits APELLES riet, den Steinen, die entfernter wirken sollten einen tieferen Ton zuzuschreiben. Darin lassen sich bereits erste Ansätze der Farbperspektive der Renaissance erkennen. Auch wurde der Begriff der Metamerie geprägt, welcher besagt, dass verschiedene Farbtöne unter Einwirkung eines bestimmten Lichts identisch, unter einem anderen Licht aber unterschiedlich erscheinen können. 3.2 Mittelalter Die europäische Malerei des Mittelalters findet zwischen dem Ausgang der Antike und dem Aufkommen der Tafelmalerei in drei Hauptrichtungen jeweils eine neue Einheit zwischen Farbe und Licht: in den frühchristlichen Wand- und Deckenmosaiken (seit Mitte fünften Jahrhundert), in der Einführung des Goldgrunds, und in der Schöpfung des Glasfenster mit dem Beginn der Gotik. Die Besonderheit der Farbwirkung in diesen drei Fällen liegt darin, dass die unmittelbare Einbeziehung des realen physischen Lichts zur Grundbedingung des Erscheinens von Farbe gemacht wird. Damit wird ein Hauptproblem für die nachmittelalterliche Malerei gelöst: die Wiedergabe von Licht durch Farben. Das Licht selbst ist real anwesend und lässt Farbe entstehen oder unterstützt durch seine Gegenwart Tendenzen in der Farbe und den Farbzuordnungen. Dass das reale Licht Grundbedingung des Erscheinens von Farbe wird, ist Folge einer neuen metaphysischen Qualifikation des Lichts: „Die Lichtspekulation des Mittelalters nutzt den Lichtbegriff nicht nur, um das Erkennen des Geistes zu klären, sondern auch um das Sein näher zu bestimmen, das absolut göttliche Sein wie den Hervorgang der endlichen Dinge aus ihm“. ([29] SCHÖNE, Wolfgang, S.58) Im gleichen Zeitraum entstand die Farbsymbolik der mittelalterlichen Kunst. Farben der Erfahrungswelt wurden dabei zu so genannten Vorstellungsfarben. Der mittelalterliche Farbstil ist gekennzeichnet durch eine symbolische Qualifikation. Besondere Merkmale der Farbe im Mittelalter sind unter anderem eine begrenzte Farbskala, die Wahl reiner, abstrakter Farben mit dem Übergewicht ihres Eigen- und Ausdruckswertes über die darstellenden Funktionen und die Berücksichtigung des farbigen Eigenlichtes einer Farbe. Dieses Eigenlicht ergibt sich zum Beispiel aus spezifischen Helligkeiten und Dunkelheiten dieser Buntfarben oder aus der Wechselwirkung mit dem Goldgrund und der Angabe von Modellierungshelle auf den dargestellten Körpern. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 1 ff) Allgemein wurde Maria beispielsweise im blauen Mantel und roten Gewand dargestellt, während Petrus häufig in blau und weiß abgebildet wurde. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S.16) Die Einschränkung der Farbskala auf abstrakte, unbewegte Buntwerte ist das Ergebnis einer Entwicklung der Farbgestaltung seit der späten Antike (circa seit dem vierten Jahrhundert nach Chr.). Sie findet ihren Höhepunkt in römischen Malereien und Mosaiken des sechsten bis neunten Jahrhunderts und in der ottonischen Buchmalerei. FRITZ HAEBERLEIN wies dazu in seiner Untersuchung „Grundzüge einer antiken Farbenikonographie“ nach, dass mit dem Ende der Antike und der Entstehung der christlichen Glaubenswelt die Farbigkeit der Mosaike und Buchmalerei eine Wandlung erfährt. Seit dem Späthellenismus (30 vor Chr.) werden aus dem freien Farbenreichtum Farben heraus genommen, die Verbleibenden vereinfacht und mit neuen Bedeutungen 3.2 MITTELALTER 25 belegt. Sie bilden so genannte Farbvokabeln, die als feste Formeln in die Bildsprache des frühen und hohen Mittelalters übernommen wurden. Auch die farbige Wiedergabe der Dinge ändert sich. Sie werden zu farbigen Zeichen und haben mit der eigentlichen Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. So werden zum Beispiel blaue oder goldene Himmel mit rosa Wölkchen versehen. Diese so genannten Vorstellungsfarben entstammen einer Erfahrungswelt beziehungsweise Naturbeobachtungen. Die Öffnung der mittelalterlichen Farbe in ein Licht, das sie erweckt, bildet einen strikten Gegensatz zur Farbe der antiken Malerei. Hier ist das Bildlicht mit der Farbe identisch. Oft kommt ein weißer Grund als Basis der gesamten Buntfarbigkeit zum Einsatz und stärkt somit ihre Buntkraft. Es gibt weder Finsternis noch unfarbige Dunkelheit, denn das Dunkel ist immer auch Farbe, auch das Schwarz der Bildhintergründe. So folgt die Farbgestaltung dem so genannten koloristischen Prinzip. Farben sind durch Intaktheit, Eindeutigkeit und Vitalität bestimmt. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 3 ff) 3.2.1 Mosaike Wie bereits erwähnt, erfuhr die mittelalterliche Farbgestaltung im Mosaik ein neues Farb-Licht-Verhältnis. Dabei war auch die Art der Farbzuordnung von großer Bedeutung. Ein Grund für den Einsatz von Mosaiken als Kunstform ist dessen Intensivierung der Farbwirkung mittels Aufteilung des farbtragenden Materials. Damit ist gemeint, dass durch das Nebeneinandersetzen farbiger Mikroelemente und deren optische (nicht pigmentäre) Mischung eine Steigerung der Farbigkeit erzielt wird. Diese Methode wurde von den Malern des 19. Jahrhunderts als Divisionismus bezeichnet. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 5) Der Mathematiker und Geograf PTOLEMÄUS legte im zweiten Jahrhundert nach Chr. das theoretischen Fundament für die optische Mischung. Seiner Analyse nach gibt es zwei Ursachen für die optische Verschmelzung. Die erste Ursache sieht er in der Entfernung. Der von winzigen Farbtupfern ausgehenden Lichtstrahlen ist zu gering, um vom Auge getrennt wahrgenommen zu werden, weswegen zahlreiche verschiedene Punkte zusammen gesehen wie ein und dieselbe Farbe wirken. Die zweite Ursache ist die Nachwirkung des Lichteindrucks im Auge. Im Zuge derer legt sich bei der Beobachtung eines sich bewegenden farbigen Objekts eine Art Nachbildung über das fortlaufende Bild. PTOLEMÄUS untersucht auch andere Beispiele optischer Mischung, so zum Beispiel die Intensitätssteigerung benachbarter Farbflecken durch Kontrastwirkung, beziehungsweise die Abdämpfung ihrer Ränder durch Farbstreuung. Beispiele für die Anwendung der ptolemäusschen Untersuchungen finden sich unter anderem in dem leuchtenden Zinnoberrot der frühen Mosaiken des römischen Typs, das häufig in und um Hauptpartien herum eingefügt wurde. Dieses Rot wirkt nicht als Schlaglicht, sondern verleiht der Haut einen wärmeren Farbton. (vgl. Abbildung 5). (vgl. [7] GAGE, John, S. 42 f) 3.2 MITTELALTER 26 Abbildung 5: Rom, Prassede, Cappella di S. Zeno, Detail des Gewölbemosaiks. 9. Jahrhundert Viele Maler des 19. und 20. Jahrhunderts sind der Auffassung, dass die zerlegte, in mehr oder minder regelmäßige Stücke aufgespaltete Farbe reicher, belebter wirkt als die homogen gegebene. Jedoch wird lediglich die Suggestion eines über der Farbwelt der Bilder gelagerten Filters von universalem Licht erreicht. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 5) Der Divisionismus ist somit die Grundlage für die Verbreitung von Mosaiken ab dem fünften Jahrhundert nach Chr., da die Wirkung bei Mosaiken nicht nur auf den Farben als solchen beruht, sondern vor allem auf dem durch die Art der Zusammenfügung erzeugten Lichtschleier. Mit Hilfe dieses Lichtschleiers wird der Anschluss der Farbe an das überirdische Licht gesucht. Diese Lichtwirkung ergibt sich nicht nur durch optische Mischung im Auge, sondern auch durch die besondere Anordnung der einzelnen farbigen Kuben. Bei Mosaiken liegt keine glatte Oberfläche vor und die leicht unregelmäßigen Neigungswinkel reflektieren das Licht in vielfältiger Weise. Jedes Farbstück wirkt als eigener Lichtbrecher. Es entsteht der Eindruck, sie wären selbst Quelle des Lichts. Auch in einer dunklen Umgebung scheinen Mosaike Licht auszusenden. Die damaligen Beleuchtungsquellen (Lampen, Kerzen) waren viel milder und beweglicher als die heute üblichen, und der Betrachter wurde durch die stete Veränderung des Lichts zur Bewegung gezwungen. Durch die optische Mischung entsteht plastische Wirkung. Im siebten und achten Jahrhundert vollzieht sich in der Mosaikkunst eine allmähliche Vereinfachung in der Verwendung von Farben durch die Entwicklung von der Plastizität zum Flächenstil. Farben heben sich nun in großen, geschlossenen Farbfelder mit Klarheit und Stärke voneinander ab. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 5 ff) 3.2 MITTELALTER 27 3.2.2 Gold Gold füllt im Farbensystem der nachantiken Kunst eine bedeutende Rolle aus, da es als Metallfarbe eine dreifältige Wirkung besitzt. Es erzeugt Licht, ist Farbe, und gleichzeitig eine kostbare Materie. Ursprünglich wurde Gold als lichtenzündendes Mittel, als Funke in die Mosaikfarben eingestreut. Später wurde es in flächiger Ausbreitung, erst als Streifen und dann als Bildgrund verwendet. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 7) Nach SCHÖNE ist der Goldgrund „als Spender eines irrealen Lichtglanzes auf die Phänomene des Raumes und der Fläche hin offen“. ([29] SCHÖNE, Wolfgang, S.25) Die Farbe Gold besitzt jedoch nicht nur Materiecharakter sondern nach DAVID KATZ auch einen „Raum“-Gehalt, denn im Glanz öffnet sich die Materie des Metalls in den Raum: „Das Glanzlicht besitzt beim Metallglanz zuweilen den Charakter einer gewissen, den Raum füllenden Dicke“. Aber „die Metalle erscheinen auch in ihren nicht- oder mattglänzenden Teilen nicht wie einfachen Oberflächenfarben. Wir nehmen zwar die Oberfläche von Metallflächen wahr, ihre Farbe scheint aber hinter dieser Oberfläche zu sitzen; man glaubt, ähnlich wie bei der Flächenfarbe, in die Farbe des Metalls hinter seiner Oberfläche eindringen zu können. Das Besondere des Metallglanzes liegt demnach weniger in dem isolierten Farbeneindruck der glänzenden Teile, als in der „Farbgestalt“, die sie eingehen mit den nichtglänzenden Teilen des Metalls.“ ([16] KATZ, David, S. 34) Das Bildgold des Mittelalters tritt in zwei Formen in Erscheinung: glänzend und stumpf. Es zeigt einerseits seinen Lichtcharakter, auf der anderen Seite seinen Gelb- und Materiegehalt. Diese Doppelnatur kann man auch in den Goldpartien von Mosaiken beobachten. DITTMANN schlussfolgert, dass durch die Ausbildung der Wand- und Deckenmosaike sowie der Schöpfung des Goldgrundes im frühen Mittelalter offensichtlich wird, dass für die bildnerischen Phantasie frühmittelalterlicher Maler die Farbe „ihre letztmögliche Aussagefähigkeit nicht aus sich selbst, sondern erst in Wechselwirkung und Durchdringung mit dem realen ‚äußeren’ Licht entfalten konnte“. Erst im Augenblick der Begegnung dieses Lichtes mit dem stofflichen Farbträger (den Glaswürfeln des Mosaiks oder den Metallblättchen des Grundbelags) „kommt Farbe durch die Entzündung an der Materie zustande. Hierbei ist der Ort dieses Ursprungs von entscheidender Bedeutung für die jeweilige Wirkungsweise der Farbe.“ DITTMANN meint weiter, dass Licht auftreffend auf ein Mosaik aus der facettierten Oberfläche der Kuben eine der Bildwelt entrückte Flimmerwirkung erweckt. Gleichfalls auftreffend erweckt es „in dem (materiell gegebenen) Gold erst dessen Farbigkeit zum Glanze und verleiht zugleich seiner farbigen Komponente, seinem ‚Gelbwert’, den so schwer bestimmbaren Charakter einer allseitig grenzenlos offenen Sphäre, eines ‚Glanzraumes’…“ (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 8 ff) 3.2.3 Glasfenster Die Glasmalerei erfuhr im Mittelalter ihre bis dahin höchste Blüte. Es wurden vor allem reine und kräftige Farben wie Blau, Türkis, Grün, Purpur und Gelb verwendet. Die Figuren sind zumeist nebeneinander angeordnet und es wird nicht beabsichtigt, einen Raumeindruck entstehen zu lassen. Diese Art der Darstellung ist charakteristisch für die mittelalterliche Bildgestaltung. Der flächige Charakter wird auch durch mehrere hintereinander stehenden Gruppen nicht in Frage gestellt, da diese in Schichten übereinander dargestellt werden. Die Farbe dient hier zur Unterstreichung und Klarstellung fest umrissener Flächen oder hat auch rein symbolischen Wert. Es treten keine wesentlichen Abstufungen innerhalb einer Farbe auf. Nicht nur in der Glasmalerei 3.2 MITTELALTER 28 sondern allgemein in der mittelalterlichen Kunst war der Wille zur Abstraktion und Flächigkeit zu finden. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S.16) Beim Glasfenster wirkt das Licht nicht von vorne auftreffend sondern von rückwärts durchdringend. Das Fenster durchscheinend, erweckt es die Farbe und steigert den Buntwert so, dass die Eigenhelligkeit der einzelnen Farben als solche gegenstandslos wird. Finsternisfarben wie zum Beispiel Blau werden oft in ihr Gegenteil gekehrt. Mit der Erweckung der Farbe durch das Licht unterzieht sich auch das Licht einer Wandlung, indem es seinen irdischen Charakter verliert und aufhört, weißes Tageslicht zu sein. Glasfensterlicht entfaltet jedoch erst dann seine volle Wirkung, wenn ihm die Vorstellung eines absoluten Dunkel entgegengesetzt wird wie zum Beispiel dunkle Innenräume. Das Dunkel begrenzt somit Licht und Farbe. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 10 f) Im Allgemeinen fiel im frühen Mittelalter der Dunkelheit eine positive mystische Bedeutung zu. Kirchen waren dunkel, es gab wenig Fenster. Es wurde damit gerechnet, Bilder und Mosaike bei künstlichem Licht wie Kerzen und Lampen zu betrachten. Erst mit Beginn der gotischen Glasmalerei im 13. Jahrhundert nahm die Anzahl von Fenster in Kirchen zu. Die Beziehung zwischen Farbe und Licht wurde zwar diskutiert, allerdings herrschte auch hier eine allgemeine Übereinstimmung darüber, dass Farbe bestenfalls ein untergeordnetes Attribut des Lichtes, oder genauer gesagt dessen materiellster Aspekt sei. Abbildung 6: Glasfenster in St. Denis (Detail), um 1140 3.2 MITTELALTER 29 Im Mittelalter wurden Abhandlungen über das Sonnenlicht verfasst, wie die des irischen Theologen und Philosoph JOHANNES SCOTUS ERIUGENA (810 - 877 n. Chr.). Diese besagt, dass das Sonnenlicht heller wird, nicht je näher es an seiner Quelle ist, sondern je näher es der Erde kommt, da es durch die Vermischung mit den stofflichen Dämpfen der materiellen Welt überhaupt erst von den physischen Sinnen wahrgenommen wird. Folglich war das Licht des fernen Himmels auf einer rein physischen Ebene zugleich auch Dunkelheit. So ließ der Abt der karolingischen Kirche St. Denis Suger im nördlichen Umland von Paris farbige Glasfenster einbringen (vgl. Abbildung 6): „Das leuchtende Dunkel der Sugerschen Fenster in Saint-Denis war ein vollkommener Ausdruck der göttlichen Präsenz in seiner Kirche. Lag es nicht nach ISIDOR SEVILLA gerade in der Natur des Glases, dass es zu gleicher Zeit verhüllt und sichtbar macht, weshalb es der Abt Suger für sein ikonographisches Programm anbot?“ (vgl. [7] GAGE, John, S. 69 ff) 3.2.4 Veröffentlichungen zur Farbe JOB VON EDESSA (neuntes Jahrhundert nach Chr.) tritt in seinem „Buch der Schätze“ in der Lehre von den Farben die Nachfolge griechischer Philosophen an. Seine Farbenlehre in diesem Buch ist weitgehend griechisch. Schwarz und Weiß waren Primärfarben, Rot, Safrangelb, Grün und Goldgelb Zwischenfarben. Die Buntfarben wurden mit den Elementen assoziiert: Weiß mit trocken und Schwarz mit feucht. Das Auge selbst barg schwarz und weiß und folglich sämtliche bunten Farben. Im Zuge des Islams bildete sich im achten Jahrhundert nach Chr. in der arabischen und asiatischen Welt eine nicht minder selbstbewusste und ausdrucksstarke Kultur heraus (vgl. Abschnitt 3.5). Der islamische Philosoph und Arzt AVICENNA (980 - 1037 nach Chr.) untersuchte das Verhältnis von Tonwerten und Spektralfarben. Er konnte dies jedoch nur in Form einer Folge getrennter Stufen zwischen Schwarz und Weiß für jede einzelne Buntart und für Grau beschreiben. (vgl. [7] GAGE, John, S. 63 f) AVICENNA hatte erkannt, dass jeder einzelne Farbton eine Vielzahl von Abstufungen umfasst, die sich nur in der Helligkeit unterscheiden. Neben der Abfolge von Weiß über alle Grauwerte zum Schwarz werden in der aus dem zwölften Jahrhundert stammenden lateinischen Übersetzung seiner Werke drei Farbreihen herausgestellt: „Die erste reine Skala der Unbuntarten, die über ‘subpallidum’ und ‘pallidum’, eine zweite die über Fahlrot (‘sunrubeus’) und Rot, und eine dritte, die über Grün und Indigo führte." AVICENNA bestreitet, dass die Farbe in der Dunkelheit weiter besteht. (vgl. [7] GAGE, John, S. 64) Zusammen mit dem islamischen Naturforscher, Physiker und Mathematiker ALHAZEN (965-1038) kümmerte sich AVICENNA um die Klärung des Verhältnisses zwischen Licht und Farbe. Licht war dabei der wesentlich wichtigere Faktor. ALHAZEN jedoch unterschied Licht von Farbe und gestand der Farbe eine gewisse Autonomie zu. ALHAZEN ist im Gegensatz zu AVICENNA der Meinung, dass Farben in der Dunkelheit bestehen, aber nicht auf das Auge wirken können. Er war um 1000 der Verfasser der umfassendsten Abhandlung über die Optik im Mittelalter. Er begründete die Erforschung subjektiver Farbphänomene so zum Beispiel mit der Kontrastwirkung der Farben. ALHAZEN beschrieb hierbei scheinbare Helligkeitsunterschiede, die bei der Betrachtung der gleichen Farbe auf verschiedenfarbigen Hintergründen zu sehen sind, beobachtete aber nicht die typischen Farbverschiebungen aufgrund des farbigen Nachbildes. Mit Farbmischungen auf einer sich schnell drehenden Scheibe experimentierte ALHAZEN wohl als erster, wobei er feststellte, dass die hellere Farbe die dunklere überflutete (Optica, I, 31 und II, 19 f.). ALHAZEN erklärte erstmals die Gesetze der Reflexion des Lichtes. (vgl. [7] GAGE, John, S. 64) 30 3.2 MITTELALTER 3.2.5 Farbsprache des Mittelalters Während des gesamten Mittelalters fand der auf die Antike zurückgehende Gedanke, dass Rot die Farbe des Lichts sei, weiterhin in der Kunst seine Bedeutung. Mittelalterlich Maler interessierten sich weniger für klar definierte Einzelfarben, sondern mehr für eine übergeordnete Farbklasse. Dabei wurden sowohl Rot als auch Blau als die Farben des profanen Lichts und Dunkels angesehen und entsprechend verwendet. Im Gegensatz zum heutigen Farbempfinden galt Gelb jedoch als besonders harmonische Farbe. (vgl. [7] GAGE, John, S. 79) Im Mittelalter war die Beziehung zwischen Rot und Grün am engsten, weil beide als Mittelglied der Farbenskala galten. Schönheit und Harmonie nach mittelalterlichem Verständnis lag im Mittelweg zwischen den Extremen. In der Kleidung war die Kombination Rot-Grün am beliebtesten, besonders im nördlichen Europa. Dabei ist jedoch nicht geklärt, ob diese Paarung in erster Linie auf ästhetische oder ökonomische Gründe zurück zuführen ist. Bekannt ist jedoch, dass Stoffe dieser Farben im 14. Jahrhundert bei weitem teurer waren, als blau gefärbte Stoffe. Es ist schwierig, die Farbsymbolik des Mittelalters in eine moderne psychologische Sprache zu übertragen, da bestimmte Farbbezeichnungen fließenden Charakter haben (zum Beispiel wurden Gelb und Blau auf ähnliche Weise hergestellt und hatten ähnliche oder gleiche Namen. Auch Rot und Grün enstanden aus demselben Kupferoxid, welches nur unterschiedlich lange erhitzt werden musste). Im 19. Jahrhundert bildete sich ein mehr psychologisch ausgerichtetes Verständnis der Farbsymbolik heraus. Diese wirkte sich auch auf die Wappenkunde aus. So kam es dazu, dass Farben auf Wappen durch Schraffuren angedeutet wurden. Beispielsweise sind senkrechte Striche für das Auge etwas Abnormales. Sie wurde benutzt um kräftige Farben wie Rot zu simulieren. Waagerechte Striche hingegen sind für das Auge etwas Gewohntes. Sie wurden also verwendet, um neutrale Farbtöne wie Blau auszudrücken. (vgl. [7] GAGE, John, S. 90) Abbildung 7: Joachim von Fiore, „Die Hl. Dreifaltigkeit“, 12. Jahrhundert 3.2 MITTELALTER 31 Die im Mittelalter stark ausgeprägte Vorliebe für Systeme besagt nicht, dass den Farben ein standardisierter Symbolwert zukam. Die Darstellungen des Abts JOACHIM VON FIORE (1130/35 - 1202/1205) beispielsweise sind nur einige von vielen Schemata, die mit einer Fülle von Farben für jedes der vier Komponenten aufwartet (siehe Abbildung 7). Innerhalb einer einzigen Handschrift finden sich auf verschiedenen Seiten jeweils unterschiedliche Farbentsprechungen für den Sohn und den heiligen Geist (vgl. Abbildung 7). Farben bilden eher eine fantasievolle Verzierung, als dass sie irgendeinen Begriff von objektiver Wahrnehmung verkörperten. ([7] GAGE, John, S. 87) 3.2.6 Zusammenfassung Während des Mittelalters verändert sich im Vergleich zur Antike das Verhältnis von Farbe und Licht. Das reale Licht wird als Grundbedingung des Erscheinens von Farbe erkannt, es lässt die Farbe entstehen. Damit muss Licht im Gemälde nicht mehr durch Farben wiedergegeben werden. Das Mittelalter findet in den Kunstrichtungen Mosaik, Gold und Glasmalerei seinen vorrangigen Ausdruck. In Mosaik und Goldgrund wird jeweils durch optische Mischung und Metallglanz versucht, eine plastische und räumliche Wirkung zu erzielen. Zwar ist im Mittelalter wie in der Antike auch die Ähnlichkeit von Natur und Abbild von Wichtigkeit, jedoch wirken die Bilder des Mittelalters ohne den Einsatz von Perspektive flächig. Die Farben stehen nebeneinander und verdecken sich nicht. Farbe bildet dabei eher eine fantasievolle Verzierung. Sie wird zur so genannten Vorstellungsfarbe und hat mit der eigentlichen Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. Jedoch leiten sich diese Vorstellungsfarben direkt aus der Erfahrungswelt der Menschen zum Beispiel aus Naturbeobachtungen ab. Es entsteht eine Art Farbvokabular. Die alte Farbkonkordanz wird in einem anderen künstlerischen Sinne verwendet. Es entstehen neue maltechnische Ausführungen um den sich neu entwickelnden Vorstellungen zu entsprechen. Zum ersten Mal wird die Welt der Farben, die grundsätzlich unendlich ist, in eine bestimmte Grundvorstellung geordnet, die über große stilistische Wandlungen hinweg eine Basis abzugeben vermag. Jedoch entstehen keine standardisierten Symbolwerte oder einheitliche Farbdiagramme. Die Glasmalerei wird als die höchste Kunstgattung aufgefasst. Dabei scheint Licht von hinten auf die gefärbten Glasscheiben. Die Farbwirkung von Glasfenster kann mit dem Prinzip der additiven Farbmischung verglichen werden. Dabei ist die Basis die unbunte Grundfarbe Schwarz, die durch die Abwesenheit von Licht entsteht. Das heißt, scheint kein Licht durch die Scheibe, erscheint das Fenster schwarz. Sind die Scheiben mit den Grundfarben Violettblau, Grün und Orangerot eingefärbt, entstehen die entsprechenden Farbreize im Auge. Weiß hingegen kann durch klares Glas wiedergegeben werden. 3.2.7 Beginnender Realismus Im byzantinischen Kunstverständnis haben sich zwei theoretische Hauptrichtungen rausgebildet. Einerseits die Vorstellung von Wahrheit und Wirklichkeitsnähe ähnlich dem Mimesis-Gedanken der Antike, andererseits das Bedürfnis, eine hieratische Distanz zu erschaffen und eine zutiefst unwirkliche, geistige Wirkung zu erzielen. Jedoch bestand schon bereits seit der Antike eher die Tendenz zu einer möglichst großen Ähnlichkeit zwischen Abbild und Vorbild, als zum Ikonoklasmus. Die Rolle der Farbe bei der Begründung des Realismus richtet sich ebenfalls nach dem traditionellen hellenistischen Vorbild, nach dem durch Farbe größere Wirklichkeitstreue erzielt werden soll. So wurde bereits im Mittelalter die Grundlage für die spätere Entwicklung der Farbe in der 32 3.3 RENAISSANCE Renaissance gelegt. Ein Beispiel für die Bemühung um Realismus und naturgetreue Abbildung sind die Bilder des Niederländers JAN VAN EYCK. (vgl. [7] GAGE, John, S. 47) 3.3 Renaissance Mit Beginn der Renaissance tritt Kunst und Malerei in eine neue Blütezeit ein. In der Malerei werden die flächige und kräftige Farbigkeit und das Nebeneinander von kompakten Farbflächen des Mittelalters abgelöst von fein abgestimmten Modulationen der Farbe. Schwarz und Weiß dienen weniger als Farben an sich, sondern werden zur Helldunkel-Modellierung von Licht und Schatten im Bild eingesetzt. Die Farbakzente der einzelnen Bildbereiche bleiben trotzdem klar und setzen sich deutlich ab. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus; S. 25) 3.3.1 GIOTTO als Wegbereiter Die Grundlagen dafür legte bereits der italienische Maler GIOTTO DI BONDONE (1267(?) 1337) im 13. Jahrhundert. GIOTTO gilt als der entscheidende Wegbereiter der italienischen Renaissance. Sowohl in der Technik (er bediente sich der Feigenmilch und des Eigelbs) als auch in der Farbgebung trat er als Neuerer auf. Er verlieh den Farben Helligkeit und Klarheit. Als bedeutendste Aspekte seines Schaffens gelten jedoch die hohe Natürlichkeit und Lebhaftigkeit seiner Figuren, ebenso wie die Vorbereitung der Perspektive. Er überwand die ikonographischen Normen der byzantinischen Malerei, die seit Generationen die Maler des Abendlandes beeinflusst hatten und leitete eine Entwicklung ein, die schließlich zu dem, für die nachgotische Kunst in Italien typischen Realismus führte. Während für die herkömmliche Malerei zweidimensionale Figuren charakteristisch waren, die als Symbole vor einem mit Symbolen dekorierten flächigen Hintergrund angeordnet waren, stellte GIOTTO plastisch modellierte Individuen in einen perspektivischen Raum. Diese Individuen unterhielten zueinander Beziehungen. Indem er seine Figuren mit Breite und Faltenwurf ausstattete, verlieh er ihnen natürlich wirkendes Volumen und Gewicht. GIOTTO vermittelte den Betrachtern seiner Werke das Gefühl der Tastbarkeit und der Tiefe im Raum. Er war es folgerichtig auch, der sich mit der Zeit von dem traditionellen Goldhintergrund abwandte und den Himmel über der Landschaft blau anlegte. Er machte auch die ersten ernsthaften Versuche, perspektivische Verkürzung in Landschaften und Gebäudedarstellungen zu realisieren. Die Leistung GIOTTOS steht einsam in seiner Zeit. Erst zwei Generationen später knüpften Künstler der Frührenaissance an die von ihm angestoßene Entwicklung an. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 30 ff) In Bezug auf die Farbe bestand GIOTTOS epochale Leistung nicht darin, dass er eine andere Farbwahl oder andere Farbzusammenstellungen als in der mittelalterlichen Malerei vollzog. Er brachte die Farbe in ein grundsätzlich anderes Verhältnis zum Bild, zur Bildfläche und zum Bildraum. Damit änderte sich auch entsprechend der Bezug der Farbe zur Linie. Im Gegensatz zum mittelalterlichen Farbstil ist beispielsweise das Verhältnis zum Goldgrund ein anderes. In GIOTTOS Werken bildet der Goldgrund eine Folie. Er trägt die Darstellung während der mittelalterliche Goldgrund die Darstellung enthält. Genauso überzieht die mittelalterliche Linie das Gemälde mit einer Linienstruktur und dient somit der Farbe als Gerüst. Die Farbe wirkt dadurch homogen und wenig bewegungsfähig. Bei GIOTTO hingegen wirken die Linien weniger prägnant und bilden einen Trennungsgrad zwischen Dunkel und Hell. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 34 f) 3.3 RENAISSANCE 33 3.3.2 Der Streit DISEGNO (Zeichnung) - COLORE (Farbe) Auch in der italienischen Renaissance wird die alt überlieferte Vorstellung wieder aufgegriffen, dass Wiedergabe einzig und allein durch Konturenzeichnung möglich ist und die Farbgebung eher nebensächlich ist. Das klassische Modell des historischen Fortschritts der Kunst bei Autoren wie PLINIUS oder ISIDOR VON SEVILLA beschrieb eine Entwicklung, die von Linienzeichnungen in den Anfängen zum Helldunkel und schließlich zu Farben geführt hat. Jedoch wird auch hier wieder eingeräumt, dass die Schönheit der Farbpigmente die Schönheit der Harmonie bereichere. Aus psycho-physiologischer Sicht gibt es einiges was für den Glauben an die Zulänglichkeit der Zeichnung spricht: Kleinkinder konzentrieren sich beispielsweise eher auf Umrisse beim Erkunden ihrer Umgebung. Somit wird Farbenblindheit häufig erst spät entdeckt weil die Farbwahrnehmung funktional weniger wichtig ist, als die Wahrnehmung von Hell- und Dunkel-Werten. Außerdem hat die Erforschung der Mechanismen des Farbsehens ergeben, dass das Auge über zwei unabhängige Systeme von Farb- und Helldunkelrezeptoren verfügt. (vgl. [7] GAGE, John, S. 117) 3.3.3 Quattrocento Mit dem Beginn des italienischen Quattrocento (Zeit der Frührenaissance in Italien zwischen 1400 und 1500) setzte in Europa ein Epochenwandel vom Mittelalter zur Renaissance ein. Die Renaissance, weithin bezeichnet als die Epoche der Wiedergeburt der Antike, setzte den lange aus der Kunst verschwundenen menschlichen Körper wieder in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise. Während das Mittelalter alles Fleischliche verachtete, tritt mit Beginn der Renaissance die Bemühung ein, den Menschen in seiner wirklichen Individualität zu malen. „Im Chor des Naumburger Doms ist die Markgräfin Uta kaum mehr als ein Gesicht; niemand würde es auch nur in Gedanken wagen, ihr den langen Mantel mit dem hochgeschlagenen Kragen auszuziehen, in den sie gehüllt ist…. In Florenz jedoch, zwei Jahrhunderte später, darf es Botticelli in vollem Glanz und in aller Pracht tun: eine der Grazien des Frühlings unter ihrem durchsichtigen Schleier und die Venus in ihrer geschmeidigen Nacktheit darzustellen.“ ( [6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7) Im Ende des Quattrocento können auch die großen navigatorischen Entdeckungen, die reale Besitzergreifung des Raumes, angesiedelt werden. „Die Perspektive ist die humanistische und wissenschaftliche Antwort auf die universale Allegorie des Mittelalters.“ ( [6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7) Die Raumvorstellungen des griechischen Mathematikers EUKLID (ca. 365 v. Chr. - 300 v. Chr.) gewannen die Kraft eines Dogmas, mit deren Hilfe Künstler dem Realismus zu Schönheit und Ruhm verholfen haben. (vgl. [6] FLAMAND, Elie-Charles, S. 7 f) Der im Quattrocento vorherrschende Kolorismus war geprägt durch sukzessive Kontraste starker und gebrochener Buntfarben und Neutralwerte. In der italienischen Hochrenaissance des 16. Jahrhunderts hingegen verringerte sich die Farbenanzahl gegenüber dem Quattrocento und es trat eine Konzentration auf wenige beherrschende Bildfarben ein. Die Buntfarben wurden dunkler und auch die neutralen Töne setzten tiefer an. Diese Konzentration hatte die Herausbildung der Primärfarbentrias zur Folge, die die Grundlage der koloristischen Ordnung bei RAFFAEL, CORREGIO und TIZIAN bildeten. Die wichtigste Neuerung ist die Wiedereinführung des Helldunkels, das bereits in der Antike von Bedeutung war. Es gliedert sich in die italienische Bildstruktur ein durch die Umdeutung der Schatten in Medien der Raumkonstruktion. Die Raumdunkelschichten wurden nun durch ein Bildlicht kontrastiert, dass nicht mehr identisch ist mit den Eigenhelligkeiten der Farben, sondern als eine Art Widerschein auf die Formen wirkte. LEONARDO DA VINCI (1452 - 1519) war der Vorreiter in der Malerei des Helldunkel. Die 34 3.3 RENAISSANCE einheitliche und chromatisch gedämpfte Harmonie der Bildoberfläche seiner Werke ergab sich aus der Voreingenommenheit gegen verschwenderische Farbgebung und entwickelte sich zum einflussreichsten Malstil des Quattrocento. DA VINCI ersetzte das mittelalterliche Farbsystem der absoluten Farbe durch eine Modellierung aus dem Helldunkelgehalt der Farben. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 135 ff) Die Farben sind bei DA VINCI nicht mit Weiß und Schwarz gebrochen, sondern durch Zusatz von Buntpigmenten so vergraut, dass sie visuell den Licht- und Schattenerscheinungen an Gegenständen in der Natur entsprechen (vgl. Abbildung 8). ([8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 18) Abbildung 8: Leonardo DA VINCI, Madonna in der Felsengrotte, um 1508 Von DA VINCI stammen auch zahlreiche Aufzeichnungen zum Thema Licht, Schatten, Beleuchtung, Farbe und Helldunkel, Veränderung der Farbe im Schatten, Simultankontrast und vieles mehr. Zwar ist eine Farbenlehre bei DA VINCI nur in Ansätzen vorhanden, jedoch war er einer der ersten, der eine Farbskala erstellte. Er führte sechs einfache Farben ein, wobei Weiß die erste davon ist. Durch optische Mischungen mit farbigen Gläsern versuchte DA VINCI herauszufinden, welche Farben sich durch Mischung verbessern und welche verderben. So gewinnen Gelb und Grün hinter gelbem Glas, während Blau die Gelbmischung nicht verträgt. Für harmonische Farbkombinationen empfiehlt er die Kombinationen des Regenbogens als Vorbild. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 138) DA VINCI beobachtete auch die Veränderungen der Farben und ließ diese in Regeln für die Malerei einfließen. So ändert sich die Farbe beispielsweise mit wachsender Entfernung. Er rät, nur die Farben des Vordergrunds in ihrer Eigenfarbe zu belassen, die 3.3 RENAISSANCE 35 übrigen jedoch mit zunehmender Entfernung blauer wiederzugeben (vgl. Abbildung 8). Diese malerische Regel wird das Prinzip der so genannten Farbperspektive, die seit der Renaissance in der abendländischen Malerei Anwendung fand und findet. Sie berücksichtigt die psychologischen Aspekte des menschlichen Sehens und der Wahrnehmung (Vordrängen der warmen und Zurückdrängen der kalten Farben). Oft wird sie in ihrem Gebrauch von der Luftperspektive begleitet. (vgl. [3] DITTMANN, Lorenz, S. 139) Die Farbperspektive ist ein auf psychologische Untersuchungen aufbauendes Mittel, dass dazu dient in einer Abbildung die Illusion von Raumtiefe zu erzeugen. Konkret erkannte man in der Renaissance, dass Tiefenwirkungen durch Verblauung, Trübung, Aufhellung und Unschärfe zu erreichen ist. In der Verwendung von Farben heißt Verblauung von warm nach kalt, Trübung von leuchtend nach trüb und Aufhellung von dunkel nach hell. Eine Luftperspektive kann diese Wirkungen unterstützen, indem die Genauigkeit, der in einem Bild befindlichen Objekte, mit der räumlichen Tiefe abnimmt, das heißt von scharf zu unscharf. ([21] LISCHKA, K., S. 100) Durch die umfangreichen Untersuchungen DA VINCIS und wegen der Besonderheit seiner Malweise wurde er zum Vorbild für eine Vielzahl von Künstler wie RAFFAEL, TIZIAN, REMBRANDT oder DELACROIX. Die Neuheit des Lichtes der Farben und des Schattenspiels, die lichterfüllten Atmosphären und die Perspektive in seinen Werken beeindruckte sichtbar andere große Maler. (vgl.[8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 20) 3.3.4 Zusammenfassung In der Renaissance als Epoche der Wiedergeburt der Antike wird die Körperlichkeit wieder entdeckt und das Interesse der Künstler verlagerte sich eindeutig auf die Form. Die Künstler der Renaissance nutzen neue Erkenntnisse und Wege, in Bildern Natürlichkeit und Raumtiefe zu erzeugen. So setzte DA VINCI erstmals die Hell-Dunkelmodellierung von Licht und Schatten im Bild ein. Der Schatten wurde zum Medium der Raumkonstruktion. Des Weiteren erzeugten die Maler der Renaissance Natürlichkeit und Raumtiefe durch die Berücksichtigung von Perspektive und dem Wiedergeben der Figuren in ihrer höchsten Natürlichkeit. DA VINCI lieferte in diesem Zuge die ersten Ansätze der Farbperspektive durch Verblauung. Farbe wurde benutzt, um Schönheit und Tiefenwirkung zu unterstreichen, nicht um einen besonderen Eindruck zu vermitteln. Auch GROH schlussfolgert, dass „die Renaissance … uns [lehrt], Farben als Mittel fließender (ja dynamischer) Übergänge zu nutzen. Bilder werden natürlich - sie zeigen Bewegung.“ ([11] GROH, Rainer, FRANKE, Ingmar, S.3) Im Vergleich dazu war die mittelalterliche Farbgebung durch die Farbperspektive der Fläche, der so genannten Bedeutungsperspektive gekennzeichnet. Das heißt Bildelemente wurden entsprechend ihrer Bedeutsamkeit im Bildgefüge (wichtig = groß) geordnet. [vgl. [27] PANOFSKY, E]. GROH schlussfolgert daraus, dass die Farbe damit die resultierende flächige Wirkung, die für mittelalterliche Malerei charakteristisch ist, unterstützt. 3.4 NATURWISSENSCHAFT 36 3.4 Naturwissenschaft von NEWTON bis GOETHE 3.4.1 NEWTON Im 17. Jahrhundert erfährt die Farbe als physikalisches Phänomen ihren größten Wandel. Der Physiker ISAAK NEWTON (1642-1726) stellte in seinen optischen Forschungen fest, dass sämtliche Strahlen im Spektrum, einschließlich Grün, Orange und Violett, autonome Farbträger sind und nicht als Mischungen anderer Farben angesehen werden können. Folglich ist die Anzahl der so genannten einfachen Farben nach NEWTON unendlich. (vgl. [7] GAGE, John, S. 153) NEWTONS Experimente bestanden darin, das Tageslicht durch ein Prisma in einzelne Farben zu zerlegen. Dabei stellte er sieben Hauptfarben fest: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett. Weiter fand NEWTON heraus, dass diese Reihe dem Farbton nach in sich zurückläuft. Er stellte fest, dass Rot und Violett Ähnlichkeiten zeigen und bei der Lichtmischung gemeinsam Purpur ergeben. NEWTON verknüpfte daraufhin das violette Ende des Spektrums mit dem roten Anfang und schuf so den ersten Farbenkreis, indem er die Farben des Spektrums zum Kreis anordnete. Mit NEWTONS Farbkreis (siehe Abbildung 9) wird der Übergang von der ein- zur zweidimensionalen Farbordnung vollzogen. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: Isaac Newton) Abbildung 9: NEWTONS Farbkreis Schwarz und Weiß befinden sich nicht mehr in NEWTONS Farbkreis. Stattdessen wird die freie Kreismitte ausdrücklich dem Weißen zugeordnet, um zu symbolisieren, dass die Summe aller angeführten Farben weißes Licht ergibt. JOHANN WOLFGANG GOETHE (17491832) wehrte sich vehement gegen diese Konzeption. Er zielte damit auf das Fundament der Newtonschen Optik, an deren Anfang die Zerlegung des Tageslichts durch ein Prisma steht. Durch Experimente stellte NEWTON fest, dass die Farben keine Modifikationen des weißen Lichts sind, sondern vielmehr seine ursprünglichen Bestandteile. Weißes Licht besteht aus farbigem Licht, und zwar aus den sieben Komponenten, die sich im Farbkreis finden. Dieses farbige Licht ist nicht zusammengesetzt, es ist im Gegenteil 3.4 NATURWISSENSCHAFT 37 einfach und seine Farbe ist rein. Es kann natürlich gemischt werden, um sekundäre Farben zu erzeugen. Wenn die Komponenten im richtigen Verhältnis aufeinander treffen, sieht das Licht weiß aus. Die Palette, die bei der Brechung des Lichts an einem Prisma entsteht, nennt man das Farbspektrum. Seine Komponenten sind die Spektralfarben. NEWTONS Farbenkreis bleibt unvollständig erläutert. Er hinterlässt keinen Hinweis darauf, ob er davon überzeugt war, dass Licht- und Schallausbreitung vergleichbar und auch harmonisch übereinstimmend zu behandeln sind. NEWTON wählte sieben Farben, weil eine Oktave sieben Tonintervalle zeigt. Er ordnet ihnen Abschnitte in Analogie zu deren Größe in der dorischen Tonleiter zu. Die dazugehörenden einzelnen Töne fallen mit den Grenzen zwischen den Farbqualitäten zusammen, das D zum Beispiel mit der Grenze zwischen Violett und Rot, und das A mit der Grenze zwischen Grün und Blau. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: Isaac Newton) 3.4.2 GOETHE JOHANN WOLFGANG GOETHE, der sich ungefähr 100 Jahre nach NEWTON in seiner Abhandlung „Zur Farbenlehre“ mit dem Problem der Farbe beschäftigte, verwendete den ganzen zweiten Teil seines dreiteiligen Buches darauf, NEWTONS Werk „Optick“ zu analysieren und zu kritisieren. GOETHES Schlüsse basierten auf Experimenten, in denen er die Schnittstellen heller und dunkler Partien durch ein Prisma beobachtete und die farbigen Ränder untersuchte. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Licht an sich homogen sei und das es nur Farbe erzeuge, wenn es durch Dunkelheit gestört werde. Rot bildet sich nach GOETHE durch das Aufeinanderwirken der jeweils am stärksten ausgeprägten Nuancen von Gelb und Blau. (vgl. [7] GAGE, John, S. 201) Abbildung 10: GOETHES Farbkreis GOETHE entwickelte sein System der Farbenlehre auf der Grundlage des elementaren Gegensatzes von Hell und Dunkel (der bei NEWTON keine Rolle spielte). In seiner Schrift „Über die Einteilung der Farben und ihr Verhältnis zueinander“ stellte GOETHE fest, dass nur Gelb und Blau als ganz reine Farben wahrgenommen werden. Rot bildet sich durch das Aufeinanderwirken der jeweils am stärksten ausgeprägten Nuancen von Gelb und Blau. Das der Helligkeit am ehesten vergleichbare Gelb und das der Dunkelheit am meisten verwandte Blau sind die beiden Gegenpole, zwischen denen sich alle anderen Farben gruppieren lassen. In seinem 1793 skizzierten Farbenkreis (vgl. Abbildung 10) 3.4 NATURWISSENSCHAFT 38 erweitert er die Ausgangsfarben Blau und Gelb um das durch Steigerung entstandene Rot zu einem Dreieck (vgl. Abbildung 11). Dem Rot stellte er das Grün gegenüber, das aus der Mischung von Blau und Gelb entsteht. Der Farbdreieck wird vollständig zum einen durch ein Orange auf der aufsteigenden Seite, das GOETHE noch Gelbrot nannte, und zum anderen durch ein Blaurot auf der absteigenden Seite, welches oft auch als Violett bezeichnet wird. Abbildung 11: GOETHES Farbdreieck GOETHE nannte die vom Gelb zum Rot laufenden Seite die Plusseite und die zum Blau verlaufende die Minusseite. Dabei traf er folgende Zuordnungen: Das Gelb wurde mit „Wirkung, Licht, Hell, Kraft, Wärme, Nähe, Abstoßen“ und das Blau mit „Beraubung, Schatten, Dunkel, Schwäche, Kälte, Ferne, Anziehen“ in Verbindung gebracht. Damit deutet sich an, dass GOETHES Absicht vor allem darin bestand, die so genannte „sinnlichsittliche Wirkung“ der einzelnen Farbe „auf den Sinn des Auges (...) und durch dessen Vermittlung auf das Gemüt“ zu ermitteln. GOETHE greift bei seiner Analyse auf das Gebiet der Psychologie zurück und versteht Farben in erster Linie „als Bewusstseinsinhalte von sinnlichen Qualitäten“. Die Farben der Plusseite „stimmen regsam, lebhaft, strebend“, Gelb wirkt „prächtig und edel“ und macht einen „warmen und behaglichen Eindruck“. Die Farben der Minusseite „stimmen zu einer unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung“, und das Blau selbst „gibt uns ein Gefühl der Kälte.“(vgl. [10] GOETHE, Johann Wolfgang) Weiterhin existieren für GOETHE in seinem sechsteiligen Farbenkreis bestimmte Harmoniebeziehungen, die er als charakteristisch (zum Beispiel Gelb-Rot), harmonisch (zum Beispiel Gelb-Violett) und charakterlos (zum Beispiel Gelb-Grün) bezeichnet. Für ihn wird nach den sinnlichen und sittlichen Wirkungen für den Künstler die ästhetische Wirkung abgeleitet. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 37 ff) Mit der Einteilung in die sinnlich-sittliche Wirkung der Farben bringt GOETHE Ordnung in die ästhetische Seite seiner Betrachtungen. Seiner Meinung nach ist Farbe ein Kolorit in den Kategorien des Mächtigen, des Sanften und des Glänzenden. Auf Grund dieser Sichtweise stellt GOETHE folgende Konzeption auf: Die mächtige Wirkung kommt zustande, wenn Gelb, Gelbrot und Purpur überwiegen, das Sanfte wird vor allem vom Blau und seinen Nachbarn bestimmt. Sind alle Farben nebeneinander im Gleichgewicht, 3.4 NATURWISSENSCHAFT 39 entsteht ein harmonisches Kolorit, das sowohl das Glänzende, als auch das Angenehme hervorbringen kann. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: JOHANN WOLFGANG GOETHE) Die Herangehensweisen von GOETHE und NEWTON an das Thema Farbe sind von Grund auf verschieden. Sie stehen aber nicht nur im Gegensatz zueinander, sie ergänzen sich in dem Sinne, dass keines der beiden Systeme für sich betrachtet die Farben vollständig erfassen kann. NEWTONS Analyse der Farben ist demnach komplementär zu GOETHES. Für NEWTON ist reines Blau beispielsweise einfach, für GOETHE kompliziert, denn reines Blau muss erst durch aufwendige Mittel angefertigt werden. Es ist künstlich. Einfach für GOETHE ist hingegen weißes Licht, weil es ohne Aufwand und ganz natürlich vorhanden ist. NEWTON sieht es hingegen als eine Mischung aller Farben. Weißes Licht ist für ihn nicht einfach, sondern zusammengesetzt. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: JOHANN WOLFGANG GOETHE) Im Allgemeinen leistete die Abhandlung GOETHES „Zur Farbenlehre“ eher einen Beitrag zur Entwicklung der Physiologie der Wahrnehmung als der physikalischen Optik, da GOETHE eine rein physikalische Zerlegung der Phänomene in ihre elementaren Bestandteile widerstrebte. GOETHE legte Wert auf die Analyse der Entstehung von Farbe aus Hell und Dunkel, sowie auf deren Aufnahme durch das Auge. Seine Eindrücke wurden damit zur Grundlage der Betrachtungen zahlreicher Philosophen der Romantik wie SCHOPENHAUER und SCHLEGEL. Selbst wissenschaftliche Gegner gestanden seiner Farbenlehre einen großen Nutzen für die Malerei zu. So bildeten sich zwei verschiedenartige, getrennt zu betrachtende Farbenlehren heraus: eine speziell für Künstler und eine für die Allgemeinheit. (vgl. [7] GAGE, John, S. 202) 3.4.3 RUNGE GOETHE stand in engem Briefkontakt mit dem Maler PHILIPP OTTO RUNGE (1777-1810), dessen Ansichten bezüglich der Wirkung von Farbe ähnlich zu denen GOETHES waren und dessen Ergebnisse die Arbeit GOETHES an seiner Farbenlehre beeinflussten. RUNGE geht jedoch im Gegensatz zu GOETHE nicht von Urgesetzen des Farbigen, sondern von den Farbstoffen der Palette aus. GOETHE führte wie bereits erwähnt prismatische Untersuchungen auf allen Gebieten der Farbe (physiologisch, psychologisch, chemisch) durch und stellte die Steigerung von Rot aus Gelb und Blau fest. RUNGE spricht niemals von einer Steigerung. In seinem 1810 veröffentlichten Werk über die Farbenkugel gibt es nur die drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau aus denen sich durch qualitative Mischung Orange, Grün, und Violett erzeugen lassen. Durch umfangreiche, malerische Versuche stellte RUNGE den Gegensatz zwischen deckenden, lasierenden, durchsichtigen und undurchsichtigen Farbstoffen fest. In seine Farbkugel flossen diese Erkenntnisse jedoch nicht ein. Die wesentliche Neuerung an RUNGES Untersuchungen war die Darstellung einer Farbordnung in drei Dimensionen. RUNGE erkannte, dass die 2 Dimensionen eines Farbkreis nicht ausreichten um die Vielfältigkeit der Farbe auszudrücken. So ordnete er die Farben auf einer globusähnlichen Kugel an. Die reinen Farben wurden am Äquator angesiedelt, wobei ihnen die gleichen Intervalle zugestanden wurden (siehe Abbildungen 12 und 13). An den Nordpol setzte er Weiß, an den Südpol Schwarz. An den Längsgraden wurden alle Farben dargestellt, die sich aus der Mischung der reinen Farben ergeben. Jede auf 3.4 NATURWISSENSCHAFT 40 Abbildung 12: RUNGES Farbkugel Abbildung 13: Aufsicht und Querschnitt von RUNGES Farbkugel der Kugeloberfläche platzierte Farbe kann sich in fünf Richtungen bewegen: In Richtung der rechts beziehungsweise links stehenden Farben, nach oben zum Weißen, nach unten zum Schwarzen, in die Mitte zum Grauen und durch die Mitte auf die Komplementärfarbe zu. Im Inneren der Kugel befinden sich die trüben Farben. Damit machte sich RUNGE als einer der ersten das Prinzip dreidimensionaler Farbanordnung zu Nutze. RUNGES Farbenglobus steht am vorläufigen Ende einer Entwicklung, die von den Farbenreihen über die zweidimensionalen Farbenkreise zur räumlichen Anordnung der Farben in Form einer Pyramide geführt hat. (vgl. [8] GERICKE, Lothar, SCHÖNE, Klaus, S. 46 f) RUNGE wollte die reinen Farben im gleichen Abstand zu Schwarz und Weiß platzieren und entschied sich deshalb bewusst für die runde Konstruktion und gegen eine Pyramidenform wie beispielsweise zuvor der Astronom J. HEINRICH LAMBERT (1728-1777) (vgl. Abbildung 14). Die Pyramidenform in ihrer Gestalt war eher mit der göttlichen Ordnung des Kosmos in Verbindung zu bringen. Abbildung 14: Farbpyramide nach LAMBERT RUNGE muss darüber hinaus klar gewesen sein, dass die subtraktive Farbmischung (nur die kommt bei seinen Malfarben in Frage) nicht das neutrale, mittlere Grau produziert, das ihm so wichtig war. Der Schluss liegt nahe, dass RUNGE etwas ganz anderes im Sinn 3.4 NATURWISSENSCHAFT 41 hatte als LAMBERT. Dieser wollte vor allem ein praktisches System vorlegen, mit dessen Hilfe Farben gemischt werden konnten. RUNGE wollte nicht das Verhältnis von Mischungen, sondern vor allem die Harmonien von Farben anschaulich darstellen. Er wollte Ordnung in die Gesamtheit der möglichen Farben bringen, wie er in einem Brief an GOETHE festhielt: „Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem zu Muthe wie bei einem südwestlichen Nordwinde.“ Seine Kugel zielte auf das Veranschaulichen eines echten Farbsystems ab. Dieser Darstellung ist in seinem Jahrhundert nicht wieder übertroffen worden. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: PHILIPP OTTO RUNGE) In der Folge beschäftigten sich zahlreiche Philosophen, Literaten und Künstler mit dem Thema Farben unter anderem SCHILLER, SCHOPENHAUER, CHEVREUL und HELMHOLTZ. 3.4.4 Zusammenfassung Im 17. Jahrhundert setzte eine völlig neue und folgenreiche naturwissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem Gebiet des Lichtes und der Farbe ein, die 1704 in NEWTONS Werk „Optick“ ihren Höhepunkt fand. In NEWTONS Farbenkreis liegt die Farbe Weiß als Summe aller Farben in der Mitte. Damit leistete Newton, indem er von den Lichtfarben ausgeht, unbewusst erste Ansätze für die additive Farbmischung. Auch GOETHE widmete sich umfangreichen Untersuchungen, die jedoch weniger physikalischer als allgemeiner Natur waren. So führte er ebenso wie NEWTON prismatische Versuche durch, bezog jedoch auch physiologische und physische Aspekte in seine Arbeiten ein. Er beobachtete die Natur als Ganzes sowie die Phänomene der Farbe und ihre Wirkungen auf den Menschen. Für GOETHE stellte die Farbe Weiß die einfachste Farbe dar. Somit ist GOETHE eher bei den Vertretern der subtraktiven Farbmischung anzusiedeln, die die Pigmente als Grundlage ihrer Betrachtung annahmen. Die Beschäftigung der Malerei mit Mischungen, mit Schatten und mit der von Weiß bis Schwarz verlaufenden Farbskala, ebenso wie der Versuch, Farbe in einer kreisförmigen Anordnung darzustellen und zu schematisieren, waren bereits in der Antike als auch im Mittelalter Gang und Gebe. Neu hinzukam die Darstellung der Farbe in dreidimensionaler Form wie bei der Pyramide von LAMBERT 1772 oder der Farbenkugel RUNGES im Jahre 1810. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Farbsehen (vgl. folgendes Kapitel vier), die Erforschung der Optik und die naturwissenschaftliche Entdeckungen hatten ihren Einfluss auf die Malerei der Neuzeit. So spielten reine Farben und die Stimmungen, die Farben auslösen bei den Neoimpressionisten eine wichtige Rolle. Ihre Technik, der so genannte Pointillismus bestand darin, ein Bild in winzige, dicht zusammenstehende Punkte von Elementarfarben zu zerlegen, die im Auge wieder zusammengesetzt werden sollen. Die übrigen Farben entstehen dabei erst durch Farbmischung im Auge des Betrachters. Diese Art der Malerei wird daher auch als optische Malerei bezeichnet. Das Ziel der Neoimpressionisten bestand darin, leuchtendere Farben zu erzeugen, als durch Farbmischung auf der Palette. Ein ähnliches Prinzip wurde schon im byzantinischen und später im mittelalterlichen Mosaik angewendet (vgl. Abschnitt 3.2.1). Jedoch bewirkte diese additive Farbmischung im Endeffekt genau das Gegenteil, eine Vergrauung und Verblassung der Farben. So entstand die divisionistische Methode, bei der die Farbflecke größer sind und nicht mehr im Auge verschmelzen. Diese Technik schafft lokale Farbkontraste, was die Farben verstärkt. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana S. 133 ff) 42 3.5 CHINESISCHE MALEREI 3.5 Abstecher in die chinesische Malerei In diesem Kapitel wird die Farbe unter einem völlig anderen kulturellen und geschichtlichen Hintergrund betrachtet: dem der chinesischen Kultur. Dieses Kapitel soll erörtern, wie sich der Umgang mit Farbe in einem nicht europäischen Kulturkreis gestaltet und inwieweit Kultur und Geschichte auf die Bedeutung und Entwicklung von Farbe in der Kunst Einfluss nehmen. 3.5.1 Die chinesische Malerei Die traditionelle chinesische Malerei ist eine Malerei, die mit Tusche und Wasserfarben auf Papier und Seide einen völlig anderen Weg gegangen ist, andere Absichten verfolgt aber auch andere Eindrücke, Empfindungen und Ideen vermittelt, als die, die uns aus der abendländischen Malerei vertraut sind. Ebenso wie die Malerei im abendländischen Raum kann die chinesische Malerei auf eine lange geschichtliche Entwicklung zurückblicken, die vor ca. 5000-6000 Jahren begann. Ähnlich wie bei den Werken des antiken Griechenland, sind auch in China aus der Zeit vor 1500 v. Chr. keine weiter nennenswerten Werke erhalten geblieben. Jedoch sind schriftliche Überlieferungen mit Beschreibungen der Kunst und Namen von Künstlern überliefert. Im Gegensatz zur Malerei des Abendlandes sind chinesische Maler von jeher nicht um Originalität oder einen persönlichen Stil bemüht gewesen, sondern um die Bewahrung einer allgemeingültigen Tradition. Dies bewirkt eine gewisse Zeitlosigkeit, die typisch ist für chinesischer Bilder. Mit dem Aufkommen der Landschaftsmalerei in der Tang-Dynastie (618-907 nach Chr.) wurde die chinesische Malerei auch für den europäischen Betrachter zugänglich. Im Gegensatz zur europäischen Malerei war die naturgetreue Darstellung von Landschaften unwichtig. Es zählten mehr die Stimmung und die Atmosphäre die im Betrachter Empfindungen wecken sollte. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, chinesische Malerei) Das Dargestellte sollte im Betrachter zum Leben erweckt werden. Die im Bild gebannte Vorstellung des Künstlers sollte nachvollziehbar sein. Vom Künstler wurde erwartet, dass er mit seinem ganzen Wesen imstande ist, seine innere Vorstellung im Bild sichtbar zu machen. (vgl. [33] QIANG, MAI, ERIK: chinesische Malerei) Auch der Umgang mit den Bildern an sich gestaltete sich in China anders als im abendländischen Kulturkreis. Bilder wurden nicht gerahmt und an einen festen Platz angebracht, sondern auf Seiden- oder Papierrollen gemalt und nur hervorgeholt, wenn man sie betrachten wollte. Die Seiden- oder Papierrollen boten dem chinesischen Maler eine völlig andere Bildgrundlage. Korrekturen waren darauf nicht möglich. So musste der Maler das Bild vorher im Kopf komplett vorgedacht haben, bevor er es auf das Papier brachte. Die geistigen Voraussetzungen sind also im Vergleich völlig andere. In den chinesischen Landschaftsbildern verzichten die Maler auf den übermäßigen Gebrauch von Farbe, da Landschaftsbilder oft auch der Meditation dienten. Farbe würde den Betrachter nur ablenken (vgl. Abbildung 15). Dafür wird die Farbe in den vier anderen Hauptbereichen der chinesischen Malerei stärker verwendet. Diese sind: Porträts, erzählende Genrebilder, Tierbilder und Blumenoder Pflanzenbilder. In diesen Bereichen wird meist auf Umrisslinien aus Tusche verzichtet, was ihnen die Bezeichnung knochenlos einbrachte. Dem Landschaftsbild hingegen verleihen diese so genannten Knochen als Umrisslinien Konturen. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, chinesische Malerei) 3.5 CHINESISCHE MALEREI 43 Abbildung 15: chinesische Landschaftsmalerei Diese Ausdruckstechnik war eine grundlegende Besonderheit in der chinesischen Landschaftsmalerei. Chinesische Landschaftsmaler verließen sich nicht auf Farbe, Perspektive und Proportion. Sie benutzten hauptsächlich Linien und Punkte, um die Beschaffenheit eines Objekts, dessen dynamischen oder statischen Zustand und die Räumlichkeit darzustellen. Linien waren am wichtigsten, die Anwendung der Farbe wurde den Linien untergeordnet werden. Die Verwendung von Schriftzügen, die mit dem Bild harmonieren, ist eine weitere Eigenheit der chinesischen Malerei und wird durch die einheitliche Führung des Pinsels erreicht. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, chinesische Malerei) Die chinesische Malerei ist im Wesentlichen aus der Schrift hervorgegangen. Beide ergaben sich aus der Pinseltechnik, die eine lockere Beherrschung der Hand und des Armes erforderte. Sowohl für den Maler als auch den Kalligraphen ist die Rhythmik der Linie und ihre Anordnung von großer Bedeutung. Außerdem zeigen beide eine Tendenz zur Abstraktion. Das bedeutet, sowohl die Formen zu vereinfachen, als auch zu vereinheitlichen oder zu spezifizieren. Da sowohl Malen als auch Schreiben poetische Vorgänge sind, wurden bloße Nachahmungen und formale Ähnlichkeiten abgelehnt. Im Allgemeinen kennt die chinesische Malerei weder Schatten noch erzählende Elemente und sucht jenseits der flüchtigen Spur und der zeitlichen Dauer das Bleibende festzuhalten, das sie in der naturgegebenen Ordnung zu finden glaubt. Die chinesische Malerei wird beeinflusst von drei philosophischen Richtungen, ohne dass diese die Malerei jedoch in drei verschiedene ästhetische Richtungen spaltet. Die erste Richtung ist der Konfuzianismus, der auf einem rationalen gedanklichen System gegründet ist. Er führte zu einer beispielhaften, ethischen und erzieherischen Disziplin. Die zweite Strömung ist der Taoismus, der die Intuition über die Vernunft erhob, Freiheitsdrang und Individualismus weckte und eine poetische und mystische Grundlage voraussetzte. Der Buddhismus als letzte der drei Strömungen fand nur über den Taoismus einen Zugang zur profanen Malerei. 44 3.5 CHINESISCHE MALEREI Im zehnten Jahrhundert zeichneten sich bei den Malern Gegensätze zwischen der konfuzianischen Auffassung, einer stufenweisen Erkenntnis, und der taoistischen, einer globalen Weltanschauung, ab. Für jede Richtung entwickelten sich entsprechende Schulen: die so genannte Nordschule und die Südschule. Die Nordschule brachte präzise, analytische und gewollt virtuose, monumentale und oft ornamentale Zeichnungen hervor, während die Südschule bekannt wurde durch ihre lebhaften, dynamischen Handschriften. Die Bedeutung der Farbe wurde in der Nordschule von dekorativen Zielsetzungen beeinflusst, in der Südschule, wenn überhaupt verwendet, diente sie nur dazu, die Transparenz der Tuschtöne und ihre Abstufungen zu unterstreichen. Auch herrschte in der Sung-Zeit (11. und 13. Jahrhundert) die Auffassung vor, dass der übermäßige Gebrauch von Farbe die innere Struktur der Dinge dem Blick verschleiert. Die Interpretation chinesischer Malerei fiel vom abendländischen Standpunkt aus lange schwer, da ihr Raum nichts mit unserer herkömmlichen Linearperspektive gemeinsam hat. Durch eine linksläufige, von oben nach unten führende Betrachtungsweise bedingt, die sich an einer diagonalen Bewegung aus der rechten oberen Ecke nach der unteren linken Ecke orientiert, öffnet sich ihre Komposition nach der Tiefe zu und kehrt die Perspektive um, indem sie die Horizontlinie hinter den Betrachter projiziert. Die Betrachtungsweise veranschaulicht den leeren und unendlichen Raum dergestalt, dass der Betrachter in den räumlichen und zeitlichen Ablauf des Bildes hineingestellt wird und ihn an dem meditativen Prozess des Künstlers schrittweise teilnehmen lässt. Die Tusche unterstützt dabei lediglich den Realismus der Darstellungen. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, S. 7 f) 3.5.2 chinesische Farbharmonie Auch in der chinesischen Geschichte der Farbharmonie gab es Bemühung, ähnlich denen Aristoteles’, eine Harmonie der Farbe zu finden. Künstler und Philosophen orientierten sich dabei vom vierten bis zum zweiten Jahrhundert v. Chr. vor allem an der pentatonischen Skala (Tonleiter mit 5 Töne), die in ihrer Musik vorherrschte. In Analogie dazu nahmen sie an, dass sich die Gesamtheit der Farbenharmonie aus fünf Grundfarben ergibt, die jeweils einer Himmelsrichtung und Jahreszeit zugeordnet werden kann. das Rot steht für den Süden, für den Sommer und das Federvieh. Das Grün liegt im Osten und steht für den Frühling, das Holz und den Drachen. Das Schwarz gehört zum Norden und steht für den Winter, das Wasser und die Schildkröte, und das Weiß befindet sich im Westen und repräsentiert den Herbst und den Tiger. Das Gelb nimmt eine besondere Stellung. Es steht für die Erde. Die Erde hat im Kanon der fünf Elemente tragende und stützenden Funktionen zum Beispiel die Funktion des Ursprungs und der Nahrung. Die Pflanzen sprießen aus der Erde, das Feuer bricht aus ihr hervor, die Metalle treten in den Minen zutage, das Wasser entspringt den Quellen. Die Erde ist das Zentrum. Dieser Entsprechung entstammt die Definition der Menschen als gelbe Rasse, der Bewohnerin eben dieser Erde. Entsprechend der Himmelsrichtungen sind die Farben auf dem Farbkreis angeordnet (vgl. Abbildung16). 3.5 CHINESISCHE MALEREI 45 Abbildung 16: chinesische Farbenharmonie Für den Farbenkreis existieren zwei verschiedene Lesarten. Die eine befasst sich mit dem Prinzip der Generation, die andere mit dem Prinzip der Herrschaft. Allgemein ist wichtig zu beachten, dass im System der chinesischen Tradition so genannten Dienern eine wichtige Rolle zukommt, da sie die Elemente verbinden und beeinflussen. Der Diener des Generationsprinzips ist Cheng, der Diener des Herrschaftsprinzips ist K'ev. Abbildung 17: mögliche Lesarten für den Farbkreis 46 3.5 CHINESISCHE MALEREI In der rechten Zeichnung in Abbildung 17 ist das System der Generationen verdeutlicht. Dessen Diener Cheng ist ein so genannter Aufbauer (ein Anaboliker) und seine Charakteristik die Kontinuität. Kraft dieses Dieners ist jedes Element Erzeuger des darauf folgenden und stammt gleichzeitig vom vorangegangenen ab. Im System der Entsprechungen erzeugt somit jede Farbe, jedes Tier oder jede Jahreszeit die nächste, wobei sie die Essenz der Vorangegangenen weiter trägt. Die gepanzerten Tiere wie die Schildkröte, welche dem Norden, dem Wasser und der Farbe Schwarz entsprechen, zeugen die Schuppentiere, zum Beispiel die Drachen, welche immer grün dargestellt werden, da sie zum Holz gehören und im Osten stehen. Die Schuppentiere ihrerseits erzeugen das Federvieh, welchem der Süden und die Farbe Rot zugeordnet sind. Diese wiederum zeugen die Tiere mit einem Fell wie den Tiger oder das Pferd, welche dem Westen, den Metallen und der Farbe Weiß zugehörig sind. Das Wasser lässt das Holz sprießen, das Holz nährt das Feuer, das Feuer (die Asche) düngt die Erde, die Erde reichert Metall an, das Metall zeugt das Wasser. Auf der linken Zeichnung in Abbildung 17 ist das Prinzip der Herrschaft dargestellt. K'ev, der Diener der Herrschaft, ist im Gegensatz zu Cheng ein Abbauer (ein Kataboliker), seine Charakteristik die Mäßigung. In diesem Prinzip dominiert jedes Element ein anderes: Die Erde saugt das Wasser auf, das Wasser löscht das Feuer, das Feuer schmilzt das Metall, das Metall spaltet das Holz. Die Abfolge kann nun keine kontinuierliche mehr sein, wie beim Prinzip der Generation, sondern nur eine alternierende. Die daraus entstehende Figur nimmt die Form eines sternförmigen Fünfecks mit asymmetrischem Zentrum an. Diese Darstellungsweise verdeutlicht die dem chinesischen Denken implizite Asymmetrie. Dieses Denken zieht einer Struktur der Stabilität das Prinzip der Bewegung vor. ([31] SILVESTRINI, Narciso, FISCHER, Ernst Peter, Hrsg. von STROMER, Klaus: chinesische Tradition) 3.5.3 Zusammenfassung China und andere Kulturkreise übten in den letzten fünfzig Jahren eine große Faszination auf die Künstler des Abendlandes aus. Dies liegt nicht an reiner Willkür oder am Geschmack des Exotischen, sondern drückt vielmehr die Nachfrage nach neuen künstlerischen Konzeptionen aus, die sich aus der fortschreitenden Veränderung unseres Weltbildes ergeben. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Spielraum der abendländischen Ästhetik erweitert und in der Abkehr von der seit der Renaissance geltenden Linearperspektive, die den Blick mit optischen Illusionen gefangen hielt, die Sicht auf eine tiefere, umfassendere Wirklichkeit freigegeben. Es findet eine Abkehr von der Suche nach einem verbindlichen Schönheitsideal statt. Ebenso ist das Bild nicht mehr eine fest gefügte Welt mit dem Menschen als Mittelpunkt und Maß. Vielmehr beginnt die Suche nach einer Erklärung des neuen Verhältnisses des Menschen zur Welt, das sich aus der historischen, wissenschaftlichen, technischen und sozialen Entwicklung ergibt. Auch wird versucht, abgerissene Bande zu nicht abendländischen Kulturen neu zu entdecken oder wieder aufzunehmen und die Erfahrungen aller Völker und Kulturkreise vergleichend, austauschend und assimilierend zu verwerten. (vgl. [2] COURTOIS, Michel, S. 7) So vermittelt uns der chinesische Kulturkreis eine unterschiedliche Einstellung zur Bedeutung von Malerei. Die Wahrung einer allgemeingültigen Tradition geht dabei über den Individualismus des Künstlers hinaus. Auch sind naturgetreue Abbildungen weniger wichtig, als das Vermitteln von Gefühlen, das Wecken von Empfindungen im Betrachter und das Festhalten von Dauerhaftem und Essenziellem. In dieser Einstellung 3.6 NEUZEIT 47 unterscheidet sich die chinesische Philosophie des Malens von der abendländischen, die oft zum Ziel hat, flüchtige Momente naturgetreu nachzubilden und festzuhalten. Die Psyche des Betrachters wird ganz anders in den Bildentstehungs- und Verarbeitungsprozess miteinbezogen. Die Vorstellung des Künstlers, der künstlerische Akt, soll nachvollziehbar werden. Der Künstler hat das Bild vor seiner Entstehung komplett im Kopf vorgedacht, was einen ganz anderen, höheren geistigen Prozess voraussetzt. Dies ist auch der Grund weshalb Malen als poetischer Prozess bezeichnet wird und die bloße Nachahmung abgelehnt wird. Die Farbe ordnet sich diesen geistigen und traditionellen Vorstellungen unter. In der Landschaftsmalerei, die oft zur Meditation eingesetzt wird, wird Farbe nur sehr sparsam benutzt, um nicht abzulenken. Linien und deren Anordnung haben eine große Bedeutung. Aus dem Wunsch, das Dauerhafte festzuhalten, entsteht die Neigung zur Abstraktion. In Porträts, erzählende Genrebilder, Tierbilder und Blumen- oder Pflanzenbildern tritt die Umrisslinie hinter der Farbe zurück. Anders als die abendländischen Farbordnungssysteme beruht das chinesische Ordnungssystem auf den fünf Grundfarben Rot, Grün, Schwarz, Weiß und Gelb. Diese Grundfarben werden durch Entsprechungen zu Himmelsrichtungen, Jahreszeiten oder Tieren auf einem Farbkreis angeordnet und können durch zwei unterschiedliche Lesarten gelesen werden. 3.6 Neuzeit Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird von der bisherigen Betrachtung und Entwicklung der Farbe in der Malerei und modernen Kunst abgewichen, da dieses Thema zu umfangreich für diese Arbeit sein würde. Im Hinblick auf das interaktive Bild gewinnt in der Neuzeit ein völlig neuer Faktor in der Kunst an Bedeutung: Die Technologie. Mit der Erfindung der Fotografie zu Beginn des 19. Jahrhunderts und der Entwicklung über bewegte Bilder in Film und Fernsehen bis zum digitalen Bild der Computergraphik ergeben sich neben der Malerei unzählige neue Möglichkeiten zur Abstraktion, zur Abbildung und zur Nachahmung der Realität. Dabei kommen auch für die Bedeutung der Farbe in der Kunst völlig neue Dimensionen hinzu. 3.6.1 Technologische Eckpunkte In diesem Abschnitt wird zunächst Schritt für Schritt ein Ordnungsmodell entwickelt, dessen Grundpfeiler die wichtigsten Eckpunkte der technologischen Entwicklung bis zum interaktiven Bild der Computergrafik bilden. Diese Grundpfeiler sind Gemälde, Fotografie und Film. Dabei ergeben sich bereits einige intuitive Vermutungen, Fragen, Parallelen, Abgrenzungen und Eigenschaften zwischen den einzelnen Elementen des Ordnungsmodells aber auch im Hinblick auf das interaktive Bild (vgl. Abbildung 18). Im Anschluss werden in den jeweiligen Unterkapiteln die einzelnen Entwicklungsschritte von Fotografie über Film bis zum computergrafischen Bild geschichtlich sowie farbtechnisch untersucht, um in einem letzten Abschnitt dieses Kapitels über die Neuzeit (vgl. Abschnitt 3.6.5) die ersten Annahmen und Gesetzmäßigkeiten des Ordnungsmodells zu bestätigen, zu ergänzen, gegebenenfalls zu korrigieren oder zu verwerfen. 3.6.1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE 48 Neuzeit Gemälde Foto Film interaktives Bild Produktionszeit der Bilder Abbildung 18: Ordnungsmodell 1 der Technologien „Wenn ein Künstler einen Gedanken entwickelt und sich beeilt, ihn auf die Leinwand zu bringen, wie seufzt er da, das er gezwungen ist, Stück für Stück zu arbeiten, dass er den Gedanken in seinem Kopf nicht mit einem Pinselstrich verwirklichen kann. Es ist der ganze Stolz der Fotografie, dass sie dies eben vermag“. ([24] NEWHALL, Beaumont, S.81) Mit Hilfe dieses Zitats lässt sich der Kompositionscharakter von Malerei und Fotografie gut auseinander halten. In der Malerei geht die Arbeit Stück für Stück und oft auch Schicht für Schicht vonstatten. Komposition und Erzeugung eines Gemäldes stehen in einem ständigen Wechsel. In der Fotografie erfolgt zuerst die Komposition des Bildes, welches anschließend durch das Ablichten erzeugt wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Abfilmen einer Szene. Auch in der Computergrafik wird das interaktive Bild erst programmiert und dann im Anschluss bei Bedarf erzeugt. Demnach wird beim Gemälde viel mehr Zeit zur Herstellung benötigt, während die Zeit des Herstellens eines Bildes durch Fotografieren oder Filmen nur den Prozess der Aufnahme und Abbildung auf das Foto- beziehungsweise Filmmaterial dauert. Bei der digitalen Erzeugung eines Bildes durch ein Programm entsteht das Bild in wenigen Millisekunden im Rechner. Es stellt sich die Frage, was es für Auswirkungen gehabt hätte, wenn ein Maler zur damaligen Zeit so schnell hätte malen können, wie heute ein digitales Bild im Rechner entsteht? Es bestünde die Möglichkeit, dass der Betrachter beispielsweise bei einer Drehung bereits ein neues Bild erhielte. Wäre demnach Räumlichkeit und Interaktivität also schon damals möglich gewesen oder gibt es dafür noch weitere Voraussetzungen? Weiterhin unterscheiden sich die Grundpfeiler des Ordnungsmodells nicht nur in der Herstellungszeit, sondern auch in ihrer Herstellungsart. Die Farbe ist als Pigment beim Gemälde Material und Grundvoraussetzung zum Herstellen der Bilder. Auch werden in Gemälden zum Beispiel bei der Technik JAN VAN EYCKS mehre Farbschichten subtraktiv und schablonenartig übereinander aufgetragen. VAN EYCK nutzt diese Techniken (Weißhöhung beispielsweise bei Händen und Gesicht), um die Farben von innen her leuchten zu lassen und Realismus beziehungsweise Tiefe zu erzeugen. Bei der Buntfotografie und beim Druck wird durch subtraktive Farbmischung die Farbe auf das Fotopapier gebracht (vgl. Abschnitt 3.6.2.4), während der Bildschirm bereits von innen leuchtend durch additive Mischung Farbe erzeugt (vgl. Abschnitt 3.6.3.4). Diese unterschiedlichen Arten der Farberzeugung bei Druck und Monitor ergeben 3.6 1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE 49 Probleme, da Farben auf dem Bildschirm teilweise anders dargestellt werden, als später im Druck auf dem Papier. Beim Filmen auf Filmmaterial erfolgt ebenfalls eine sequenzielle Schichtung, hier werden jedoch nicht wie bei VAN EYCK mehrere Schichten zu einem Bild, sondern mehrere Bilder zu einem Film sequenziell verknüpft. Neuzeit Gemälde Foto Film interaktives Bild Produktionszeit der Bilder Mächtigkeit der Technik Abbildung 19: Ordnungsmodell 2 der Technologien Im gleichen Zuge, in dem die Produktionszeit eines Bildes abnimmt, nimmt auf der anderen Seite, wie bereits in der Einführung zu diesem Abschnitt erwähnt, die Bedeutung der Technik in der Kunst zu. Der Einsatz von Technologie in Fotografie über Film bis zur digitalen Computerkunst wächst (vgl. Abbildung 19). Neuzeit Gemälde Foto Film interaktives Bild Produktionszeit der Bilder Mächtigkeit der Technik statisch lange Betrachtungszeit (pro Bild) statisch lange Betrachtungszeit (pro Bild) dynamisch kurze Betrachtungszeit (pro Bild) dynamisch kurze/ lange Betrachtungszeit (pro Bild) Abbildung 20: Ordnungsmodell 3 der Technologien 3.6.1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE 50 Die Länge der Betrachtungszeit unterscheidet sich von den statischen Medien Gemälde beziehungsweise Foto zu den dynamischen Medien Film und Interaktives Bild (vgl. Abbildung 20). Bei Gemälde und Foto steht dem Betrachter wesentlich mehr Zeit zur Verfügung, um ein einzelnes Bild zu betrachten als beim Film (normalerweise 25 Bilder pro Sekunde) und der Computergrafik. Das hat zur Folge, dass Farben, die im Foto oder Gemälde betrachtet werden, besser erinnert werden können da mehr Zeit vorhanden ist, um sich die Farbe einzuprägen. Beim Film dagegen spult man normalerweise nicht zurück sondern ist der Folge der Bilder ausgesetzt. Dies hat Auswirkungen auf die Bedeutung von Farben in statischen und dynamischen Bildern. Es stellt sich die Frage, inwieweit Farbe somit überhaupt in dynamischen Bildern von Wichtigkeit ist. Diese Frage wird in Kapitel fünf unter Berücksichtigung der physiologischen und psychologischen Wahrnehmung noch einmal aufgegriffen (siehe Abschnitt 5.2). Beim interaktiven Computerbild besteht wieder die Möglichkeit des Eingreifens in die Farbwahrnehmung durch aktive Nutzerbeeinflussung der Szene. Es ist durchaus möglich und sinnvoll, die Szene anzuhalten, beispielsweise bei PC-Spielen. Farbe muss also hier nicht nur im dynamischen Bild, sondern auch als Element eines statischen Bildes betrachtet werden. Damit schließt sich der Kreis über die Frage der Wichtigkeit von Farbe in Abhängigkeit zur Betrachtungszeit und zur Statik beziehungsweise Dynamik einer Szene. Neuzeit Gemälde Foto Film interaktives Bild Produktionszeit der Bilder Mächtigkeit der Technik statisch statisch lange Betrachtungszeit lange Betrachtungszeit (pro Bild) (pro Bild) Bild im Kopf/ aktiv Abbild/ passiv Pigmente dynamisch kurze Betrachtungszeit (pro Bild) Abbild/ passiv dynamisch kurze/ lange Betrachtungszeit (pro Bild) Bild im Kopf/ aktiv Pixel Abbildung 21: Ordnungsmodell 4 der Technologien Die horizontale Einteilung in Gemälde, Fotografie, Film und interaktivem Bild kann ebenso als eine zeitliche Entwicklung betrachtet werden (vgl. Abbildung 21). Die Entwicklung vom Gemälde erstreckte sich über die bereits betrachteten Epochen Antike, Mittelalter und Renaissance (vgl. Abschnitt 3.1 bis 3.3). In der Neuzeit kam in ungleich kürzeren zeitlichen Abständen die Erfindung und Entwicklung von Fotografie, Film und Computergrafik hinzu. Das Gemälde als Vorfahre dieser neuen technischen Bilderzeugungsverfahren beeinflusste deren gedankliche Grundlagen und Ansätze in Bezug auf die Farbe. 3.6 1 TECHNOLOGISCHE ECKPUNKTE 51 So können beispielsweise zwischen den Glasfenstern der Antike und des Mittelalters Parallelen zur additiven Farbmischung von Film und Fernsehen gezogen werden. Licht fällt wie bei einer Projektion von hinten durch das Fenster. Ist kein Licht vorhanden, bleibt das Fenster schwarz. Die verschiedenfarbigen Glasfensterteile können verglichen werden mit den in die Rasterscheiben der Bildröhren eingelassenen Phosphoren. Diese werden durch das einfallende Sonnenlicht zum Strahlen gebracht. Auch der antike Mimesis-Gedanke lässt sich in diesem Schema wieder finden. Nach ARISTOTELES’ Mimesis-Gedanke wurde mit dem Bild eine eigene neue Realität erschaffen (vgl. Abschnitt 3.1.3). Dies ist ein aktiver Vorgang der Umsetzung. Das Bild muss vorher in einem geistigen Prozess im Kopf erfunden werden. Selbst wenn das Motiv real existent ist, steht das Abbild immer unter dem direkten Einfluss des Malers, der ihm mit dem Pinsel seinen Eigenwert verpasst. Diese Vorgehensweise findet sich im Schema nicht nur bei der Bildentstehung von Gemälden sondern auch im interaktiven Bild wieder. Beim interaktiven Bild kann die Mimesis derart verstanden werden, dass Informationen von außerhalb verarbeitet werden, was auf dem ästhetischen Gebiet als Nachahmung empfunden werden kann (zum Beispiel Animationen, interaktive Medienkunst). Das Schreiben des Programms ersetzt die Pinselbewegung des Malers. Das Foto und der Film stützen sich mit Hilfe eines technischen Geräts vom Prinzip auf die bloße Abbildung der Realität, welche ein passiver Vorgang ist. Die Passivität bezieht sich jedoch lediglich auf den Vorgang der Abbildung. Der kreative Prozess der Komposition eines Fotomotivs oder einer filmischen Szene ist ebenfalls ein aktiver, geistiger Prozess. Auch kann im Zuge der Digitalisierung Foto- und Filmmaterial nachträglich sehr leicht verändert werden. Die Grenzen des aktiven Eingreifens und des willkürlich dokumentierenden Aspektes von Fotografie und Film werden immer ungenauer. KRAUSS beschreibt in seinem Buch „Kunst mit Photographie“, dass erst 1876 mit der fotografischen Aufnahme eines Pferdes bewiesen wurde, wie ein Pferd im Trabe in einer bestimmten Phase den Boden nicht berührt. Dies ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. In der Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts konnte eine Bewegungsphase, von der bis zum Jahre 1876 niemand eine Anschauung hatte, nur erfunden, das heißt gemalt werden. Zu imaginieren war demnach schon von jeher Aufgabe der Malerei. Bei der Fotografie war die Fixierung auf die Reproduktionsfähigkeit lange so stark, dass niemand ihre Imaginationsfähigkeit erkannte. (vgl. [18] KRAUSS, Rolf H., SCHMALRIEDE, Manfred, SCHWARZ, Michael S. 55 ABSCHNITT links) Was hat nun die Betrachtung über das Aktive und Passive sowie die Unterscheidung von Abbild und Bild im Kopf mit Farbe zu tun? In Gemälde und interaktivem Bild mischt der Künstler Pigmente beziehungsweise Pixel in einem aktiven Prozess selbst zusammen, um sie auf die jeweiligen Medien wie Leinwand oder Bildschirm auszugeben. In Fotografie und Film wird die Farbe der Objekte in dem Sinne nicht selber erschaffen, sondern es erfolgt eine Abbildung der real existierenden Gegenstände. Die Wirkung von Farbe kann nicht direkt im Material selbst beeinflusst werden, sondern ergibt sich durch Auswahl und Komposition. Diese Eigenschaft wird durch die Digitalisierung von Foto und Film wieder in einen aktiven Schaffensprozess ausgeweitet. In den folgenden drei Teilkapiteln werden die eben festgehaltenen Erkenntnisse durch geschichtliche Daten und Erkenntnisse zu Fotografie, Film und interaktivem Bild der Computergrafik erläutert und verdichtet. 3.6.2 FOTOGRAFIE 52 3.6.2 Fotografie 3.6.2.1 Fotografie und Malerei Seit ihrer Erfindung vor ca. 150 Jahren wird die Fotografie gemessen und verglichen mit jener alten Kunst, durch die dreidimensionale Wirklichkeit auf eine zweidimensionale Bildwelt reduziert wird: der Malerei. Mit der Erfindung der Fotografie kommt in der Kunst erstmal der Fotoapparat als technisches Hilfsmittel zum Einsatz. Er eröffnet eine neue Dimension technischer Genauigkeit von Darstellungen. So können beispielsweise Bewegungen fixiert werden, die dem Auge als zu schnell entschwinden und anatomische Formen festgehalten werden, die beim längeren Stehen des Modells erlahmen. Diese Eigenschaft führte schon früh zur Nutzung fotografischer Vorlagen in der Malerei. Seitdem es mit der Camera obscura möglich ist, fixierbare und damit dauerhafte Bilder herzustellen, gibt es zwischen dem Gebiet der Malerei und der Fotografie Dependenzen. Jedoch wird der Einfluss der Fotografie im Bezug auf Detailgenauigkeit, Bildausschnitte, Perspektive und Bewegungsdarstellung überschätzt. In Abschnitt 3.3 wurde festgestellt, dass es die Darstellung von Perspektive im Gemälde bereits seit der Renaissance gab. Auch waren schon seit Jahrhunderten Bildausschnitte in dem Sinne gebräuchlich, dass Personen oder Gesichter genauso wie Objekte vom Bildrand geteilt wurden. Ebenso stellte beispielsweise der spanische Maler VELÁSQUEZ (1599-1660) die Bewegung eines rotierenden Spinnrads als Scheibe ohne Speichen dar. Dieses sind zwar unverkennbare Bildgestaltungs- und Darstellungsmerkmale der Fotografie, wurden jedoch von dieser nicht als neue Qualität in die Malerei eingebracht. Nichtsdestotrotz wurde die Kamera als Hilfsmittel der Malerei verwendet. Die Maler zogen aber nicht nur einen technischen sondern auch einen ideellen Nutzen aus der Kamera. Die Fotografie übte eine heilsame Wirkung auf die ästhetische Konzeption von Bildern aus. So ist zum Beispiel in dem Gemälde von PAUL HOENIGER: „Im Café Josty in Berlin“ von 1890 deutlich zu erkennen, das eine Fotografie als Vorlage verwendet wurde (siehe Abbildung 22). Die Übernahme des ästhetischen Konzepts der Fotografie reicht sogar so weit, dass HOENIGER Bewegung, Anschnitt, Perspektive, zufällige Überschneidungen und Detailgenauigkeiten nach Art der Momentfotografie mit einer Konsequenz und Qualität zeigt, der die Fotografen zu diesem Zeitpunkt technisch nicht folgen konnten. Abbildung 22: fotografische Vorlage bei Paul Hoenigers „Im Café Josty in Berlin“ 3.6.2 FOTOGRAFIE 53 Selbst die zur damaligen Zeit neuen, empfindlichen Trockenplatten konnten den Lichtkontrast zwischen drinnen und draußen nicht ausgleichen. Genauso wenig konnten Bewegungen scharf aufgenommen werden, um eine den ganzen Bildraum durchziehende Tiefenschärfe zu erzielen. Die Maler exponierten die fotografischen Mittel mit größerer Meisterhaftigkeit als die Fotografen. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 9 ff) Von dieser Beeinflussung lässt sich jedoch nicht auf eine Konvergenz in der geschichtlichen Entwicklung von Malerei und Fotografie schließen. Die Fotogeschichte hat sich zu keinem Zeitpunkt im Gleichlauf mit der Malerei befunden, auch nicht phasenversetzt. In der frühen Zeit der Fotografie endet die Vergleichbarkeit von Gemälden und Fotografie spätestens bei der Farbe, da bis dahin mit nur wenigen Ausnahmen schwarzweiß fotografiert wurde. ENNO KAUFHOLD stellt deshalb in seinem Buch „Bilder des Übergangs“ (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 198) die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, in dieser Phase die Fotografie mit der Malerei zu vergleichen. Seiner Meinung nach wäre ein Vergleich mit der Grafik angebrachter. Dies scheitere jedoch an der fehlenden speziellen Ästhetik und Kunsttheorie für die Grafik. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 9 ff) 3.6.2.2 Ist Fotografie Kunst? Die ersten Jahrzehnte der Fotografie waren vom naiven Gebrauch des neuen Mediums gekennzeichnet. Erst seit dem 19. Jahrhundert eigneten sich Kunstfotografen das ästhetische und künstlerische Repertoire der Maler an und verbanden es mit den Mitteln der Fotografie. So schärfte sich ihr Blick für das eigentlich Fotografische. Die Fotografie ist demnach nicht komplett ästhetisch und künstlerisch von der Malerei abhängt. (vgl. [17] KAUFHOLD, Enno, S. 9 ff) Neue Impulse in der Kunst entstanden in der Geschichte oft aus dem Antrieb heraus, etwas völlig Gegensätzliches zum bisher Bestehenden zu schaffen. Die Fotografen und Theoretiker der Fotografie hingegen wetteiferten lange mit den Schönen Künsten, im Speziellen mit der Malerei, bevor sie den Eigenwert der Fotografie als eigenständige Kunstgattung erkannten. Dies geschah dadurch, dass sie sich den Bedingungen und Möglichkeiten des eigenen Mediums zuwandten. Lange wurde die Fotografie als einseitiges, mechanisches Reproduktionsverfahren angesehen. Allerdings wurde die Bedeutung der Fotografie für die Entstehung des Films nie bestritten. (vgl. [18] KRAUSS, Rolf H., SCHMALRIEDE, Manfred, SCHWARZ, Michael, S. 53 ff) 3.6.2.3 Farbe in der Fotografie Anfangs wurden Fotografien nach dem Prinzip der Daguerreotypie hergestellt. Als Daguerreotypie wird ein fotografisches Positiv-Verfahren des 19. Jahrhunderts bezeichnet, das nach dem französischen Maler LOUIS JACQUES MANDÉ DAGUERRE (1787 1851) benannt wurde. Dieses Verfahren erzeugte jedoch nur Unikate, die nicht, wie bei dem später von dem Engländer WILLIAM HENRY FOX TALBOT (1800 - 1877) erfundenen Negativ-Positiv-Verfahren, der so genannten Talbotypie (auch Kalotypie), vervielfältigt werden konnten. Relativ bald nach den ersten gelungenen fotografischen Versuchen entstand der Wunsch, auch die natürlichen Farben der Umwelt abzubilden. Erste Versuche in dieser Richtung bestanden darin, den schwarzweißen Aufnahmen von Daguerreotypien Farbtöne hinzuzufügen. Später stellte sich das von TALBOT beschriebene Verfahren als das Geeignetere heraus. Bei diesem Verfahren werden lichtempfindliche Papierblätter verwendet, die nach einer lange dauernden Belichtung in der Kamera negative Bilder erzeugten. Sie konnten anschließend auf ein ähnliches Papier kopiert werden, um 3.6.2 FOTOGRAFIE 54 positive Bilder zu erhalten. Solche Bilder konnten recht einfach mit Wasserfarben oder mit einem durchsichtigen Ölanstrich koloriert werden. (vgl. [2] COE, Brian, S. 8) 1861 projizierte der schottische Physiker JAMES CLERK MAXWELL (1831-1879) erstmals eine richtige Farbaufnahme. Er veröffentlichte das erste Farbbild als Nachweis für die Theorie der additiven Farbmischung. Seine Vorführung der additiven Farbmischung basierte auf drei Diapositiven, die durch drei Farbfilter (Rot, Grün und Blau) fotografiert worden waren (siehe Abbildung 23) und durch entsprechende Filter deckungsgleich projiziert wurden (siehe Abbildung 24). Abbildung 23: drei Diapositive von MAXWELL (1861) Abbildung 24: Farbreprodduktion Techniken und Länge der Belichtungszeit verbesserten sich in der Folgezeit in Europa durch zahlreiche neue Erfindungen und Patentanmeldungen. Die Brüder AUGUSTE und LOUIS LUMIÈRE stellten 1904 die ersten Autochrom-Platten her. Mit dem auf der Farbrasterung basierenden Autochromverfahren wurde es erstmals möglich, ein Farbbild mit einer einzigen Aufnahme herzustellen und nicht, wie früher, die Aufnahme hintereinander durch drei Farbfilter zu erzeugen. Farben konnten sehr realistisch wiedergegeben werden. Allerdings war die Belichtungszeit für eine Aufnahme sehr lang. Autochromplatten funktionierten mit rot, blau und grün eingefärbten Stärkekörnchen aus Kartoffeln und einer Bromsilber-Gelatine-Emulsion. Die Kombination der Farbkörnchen ergab eine scheinbar homogene Farbfläche auf Grund der additive Farbsynthese. Obgleich dieses Verfahren bei großflächigen Standbildern mit seinen weichen Farben und lichtechten Pigmenten erstaunliche Resultate erbrachte, war es für den Kinofilm ungeeignet, da das grobe Raster ein störendes Rauschen erzeugte. Die ersten Dreischichtenfilme wurden 1936 von Agfa und Kodak auf den Markt gebracht. Nach diesem Verfahren funktionieren Farbfilme prinzipiell bis heute. (vgl. [2] COE, Brian, S. 28 ff) 3.6.2 FOTOGRAFIE 55 Heute dominieren in der Fotografie jedoch die Subtraktionsverfahren, die im folgenden Abschnitt näher erläutert werden sollen. 3.6.2.4 Farbmischgesetze Der heutigen Buntfotografie liegt das Farbgesetz der subtraktiven Farbmischung zugrunde (siehe Abbildung 25). Als subtraktive Mischung bezeichnet man die Modulation von sichtbarer Strahlungsenergie durch lasierende Filterschichten. Subtraktion ist immer dann gegeben, wenn von vorhandener Strahlungsenergie durch Absorption etwas entfernt wird. Das heißt, dass durch das Absorptionsvermögen von drei hintereinander geschalteten Filterschichten die Vielfalt des Farbraums reproduziert wird. Nach diesem Grundprinzip funktioniert nicht nur die Farbfotografie, sondern auch teilweise der Mehrfarbendruck. Ausgangspunkt ist die unbunte Grundfarbe Weiß. Bei der Buntfotografie ist sie in Gestalt des weißen Lichts vorhanden, das nötig ist, um ein Buntdia zu sehen. Im Druck übernimmt die weiße Papieroberfläche diese Aufgabe. Die Grundfarbe Weiß ist dabei notwendig, damit die transparenten Farbschichten, die darüber liegen, überhaupt ihr Absorptionsvermögen entfalten können. Solche transparenten Farbschichten nennt man auch lasierend. Sie sind prinzipiell nichts anderes als Farbfilter, die bei der subtraktiven Mischung in den Farben Gelb, Magentarot und Cyanblau auftreten. Jede dieser Farbschichten absorbiert den Strahlungsbereich des weißen Untergrunds für einen Zapfentyp (vgl. Abschnitt 4.1). Die volle Farbschicht absorbiert möglichst die gesamten betreffenden Strahlungen, während die gelbe Schicht zum Beispiel keine kurzwelligen Strahlungen durchlässt, so dass der Empfangsbereich für Violettblau keinen Farbreiz erhält und deshalb auch kein Empfindungspotential aktiviert. Bei Reproduktionssystemen, die nach diesem Prinzip arbeiten, wird die Farbmenge in den Filterschichten für jeden Bildpunkt variiert. In jeder Schicht entspricht das Absorptionsvolumen der vorhandenen Farbmenge. Je größer nun diese Farbmenge ist, desto mehr wird von der entsprechenden Strahlung absorbiert und desto weniger wird durchgelassen. Ist gar keine Farbmenge da, wird in diesem Strahlungsbereich alles durchgelassen. Dieser Fall entspricht in Abbildung 25 dem Weißen Bereich außerhalb der drei Farbkreise. Abbildung 25: subtraktive Farbmischung 3.6.3 FILM und FERNSEHEN 56 So hat jede Filterschicht die Aufgabe, eine Urfarbe im Sehorgan anzusteuern und zu modulieren. Der Farbschicht Gelb ist dabei die Urfarbe Violett zugeordnet, der Farbschicht Magentarot die Urfarbe Grün und der Farbschicht Cyanblau die Urfarbe Orangerot. Je nach Farbmenge in der betreffenden Schicht fällt mehr oder weniger Strahlungsenergie auf die zugeordneten Zapfen. Dabei sind alle Mengenvariationen möglich. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 178 f) Man kann demnach festhalten, dass Cyan Blau und Grün enthält und Rot absorbiert. Magenta enthält Blau und Rot, absorbiert Grün und Gelb enthält Grün und Rot, absorbiert Blau. Die Grundfarben bilden sich dabei nach dem Schema: Gelb + Cyan = Grün (-Blau und -Rot) Cyan + Magenta = Blau (-Rot und -Grün) Gelb + Magenta = Rot (-Blau und -Grün) 3.6.2.5 Farbe in der Digitalfotografie In der Digitalfotografie gibt es keinen chemischen Film. Die Speicherung der Bildinformation erfolgt in der Regel elektromagnetisch oder optisch, meist in einem standardisierten Dateiformat. Dabei wird das Bild mit seinen Farbinformationen kodiert. Auch für digitale Bilder haben sich entsprechenden Präsentationsformen herausgebildet. Üblich ist die Darstellung auf dem Monitor (vgl. Abschnitt 3.6.3). Genauso können digitale Bilder auch gedruckt oder ausbelichtet werden. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Farbbereiche von Monitor und Druck übereinstimmen oder so aufeinander abgestimmt werden müssen, dass der Farbeindruck des Drucks den des digital auf dem Bildschirm dargestellten Bildes wiedergibt. 3.6.3 Film und Fernsehen 3.6.3.1 Geschichte und Technik Schon seit Beginn der Fotografie bestand Interesse daran, den Moment der Bewegung im Bild festzuhalten, beziehungsweise sichtbar zu machen. Nicht weit lag daher der Wunsch, auch die Bewegung an sich festzuhalten und reproduzierbar zu machen. Die Fotografie hält eine bestimmte Szene fest, während der Film ganze Geschichten und Handlungen einzufangen vermag. Es stellte sich bald heraus, dass man durch die Anzeige einer Folge von Bildern in kurzen Zeitabständen mit geeigneter Technik für den Betrachter die Illusion der Bewegung erzeugen kann. Dieser Effekt, den man als Stroboskopeffekte bezeichnet, macht sich die menschliche Wahrnehmung zu Nutze, die ab ungefähr 25 Bildern pro Sekunde eine Illusion von Kontinuität erzeugt. Sind die Bilder nicht all zu verschieden, sorgt die Trägheit des Auges dafür, dass die eigentlich verschiedenen Einzelbilder als identisch und kontinuierlich empfunden werden. Der Film baut somit technisch gesehen auf der Fotografie auf. (vgl. [26] NOWELL-SMITH, Geoffrey, S. 6 ff) Den Gebrüdern AUGUSTE und LOUIS LUMIÈRE gelang es bereits Anfang 1895 erstmals mit Hilfe einer Projektionsvorrichtung bewegte Bilder auf eine Leinwand zu werfen. Nach weiteren Verbesserungen an ihrem Gerät, dem Cinématographe Lumière, gaben sie noch im selben Jahr den Startschuss für das kommerzielle Kino. (vgl. [26] NOWELLSMITH, Geoffrey, S. 18) Heute kann man festhalten, dass sich der Film über drei große Gebiete erstreckt, wobei die Übergänge fließend sind. Zum einen gibt es die klassische Filmkunst, die mit Hilfe fotografischer Verfahren Einzelbilder von Ereignissen in schneller Abfolge auf 3.6.3 FILM und FERNSEHEN 57 Filmmaterial ablichtet. Diese Bilder werden durch Projektion auf eine Leinwand geworfen, wobei der Eindruck des bewegten Bildes entsteht. Ein Projektor ist vereinfacht gesagt eine Kamera, die umgekehrt funktioniert. Während der StummfilmÄra liefen alle Projektoren, ob sie nun per Hand gekurbelt oder elektrisch angetrieben wurden, mit wechselnden Geschwindigkeiten. Somit konnte der Vorführer das Tempo des Projektors dem der Kamera anpassen. Da bei kleineren Geschwindigkeiten von 14 bis 18 Bildern pro Sekunde ein Flimmern auftrat, steigerte man sich mit der Zeit auf 24 Bilder pro Sekunde, was dann als Standard für den Tonfilm festgelegt wurde. (vgl. [23] MONACO, James, S. 11) Zum Zweiten besteht seit den 60er Jahren die Möglichkeit, Bilder durch elektronische Verfahren aufzunehmen und anschließend auf einem Bildschirm (vgl. Abschnitt 3.6.3.4) darzustellen. Dies ist der Bereich des Fernsehens und der Videokunst. Neben der eigenständigen Videokunst als Kunstrichtung bietet das Video an sich zahlreiche Vorteile für die Film- und Fernsehproduktion. Wird zur Produktion eines Films ein Videoband eingesetzt, so muss dieses, anders als bei der klassischen Filmkunst, nicht erst entwickelt werden, sondern kann sofort, auch auf mehreren Monitoren gleichzeitig, abgespielt werden. Somit ist es beim Drehen eines Films auch anderen Personen außer dem Kameramann möglich, die Szene zu sehen und sofort zu überprüfen. Außerdem erleichtert die Videotechnik das Schneiden, da digitales Schneiden ungemeine Vorteile gegenüber dem mechanischen Kleben des Films bringt. Außerdem vereinfacht sich das Problem der Archivierung, da die elektronische Speicherung auf Platten den direkten Zugang zu allen Aufnahmen bietet. Das Fernsehen nutzt ebenfalls seit seinen Anfängen die Film-auf-Band-Überspielung. Dabei wird eine Produktion auf Film gedreht und dann für die Sendung auf Band überspielt. Seit den 90er Jahren entwickelte sich schließlich das dritte große Gebiet der Computeranimationsfilme als Nachfolger des Trickfilms. Dabei werden keine realen Vorgänge als Ganzes abgefilmt, sondern die Bilder werden einzeln durch Zeichnen, Stop-Motion (Filmtechnik zur Animation von Gegenständen), oder digitale Animation erzeugt. Seit dem letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Entwicklung der Bildaufzeichnung durch die Digitalisierung einen neuen Höhepunkt erreicht. Die technischen Grundlagen des Filmemachens veränderten sich dadurch völlig. Die gesamte Herstellungskette von der Aufnahme über die Bearbeitung bis zur Speicherung im Digitalformat ist betroffen. (vgl. [23] MONACO, James, S. 143 ff) 3.6.3.2 Film und Malerei Wie schon im Abschnitt über die Fotografie (vgl. Abschnitt 3.6.2.1) erwähnt, brachte ebenso beim Film die Technologie völlig neue Möglichkeiten für die visuellen Künste. Die Kamera als technisches Medium, sieht man einmal von ihrer Begrenztheit der Farbwiedergabe bis in die späten 60er Jahre ab, übertraf zusammen mit der Fotografie die Malerei und Zeichnung ganz eindeutig in einem Aspekt. Sie konnten Bilder von der Welt direkt aufzeichnen. Dieser Wunsch nach naturgetreuer Abbildung drückte sich bereits seit der Antike (vgl. Abschnitt 3.1.3) und später in der Renaissance als entscheidender Wert in der visuellen Ästhetik aus. Auch bestand in der Kunst schon immer der Wunsch, Bewegungsabläufe festzuhalten. Illustrationen auf Friesen zählen beispielsweise zu den wichtigsten Versuchen der tonlosen visuellen Künste, eine Geschichte zu erzählen und von Ereignissen zu berichten, die eine Existenz sowohl in der Zeit, als auch im Raum haben. Dies wird durch die Erfindung des Films in einem ganz anderen Umfang möglich. 58 3.6.3 FILM und FERNSEHEN Des Weiteren war es nun mit dem Film als ein sich bewegendes Bild möglich, ständig wechselnde Perspektiven darzustellen. Diese Eigenschaft des Films versuchten Künstler des Kubismus wie PABLO PICASSO und GEORGE BRAQUE in ihren Werken nachzuempfinden. In diesem Sinne ist das Werk von MARCEL DUCHAMP „Nu descendent un escalier“ als ein Versuch zu verstehen, die vielfältigen Perspektiven des Films auf die Leinwand zu bannen (siehe Abbildung 26). (vgl. [23] MONACO, James S. 37) Abbildung 26: vielfältigen Perspektiven in MARCEL DUCHAMPS „Nu descendent un escalier“ 3.6.3.3 Farbe im Film Auch im Film stellte sich sehr schnell der Wunsch nach Kolorierung ein. Bereits 1896 existierten erste Filmkopien, die mit feinen Pinseln von Hand koloriert wurden. Das Ergebnis dieser Technik war oft spektakulär, zum Beispiel bei GEORGE MÉLIÈS’ „Le Royaume des Fées“ von 1903, dessen Bilder den Glanz mittelalterlicher Miniaturen besaßen. Die größte Schwierigkeit beim Kolorieren bestand darin, den Farbauftrag auf ein bestimmtes Bilddetail zu beschränken. CHARLES PATHÉ (1863 - 1957) erfand daraufhin 1906 eine mechanische Kolorierungsmethode namens Pathécolor, die bis zu sechs verschiedene Farbtöne zuließ. Eine viel billigere Methode und daher oft verwendete war jedoch das Einfärben ganzer Sequenzen eines Filmes in einer einheitlichen Farbe. Die ersten Versuche, Farbfilme wie heute durch die Überlagerung von roten, grünen und blauen Bildern zu erreichen, gab es bereits 1899. 1906 gelang GEORGE ALBERT SMITH (1864 - 1959) mit Kinemacolor ein wirtschaftlich nutzbares Verfahren. SMITH platzierte vor die Kamera eine halbdurchsichtige Scheibe mit zwei Sektoren: Rot und Blau-Grün. Der Film wurde dann mit denselben Filtern projiziert und die beiden Primärfarben verschmolzen zu einem Bild. 1913 entwickelte Gaumont dieses System zum DreifarbenProzess weiter. Die ersten wirklich farbempfindlichen Emulsionen wurden 1915 von Eastman Kodak entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit begann die Technicolor Motion Picture Corporation mit Experimenten zu einem System, das auf der additiven Synthese von zwei Farben 3.6.3 FILM und FERNSEHEN 59 beruht. Unzufrieden mit ihren Ergebnissen, wendeten sie sich 1919 der subtraktiven Synthese zu. Diese beruht auf der Kombination von Bildern, bei denen jeweils Licht einer bestimmten Farbe ausgefiltert wurde. Durch die Kombination dieser Bilder wird die Farbbalance wieder hergestellt. Der erste vom Technicolor-Team präsentiert Film dieser Art beruhte auf zwei Negativen sowie auf zwei Serien von Positivbildern, die in unterschiedlichen Farben von beiden Seiten auf den Filmstreifen übertragen wurden. Trotz zahlreicher weiterer Erfindungen auf dem Gebiet des Farbfilms dominierte das System von Technicolor in den 30er und 40er Jahren die professionelle Filmproduktion. (vgl. [26] NOWELL-SMITH, Geoffrey, S. 9) 3.6.3.4 Farbmischgesetze Während der Film früher und auch heute noch in den Kinos über die Projektion auf eine Leinwand dem Betrachter zugänglich gemacht wird, nutzen das Fernsehen und die digitale Filmtechnik den Bildschirm als Ausgabemedium. Dem Bildschirm des Buntfernsehens beziehungsweise des Farbfernsehens liegt das Farbgesetz der additiven Mischung zu Grunde. Das heißt, dass das gleichzeitiges Zusammenwirken von Farbreizen auf die Netzhaut den Farbeindruck im Auge erzeugt (siehe Abbildung 27). Die additive Farbmischung ist das Gegenstück, die so genannte komplementäre Gesetzmäßigkeit, zur subtraktiven Farbmischung. Unter additiver Farbmischung versteht man das Prinzip, durch Variationen der Intensität der Farblichter Violettblau, Grün, Orangerot die Farbvielfalt systematisch nachzumischen und auf diese Weise den Farbraum bestmöglich zu reproduzieren. Abbildung 27: additive Farbmischung Die additive Mischung ist somit der technologische Versuch, die Arbeitsweise des Sehorgans zu imitieren beziehungsweise zu simulieren. Die Basis ist die unbunte Grundfarbe Schwarz, die durch die Abwesenheit von Licht entsteht. Wie bei der subtraktiven Mischung sollten die drei Farblichter spektral so beschaffen sein, dass ein jedes in einem der drei Zapfen-Empfangsbereich des Auges volles Empfindungspotential aktiviert und in den beiden anderen möglichst keines (vgl. Abschnitt 4.1). Die Empfindung Weiß entsteht dabei durch das gleichzeitig Ansprechen aller drei 60 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Zapfentypen. Dort wo sich jeweils zwei Lichter überlagern entstehen die Grundfarben Gelb, Magentarot und Cyanblau. In der technischen Umsetzung der additiven Mischung, beispielsweise in einem Bildschirm, ist somit Schwarz die Dunkelheit, welche das nicht in Anspruch genommene Potential ausfüllt. In die Rasterscheiben der Bildröhren sind winzige Phosphore in den Grundfarben Violettblau, Grün und Orangerot eingelassen, die zum Strahlen gebracht werden. Ihre Strahlungsintensität wird dabei für jede dieser drei Grundfarben kontinuierlich ausgesteuert. Das Aussehen der einzelnen Farbnuancen kommt wiederum durch die entsprechenden Werte in den drei Empfangsbereichen der Zapfentypen zustande. (vgl. [19] KÜPPERS, Harald, S. 175 f) 3.6.4 Das interaktive Bild 3.6.4.1 Begriffe Die Vorgänger dynamischer und interaktiver Bilder sind die digitalen statischen Bilder. Im Folgenden sollen die beiden Begriffe statische und dynamische Computerbilder, die teilweise schon im Abschnitt 3.6.1 erwähnt wurden, definiert werden. Des Weiteren werden ihre Eigenschaften erläutert und gegenüber dem ursprünglichen materiellen Bild der Malerei abgegrenzt. Das digital statische Bild gehört zu Kategorie der künstlichen, synthetischen Bilder. Künstliche Bilder sind technische Bilder, die mit Hilfe von Apparaten, wie zum Beispiel dem Computer, dem Fotoapparat oder der Videokamera beziehungsweise Filmkamera hergestellt werden. Im Ordnungsmodell vom Abschnitt 3.6.1 trifft diese Bezeichnung demnach auf alle Ordnungspunkte außer dem Gemälde zu (also auf Fotografie, Film interaktives Bild). Gemälde sind dagegen natürliche Bilder, da sie von Menschenhand unter Verwendung bestimmter natürlicher, greifbarer, stofflicher Materialen ohne das Zwischenschalten einer Maschine angefertigt werden. Ein digitales, statisches Bild bezeichnet ein stilles, statisches, computergeneriertes Bild, das immaterieller Natur ist. Man kann Bilder dieser Bildgattungen als statisch bezeichnen, während bewegte Bilder durch das Additiv dynamisch umschrieben werden können. Durch die Immaterialität lässt sich das statische Computerbild jederzeit verändern und in ein bewegtes dynamisches Bild umwandeln. Das digital statische Bild kann gegenüber dem traditionellen, stillen materiellen Bild abgrenzt werden, da dieses immer dinghaft, an einem Ort jeder Zeit präsent ist und haptisch und visuell wahrgenommen werden kann. Weiterhin ist das digitale, statische Bild dadurch charakterisiert, dass es keine analoge Vorlage aus der Realität benötigt und keine materielle, sondern eine numerische Grundlage besitzt. Diese besteht aus einem Binärcode aus Einsen und Nullen. Anders als in der Fotografie braucht das digitale, computergenerierte Bild als Entstehungsgrundlage weder Bezug zu Realem noch zu real Wahrnehmbarem. Es kann vollkommen frei nach der Fantasie des Künstlers entstehen. Durch seine immaterielle Natur ist das digitale statische Bild wahrnehmbar, wird aber erst dann wirklich stofflich greifbar, wenn es in eine andere Präsentationsform wie Dia oder Druck umgewandelt wird. Diese sollen hier aber nur kurz erwähnt werden, da der Hauptschwerpunkt dieser Arbeit auf dem interaktiven Bild der Computergrafik liegt und dieses in seiner ursprünglichen Art untrennbar mit dem Rechner und der Darstellung auf dem Bildschirm verbunden ist. Ein digitales Bild kann also neben der Ausgabe auf dem Monitor als Dia oder als Ausdruck in eine materielle Form transformiert werden. Das Dia entstand durch das 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 61 Abfotografieren der Bildschirmbilder. Die Qualität war jedoch relativ schlecht, bedingt durch die Bildschirmkrümmung aber auch durch Lichtreflexionen und Spiegelungen auf dem Monitor. Später konnten Dias auf dem digitalen Weg direkt vom Datensatz belichtet werden. Die zweite Möglichkeit ein digitales Bild stofflich greifbar zu machen, ist der Druck. Der Ausdruck war in den ersten Jahren des Computerbildes eine zwingende Notwendigkeit, um überhaupt visuelle Ergebnisse der Berechnungen sehen zu können. Heute übernimmt der Monitor diese Aufgabe und der Ausdruck hat an Bedeutung verloren. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 195 ff) Eine weitere Eigenschaft des Computerbildes, die sich aus seinem immateriellen Charakter ergibt, besteht darin, dass es im Gegensatz zum materiellen Bild der Malerei kein Gewicht hat. Es ist nicht ertastbar. Auch der Monitor als Bildträger, das heißt als der Teil des Bildes, auf den die Farbe aufgetragen wird, ist beim Computerbild gewissermaßen immateriell. Auch wenn der Monitor tatsächlich vorhanden ist, so wird nicht direkt auf die Glasscheibe des Bildschirms gemalt. Das digitale Bild verändert den Bildträger nur momentan, nicht aber dauerhaft, wie es bei der Leinwand der Fall wäre. Das digitale Bild hat somit einen temporären Charakter, während das materielle Bild von dauerhaftem Bestand ist. Auch hat der digital arbeitende Künstler nicht die Wahl zwischen mehreren Bildträgern. Diese Option existiert lediglich als Funktion in verschiedenen Gestaltungsprogrammen und tritt als visuell wahrnehmbarer Effekt nur auf dem Monitor in Erscheinung, ohne die Arbeitsweise zu beeinflussen. Die Wahl eines Bildträgers im konventionellen Sinn, wie zum Beispiel Holz oder Leinwand, beeinflusst den Prozess des künstlerischen Arbeitens und die Bildcharakteristik. Beim digitalen Bild ist der Bildträger immer der Monitor. Auch bei der Nutzung verschiedener Monitore sind diese alle von gleicher Materialbeschaffenheit und besitzen die gleichen Eigenschaften. Abgesehen vom qualitativen Aspekt haben Monitore keinerlei Einfluss auf die Bildcharakteristik. Sie unterscheiden sich lediglich in ihrem Äußeren, wie zum Beispiel Design oder Größe. Die Größe des Monitors und damit auch die Darstellungsgröße des digitalen Bildes hat mit der tatsächlichen Bildgröße, die in den Daten festgelegt ist, nichts zu tun. Materielle Bildträger dagegen bestimmen die Bildgröße tatsächlich. Wie bereits erwähnt hat das Computerbild neben der Darstellung auf dem Bildschirm noch eine zweite Präsentationsform: das ausgedruckte Bild. Dabei ändert sich die Charakteristik des Bildes. Es existiert unabhängig von der Technik und ist materiell. Solange das Bild jedoch nicht ausgedruckt ist, und der Bildschirm die Projektionsebene für das Bild ist, besteht eine zwingende Verbindung zur Computertechnologie. Das digitale Bild lehnt sich zwar dabei teilweise an traditionelle Bildtechniken an, die mit dem Computer simuliert werden, nutzt aber auch eigene, computerspezifische Darstellungstechniken und stellt gegenüber den natürlichen Bildern eindeutig eine eigene Bildgattung dar. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 16 ff) Eine letzte Charakteristik digitaler Bilder ist deren geschlossene Bildstruktur. Während beim Malen auf der Leinwand über das Bild verteilt völlig verschiedene Strukturen und Relieferscheinungen, die als Insellösungen bezeichnet werden, möglich sind, besteht das digitale Bild darüber hinaus aus einer Gesamtheit. Der Datensatz eines digitalen Bildes kann auch in dieser Gesamtheit modifiziert werden. Während man beim üblichen Malen nur an der Stelle punktuell in das Bild eingreift, an der der Pinsel das Bild berührt, besteht beim digitalen Bild neben dieser punktuellen Veränderungen die Möglichkeit, die Farbe mit einem Mal über das gesamte Bild hinweg zu wechseln. Diese Eigenschaft ist ein absolutes Spezifikum digitaler Bilder. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 218 ff) Abschließend kann man zu den Betrachtungen über das Computerbild sagen, dass statische digitale Bilder sich nach ihrer Herstellungsart grob in zwei Bildarten unterteilen 62 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD lassen: In die 2D-Computerbilder und die 3D-Computerbilder. Auf die Entstehung und Entwicklung dieser zwei Bildarten wird in Abschnitt 3.6.4.3 näher eingegangen. Beide Bildtypen sind im Druck und am Bildschirm als zweidimensionale Bilder zu sehen. Außerdem existieren für beide Bildtypen verschiedene Methoden der Bilderstellung. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 16 ff) 3.6.4.2 Der Interaktionsbegriff Computergrafisch erzeugte Bilder sind im Allgemeinen Bilder, die mit Hilfe eines Computers erzeugt und manipuliert werden können. Diese Bilder kann man sowohl auf Papier als auch auf Film generieren. Beispiele für diese Art von Computergrafik sind Einspielungen von TV-Titeln und Bilder aus der Computerkunst. Diese Bilder sind exemplarisch für die nicht-interaktive oder passive Computergrafik, das bedeutet, der Betrachter hat keine Bildkontrolle. Kommt jedoch eine Eingabeeinheit dazu, über die der Betrachter das Bild kontrolliert, kann er dem Computer Signale geben und Einfluss auf den Ablauf nehmen (zum Beispiel in einem Videospiel). Diese Art der Computergrafik nennt man interaktiv. Interaktive Computergrafik bedeutet somit, dass es zwischen Computer und Benutzer eine Zweiweg-Kommunikation gibt. Der Computer erhält über die Eingabeeinheit Signale, die ihn das darstellende Bild verändern lassen. Auf diese Weise entsteht eine Art Konversation oder Dialog mit dem Computer. Interaktion wird erst durch bestimmte technische Voraussetzungen möglich, wie zum Beispiel eine ausreichende Geschwindigkeit, mit der ein Computer Informationen grafisch darstellt. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff) 3.6.4.3 Die Computertechnologie Die ursprüngliche Entwicklung der Computertechnologie, die die Voraussetzung für die Entstehung der Computergrafik bildete, wurde im Wesentlichen durch das Militär und die Raumfahrt vorangetrieben. Künstler und Grafiker profitierten lange Zeit von den nicht speziell für ihren Bereich getätigten Entwicklungen. So war zum Beispiel ein Ziel der Wissenschaftler, naturgetreue, möglichst hochauflösende Bilder in den Bereichen Biologie, Chemie und Medizin generieren zu können. 1972 gelang es das erste Mal mit dem Verfahren der Computertomographie, eine Schichtenaufnahme eines menschlichen Kopfes auf Film zu belichten. Farbsysteme wiederum entwickelte man ca. 1974, um Satellitenbilder besser lesbar zu machen. Die von den Bildern mitgelieferten Farben genügten nicht zur Unterscheidung der einzelnen Bestandteile. So benötigte man Farbtabellen, aus denen beliebige Farben aus Millionen von Farbnuancen ausgewählt werden konnten. Ende der 70er verwendete die NASA die Computergrafik zur Raumfähren-Simulation, was zu einer stärkeren Entwicklung von 3D-Software führte. ([13] GUMINSKI, Karin, S. 44 ff) Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, ist der Bildschirm als Bildträger die Grundvoraussetzung zur Darstellung computergrafischer Bilder. Diese Entwicklung fand primär in den USA statt. In dieser Hinsicht war das Massachusetts Institute of Technology (MIT) maßgeblicher Begründer und Entwickler der interaktiven Computergrafik. Die erste computergesteuerte Bildschirmeinheit war 1950 ein an ein MITs Whirlwind I Computer angeschlossenes Display zur Darstellung einfacher Bilder. In diesem Display wurde eine Kathodenstrahlröhre (CRT = Cathode Ray Tube) verwendet, ähnlich der Braunschen Röhre in einem Fernseher. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff) Eines der ersten Programme, basierend auf mathematischen Daten, die eigens für Whirlwind geschrieben worden waren, zeigte einen Ball, der auf 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 63 und nieder sprang und schwerkraftbedingt an Höhe verlor. Diese Entwicklung wird als die erste Generation von Computern zusammengefasst. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 48) In den 50er Jahren gab es auf dem Gebiet der interaktiven Computergrafik nur kleine Fortschritte, da die damaligen Computer für einen interaktiven Einsatz nicht geeignet waren. Erst mit der Entwicklung des TX-0 und TX-2 durch das MIT wuchs das Interesse an der Computergrafik. Ab Mitte der 60er Jahre riefen große Gesellschaften wie MIT, General Motors und andere Unternehmen umfangreiche Forschungsprogramme zur Entwicklung der Computergrafik ins Leben. Damit begann das goldene Zeitalter der Computergrafik. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff) In den 80er Jahren ging es in der Computertechnologie im Wesentlichen um die Verbesserung der Rechenleistung und der Bedienerfreundlichkeit. Für den Bereich der bewegten Bilder und der 3D-Computerbilder war die Steigerung der Rechenleistung bis in die 90er Jahre eines der wichtigsten Entwicklungsthemen. Von höchster Priorität war es, in Echtzeit arbeiten zu können. Parallel zur Hardware fand auch eine Entwicklung auf dem Gebiet der 3D-Software statt. Diese begann in den 60er Jahren, als rudimentäre digitale Bildererzeugung möglich wurde. Die erste spezielle Zeichensoftware wurde 1961-1963 von IVAN SUTHERLAND am MIT entwickelt. Mit diesem interaktiven Zeichenprogramm, Sketchpad genannt, war es möglich, mit Hilfe eines Lichtgriffels direkt auf eine Kathodenstrahlröhre zu zeichnen. Einfache Manipulationen der Bildelemente waren ausführbar. So konnten geometrische Grundelemente wie Linien und Kreise gezeichnet, rotiert und verschoben werden. Schon bald kam es dazu, dass die Automobil- und Luftfahrt-Industrie Grafikcomputer für ihre technischen Konstruktionen nutzte. Sketchpad stellt heute die Grundlage der Grafiksoftware dar. 1968 kam mit dem Grafik-Terminal LDS-1 die Möglichkeit hinzu, Figuren zu drehen. Bis zur Erfindung des Arbeitsspeichers 1970 war man lediglich in der Lage, Strichzeichnungen und Drahtmodelle (Vektor-Grafik) von Objekten in Schwarz-Weiß darzustellen. Flächige Darstellungen waren aufgrund der hohen Speicherkosten erst mit der Erfindung des Arbeitsspeichers umsetzbar. Ebenfalls in die 70er Jahren ist die Entwicklung von 3D-Software für Computeranimationen und stillen 3D-Bildern anzusiedeln. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 51 ff) 3.6.4.4 Das Computerbild Die wesentliche Entwicklung der Computergrafik begann etwa 1950 und vollzog sich bis in die 80er Jahre. Sie war stets abhängig von den technischen Entwicklungen auf dem Computersektor (vgl. Abschnitt 3.6.4.3). Technische Neuerungen zur rechnergesteuerten Bilderzeugung wurden kontinuierlich zumeist von Wissenschaftlern und später auch von Künstlern getestet. Die Bildresultate der 50er und 60er Jahre waren überwiegend Pionierarbeiten ohne künstlerische Absicht, die im Rahmen von Forschungsneugier entstanden. Im Folgenden wird auf die einzelnen Dekaden von den 50er Jahren bis zu den 90er Jahren genauer eingegangen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff) In den 50er Jahren entstanden erstmals in der Geschichte einige wenige Darstellungen mit Hilfe von elektronischen Analogrechnern, die als Vorläufer der digitalen Grafiken zu sehen sind. Sie sind jedoch selber nicht digital, da sie nicht in Form eines im Binärcode geschriebenen Datenbestandes existieren, sondern mit Spannungen arbeiten. Diese nehmen visuell das Aussehen von Wellenkurven an. Analoge Grafiken gehören zum Bereich der elektronischen Gestaltung und sind ebenso wie die späteren digitalen Bilder immaterieller und temporärer Natur. Im Gegensatz zum konventionellen 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 64 Gestalten sind beim elektronischen Bild technisch-wissenschaftliche und mathematische Überlegungen entscheidend für das Bildresultat. Es wurde Mathematikern beziehungsweise Physikern eine völlig neue Sichtweise auf Sachverhalten ermöglicht. Technisch entscheidend für das Aufkommen dieser Bilder war der Kathodenstrahloszillograph, das erste elektronische Gerät, das es ermöglichte, Bilder zu erzeugen. Unter Oszillogrammen versteht man Schwingungsbilder, die auf einem Oszillographen aufgezeichnet wurden (vgl. Abbildung 28). Abbildung 28: Herbert W. Franke: Oszillogramm (1956) Mit Hilfe eines Oszillators konnten auf dem Bildschirm Formen sichtbar gemacht werden, die aus der Modulation von Elektronen beziehungsweise elektromagnetischen Felder entstehen. Diese entziehen sich der sinnlichen Wahrnehmung. Das Bild wird dabei vom Apparat nicht nach einer Vorlage reproduziert, sondern in Abhängigkeit von elektrischen Parametern generiert. Sichtbar wird nicht der vom elektrischen Feld modulierte Elektronenstrahl, sondern lediglich die Wirkung desselben beim Aufprall der Elektronen auf die Fluoreszenzschicht des Monitors. Das ist in Form einer Leuchtspur zu erkennen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 75 ff) In den 60er Jahren boomte die experimentelle Schwarz-Weiß-Computergrafik in verschiedenen Ländern der Welt. Dabei handelte es sich bei den grafischen Darstellungen ausschließlich um programmierte Gestaltung, das bedeutet, um Bilder erzeugen zu können, mussten Programme geschrieben werden. Dies erledigten gewöhnlich Wissenschaftler, selten aber Künstler. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 79) Ab 1963 wurden die ersten ästhetischen Computerbilder bekannt, die mit einem Großrechner entstanden waren. 1965 begann die Computergrafik sowohl in Europa als auch in den USA populär zu werden. In dieser Zeit setzten die Anfänge der Computerkunst mit dazugehörigen Ausstellungen ein. Computerkunst bezeichnet dabei im Gegensatz zur Computergrafik Bilder, die mit künstlerischer Intention entwickelt 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 65 wurden. Computergrafik bezeichnet Arbeiten, die aus wissenschaftlichem Interesse und Experimentierfreude entstanden sind. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff) In den 60er Jahren handelte es sich bei computergrafischen Bildern in erster Linie um Druck- und Strichgrafiken. Die Bildresultate konnten überwiegend in den Bereich des Abstrakten eingeordnet werden. Die ersten figürlich-gegenständlichen Computergrafiken stammen aus dem Jahre 1967. Farbige Darstellungen waren zu dieser Zeit noch selten, da die erforderlichen technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die wenigen Farbdarstellungen arbeiteten mit Tricks, um Farbe abzubilden. So wurden die Leuchtschirmbilder beispielsweise mit vorgehaltenen Farbfiltern abfotografiert oder die Computerbilder wurden im Nachhinein fotochemisch eingefärbt. In den Jahren um 1964 bis 1966 erfolgte der Wechsel zu überwiegend digitalen Grafiken. Bereits ab Mitte der 60er Jahre begann auch die Entwicklung in Richtung des heutigen Bildschirms. Durch diese Entwicklungen im Bereich der Datensichtgeräte wurde allmählich der Plotter abgelöst, der bis dahin zum Teil eine Stunde benötigte, um ein digital erstelltes Bild sichtbar zu machen. In der frühen Zeit des Monitors erfolgte die Darstellung noch Schwarz-Weiß, später auch farbig. Der Bildschirm bot gegenüber dem Plotter den Vorteil, dass die Bilder in Bruchteilen von Sekunden angezeigt werden konnten. Bereits in den 60er Jahren konnten Bilder auf Grund ihrer Produktionsmethode in vier verschiedene Bildarten unterteilt werden. Diese Bildkategorien sind generierende Bilder, Picture Processing Bilder, Zufallsbilder und stilanalysierende Bilder. In den nachfolgenden Jahrzehnten entwickelten sich diese vier Bildkategorien weiter. 1. Generierende Bilder werden durch ein Programm erzeugt und entstehen ohne bereits vorhandenes Bildmaterial. Sie können dabei mathematische Funktionen, Schwingungsbilder oder Anordnungs-Symmetriebilder grafisch darstellen. Ein Beispiel ist das Bild „Klee Nr. 2“ von FRIEDER NAKE. Darin wird das Grundelement der Linie mit Hilfe eines Programms in bestimmter Weise angeordnet (vgl. Abbilung 29). 2. Bilder, die mit dem Picture Processing erzeugt wurden, sind überwiegend gegenständlicher Natur. Sie verwenden als Gestaltungsbasis Bildmaterial unterschiedlicher Herkunft, das auf unterschiedlichen Wegen verfremdet wird. Das Picture Processing ist eine Vorstufe der heutigen Bildbearbeitung. 3. Zufallsbilder nehmen in der Aufzählung der digitalen Bildkategorien keine eigene Bildgattung ein. Sie sind eine Sonderkategorie, da der Zufall nahezu jede der hier erwähnten Bildarten begleitet. Ein Zufallsgenerator kann als freier Parameter herangezogen werden. Mit Hilfe dieses stochastischen Rechenprozesses kamen die Computergrafiker zu weitaus komplizierteren und damit auch interessanteren Lösungen. Abbildung 29 ist ebenfalls ein Beispiel für ein Zufallsbild, da die Positionierung der Linien nach einer Zufallsfunktion erfolgte. 4. Die stilanalysierenden Bilder als letzte Kategorie sind programmierte, experimentelle Bilder, die nach Stilgesetzlichkeiten (oder Anlehnungen daran) oft namenhafter Künstler aus dem manuellen Gestaltungsbereich erstellt wurden. Basis dieser Bilder ist eine syntaktische Bildanalyse. In späteren Jahren wurden derartige Erkenntnisse in kommerziell erhältliche Softwarepakete integriert. Beispielsweise enthalten die Programme ‚Photoshop’ und ‚Painter’ Pinsel, die Pinselstriche von VAN GOGH oder REMBRAND simulieren. Weiterhin kann man ganze Bilder beispielsweise im impressionistischen Stil abbilden lassen. 66 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Abbildung 29: Frieder Nake: Klee Nr. 2 (1965) Auch in diese Bildkategorie lässt sich Abbildung 29 einordnen. FRIEDER NAKE untersucht darin die Formsprache und das Verhalten der Formen untereinander bei ausgewählten Bildern von PAUL KLEE. Die so entdeckten Gesetzmäßigkeiten integrierte er in ein neues Programm, mit dem er anschließend eine Serie von Bildern erstellte. So enstand „Klee Nr. 2“ aus dem Jahre 1965. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 79 ff) In den 70er Jahren entstand im kommerziellen und im künstlerischen Bereich eine Vielzahl von 2D-Computergrafiken. Ab 1974/75 beschäftigte sich der französische Mathematiker BENOIT B. MANDELBROT mit den irregulären Strukturen (fraktale Geometrien). Diese für das 3D-Bild wesentliche Entwicklung ermöglichte es, unregelmäßige Naturerscheinungen wie Landschaften oder Gebirgszüge zu simulieren. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff) In den 70er Jahren entwickelte sich die Rastergrafik. Dadurch wurden flächige Darstellungen auf dem Computer möglich. Ein Raster ist neben der Vektorgrafik eine der beiden Möglichkeiten, um ein Bild zu beschreiben. Das digitale Bild entwickelte sich so von der Zeichnung weiter zu Illustration, Malerei und Bildbearbeitung. Die zweite wesentliche Neuerung dieses Jahrzehnts war das Hinzutreten der Farbe. Bis dahin überwogen Schwarz-Weiß-Darstellungen. Nun gewann Farbe in den digitalen Bildern zunehmend an Bedeutung. Die Bildgattung der programmierten Gestaltung der 60er Jahre (generierende Bilder) wurde unter Verwendung der Farbe in diesem Jahrzehnt fortgeführt und nahm eine zentrale Rolle unter den Computerbildern ein. Zusätzlich tauchten farbige Drahtmodellbilder, Fraktale, digital-analoge Mischbilder (zum Beispiel ausgedruckte Computerbilder, die mit Wasserfarbe und Tusche handkoloriert wurden) und generierende 2D-Bilder mit flächigem Charakter auf. Zu Anfang des Jahrzehnts waren maximal 16 Farben gleichzeitig darzustellen. Doch bereits gegen Ende der 70er Jahre stand Software zur Verfügung, die es erlaubte, mit Millionen von Farben zu operieren. Durch die Rastergrafik konnten Farben auch flächig und damit malerisch eingesetzt werden. Bislang war Farbe in erster Linie nur für farbige Zeichnungen verwendet worden. Eine dritte bedeutende Neuerung war das Aufkommen von 3D-Software gegen Ende der 70er Jahre. Das Interesse an Interaktivität und das Arbeiten am Computer in Echtzeit als Grundvoraussetzung für die intuitive Gestaltung stieg. 1979 war es bereits in weniger rechenintensiven Fällen möglich, grafische Daten in Echtzeit, also zeitgleich mit der Eingabe in den Computer, zu verarbeiten und am Bildschirm sichtbar zu machen. Damit wurde Interaktivität möglich. Diese machte die Gestaltungsmaschine für Künstler 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 67 wesentlich interessanter und trug dazu bei, dass Künstler ab diesem Zeitpunkt verstärkt den Computer nutzten. Durch Interaktivität wurde erstmals eine Basis geschaffen, auf der Künstler ohne Programmierkenntnisse am Computer arbeiten konnten. Die Vorgehensweise beim künstlerischen Schaffensprozess war dabei im Gegensatz zu früheren annähernd vergleichbar mit dem materiellen künstlerischen Arbeiten. Intuitives Gestalten am Rechner wurde möglich. Auch die Chance, virtuelle Welten mit Hilfe von 3D-Software generieren zu können, war eine weitere kreative Herausforderung. Der Künstler DAVID EM beispielsweise stellte auf diese Weise Dinge dar, die vollständig der Fantasie entstammten. Ein Beispiel für ein farbiges 3D-Bild EMS ist „Transjovian Pipeline“ aus dem Jahre 1979 (siehe Abbildung 30). DAVID EMS Bilder der 70er Jahre zählen zu den ersten 3D-Bildern, in denen er neue Gestaltungsmöglichkeiten ausprobierte. Abbildung 30: David Em „Transjovian Pipeline“ (1979) Auf dem Gebiet der 2D-Computergrafik kam in den 70er Jahren allmählich Software für den Gestaltungsbereich auf den Markt. Das erste rasterorientierte Paint-System ‚Aurora’ wurde bereits Anfang der 70er Jahre in San Francisco von der Firma Aurora vorgestellt. 1977 war es mit dem Malprogramm ‚Paint3’ erstmals möglich, mit 24-Bit zu arbeiten und 16,7 Millionen Farben darzustellen. 1978 folgte ein interaktives, grafisches System, mit dem man interaktiv zeichnen konnte. Computergrafiksysteme waren zu dieser Zeit jedoch zu teuer, so dass diese Lösungen nur für kommerzielle Zwecke und Forschungszwecke rentabel waren. Das Aussehen der ersten nicht programmierten Bilder der 70er Jahre war geprägt durch die, von der jeweiligen Software zur Verfügung gestellten, gestalterischen Elemente. Es dominierten Linien, Kreise, Rechtecke und Ellipsen. Diese Formen konnten einfarbig gefüllt werden. Farbverläufe gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die Bilder zeigten auf Grund der geringen Bildauflösung einen Pixeleffekt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 116 ff) In den 80er Jahren setzte allmählich die Entwicklung ein, dass der Computer zu einem selbstverständlichen Gestaltungsinstrument wurde. Er begann, sich langsam in die Reihe der künstlerischen Werkzeuge einzugliedern. Doch noch immer war ein Grafikcomputer mit entsprechender Software für Künstler nicht erschwinglich. Künstler waren weitestgehend darauf angewiesen, an Rechnern in Ausbildungsstätten, Forschungseinrichtungen, beziehungsweise Firmen zu arbeiten. In Deutschland ist der 68 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Computer als selbstverständliches, künstlerisches Werkzeug zeitversetzt um fünf bis zehn Jahre einzuordnen. In den 80er Jahren setzte sich die Entwicklung zum 3D-Computerbildern fort, die sich bereits Ende der 70er Jahre angedeutet hatte. Eine Vielzahl von 3D-Softwarepaketen kamen auf den Markt. Ebenso gab es für die Erstellung von Computerbildern relevante technische Innovationen, sowohl auf der Hardware- als auch auf Softwareebene. Die neue, im Vergleich zur zweidimensionalen Bildgestaltung sehr komplexe Gestaltungsmethode fand großen Anklang. Vielerorts waren 3D-Standbilder zu sehen. Auch in Film und Werbung wurden diese Art von Bildern nun häufiger genutzt. Verstärkt wurde die neue Bildgenerierungsmethode im Bereich der Animation eingesetzt. Dies hing mit der Technik an sich zusammen, die sich hierfür anbot. Ist eine dreidimensionale, virtuelle Bildszene einmal erstellt, lassen sich die modellierten und oberflächengestalteten Objekte auch in Bewegung setzen. Diese Entdeckung löste eine große Faszination aus. Der Arbeitsaufwand zur Erstellung eines 3D-Standbildes ist ebenso groß wie für ein Film- beziehungsweise Animationsstandbild. Aus diesem Grund verweilten viele Gestalter und Entwickler nicht lange beim Standbild, sondern gingen in den Bereich der Animation über. Viele der in Büchern und Katalogen abgebildeten 3DBilder sind Einzelbilder aus Animationssequenzen. Sie wurden nie absichtlich als Einzelbilder konzipiert. Da wirkliche Einzelbilder aber mit einer anderen Absicht und anderen Intensität gestaltet und ausgearbeitet werden als Filmstandbilder, können qualitative Unterschiede erkennbar sein. Die Euphorie gegenüber dem 3D-Bild fand jedoch auch seine Gegner. Das 3D-Bild war schwer einzuschätzen und mit den gewohnten, zeitspezifischen Bildkriterien kaum zu beurteilen. Es zeigte eine, für traditionsbedingte Vorstellungen von künstlerischer Qualität, ungewohnte, fast schon neu wirkende bildnerische Qualität. Die Assoziation mit Foto- und Filmstandbild lag nahe, aber das 3D-Computerbild ging mit seinen Möglichkeiten, real nicht vorhandene Dinge quasi realistisch darzustellen, darüber hinaus. Ästhetisch betrachtet brach das 3D-Bild mit den Errungenschaften der Kunst des 20. Jahrhunderts (zum Beispiel mit dem Impressionismus und dem Expressionismus) sowie den formalen Befreiungen und dem Eigenwert der Farbe (vgl. Abschnitt 3.7.1), indem es Gegenständliches ohne formale Verschlüsselung zeigte und die Farbe wieder an den Gegenstand gebunden auftauchte. Es rückt somit in die Nähe der Kunst des 19. Jahrhunderts. Ebenso wurde Handwerkliches, in dem Fall Hochtechnisches wie in der Vergangenheit wieder zelebriert. Der Romantiker bildete Landschaften auf subjektive Art und Weise ab, der digital arbeitende Künstler simuliert Landschaften, wobei er die gleichen Bilder der Natur in seinem Kopf gespeichert beziehungsweise vor seinem Auge hat wie der Künstler zu Zeiten der Romantik (vgl. Abbildung 31 und 32). Für Gestalter übte das dreidimensionale Computerbild einen großen Reiz auf Grund seiner hohen technischen Bildqualität aus. Diese war bislang nur beim Abbilden von Realem mit technischen Geräten möglich, nicht aber beim eigenständigen Bildgenerieren. 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Abbildung 31: simulierte Landschaft von David Em: „The Far“(1968) 69 Abbildung 32: Landschaftsmalerei der Romantik von Caspar David Friedrich Wie schon beim 2D-Bild der 70er Jahre war die Voraussetzung eines hohen technischen Verständnisses, das beim 3D-Bild noch zunahm, ein Hindernisgrunds für viele Künstler. Die ersten Softwareprogramme erforderten zum Teil noch das Arbeiten mit einer Szenenbeschreibungssprache, einer vereinfachten, verständlich geschriebenen Form der verwendeten Programmiersprache. Das Erlernen der Syntax einer solchen Sprache blieb daher nicht aus. Intuitives Arbeiten war erst nach längerer Einarbeitungszeit möglich. Dieser Umstand stellte ein Problem für viele Künstler dar, da das Erlernen einer Computersprache ein Hindernis für das freie und ungezwungene Erstellen eines Kunstwerks mit dem neuen Gerät Computer darstellte. Vielfach führte diese Problematik zur Arbeitsteilung. Künstler mussten, wie das bereits ab den 60er Jahren üblich war, mit Programmierern zusammenarbeiten. Teamarbeit ist bis heute auf Grund der Komplexität der Aufgabenstellung im Bereich der 3D-Gestaltung üblich. Zwingend notwendig war die Zusammenarbeit in den 80er Jahren teils auch noch in den 90er Jahren, wenn Objekte wie amorphe Formen, atmosphärische Dinge wie Wolken und Nebel oder Substanzen wie Wasser möglichst naturgetreu dargestellt werden sollten. Diese Dinge ließen sich damals mit den Standardfunktionen der Software nicht generieren. Die technische Qualität der digitalen Bilder steigerte sich zu dieser Zeit in allen Bereichen. Ein wichtiger Grund dafür war das Interesse, das den Bildern plötzlich von Film und Werbung entgegengebracht wurde. In diesen Bereichen nutzte man digitale Bilder, um Dinge, die es gar nicht gibt, fotorealistisch auf Leinwand oder Bildschirm darzustellen. Der Einsatz des Mediums in populären Bereichen wie Film und Werbung trieb nicht nur die Entwicklung auf dem Hard- und Softwaresektor voran, sondern trug auch zur weiteren Verbreitung des Computers im künstlerischen Sektor bei. Nicht nur die Anzahl der in den 80er Jahren entstandenen Bilder war ungleich größer als die in den beiden vorausgegangenen Dekaden. Auch die Anzahl der künstlerisch wertvollen Arbeiten stieg in diesem Jahrzehnt. Das lag zum einen daran, dass sich die Künstler bereits länger mit dem Medium auseinandergesetzt hatten. Zum andern kann es darauf zurückgeführt werden, dass die digitalen Werkzeuge ausgereifter und vor allem bedienerfreundlicher geworden waren und damit für den intuitiven künstlerischen Gebrauch geeigneter wurden. Zusammenfassend kann man die Entwicklung des digitalen Bildes in den 80er Jahren in zwei Gattungen einteilen: die 2D- und 3D-Bildern. Während die programmierte Gestaltung abnahm, gewann die intuitive Gestaltung an Beachtung. Die Idee war, Programme verstärkt in ästhetischer Richtung zu entwickeln und zwar in den Bereichen 2D, 3D und Picture Processing. Diese Bilder wurden mit dem Begriff Computer Science Art bezeichnet. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 146 ff) 70 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD In den 90er Jahren war technisch gesehen die, für das stille Computerbild relevante Entwicklung von Hard- und Software so weit ausgereift, dass die technischen Neuerungen nicht mehr Auslöser weiterer Experimente waren. Damit waren die technischen Erfindungen auch nicht mehr entscheidend für das Aussehen der zu dieser Zeit generierten digitalen Bilder. Die Tendenz der Computerkünstlern entfernte sich, ausgelöst durch neue technische Entwicklungen, vom Standbild in Richtung Animation und später zur multimedialen Anwendung. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 56 ff) Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet lässt sich also das Computerbild in zwei große Klassen unterteilen: Das 2D-Computerbild und das 3D-Computerbild. Das 2DComputerbild unterscheidet sich dahingehend vom 3D-Computerbild, dass man, möchte man den Bildinhalt beispielsweise in der Perspektive ändern, das gesamte Bild neu gestalten muss. Die Vorgehensweise der zweidimensionalen Bildgestaltung ähnelt dabei dem Erstellen einer Zeichnung oder eines gemalten Bildes auf Papier. Insofern knüpft diese Bildtechnik an das traditionelle Zeichnen beziehungsweise Malen an. Auch die Ideenentwicklung kann in diesem Fall ähnlich erfolgen, entsprechend dem nicht maschinellen Gestalten entweder geplant oder spontan. Mit Hilfe von pixel- und vektororientierten Programmen kann nun in der Fläche gezeichnet, gemalt oder frei gestaltet werden, sowohl mit zeichnerischen, malerischen und grafischen Elementen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 285 ff) Der Herstellungsprozess der 3D-Computergrafik hingegen hat weder Ähnlichkeit mit der Herstellung eines digitalen 2D-Bildes noch mit dem gewohnten manuellen bildnerischen Gestalten. Der Maler erzeugt, meist von einem festen Standpunkt ausgehend, nach den Gesetzen der Zentralperspektive mittels materieller Farbschichten auf planer Fläche zum Beispiel die Illusion eines Würfels. Diese Ansicht ist unveränderlich und somit fixiert. Ein 3D-Würfel hingegen ist nicht nur die flächige Darstellung einer Würfelillusion, sondern ein vollständig, als Würfel mathematisch definiertes Objekt, dass durch entsprechende Eingaben um alle Achsen gedreht, skaliert und örtlich verschoben werden kann. Auch die Ideenentwicklung eines 3D-Bildes verläuft anders als beim manuellen bildnerischen Gestalten. Sie muss auf jeden Fall zuvor, zumindest gedanklich, geplant sein. Allgemein ist der Herstellungsprozess eines 3D-Bildes in zwei große Bereiche zu teilen: die Modellierung und das Rendern von räumlichen Daten. Die Modellierung bezeichnet die Erstellung räumlicher Daten im virtuellen Raum. Das Rendern hingegen bedeutet die weitgehend automatische Erzeugung eines endgültig berechneten, zweidimensionalen Bildes oder Filmes (eine perspektivischen Ansicht des virtuellen Raumes) aus räumlichen Daten. Dies präsentiert sich wieder in der gewohnten zweidimensionalen Form eines Bildes. Die Gesamtheit der räumlichen Daten, die später gerendert werden sollen, bezeichnet man als Szene. Diese wird weitgehend von Hand mit so genannten 3DModellierungswerkzeugen oder einfach 3D-Modeller erstellt. Es lässt sich folgendes Grundprinzip der 3D-Bildentwicklung ableiten. In einem leeren virtuellen Raum werden Gegenstände aus geometrischen Formen, Kurven, Netzen und anderen Grundelementen aufgebaut. Es entstehen Drahtmodelle, die im Raum durch die Koordinaten X, Y und Z positioniert werden können. Nach dem Modellieren erfolgt die Oberflächengestaltung der Objekte. Im nächsten Schritt werden Lichtquellen generiert und im Raum positioniert. Anschließend wird mindestens eine virtuelle Kamera erzeugt. Diese wird entsprechend den Vorstellungen des Gestalters definiert und positioniert. Dieser Arbeitsablauf hat wenige Gemeinsamkeiten mit dem intuitiven, freien Arbeiten eines Künstlers. Der Künstler arbeitet in der Phase der Modellierung eher wie ein Konstrukteur oder Bildhauer, in der Phase des Licht- und Kameragenerierens und Modifizierens eher wie ein Fotograph. Die Arbeitsphase der Oberflächengestaltung ist nicht mit anderen bekannten Vorgehensweisen vergleichbar. Sehr entfernt lassen sich 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 71 Parallelen zum farbigen Gestalten (Bemalen) von Skulpturen ziehen. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 291 ff) Zwei große Anwendungsbereiche der 3D-Computergrafik stellen heute die virtuelle Realität und die Augmented Reality (erweiterte Realität) dar. Beide legen ihr Hauptaugenmerk auf die Echtzeitfähigkeit und die sich daraus ergebende Interaktion mit dem Betrachter (zum Beispiel Veränderung der Perspektive bei einer Drehung des Kopfes). Während in der virtuellen Realität die Welten komplett im Rechner generiert werden, beschäftigt sich die Augmented Reality mit dem Einbinden von künstlichen Objekten in die Realität (zum Beispiel über Datenbrillen). Eine weitere wichtige Anwendung der 3D-Computergrafik ist die Darstellung von CADVolumenmodellen, die unter anderem für Festigkeitsberechnungen, direkt zur Fertigung ohne Zeichnungen oder im Fahrzeugbau für Crashsimulationen verwendet werden können. Weiterhin findet die 3D-Computergrafik in der Erzeugung von hochwertigen Spezialeffekten oder Computeranimationen Verwendung, etwa in der Werbe- und Filmindustrie (Computer Generated Imagery). Weitere, eher technische Anwendungsbereiche sind Simulationen in der Architektur oder Optik. Hierbei wird oft auf eine möglichst hohe Detailtreue und Realitätsnähe Wert gelegt. Echtzeitfähigkeit ist hierbei nicht unbedingt erforderlich. (vgl. [35] WATT, Alan, S. 43 ff, 145 ff) 3.6.4.5 Computergrafik und zeitgenössischer Kunst Im Abschnitt 3.6.4.4 über die Geschichte des interaktiven Bild ist schon öfter der Begriff Computerkunst in Abgrenzung zur Computergrafik verwendet worden. Es stellt sich die Frage, ob der Begriff Computerkunst als Bezeichnung einer Kunstrichtung wie Impressionismus oder abstrakte Kunst verwendet werden kann. Betrachtet man Computerbilder im Kontext künstlerisch entstandener Bilder, so finden sich Anknüpfungspunkte hinsichtlich thematischer Art, stilistischer Richtung oder Intension. Es gibt Computerbilder, die impressionistischen oder surrealistischen Stils sind oder große Ähnlichkeit mit Werken der Op-Art (Abbildung 33), Pop-Art und des Fotorealismus haben. Mit dem Computer als Gestaltungsmaschine besteht die Möglichkeit, diverse Kunstrichtungen wieder aufzugreifen (intentionale Absicht) beziehungsweise stilistisch und inhaltlich zu simulieren und weiterzuführen. Man kann jedoch die Computerkunst der Anfangszeit nicht gleich als eigene Kunstform bezeichnen, da es zu Beginn lediglich einzelne Künstler gab, die sich des Werkzeugs bedienten. Damit verfolgten sie zum einen eine bestimmte Kunstrichtung, zum anderen setzten diese Künstler größtenteils keine neuen Schwerpunkte, sondern produzierten Ähnliches, unter Umständen in weiterentwickelter oder veränderter Form. Der Stil der ersten Bilder wurde durch die zur Verfügung stehenden formalen Mittel geprägt und entwickelte sich eher zufällig in die Richtung des Konstruktivismus. Im Zentrum standen Punkte, Kugeln und Linien, die 40 bis 50 Jahre zuvor schon Untersuchungsgegenstände von KANDINSKY waren. Der Ursprung der Computergrafik ist unter anderem in der Weiterentwicklung der konstruktivistischen Idee zu sehen. Computergrafik ist somit als Teil der konstruktivistischen Kunst anzusehen, obwohl zwischen dem Konstruktivismus und den ersten Computerbildern zeitlich gesehen bereits 40 bis 45 Jahre lagen. Jedoch ist die Computergrafik nicht als eine Art NeoKonstruktivismus zu verstehen, da es hierfür weder ein Konzept noch Künstler gab, die dieses verfolgten. 72 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Abbildung 33: Beispiel für Bilder im Stil der Pop-Art: Andy Warhol: „Goethe“ (1986) Trotzdem gibt es eine Reihe von frühen Computerbildern, die eine Verwandtschaft zum Konstruktivismus aufweisen. Eine weitere Parallele zwischen Konstruktivismus und der programmierten Computerbildgestaltung liegt in der Arbeitsweise. Bei beiden ist vor Beginn der Ausführung das Kunstwerk gedanklich vollends präzisiert (vgl. Abschnitt 3.6.1). Dies trifft aber nur auf das programmierte Computerbild zu, das wie bereits erwähnt, die frühen Jahre der Computergestaltung dominierte. Unterschiedlich war die Ausführung der Idee dahingehend, dass dies in dem einen Fall die Menschenhand, in dem anderen Fall die Maschine erledigte. Die Maschine liefert eventuell präzisere Ergebnisse, die Idee kommt jedoch nach wie vor vom Menschen. Jedoch ist anzumerken, dass es ebenso Künstler gab, die ihre Bilder ebenso planten und die Ideen dann von angestellten Malern umsetzen ließen. Bei der frühen Computergrafik war dies oft ähnlich: Der Künstler lieferte seine Idee, der Programmierer setzte sie in ein Programm um, der Computer realisierte sie. Vom computergenerierten Bild lassen sich ebenfalls Parallelen zur Op-Art ziehen, da diese eine technisch-mathematische Genauigkeit voraussetzte, die sich ebenfalls in den ersten Computerbildern wieder findet. Mathematische Konzepte waren, wie bereits erwähnt, verstärkt in der Welt der frühen Computerbilder vorhanden, da mit ihnen erstmals Formeln und Funktionen visualisiert werden konnten. Der Charakter der Op-Art ist geprägt von formaler Nüchternheit und mechanischer Präzision. Sie ist demnach potenziell Computerkunst, nimmt diese quasi vorweg und fordert sie heraus. Mit dem Aufkommen von 3D-Programmen und Paintsoftware wurde es möglich, impressionistisch, expressionistisch, fotorealistisch, sowie surrealistisch anmutende Bilder zu generieren. Diese Bilder haben jedoch keine kunsthistorische Relevanz im ursprünglichen Sinne, da ihnen der zeitliche Bezug fehlt. Die Absicht des Künstlers ist vermutlich eher auf die Neugier als auf die zur Verfügung stehenden Funktionen bezogen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Computerbilder die bereits existierenden Stilrichtungen wieder aufgriffen und eine Erweiterung dazu darstellen. Computergrafik ist kein Stil im eigentlichen Sinne wie Expressionismus oder Pop-Art, sondern ein künstlerisches Ausdrucksmittel wie die Malerei. Computerbilder lassen sich pauschal gesehen nicht als Kunstrichtung bezeichnen. Ihre Gemeinsamkeit liegt lediglich im Produktionswerkzeug. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 31 ff) 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 73 3.6.4.6 Der Monitor als Bildträger Ein heutiges, interaktives Grafikdisplay besteht aus drei Komponenten: einem digitalen Speicher oder Rahmenpuffer, indem die Intensitätswerte des Bildes in Matrixform abgespeichert sind, aus einem Monitor, zum Bespiel dem Fernsehgerät oder dem PC-Bildschirm als Ausgabegerät, und einem einfachen Interface, dem DisplayController, der den Inhalt des Rahmenpuffers zum Monitor leitet. (vgl. [25] NEWMAN, William M.; SPROULL, Robert F., S. 3 ff) Bildschirme als Ausgabegerät auf Basis von Braunschen Röhren kommen seit den 1950er Jahren zum Einsatz, zunächst mit vektorieller Ansteuerung. Später wurden vorwiegend Rastergrafiken zum Aufbau des Bildes verwenden. In jüngster Zeit eroberten auf Flüssigkristalltechnik basierende Flachbildschirme den Computermarkt. Heutzutage werden mehr Flüssigkristallbildschirme verkauft als konventionelle Geräte mit Bildröhre. Seit etwa 2001 gibt es auch Bildschirme, die dreidimensionale Bilder darstellen können, so genannte autostereoskopische Displays oder auch 3D-Monitore. Die Entwicklung befindet sich jedoch noch im Anfangsstadium und eine befriedigende virtuelle Realität ist mit diesen Geräten noch nicht möglich. Im Abschnitt 3.6.4.1 wurde festgehalten, dass der Monitor der Bildträger des digitalen Computerbildes ist, das heißt, er ist der Teil eines Bildes, auf den die Farbe aufgetragen beziehungsweise dargestellt wird. Die darauf applizierten bildnerischen Elemente sind visuell wahrnehmbar. Klassische Bildmaterialien besitzen jedoch im Vergleich zum Monitor eine spezifische Stofflichkeit. Damit verbunden zeigen alle darauf entstandenen Arbeiten materialabhängig eine bestimmte Charakteristik. Das Computerbild hingegen kann verschiedene Charakteristika traditioneller Bildträger simulieren, kann aber auch rein computerspezifische Eigenschaften zeigen, die mit keiner anderen Technik erzeugt werden können. So haben zum Beispiel Computerbilder, deren Inhalt meist virtuell ist, eine ganz spezifische Bildcharakteristik. Im Gegensatz zu den traditionellen Bildträgern ist der Bildträger des Computerbildes gewissermaßen immateriell. Die Oberfläche gibt eigentlich nur vor, eine zu sein, denn auf die materielle Glasscheibe des Monitors wird nicht direkt gemalt. Zwischen dem Gestalter und seinem Werk befindet sich also vergleichbar mit einem Filter eine Glasscheibe, die je nach Qualität des Bildschirms mehr oder weniger auffällig ist. Bei einfachen Monitoren sind die Scheiben meist gekrümmt und nicht vollkommen entspiegelt. Dadurch erhält die Glasscheibe zusätzlich ein Eigenleben. Das gestaltete Bild wird immer in Zusammenhang mit den Begleiterscheinungen des Monitors wahrgenommen. Der daraus resultierende Effekt ist eine Wirkung, die eine neue Bilddimension, eine Art Schichtwirkung, mit sich bringt. Es entsteht der Eindruck, als würden sich mehrere transparente Bildschichten, die jeweils eine Art Eigenlicht besitzen, minimal verschoben überlagern. Der Bildschirm ist ein energetisch geladenes Trägersystem. Der eingeschaltete Monitor leuchtet, er beleuchtet sein Umfeld, zum Beispiel einen dunklen Raum. Dabei gibt er Strahlung ab und ist unter der Voraussetzung von Stromzufuhr stets aufgeladen. Diese Eigenschaften grenzen ihn deutlich von allen anderen Bildträgern ab. Eine weitere abgrenzende Eigenschaft des Monitors besteht darin, dass er ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zahl und ohne Qualitätsverlust des Bildträgermaterials wechselnde Bilder darstellen kann. Daher wird der Monitor als temporärer Bildträger bezeichnet. Des Weiteren bestimmt die Größe des Monitors das Bildformat, auf dem gearbeitet wird. Die tatsächliche Bildgröße des digitalen Bildes bleibt jedoch unabhängig von der Monitorgröße unverändert. 74 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD Beim digitalen Gestalten fehlt dem Künstler die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Bildträgern. Selbst wenn verschiedenen Monitore zur Auswahl stehen, sind diese alle von der gleichen Materialbeschaffenheit und auch die Arbeitsweise ist immer die gleich. Beispielsweise ist der Farbauftrag auf Holz anders als auf Leinwand. Monitore verhalten sich im Gegensatz dazu immer Gleiche. So sind Materialeigenschaften beim Farbauftrag nicht zu spüren. Bildschirme unterscheiden sich nur gering durch Design, Bildwiederholsequenz, Bildschirmauflösung und andere technische Merkmale wie zum Beispiel die LCD-Technologie. Eine Besonderheit des Monitors ist jedoch, dass er 3D-Szenen, also Virtuelles, in Wirklichkeit nicht Vorhandenes, zeigen kann. Dass Datensichtgeräte diese Funktion erfüllen können, hängt jedoch mehr mit den Möglichkeiten der 3D-Software zusammen, als mit dem Gerät Bildschirm an sich. Der Monitor bietet nur die Plattform für den Zutritt zu dieser Welt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 180 ff) Der Datenbestand der 3D-Szene besteht, anders als dies beim 2D-Bild der Fall ist, nicht nur aus der einen gerenderten, endgültig berechneten Bildansicht, sondern aus einer dreidimensionalen Bildszene, einer Art virtuellem Bühnenbild. Daher bietet sich auch eine interaktive Bildbetrachtung am Bildschirm an. Der Betrachter kann sich frei im virtuellen Raum bewegen und nach eigener Wahl Bildperspektiven berechnen lassen. Er würde somit das Kunstwerk mitbestimmen. Der Betrachter bewegt sich mit Hilfe von Eingabegeräten wie Maus oder Stift in der virtuellen Welt. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 209) 3.6.4.7 Farbe am Monitor Es stellt sich nun die Frage, wie die Farbe auf dem Monitor dargestellt wird. Zu Beginn der Computerkunst wurde ähnlich wie bei der Fotografie Farbe im Bild durch Handkolorieren des Ausdrucks oder abfotografieren des Bildschirms mit vorgehaltenen Farbfiltern erzeugt. Es waren viele Entwicklungsschritte nötig, um Farbe nicht nur auf dem Monitor anzeigen zu können, sondern auch die Möglichkeit bereitzustellen, in Grafikprogramm mit Farbe arbeiten zu können. 1982 stellte die Firma Number Five die erste PCGrafikkarte mit 16 Farben für den Apple-Computer vor. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 50). Auch im Druckbereich bestand das Hauptproblem darin, dass Computerausdrucke in den Farben verblassen und damit nicht lange haltbar waren. Die ersten Tinten waren absolut nicht lichtecht und verblassten in kürzester Zeit, insbesondere wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 67) Genauso wie der Bildschirm als Bildträger immaterieller Art ist, wird auch die Farbe, die auf ihm dargestellt wird, als immaterielle Farbe oder digitale Farbe bezeichnet. Immaterielle Farben haben numerische Bezeichnungen. Dies sind entweder CMYKWerte, RGB-Werte oder aber Sondernummern benannt durch deren Hersteller. Hinter den Farbnummern verbergen sich stets exakt dieselben Farbtöne. Das Spektrum der digitalen Farben umfasst 16,7 Millionen Farbtöne, also mehr, als der Mensch mit dem bloßen Auge wahrnehmen kann (unter günstigsten Bedingungen sind etwa 3 bis 4 Millionen Farben wahrnehmbar). Jeder dieser Farbtöne hat seine eigene numerische Bezeichnung. Bei den materiellen Farben, die beispielsweise in Tuben erhältlich sind, ist das anders. Es existieren dort auch Namen und Nummern, jedoch gibt es nicht jeden denkbaren Farbton als Tubenfarbe. Eine Vielzahl der 16 Millionen digitalen Farben muss aus den materiellen Farben gemischt werden. Dies ist weniger präzise und steuerbar, als die Wahl von bereits vorhandenen numerischen, digitalen Farben. Digitale Farben haben Eigenschaften, die materielle Farben nicht haben. Sie haben eine ganz besondere Leuchtkraft am Bildschirm und werden deshalb auch als Lichtfarben 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 75 bezeichnet. Dies hat zur Folge, dass sie ohne das spezifische Monitorlicht zum Beispiel auf Papier gedruckt, zwangsläufig immer leicht verändert erscheinen. Anders herum besitzen materielle Farben Eigenschaften, die digitalen Farben fehlen. So macht die materielle Farbe das Spiel des Lichtes auf der Oberfläche, der meist unterschiedlich und oft erhaben aufgetragenen Farben, lebendig. Dieser Effekt fehlt bei den immateriellen Farben. Die Lichtfarben fallen so gesehen immer gleich und weniger abwechslungsreich aus. Es existieren jedoch Softwarefunktionen, die Effekte und spezifische Oberflächenverhalten wie unterschiedliche Pinsel für Aquarell, Ölfarben etc. zu simulieren versuchen. Dies geschieht mehr oder weniger zufrieden stellend durch die Simulation des Licht- und Schattenverhaltens auf der Farboberfläche. (vgl. [13] GUMINSKI, Karin, S. 185 ff) Obwohl dem Fotorealismus innerhalb der Computergrafik umfangreiche Forschungen gewidmet wurden, fehlt bisher ein exakter Farbansatz. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die Rendering-Modelle selbst offensichtliche Unzulänglichkeiten haben, die visuell viel ernster zu nehmen sind als die Behandlung von Farbe. Bildunregelmäßigkeiten im Ortsraum sind sichtbar, während Bildunregelmäßigkeiten im Farbraum im Allgemeinen unsichtbar sind. Abgesehen von einigen Ausnahmen, wurden kaum Forschungen zum Rendering mit genauer Behandlung von Farbe durchgeführt. Jedoch würden immer mehr Anwendungen von einer genauen Farbsimulation profitieren. Außerdem erlangte die Farbe beim Volumen-Rendering eine kritische Bedeutung. Hier wird Farbe verwendet, um einem Betrachter die Wahrnehmung von Veränderungen in Datenwerten im Dreiraum zu ermöglichen, die ausgesprochen fein sein können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die verwendeten Farben die Informationen in optimaler Weise vermitteln. Dieses Verfahren beruht auf wahrgenommenen Farbmodellen. Die Farbwissenschaft versucht, den Vorgang der menschlichen Farbwahrnehmung durch mathematische Modelle beschreibbar zu machen. Diese Modelle sollen die Farbreproduktion in digitalen technischen Systemen zur Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe von Bildern verbessern. Das angestrebte Ziel besteht darin, Farben technisch so zu reproduzieren, dass sie auf einem Bildschirm oder in einem Druck genau so erscheinen, wie sie bei dem direkten Betrachten einer Szene oder eines Objektes durch das menschliche Auge wahrgenommen werden. Mit den heute zur Verfügung stehenden Technologien von Kameras, Bildschirmen und Druckern der Multimediatechnik ist eine derartig farbtreue Reproduktion prinzipiell noch nicht möglich. Ursachen dafür sind die unveränderte Übernahme der Farbtechnik des Fernsehers in der Multimediatechnik obwohl diese nicht für die Vielfalt der heutigen Geräte in der Multimediatechnik entwickelt worden war. Die Entwicklung der Farbfernsehtechnik vor 60 Jahren war mit den damaligen Möglichkeiten der analogen, elektronischen Technik eine großartige Leistung. Sie ist jedoch alleine auf die typischen Geräte und Übertragungsstrecken des Fernsehens hin optimiert. Erst in jüngerer Zeit hat die Ingenieurwissenschaft das Thema Farbe wieder aufgenommen. Angestoßen wurde dies durch die explodierende Vielfalt von neuen digitalen Technologien in der Multimediatechnik und die dabei erst richtig in das Bewusstsein getretenen Problematik der exakten Farbwiedergabe. Sucht man also nach eine geeigneten Farbsimulation stellen sich gewisse Probleme: Welches beschreibende Farbsystem oder Modell verwendet man, um Farben zu kategorisieren? Wie lassen sich zwei in einem Standardsystem spezifizierte Farben in der Reproduktion und Ansicht so darstellen, dass sie für den Betrachter gleich aussehen? Dies ist nur der Fall, wenn sie auf sorgfältig kalibrierten Monitoren reproduziert werden, die unter gleichen Bedingungen betrachtet werden. Obwohl Farbe mit Hilfe eines 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 76 Farbmessers lokal präzise gemessen werden kann, werden Verschiebungen, zum Beispiel aufgrund von Kontrasten mit umgebenen Farben, immer auftreten (auf die Kontrastwirkung von Farbe wird in Abschnitt 4.1 näher eingegangen). Dieses praktische Problem ist nicht einfach zu lösen, und wenn es keine Beachtung findet, steht es der Verwendung einer genauen Farbsimulation entgegen. Um Farben in der Computerbildgestaltung einzusetzen, müssen sie in bestimmter Weise so quantifiziert werden, dass sie uns die Vorstellung eines Farbenraums oder einer Domäne vermitteln. Dieser Farbraum wurde als dreidimensionaler Raum festgelegt, in dem sich alle Farben von Interesse befinden. Dass dreidimensionale Farbräume für die Farbbeschreibung am geeignetsten sind, ist bereits seit J. HEINRICH LAMBERT bekannt (vgl. Abschnitt 3.4.3). Stellt man die unterschiedlichen Farbpaletten in einem Schema dar, so ergibt sich eine Hierarchie der Farbpaletten. Dazu gehören die Palette aller durch Menschen mit normaler Farbvorstellung wahrnehmbaren Farben, die Palette von Farben, die durch einen Monitor angezeigt werden kann und die Palette, die durch Grafikprogramme berechnet und in einem in einem Bildspeicher gespeichert werden kann (siehe Abbildung 34a). Diese fallen normalerweise in den Anzeigebereich des Monitors, jedoch können auch Farben erzeugt werden, die sich außerhalb des Anzeigebereichs befinden. 546 nm Film RGB-Monitor Spektralzug (Sättigung 100%) RGB-Monitor 700 nm 436 nm 400 nm Abbildung 34a: „Der CIE- Farbraum“ Da Farben in einem dreidimensionalen Vektorraum beschreibbar sind, können sie als Vektor mit drei Komponenten dargestellt werden. Diese Spezifikation von Farbe durch drei numerische Kennungen ist deshalb möglich, weil das menschliche Auge drei verschiedenen Zapfentypen mit unterschiedlicher Sensibilität auf verschiedene Wellenlängen besitzt (vgl. Abschnitt 4.1.1). Es ist möglich, durch Mischung dreier farbiger Lichter eine bestimmte Farbe zu treffen. Nach diesem Prinzip können die meisten aller wahrnehmbaren Farben durch das Mischen geeigneter Mengen von drei Grundfarben erzeugt werden. Die numerische Katalogisierung erfolgt also durch drei 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 77 Grundfarben zum Beispiel Rot, Grün, Blau. Bezeichnet man eine Farbe mit C, erhält man: C = rR + gG + bB r, g und b sind dabei die relativen Gewichtungen. In einem Computergrafik-Monitor erfolgt die Erzeugung von Farbe auf ähnliche Weise indem eine Farbe durch Tripel aneinander grenzender, aus roter, grüner und blauer Leuchtsubstanz bestehenden Punkten erzeugt wird. Da die Punkte sehr klein sind, nimmt das Auge die Tripel als einzelnen Farbpunkt wahr. Jedoch entsteht die Farbe am Monitor nicht durch Mischen der Strahlen dreier Lichtquellen, sondern durch Platzieren der Lichtquellen in dichter Nähe zueinander. Auf Grund dieser Drei-Komponenten-Betrachtung wird die Interaktion von Licht und Objekt nur an drei Punkten des Spektrums ausgewertet. Wenn jedoch eine genaue Simulation der Interaktion von Licht und Objekt in einer Szene beabsichtigt wird, ist eine genaue Auswertung der Interaktion bei mehr als drei Wellenlängen nötig. Andernfalls werden aufgrund der Unterabtastung der Funktionen der Lichtverteilung und der Objektreflexion Bildunregelmäßigkeiten im Farbraum hervorgerufen. Diese bestehen einfach nur aus einer Verschiebung der Farbe entgegen des gewünschten Effekts und sind in diesem Sinne unsichtbar (Das steht im Gegensatz zu Bildunregelmäßigkeiten im Ortsraum, die störende Artefakte erzeugen). Die Suche nach entsprechenden Zahlen, mit denen Farbe in numerischer Kennung dargestellt werden soll, führt zur Festlegung verschiedener Farbräume oder -domänen. Dazu muss allgemein festgehalten werden, dass Bilder im so genannten RGB-MonitorRaum erzeugt werden müssen, um einen bestimmten Monitor anzusteuern. Für die Speicherung und Übertragung ist jedoch ein universeller Standard nötig. Der Farbraum eines Monitors, der RGB-Monitor-Raum, ist gerätespezifisch. Die Geräte haben verschiedene Skalen oder Farbbereiche, die alle Unterpaletten der Palette wahrnehmbarer Farben darstellen. Ein universeller Raum hingegen ist vom Gerät unabhängig und umfasst alle wahrnehmbaren Farben. Das CIE-XYZ-System ist ein solcher Raum und ist seit 1931 der international definierte Standard für Farbdefinitionen. Eine Farbe wird dabei als Palette von drei Stimuliwerten oder künstlichen Grundfarben XYZ als numerisches Tripel (X, Y, Z) eindeutig beschrieben. Der CIE-Standard umfasst alle durch den Menschen wahrnehmbaren Farben und basiert auf der experimentell bestimmten Funktionen der Farbübereinstimmung. Daher ist er im Gegensatz zu andern Farbräumen, die im Anschluss kurz angesprochen werden, kein Monitorskala-Raum. (vgl. [35] WATT, Alan, S. 463 ff) Zur besseren Handhabung des CIE-Systems wird als Projektionsebene der Farben jene bestimmt, für die gilt: x + y + z = 1 (siehe Abbildung 34b graue Fläche). Zudem werden die Primärvalenzen zu einem orthogonalen System geordnet. Die gesamte Darstellung wird auf die XY-Ebene reduziert. ([12] Groh, Rainer, S. 27) 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 78 CIE-Farbkegel Schwarz Betrachtungsrichtung Abbildung 34b: das CIE- XYZ- System Es gibt eine Reihe von Verwendungsmöglichkeiten für das CIE-Farbqualitätsdiagramm. Von Bedeutung ist es für den Vergleich der Farbräume unterschiedlicher Darstellungsgeräte, da es ein universeller Standard ist. Dies ist in der Computergrafik wichtig, wenn ein Bild auf einer Reihe verschiedener Geräte wiedergegeben wird. In der Abbildung 34a ist ein CIE-Farbqualitätsdiagramm abgebildet mit dem Farbraum eines typischen Grafikmonitors. Der Farbraum für die Druckfarben ist im Monitorfarbraum enthalten. Andererseits ist der Farbraum des Farbfilms größer als der eines Grafikmonitors und enthält somit sowohl den Farbraum für Grafikmonitore als auch für Druckfarben (vgl. Abbildung 34a). Das bedeutet, dass einige Farben, die auf einem Film realisierbar sind, auf einem Grafikmonitor nicht wiedergegeben werden können und bestimmte Monitorfarben im Druck nicht reproduzierbar sind. Die Farbräume der Anzeigegeräte und Reproduktionstechniken sind immer im Raum der wahrnehmbaren Farben enthalten, wobei die gesättigten oder die Spektralfarben am schwierigsten zu reproduzieren sind. Neben dem CIE-XYZ-Raum als Farbraum gibt es den Spektralraum, den RGB-Raum, den RGB-Monitor-Raum, den HSB-Raum und den YIQ-Raum als hauptsächlich verwendete Farbräume. Diese Farbräume sollen hier kurz erläutert werden. Im Spektralraum werden bei der Bildsynthese Lichtquellen in diesem Raum als n Wellenlängen einer Intensitätsverteilung beschrieben. Die Objektreflexion wird ähnlich definiert. Farbe wird auf Basis der Wellenlänge spezifiziert. Der RGB-Raum ist eine Version des Spektralraums mit drei Abtastwerten. Lichtquellen und Objektreflexion werden als drei Wellenlängen spezifiziert: Rot, Grün und Blau. So ist (0, 0, 0) in diesem System Schwarz und (1, 1, 1) Weiß. Dieses Modell ist die traditionelle Form der Farbdefinition in der Computer-Bildgestaltung. Der Raum aller in diesem System verfügbaren Farben wird durch den RGB-Würfel dargestellt (siehe Abbildung 35). Im RGB-Monitor-Raum erzeugt ein Tripel in diesem Raum eine bestimmte Farbe auf einem bestimmten Bildschirm. Dies ist, wie bereits erwähnt, der spezifische Farbraum eines Monitors. Dasselbe Tripel muss auf verschiedenen Monitoren nicht zwangsläufig 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD 79 Blau Cyan Magenta Grün Schwarz Gelb Rot Abbildung 35: der RGB- Farbraum dieselbe Farbe erzeugen, da diese nicht nach einem einheitlichen Standard kalibriert sind. Der HSB-Raum ist eine nichtlineare Transformation des RGB-Raums, die es ermöglicht, Farbe als Farbton, Sättigung und Wert anzugeben (vgl. Abbildung 36) während der YIQ-Raum eine nichtlineare Transformation des RGB-Raums ist, die im analogen Fernsehen verwendet wird (vgl. Abbildung 37). (vgl. [35] WATT, Alan, S. 463 ff) Sättigung Helligkeit n to rb Fa Abbildung 36: der HSB- Farbraum Abbildung 37: der YIQ- Farbraum Eine ernsthafte Verwendung von Farbe in der Computer-Bildgestaltung muss immer unter den jeweiligen Aspekten des darstellenden Monitors betrachtet werden. Computergrafik-Monitore sind nicht standardisiert und die Anwendung des gleichen RGB-Tripels auf verschiedenen Monitoren führt zu unterschiedlichen Farben auf dem Bildschirm (RGB-Monitor-Raum). Zu den wichtigsten Faktoren eines Monitors gehören erstens, dass Farbe nicht durch Mischen der drei Lichter auf dem Monitor erzeugt wird, sondern durch räumliches Mischen im Auge. Zweitens bilden Leuchtsubstanzen mit unterschiedlichen Verteilungen der Spektralenergie die Grundlage für Monitore. Drittens ist der Zusammenhang zwischen den für den Monitor verwendeten RGB-Werten und der auf dem Bildschirm erzeugten Lichtintensität nichtlinear. Um dies zu beheben, kann eine Gamma-Korrektur 80 3.6.4 DAS INTERAKTIVE BILD (eine nichtlineare Transformation) durchgeführt werden. Viertens und letztens können in der Bildsynthese durch Schattierungsgleichungen Farben entstehen, die sich außerhalb der Skala des Monitors befinden und somit nicht darstellbar sind. Diese Farben müssen begrenzt oder in den Farbraum des Monitors zurückgebracht werden. Anwendungen, bei denen in der Computer-Bildverarbeitung reale Farben erzeugt werden, sind zum Beispiel das Rendern von Spektralräumen. Im Spektralraum kann man ein CIE-XYZ-Tripel aus der gültigen Ergebnispalette erzeugen. Dabei wird der CIE-XYZRaum als endgültiger Standard verwendet und es wird eine gerätespezifische Transformation benötigt, um vom CIE-XYZ-Raum zum entsprechenden RGB-MonitorRaum zu gelangen. Monitorfarbräume überschneiden sich teilweise und Farben, die auf einem Monitor verfügbar sind, lassen sich unter Umständen nicht auf einem anderen reproduzieren. Dieses Problem kann auch beim Rendern auftreten und verstärkt sich sogar im Fall von Ausgabegeräten wie Druckern, die kleinere Farbräume als Monitore aufweisen. Das Ziel ist es, den Bildfarbraum so zu komprimieren, bis er genau in den Gerätefarbraum passt, so dass die Bildqualität erhalten bleibt. Dieses gesamte Fachgebiet stellt noch immer ein Forschungsthema dar. Es gibt bereits einige einfache Strategien. Der Vorgang des Erzeugens einer anzeigbaren Farbe aus einer Farbe, die sich außerhalb des Monitorfarbraums befindet, wird als Color-Clipping bezeichnet. Ebenso kann man einen einfachen Blockieransatz übernehmen und außerhalb des Bereichs liegende Werte ausfiltern. Ausgefeiltere Ansätze teilen nicht anzeigbare Farben in zwei Kategorien: Farben mit Farbqualitäten außerhalb des Monitorfarbraums (negative RGB-Werte) und Farben mit anzeigbaren Farbqualitäten, jedoch mit Intensitäten außerhalb des Monitorfarbraums (RGB-Werte größer als 1). Die Korrekturen beziehen sich auf eine Verschiebung oder Veränderung der berechneten Farbe in Farbton, Sättigung oder im Wert. Für die erste Kategorie kann man Weiß zur Farbe hinzufügen oder den Sättigungsgrad so weit verringern, dass die Farbe anzeigbar wird. Dabei bleiben der Farbton und die Helligkeit auf Kosten der Sättigung erhalten. Im zweiten Falle kann das gesamte Bild skaliert werden, bis die höchste Intensität innerhalb des Bereichs liegt. Alternativ kann die Farbqualität erhalten bleiben und die Intensität skaliert werden. Ebenso können auch der dominierende Farbton und die Intensität erhalten bleiben und der Sättigungsgrad der Farbe durch Hinzufügen von Weiß verringert werden. (vgl. [35] WATT, Alan, S. 482 ff) Nachdem wir nun die Eigenschaften und Probleme von Farbe und deren Darstellung am Monitor betrachtet haben, stellt sich die Frage, wie Farbe in der Interaktion am Monitor unterstützend eingesetzt werden kann. Von der Seite des Monitors aus betrachtet kann man festhalten, dass die Darstellung der Farbe so präzise wie möglich sein muss. Die Farbsysteme und Monitore müssen somit die Farbe so genau wie möglich darstellen, damit die spezifisch beabsichtigte Wirkung zur Geltung kommt. Farbe darf durch die Eigenschaften des Monitors nicht negativ auffallen. Die Lösung des Problems, wie Farben beschaffen sein müssen, um die Interaktion im Computerbild zu fördern, ist jedoch nicht auf dem Gebiet der Computergrafik oder Monitortechnik zu suchen, sondern auf dem Gebiet der Farbwahrnehmung und Farbwirkung. Diese Aspekte werden im folgenden Kapitel vier näher beleuchtet. Zunächst jedoch werden aufgrund der gesammelten Erkenntnisse über Fotografie, Film und Interaktives Bild die Vermutungen aus Abschnitt 3.6.1 überarbeitet. 3.6.5 EIN ORDNUNGSMODELL 81 3.6.5 Ein Ordnungsmodell Das Ordnungsmodell aus Abschnitt 3.6.1 kann nun, nachdem die jeweiligen technologischen Entwicklungsschritte der Neuzeit von Fotografie über Film zum interaktiven Bild eingehend betrachtet wurden, noch einmal genauer überarbeitet und ergänzt werden (vgl. Abbildung 38). Neuzeit Gemälde Foto Film interaktives Bild Produktionszeit der Bilder Mächtigkeit der Technik statisch lange Betrachtungszeit (pro Bild) Bild im Kopf/ aktiv Aktion vom Maler Orientierung an Realem Abstraktion Leinwand/ Papier Pigmente Pinsel/ Farben analog statisch lange Betrachtungszeit (pro Bild) dynamisch kurze Betrachtungszeit (pro Bild) Abbild/ passiv Abbild/ passiv Abbildung von Realem Abbildung von Realem Fotopapier/ Monitor Projektion/ Bildschirm Fotoapparat analog/ digital Kamera analog/ digital dynamisch kurze/ lange Betrachtungszeit (pro Bild) Bild im Kopf/ aktiv Aktion vom Anwender Generierung neuer, frei erfundener Objektformen Monitor (Druck: Papier) Pixel Programm (Kamera der Szene) digital Abbildung 38: Ordnungsmodell 5 der Technologien Mit Beginn der Neuzeit nahmen erstmals technische Hilfsmittel Einfluss auf die Kunst. Diese Entwicklung setzte mit der Erfindung des Fotoapparates ein und steigerte sich über die Video- beziehungsweise Filmkamera zum Programm des Rechners. Auf der anderen Seite nahm die nötige Zeit für die Herstellung beziehungsweise Berechnung eines Bildes ab. In der Malerei erfolgen in einem aktiven, künstlerischen Prozess die Komposition und Erzeugung eines Bildes im Wechsel, indem Farben als Pigmente auf den Bildträger aufgetragen werden. Dabei orientiert sich der Maler bei der Abbildung zumeist an der Realität anstatt Phantasieformen auszudrücken. Gegebenenfalls erfolgt eine Abstraktion von der Realität. Die Aktion geht vom Maler aus. Seine Werkzeuge sind Pinsel und Farbpigmente, der Bildträger die Leinwand, Papier oder andere geeignete Unterlagen, auf die die Farbe aufgetragen wird. Das Material sowie die Brechung von Licht auf den Pigmenten beeinflussen die Wirkung der Farbe. Beim Betrachten eines Gemäldes ist der Betrachter in seiner Betrachtungszeit nicht eingeschränkt. Dies erhöht die Erinnerbarkeit von Bildelementen zum Beispiel der Farbe. Fotografie und Film hingegen sind passive Abbildungsprozesse. Dabei erfolgt die reine Abbildung von real vorhandenen Objekten. Die Ausgabe erfolgt auf Fotopapier oder auf dem Fernsehmonitor. 82 3.6.5 EIN ORDNUNGSMODELL Die Farbe wird dabei in dem Sinne nicht selbst erschaffen wie in der Malerei, sondern auf Foto- oder Filmmaterial in einem subtraktiven beziehungsweise additiven Farbmischprozess fixiert. Diese Fixierung bezieht sich auf einen Moment, das heißt auf einen bestimmten Blickwinkel zu einem bestimmten Zeitpunkt, indem Farbe, Materialeigenschaften und Lichtbrechung beziehungsweise Reflexionen einen bestimmten Farbeindruck erzeugen. Beim Film erweitert sich dieses Prinzip auf eine Folge von Momenten. Die Abbildung von Farbe liegt im Film somit näher an der realen Art und Weise der Betrachtung. Die Komposition erfolgt nicht wie in der Malerei im Wechsel mit der Herstellung. Die Szene wird erst zusammengestellt und anschließend abgelichtet. Die reine Herstellungszeit ist wesentlich kürzer als bei Gemälden. Die Betrachtungszeit für ein Bild in der Fotografie ist ähnlich lang wie bei Gemälden, beim Bewegtbild jedoch entsprechend kürzer. Dies verringert die Erinnerbarkeit von Farbe. Interaktive Bilder sind synthetische beziehungsweise technische Bilder immaterieller Natur, die auf einer numerischen Grundlage beruhen und somit einen völlig anderen Bildcharakter haben, als alle vorher betrachteten Bilder. Das interaktive Bild bietet über die herkömmliche Abbildung von Fotografie und Film hinaus die Möglichkeit der Generierung völlig neuer, frei erfundener Objekte, die keinen Bezug zur Realität haben. Die Pixel werden in einem aktiven Prozess auf dem Bildträger gemischt. Die Aktion geht nicht nur vom Künstler aus, sondern auch vom Anwender, der durch Interaktion auf die Szene einwirkt. Diese Interaktion hat Einwirkung auf die Betrachtungszeit eines Bildes. Es entsteht eine Mischform zwischen kurzer und langer Betrachtungszeit und somit eine unterschiedliche Erinnerbarkeit von Bildelementen. Bei der Komposition eines Computerbildes muss man in 2D- und 3D-Bild unterscheiden. In einem 2D-Computerbild erfolgt die Bildgestaltung wie beim traditionellen Zeichnen oder Malen. Die Ideenentwicklung kann geplant oder spontan erfolgen. Bei einer programmierten 3D-Szene muss die Szene vorher im Kopf geplant werden. Beide Vorgänge sind jedoch aktive Prozesse. Der Bildträger eines interaktiven Bildes ist der Monitor. Die Eigenschaften des Monitors geben ebenfalls eine eigene spezifische Bildcharakteristik digitaler Bilder vor (zum Beispiel durch die gekrümmte Scheibe, die nicht vollständig entspiegelt ist). Auch die dort dargestellten Farben sind immaterieller beziehungsweise temporärer Natur und haben einen anderen Charakter als herkömmliche Pigmentfarben. Durch ihre Leuchtkraft werden sie auch als Lichtfarben bezeichnet. Farben auf dem Monitor wirken in der Regel immer gleich, wenig abwechselungsreich und nicht realistisch. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Farbwissenschaft mit der Suche nach einem mathematischen Modell, um Farbe auf dem Monitor oder im Druck genauso darzustellen, wie beim direkten Betrachten in der Realität. Solche Modelle sind nötig, um Farben zu kategorisieren. Der Farbraum der digitalen Farben ist darin dreidimensional. Farben lassen sich dort numerisch als Vektoren oder Tripel beschreiben. 3.6.6 Zusammenfassung Mit Beginn der Neuzeit wurden erstmals technische Hilfsmittel wie Fotoapparat, Kamera und Rechner in der Kunst eingesetzt. Innerhalb jeder der im Ordnungsmodell festgehaltenen, technischen Entwicklungsstufe verändert die Farbe ihren Charakter und erfährt einen ganz unterschiedlichen Einfluss auf ihre Eigenschaften, Darstellung und Bedeutung. Genauso wie Bilder, die mit Hilfe technischer Geräte hergestellt werden, als technische Bilder bezeichnet werden, bekommt auch die Farbe einen technischen Charakter. 3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE 83 Wird in der Malerei Farbe noch als materielles Farbpigment auf den Bildträger aufgetragen und von den jeweiligen Materialeigenschaften sowie der Brechung von Licht auf den Pigmenten in ihrer Wirkung beeinflusst, so wird die Farbe in Foto und Film in dem Sinne nicht selbst erschaffen, sondern lediglich auf Foto- oder Filmmaterial durch eine chemischen Prozess abgebildet beziehungsweise fixiert. Diese Fixierung bezieht sich auf einen Moment, das heißt auf einen bestimmten Blickwinkel zu einem bestimmten Zeitpunkt, indem Farbe, Materialeigenschaften und Lichtbrechung beziehungsweise Reflexion einen bestimmten Farbeindruck erzeugen. Beim Film erweitert sich dieses Prinzip auf eine Folge von Momenten, wobei die abgebildete Farbe realitätsnäher wiedergegeben wird. Durch die technischen Hilfsmittel wie Fotoapparat oder Kamera, die beim Auftragen der Farbe assistieren, bildet sich ein unbestimmter Abstand zur Farbe. Farbe scheint im Gegensatz zum Pigment der Malerei weniger greifbar. Die Glasscheibe des Monitors kann darüber hinaus mit einer Art Filter verglichen werden, der sich zwischen Gestalter und Werk schiebt und den direkten Kontakt mit dem Material vermeidet. Dieses kann eine befremdende Wirkung haben. Farbe kann, wie die Bilder der Fotografie, des Film und im interaktiven Bild selbst, beliebig oft und vergleichsweise schnell reproduziert werden. Dies kann dazu führen, dass das Bild an sich und die Farbe darin an Wert verliert. In der Fotografie und Filmtechnik wird es nötig, Farbe nach den Gesetzmäßigkeiten der additiven und subtraktiven Farbmischgesetzen zu produzieren und zu manipulieren. Die am Monitor dargestellte Farbe des interaktiven Bildes ist darüber hinaus immaterieller beziehungsweise temporärer Natur und hat dadurch ebenfalls einen anderen Charakter als herkömmliche Pigmentfarben. So wird sie auf Grund ihrer Leuchtkraft auch als Lichtfarbe bezeichnet. Weiterhin wirken Farben auf dem Monitor in der Regel wenig abwechselungsreich und nicht realistisch. Ein Computerbild ist dadurch unverkennbar gekennzeichnet. Die Farbwissenschaft widmet sich aus diesem Grund der Suche nach einem mathematischen Modell, um Farbe auf dem Monitor oder im Druck genauso realistisch nachzubilden, wie beim direkten Betrachten in der Realität. Ein Standardmodell ist der CIE-Standardfarbraum. 3.7 Zusammenfassung Geschichte Die Zusammenfassung zum Kapitel „Geschichte der Farbe“ unterteilt sich in zwei Abschnitte. Der erste Abschnitt bezieht sich auf die zeitgeschichtlichen Aspekte über Farbe in der Malerei von Antike bis zur Neuzeit, während sich der zweite Abschnitt dem Zusammenspiel von Farbe und Technologie widmet. 3.7.1 Farbe von Antike bis Neuzeit Von der Antike über die Renaissance bis in die Malerei der Neuzeit erstreckt sich der ewige Konflikt über die Wichtigkeit der Farbe gegenüber der Hell-Dunkel-Gestaltung und anderen strukturgebenden Bildelementen. Manche Maler übertrugen ihre Botschaften alleine durch Hell-Dunkel andere schufen Räume bloß mit Hilfe von Farben. Kunsthistoriker weisen darauf hin, dass die Zeiten, in denen der Zeichenaspekt und die Form in der Malerei dominieren, sich mit den Zeiten abwechseln, in denen das Interesse für die Farbe im Vordergrund steht. Aber auch innerhalb einer Epoche gibt es sowohl Meister der Form als auch Künstler, die ihre Botschaft lieber durch Farbe ausdrücken. Beispielsweise benutzten in der Renaissance die florentinischen Künstler perspektivische Elemente, um Figuren und Landschaften zu harmonisieren, während ihre 3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE 84 Zeitgenossen aus Venedig dazu die Farbe verwendeten. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana S. 137 ff) In Abbildung 39 werden die geschichtlichen Zusammenhänge von Farbe und deren Bedeutung in den jeweiligen Epochen verdeutlicht. Zusätzlich können für die Farbe in jeder Epoche typischen Eigenschaften hinsichtlich Farbton, Farbsättigung und Helligkeit festgehalten werden. Farbe als Vermittler Bedeutungsperspektive Farbperspektive Reine Farben Neuzeit Antike Mittelalter Linienzeichnung Fläche Renaissance Form Abstrakte Malerei Abstraktion Abbildung 39: Modell 1 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern In der Antike galt die Farbe als Vermittler oder Weichzeichner zwischen der Linienzeichnung auf der Bildebene und dem Auge des Betrachters. Aus diesem Grund wurden wenig gesättigte Farben, fade, fast farblose Töne und selten reine Farben eingesetzt. Oft entstand der verschwommene Eindruck eines hellen Schleiers über dem Bild. Vom Farbton betrachtet wurden oft freundliche helle Farben wie gelb, beige, orange eingesetzt. Im Mittelalter wurden Objekte nach ihrer Bedeutung in der so genannten Bedeutungsperspektive angeordnet. Es entstanden Farbvokabulare mit eindeutigen Bedeutungen. Dieses Prinzip kann heute die Grundlage für flächige Ordnungssysteme bilden und Schnitte symbolisieren oder Signalwirkung unterstützen. Weiterhin wurden mittelalterliche Bilder von Flächigkeit beherrscht. Diese wurde durch entsprechende Farbigkeiten unterstützt. Es wurden häufig reine Farben zum Beispiel in den Farbtönen blau, rot, gelb, grün verwendet. Die Farben waren gesättigt, wirkten stark und hatten eine eindeutige Aussagekraft. Im Gegensatz zur hohen Sättigung wurden jedoch eher dunkle Farben von geringer Helligkeit eingesetzt. Die Kunst der Renaissance fand zurück zu Körperlichkeit und Formen. Es wurden zartere Farbtöne und gemischte Farben wie rosa, grün-braun, blau-grün, braun eingesetzt. Der vorherrschende Kolorismus im Quattrocento war geprägt durch sukzessive Kontraste starker und gebrochener Buntfarben. In der italienischen Hochrenaissance hingegen wurden die Buntfarben dunkler. Erstmals wurde Perspektive gestaltet und durch Farbe in der so genannten Farbperspektive unterstützt. Dieses Prinzip kann heute die Grundlage für die Gestaltung möglicher Übergänge zur Navigationsunterstützung im Rechner darstellen. Die Sättigung und Helligkeit der Farbe in der Renaissance waren eher variabel jedoch nie hundert Prozent. Die neuzeitliche, moderne Malerei weicht ab von real existenten Formen. Farbe jeglichen Tons und jeglicher Helligkeit beherrscht das Bild mit absoluter Macht, beispielsweise in der expressionistischen Malerei. Die abstrakte Malerei kommt völlig ohne Objekte aus, die Harmonie des Bildes entwickelt sich ausschließlich aus der Farbe. Farbe gewinnt über den Symbolcharakter hinaus eine emotionale Bedeutung. Sie wird für sich alleine fähig, Elemente aus der Welt der Gefühle darzustellen. Dieses Prinzip kann heute die Grundlage für die Verdeutlichung von Elementararisierung und Ordnung sowie einer Signalwirkung sein. 3.7 ZUSAMMENFASSUNG GESCHICHTE der FARBE 85 3.7.2 Farbe und Technologie In Abbildung 40 wird die geschichtliche Zeitleiste aus Abschnitt 3.7.1 für die Neuzeit fortgesetzt. Dabei verlagert sich die Diskussion, ob Farbe überhaupt von Bedeutung ist dahingehend, wie Farbe am naturgetreusten wiedergegeben werden kann. Pigment Gemälde Bild im Kopf Chemikalie Neuzeit Fotografie Abbild Chemikalie Film Abbild Pixel Interaktives Bild Fiktion Abbildung 40: Modell 2 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern Es muss berücksichtigt werden, dass mit Beginn der Neuzeit technische Geräte Einzug in die Kunst hielten. Dadurch wurden jeweils der Charakter und die Eigenschaften der Farbe verändert. Wurden in der Malerei noch materielle Farbpigmente durch Mischen in einem aktiven künstlerischen Prozess von der Hand des Malers auf den Bildträger aufgetragen, so wird die Farbe in Foto und Film nicht selbst erschaffen, sondern lediglich auf Foto- oder Filmmaterial durch einen chemischen Prozess entwickelt. Im interaktiven Bild ist die Farbe in Form von Pixeln durch die Darstellung am Monitor immaterieller beziehungsweise temporärer Natur. Der Künstler erhält jedoch die Möglichkeit Dinge, die real nicht existieren, frei nach seiner Phantasie fotorealistisch darzustellen. Im kommenden Kapitel über die physiologische und psychologische Wahrnehmung von Farbe wird gezeigt werden, dass der Prozess des Farbsehens von dem des Formsehens getrennt abläuft. Vielleicht ist es gar nicht so verwunderlich, dass in einzelnen Epochen oder bei einzelnen Künstlern mal die Form, mal die Farbe eine entscheidende Rolle spielte. Man kann sich vorstellen, dass bei den einen der Teil der Sehrinde dominiert, der die Farben verarbeitet, und bei den anderen das Zentrum der Formwahrnehmung. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana S. 141) 86 4 WAHRNEHMUNG von FARBE 87 4 Wahrnehmung von Farbe Bisher bezogen sich die Betrachtungen zur Farbe fast ausschließlich auf geschichtliche und herstellungsspezifische Aspekte. Ausgespart wurde die Erläuterung der Grundvoraussetzungen, unter denen es im menschlichen Auge überhaupt zum Sehen von Farbe kommt. Dieser Aspekt, sowie der Aspekt der psychologischen Farbwirkung soll im vierten Kapitel unter Berücksichtigung des oben eingeführten Schemas und mit Hinblick auf die Anwendungsbeispiele für die Computergrafik in Kapitel fünf beleuchtet werden. 4.1 Physiologie 4.1.1 Küppers Farbenlehre Wir können Farbe in Gemälden, Fotografie, Film und auf dem Monitor nur deshalb wahrnehmen, weil unser Auge über eine komplexe Physiologie des Farbsehens verfügt. Das Sehorgan ist dabei das Instrument zur Erzeugung der Sinnesempfindung Farbe. Für die Erzeugung dieser Empfindung bedarf es eines von außen kommenden physikalischen Anstoßes. Küppers beschreibt den Vorgang in seiner Farbenlehre folgendermaßen: Beleuchtungslicht (siehe Abbildung 41-1) fällt auf einen Gegenstand. Ein Teil des Lichtes wird absorbiert und in Wärme umgewandelt (siehe Abbildung 41-2). Der nicht absorbierte Teil, das Restlicht, wird als Farbreiz (siehe Abbildung 41-3) ins Auge des Betrachters reflektiert (siehe Abbildung 41-4). Nach den organeigenen Anpassungsvorgängen der Adaptation, der Umstimmung und des Simultankontrastes wird für jeden Bildpunkt auf der Netzhaut ein elektrischer Code gebildet und über die Nervenbahnen (siehe Abbildung 41-5) ins Gehirn geschickt. Aus diesen farblosen Daten baut sich das vielfarbige dreidimensionale Gesichtsfeld als Bewusstsein auf (siehe Abbildung 41-6). Die Punkte 1 bis 4 der Abbildung von Küppers fallen dabei unter den Bereich der Physik, Punkt 5 unter den Bereich der Physiologie und Punkt 6 unter den der Psychologie. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 9 f) 3 1 2 5 4 Emission elektromagn. Material Reflektion Umwandlung Energie Absorption Transmission 6 Leitung Farbempfindung Abbildung 41: Vorgang des Farbensehens nach Küppers 88 4.1 PHYSIOLOGIE Der von außen kommende Farbreiz, der in Schritt 4 durch das optische System des Auges auf die Netzhaut projiziert wird, regt die dort eingebetteten winzig kleinen Sehzellen, die so genannte Lichtrezeptoren an. Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Lichtrezeptoren, die Zapfen und die Stäbchen. Im Zentrum der Netzhaut, das als Sehgrube bezeichnet wird, sind etwa 6 Millionen Zapfen in großer Dichte gelagert, die für die Farbwahrnehmung zuständig sind. Im äußeren Feld der Netzhaut liegen über 100 Millionen Stäbchen, die ringförmig um die Sehgrube gelagert sind. Diese Stäbchen sind bei geringer Lichtintensität aktiv und haben die Aufgabe, Schwarz-Weiß-Kontrasten zu unterscheiden. Es gibt drei Typen von Zapfen, die jeweils für die Erfassung eines bestimmten Wellenbereiches des Lichtes ausgelegt sind. Je ein Typ reagiert auf Rot, Grün oder Blau. Die additive und die subtraktive Farbentstehung, die bei der Betrachtung von Fotografie oder Fernsehen in Abschnitt 3.6.2.4 und 3.6.3.4 bereits eine Rolle gespielt haben und im folgenden Abschnitt (vgl. Abschnitt 4.1.2) noch näher erläutert werden sollen, begründen sich in der Farbempfindlichkeit der drei Zapfenarten. Diese entsprechen den drei additiven Grundfarben Rot, Grün und Blau. Die Reaktionen der drei verschiedenen Zapfentypen werden im Gehirn zu einer Einheit verschmolzen, die die Farbempfindung auslöst. Deshalb hat auch jeder Zapfen seine eigene Verbindung über eine Nervenfaser zum Gehirn (siehe Abbildung 41-5). Additive Mischung kommt also durch physikalische Überlagerung von Strahlen verschiedener Wellenlängen zustande (zum Beispiel durch drei Elektronenstrahlquellen in Rot, Grün und Blau im Bildschirm), kann aber auch in unserem Auge stattfinden. Unterschiedliche spektrale Zusammensetzungen des Lichts können beim Menschen den gleichen Farbeindruck hervorrufen. Diesen Effekt nennt man metamäre Farbgleichheit (vgl. Abschnitt 3.1.4). Die metamäre Farbgleichheit macht man sich in der Technik zu Nutze. Mit Hilfe dreier schmalbandiger Lichtquellen, zum Beispiel der drei Leuchtphosphore auf Fernsehbildschirmen, wird ein Großteil der in der Realität vorkommenden Farbeindrücke auf dem Bildschirm nachgebildet. Zum Beispiel kann durch Addition von etwas rotem (langwelligem) mit viel blauem (kurzwelligem) Licht der Farbeindruck Violett erzeugt werden, obwohl spektralreines Violett noch kurzwelliger als das blaue Licht ist. Dieses gemischte Violett hat allerdings eine etwas geringere maximale Farbsättigung und sieht aus, als hätte man dem spektralreinen Violett ein wenig Grau hinzu gegeben. Die Stäbchen hingegen reagieren, wie bereits erwähnt, auf das Hell-Dunkel, indem sie die Intensität des Lichtes als Signale aufnehmen. Sie können keine Farbigkeit interpretieren, sondern übertragen die Helligkeitswerte in eine Grauskala. Die Stäbchen verhalten sich weitaus lichtempfindlicher als die Zapfen. Dies hat zur Folge, dass zur Wahrnehmung von Farben eine höhere Lichtstrahlung notwendig ist, als zur Wahrnehmung von Hell-Dunkel-Kontrasten. Diese Eigenschaften erklären, warum Farben bei zunehmender Dunkelheit immer schlechter zu unterscheiden sind, bis schließlich in der Dunkelheit nur noch die Stäbchen aktiv bleiben. Aus dem Ausfall von Zapfen oder Stäbchen ergeben sich weithin bekannte Farbsinnstörungen. So entsteht beispielsweise die Rot-Grün-Krankheit durch den Ausfall des für diesen Wellenbereich zuständigen Typs an Zapfen. Wenn die Stäbchen nicht auf unterschiedliche Lichtverhältnisse reagieren, hat dies die Nachtblindheit zur Folge. (vgl. [5] ENGELBERT, Prof. Dr. Arthur: physische Wahrnehmung) 4.1 PHYSIOLOGIE 89 4.1.2 Urfarben und Grundfarben Die drei Empfindungskräfte, die zu den drei Zapfenarten des Sehorgans gehören, werden als Urfarben (Urf) bezeichnet. Dem Zapfentyp, der auf kurzwellige Strahlungen reagiert, ist die Urfarbe Violettblau (Urf V) zugeordnet. Wenn nur dieser Zapfentyp allein angesprochen ist, führt das zur Farbempfindung Violettblau. Wenn nur mittelwellige Strahlung vorhanden ist, reagiert das Sehorgan mit der Farbempfindung Grün. Deshalb sprechen wir hier von der Urfarbe Grün (Urf G). Und schließlich führt langwellige Strahlung, die allein den betreffenden Zapfentyp erregt, zur Farbempfindung Orangerot und damit zur Urfarbe Orangerot (Urf O). Küppers zieht aus dieser Tatsache folgende Schlussfolgerungen: Wenn im Sehorgan diese drei Empfindungskräfte wirken, ergibt sich daraus, dass acht extreme Farbempfindungen möglich sind. Diese acht maximalen Farbempfindungen bezeichnet er als Grundfarben (Grf). Sie ergeben sich auf folgende Weise (siehe Abbildung 42). Urfarben Grundfarben Keine Urf = Grf S Urf V = Grf V Urf G = Grf G Urf O = Grf O Urf V + Urf G = Grf C Urf V + Urf O = Grf M Urf G + Urf O = Grf Y Urf V + Urf G + Urf O = Grf W Abbildung 42: Urfarben und Grundfarben 90 4.1 PHYSIOLOGIE In Küppers‘ Farbenlehre haben die acht Grundfarben folgende Farbnamen: Schwarz (S), Violettblau (V), Grün (G), Orangerot (O), Cyanblau (C), Magentarot (M), Gelb (Y von yellow, weil das "G" für Grün bereits besetzt ist) und Weiß (W). Es gibt die zwei unbunten Grundfarben Weiß und Schwarz und die sechs bunten Grundfarben Gelb, Magentarot, Cyanblau, Orangerot und Violettblau. (vgl. [20] KÜPPERS, Harald, S. 21) 4.1.3 Farbmischgesetze nach Küppers Nach Küppers sind Farbmischgesetze Manipulationsmöglichkeiten des Sehorgans. Sie erklären sich aus dessen Arbeitsweise (siehe Abbildung 4.1.1). Bei Reproduktionsprozessen kommt es darauf an, einen Farbreiz so zu erzeugen, dass im Betrachter eine bestimmte Farbempfindung hervorgebracht wird. Die Modulation des Farbreizes kann an verschiedenen Stellen der in der Abbildung gezeigten Wirkungskette stattfinden. Es kann direkt der ins Auge fallende Farbreiz manipuliert werden. Diesen Prozess bezeichnet man als additive Mischung (vgl. Abschnitt 3.6.3.4). Er bildet die Grundlage für die Technik des Fernsehens. Die Manipulation kann aber auch im Materialbereich stattfinden und wird als subtraktive Mischung bezeichnet. Dabei werden dem weißen Licht der Allgemeinbeleuchtung durch Absorption gezielt bestimmte spektrale Anteile entzogen. Das Restlicht ergibt den gewünschten Farbreiz. Diese Manipulation im Materialbereich kann beispielsweise mit lasierenden Farbmitteln erfolgen. Dabei werden Filterschichten hintereinander geschaltet. Dem Licht, das nacheinander durch verschiedene Filterschichten fällt, werden durch Absorption jene spektralen Anteile entzogen, die für den gewünschten Farbreiz nicht gebraucht werden. (vgl. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 19 f) Die lasierenden Farbmittel können beispielsweise die Malerfarben oder Pigmente unterschiedlicher Farbtöne sein, die miteinander vermischt werden. Die Pigmente verhalten sich dabei praktisch wie Filter. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 107). Die Technik der subtraktiven Mischung wird bei der Film- und Fototechnik sowie beim konventionellen Mehrfarbendruck eingesetzt (vgl. Abschnitt 3.6.2.4). (vgl. ([20] KÜPPERS, Harald, S. 19 f). Allerdings kann auch mit Druckfarben eine additive Mischung simuliert werden, indem die Grundfarben in einzelnen, dicht benachbarten Bildpunkten dargestellt werden, ohne sie zu überlagern, so dass die Mischung erst im Auge zustande kommt. ([22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 107) 4.1.4 Farbe und Gehirn Im Auge können unter Berücksichtigung einiger physikalischer und physiologischer Gesetzmäßigkeiten gewisse Effekte erzielt werden, die man sich bei der Anwendung von Reproduktionsverfahren zu Nutze machen kann. Im Folgenden werden einige beschrieben. Bei einem roten und blauen Rechteck auf schwarzen Grund ergibt sich der Eindruck, dass die beiden Flächen räumlich nicht in einer Ebene liegen. Die rote Fläche scheint auf den Betrachter zuzukommen, während die blaue Fläche eher zurückzuweichen scheint. Das kann teilweise damit erklärt werden, dass Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge im Auge unterschiedlich stark gebrochen werden, blaues Licht etwas stärker als rotes. Es entsteht ein Prismeneffekt, der zu je einem roten und einem blauen Netzhautbild führt. Diese Bilder sind dazu in beiden Augen leicht unterschiedlich und erzeugen einen binokulären Stereoeffekt, der allerdings den Raumeindruck nicht vollständig erklären kann, denn dieser bleibt auch beim Betrachten mit nur einem Auge teilweise bestehen. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 131) 4.1 PHYSIOLOGIE 91 Im Gegensatz zu einem Messgerät, bei dem die gleichen Lichtstrahlen immer die gleichen Messwerte ergeben, reagiert die Netzhaut nicht immer gleich auf die gleiche Lichtstrahlung. Die von einer bestimmten Strahlung ausgelösten Helligkeits- und Farbempfindungen können je nach Umständen sehr verschieden sein. Das kann zum einem daran liegen, dass das Unterscheidungsvermögen der Netzhaut in verschiedener Hinsicht begrenzt ist. Der Vorgang der optischen Wahrnehmung ereignet sich in so kurzer Zeit, dass seine Dauer nicht bewusst erfahren wird. Wenn die Nervenzellen durch zu dicht nebeneinander liegende oder durch zu rasch wechselnde Lichtimpulse überfordert werden, vermischen sich die unterschiedlichen Signale. Durch diesen, als optische Mischung (vgl. Abschnitt 3.2.1) bezeichneten Vorgang, entstehen andere Farbempfindungen, das heißt neue Farben. Auf der anderen Seite erfolgt die Reaktion der Netzhaut nach bestimmten, vorgegebenen Mustern. Die eintreffenden Lichtimpulse werden in den verschiedenen Zellschichten der Netzhaut nach bestimmten Kriterien beurteilt und verändert. Die Netzhaut ist sozusagen vorprogrammiert. Signale, die als wichtig bewertet werden, verstärken sich, andere werden als unwesendlich abgeschwächt. Dieser Mechanismus dient zur möglichst raschen und deutlichen Wahrnehmung der für die visuelle Orientierung wichtigen Informationen. Das Aussehen der Farbe wird durch diesen Vorgang stark beeinflusst. Ebenfalls beeinflusst wird das Aussehen einer Farbe von ihrer Umgebung. Das Auge vergrößert den Unterschied einer Farbe, wenn diese auf zwei aneinander grenzenden Farbflächen ins Auge reflektiert wird. Durch die Betonung der vorhandenen Unterschiede, die als Simultankontrast bezeichnet (vgl. Abbildung 43) werden, können wir die Dinge in unserer Umgebung deutlicher und schneller wahrnehmen. Eine Farbe kann unter dem Einfluss einer andersfarbigen Umgebung in drei Richtungen verändert werden: in der Helligkeit, in der Farbrichtung und in der Buntheit. (vgl. [36] ZWIMPFER, Moritz, S. 260, 268, 315) 4.1.5 Tiefenwirkung durch Farbe Durch Farben können Raumeffekte erzeugt werden. In der Malerei setzen die Künstler bereits seit geraumer Zeit bewusst Farben ein, um das Gemälde harmonischer zu gestalten, beziehungsweise um Tiefe zu erzeugen. Dabei spielen Kontrasteffekte eine große Rolle. Es gibt sowohl kontrastreiche Effekte, die erst im Auge entstehen, als auch solche, die durch die Art und Weise entstehen, wie der Maler verschiedenen Farben gegenüberstellt. In diesem Abschnitt sollen einige dieser Effekte im Hinblick auf die spätere Verwendung bei der Computergrafik beschrieben werden. Erst ab einer bestimmten Helligkeit ist die Dreidimensionalität der Farbenwelt gegeben. Beleuchtung ist also die Grundvoraussetzung für die Wahrnehmung von Raumtiefe. In der Farbe selbst befinden sich nach der Tiefe wirkende Kräfte, mit denen die Farbe räumliche Wirkung erzielt. Neben dem rein farblichen Kontrast (zum Beispiel Rot-Grün) können diese Kräfte als Komplementär, Hell-Dunkel oder Kalt-Warm (warme Farben auf kaltem Hintergrund schaffen den Eindruck räumlicher Tiefe), als Qualitäts- (Unterschiede in der Farbsättigung), Quantitäts- (in einer größeren einheitlichen Fläche befindet sich ein kleines, stark unterschiedliches Detail) oder Sukzessivkontrast in Erscheinung treten (siehe Abbildung 43). 92 4.1 PHYSIOLOGIE Der Hell-Dunkel-Kontrast Die Farben Schwarz und Weiß sind das stärkste Ausdrucksmittel für Hell und Dunkel. Dazwischen liegen die Grautöne und die Farben. Kalte Farben wirken durchsichtig und leicht. Warme Farbtöne wirken undurchsichtig. Grenzen unbunte Farben an bunte Farben gleicher Helligkeit verlieren sie ihren unbunten Charakter. Soll dieser bewahrt werden, müssen sie eine andere Helligkeit aufweisen. Gesättigte leuchtende Farben haben unterschiedliche Helligkeitswerte. Gelb ist sehr hell, es gibt kein dunkles leuchtendes Gelb. Blau ist sehr dunkel, Hellblau ist charakterlos, ohne Leuchtkraft. Rot leuchtet nur als dunkle Farbe, so hell wie Gelb hat es keine Leuchtkraft mehr. Gibt Gelb den Hauptcharakter an, wird die Komposition eher hell. Sind es Blau und Rot, ist die Komposition eher dunkel. Eine Farbe mit Schwarz- oder Weißgehalt ist eine gebrochene oder getrübte Farbe. Der Komplementär-Kontrast Komplementärfarben liegen sich im Farbkreis gegenüber. Sie steigern sich gegenseitig zu höchster Leuchtkraft. Zerlegt man sie, stellt man fest, dass immer die drei Grundfarben (Gelb, Rot, Blau) in ihnen vorhanden sind. Sowohl Nachbild als auch Simultaneffekt fordern die Komplementärfarbe. Der Farbe-an-sich-Kontrast Alle Farben können ungetrübt in ihrer stärksten Leuchtkraft verwendet werden. Es sind mindestens drei klar voneinander abstehende Farben notwendig. Die Wirkung wird schwächer, je weiter man sich von den Farben 1. Ordnung entfernt. Der Kalt-Warm-Kontrast Rotorange und Blaugrün sind die Pole des Kaltwarmkontrasts, die Farben dazwischen wirken entweder kalt, oder warm, je nach ihrer Kontrastierung mit wärmeren oder kälteren Tönen. In der Landschaft wirkt Entfernteres immer kälter. Der Kalt-Warm-Kontrast suggeriert somit nah und fern. Die Wirkung ist am stärksten, wenn man den Hell-Dunkel-Kontrast ausschaltet. Der Quantitätskontrast Hierunter versteht man die Farbmengenverhältnisse und Größenverhältnisse von zwei oder mehr Farbflächen zueinander. Zwei Faktoren bestimmen die Wirkungskraft, die Leuchtkraft und die Flächengröße. Um den Lichtwert festzustellen muss man die Farben vor neutralem, grauem Hintergrund vergleichen. 4.1 PHYSIOLOGIE 93 Der Qualitäts-Kontrast Unter Farbqualität versteht man den Reinheits- und Sättigungsgrad von Farben. Der Qualitäts-Kontrast ist der Gegensatz von leuchtenden zu stumpfen, getrübten Farben. Die Farben mit der größten Leuchtkraft sind die prismatischen Farben. Es gibt die vier folgenden Möglichkeiten: - Brechen mit weiß, dadurch wird der Farbcharakter kälter - Brechen mit schwarz, dadurch geht der strahlende Charakter verloren, die Farben wirken fahl und gelähmt - Brechen mit grau, die Farben werden neutralisiert und blind, sie werden heller oder dunkler, in jedem Fall aber trüber - Beimischen der Komplementärfarbe, die Tonwerte liegen dann zwischen den zwei Farben Um den Qualitäts-Kontrast voll auszuschöpfen muss die jeweilige Farbe in ihrer eigenen Trübung stehen. Der Simultan-Kontrast Der Simultan- oder Sukzessivkontrast ist eine Erscheinung im Auge, die zu einer Farbe immer gleich (simultan) die Komplementärfarbe verlangt. Diese entsteht im Auge des Betrachters. Der Vorgang beweißt, dass die Farbharmonie die Erfüllung des Komplementärgesetzes in sich schließt. Will man dem Simultankontrast entgegenwirken, muss man der Farbe etwas entgegen mischen oder durch verschiedene Helligkeiten den Effekt unterdrückt. Um den Simultankontrast zu verstärken ändert man die Mengenverhältnisse der Farben. Abbildung 43: Farbkontraste nach Johannes Itten Weiterhin kann man beobachten, dass wenn man die sechs Farben Gelb, Orange, Rot, Violett, Blau und Grün ohne Zwischenräume auf einem schwarzen Hintergrund aneinander setzt, das helle Gelb nach vorne zu kommen scheint und das Violett in der Tiefe des schwarzen Grundes schwebt. Alle anderen Farben bilden Tiefenstufen zwischen Gelb und Violett. Auf einem weißen Hintergrund hingegen scheint sich das Violett abzustoßen während das Gelb als heller Verwandter zurückgehalten wird. An diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht nur die Farbe an sich, sondern auch ihre Bezugsfarbe für die Tiefenwirkung von Bedeutung ist. Beim Vergleich von kalten und warmen Tönen treten die warmen Töne bei gleicher Helligkeit nach vorn während die kalten Töne der Tiefe (vgl. Farbperspektive Abschnitt 3.3.3) zustreben. Eine leuchtende Farbe tritt nach vorn im Vergleich zur gleich hellen aber stumpferen Farbe. In den meisten Fällen verbinden sich die Farbkontraste mit einem Hell-Dunkel-Kontrast, weil entweder die Farben dazu tendieren, wie zum Beispiel Gelb und Violett, oder vom Maler bewusst ein Helligkeitsunterschied geschaffen wird. Befinden sich gleich helle Farben verschiedener Farbtöne nebeneinander in einem Bild, erscheinen die Umrisse weniger deutlich, der Unterschied zwischen Vorder- und Hintergrund wird geringer, Distanzen verschwinden. Ein reiner Farbkontrast ist somit weniger geeignet, um dreidimensionale Formen darzustellen. Dies kann mit der Organisation unseres Sehapparates begründet werden. Die Sehschärfe bei reinen Farbkontrasten ist wesentlich geringer. Farbpunkte, die unser Auge voneinander unterscheiden soll, 94 4.1 PHYSIOLOGIE müssen drei- bis viermal weiter auseinander liegen als schwarze Punkte auf weißem Hintergrund. MAFFEI und FIORENTINI geben dazu in ihrem Buch „Das Bild im Kopf: von der optischen Wahrnehmung zum Kunstwerk“ als Beispiel das Bild „Giovanni Arnolfini und seine Frau“ von JAN VAN EYCK an. Sie bereiteten das Bild so auf, dass in einem Bild nur noch reine Farbkontraste erhalten waren und beim zweiten Bild nur noch der reine HellDunkel-Kontrast. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass die Figur bei reinem Farbkontrast wesentlich weniger plastisch, fast schon collagenartig wirkt. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 126 ff) Ein letztes Phänomen, welches nicht direkt die Ursache von Räumlichkeit ist sondern eher eine Folge von Beleuchtung, sind die Schatten. Diese erfahren auf Grund ihrer Beleuchtung ebenfalls eine Veränderung. Wenn ein Objekt von intensiv farbigem Licht bestrahlt wird, dann nehmen die Schatten einen Farbton an, der der Komplementärfarbe des Lichtes entspricht. Der Farbton des Schattens entsteht durch einen Kontrasteffekt, der in der Malerei oft angewandt wird, um die Tiefenwirkung zu erhöhen. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 132 f) 4.1.6 Zusammenfassung Die Fähigkeit des Sehapparates zur Erzeugung der Sinnesempfindung Farbe ist die Grundvoraussetzung des Farbensehens. Die Zapfen erzeugen durch additive Farbmischung den Farbeindruck im Gehirn. Der Farbreiz, der in das Auge fällt, kann entweder durch additive Mischung erzeugt werden oder er entsteht durch subtraktive Mischung im Materialbereich. Farben erzeugen auf Grund der physikalischen und optischen Eigenschaften des Auges gewisse Effekte bei der Farbwahrnehmung. Durch unterschiedliche Brechungswinkel von lang- beziehungsweise kurzwelligem Licht scheint ein rotes Objekt zum Beispiel näher zu sein als ein gleich weit entferntes blaues Objekt. Außerdem reagiert die Netzhaut nach bestimmten Reaktionsmustern, indem sie wichtige Signale verstärkt, unwichtige abschwächt und zu schnell eintreffende Signale durch optische Mischung vermischt. So vergrößert das Auge beim Simultankontrast die Farbwirkung nebeneinander gesetzter ungemischter Pigmente, so dass Objekte schneller und deutlicher wahrgenommen werden können. Diese Mechanismen helfen bei der möglichst raschen visuellen Orientierung im Raum. Einige Farbzusammensetzungen folgen ebenfalls Gesetzen, die sich auf den Eigenschaften der Farben begründen. So wurde die Farben schon früh in der Malerei genutzt, um Tiefenwirkung zu erzielen, beispielsweise durch Hell-Dunkel-Kontrast, Warm-KaltKontrast, Qualitäts- und Quantitätskontrast. Farbkontraste gehen dabei oft mit einem Hell-Dunkel-Kontrast einher, da gleichhelle Farben verschiedener Farbtöne wenig räumliche Distanz erzeugen. Diese Eigenschaften von Farben werden bei den Anwendungsbeispielen in Kapitel fünft zur Farbe in der Computergrafik berücksichtigt. 4.2 PSYCHOLOGIE 95 4.2 Psychologie 4.2.1 Psychologische Wirkung Neben der physiologischen Entstehung des Farbeindrucks, die den Gesetzen der Optik und der Funktionsweise des Sehorgans folgt, können Farben auch so genannte unsichtbare Sinneswahrnehmungen erzeugen. Diese unsichtbaren Sinneswahrnehmungen können ganz unterschiedliche Wirkungen beim Betrachter auslösen. Zum Beispiel können sie psychologische, symbolische, kulturelle oder traditionelle Wirkung erzeugen, die sich aus dem jeweiligen kulturellen oder persönlichen Umfeld über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt haben. Im Folgenden sollen einige dieser Wirkungen, deren geschichtliche Zusammenhänge und Abhängigkeiten erklärt werden. Die psychologische Wirkung Trifft im Auge Licht einer bestimmten Wellenlänge ein, so hat dieses außer der ausgelösten Sinnesempfindung wie Rot oder Blau noch weitere komplexe, farbspezifisch psychologische Auswirkungen. Diese psychologische Wirkung von Farbe entsteht aus Erfahrungen, die wir so oft gemacht haben, dass sie verinnerlicht sind. Das kann automatische, unbewusste Reaktionen und Assoziationen auslösen. Grün steht beispielsweise für Unreife, einfach aus dem Eindruck heraus, dass noch grüne Früchte unreif sind. Die symbolische Wirkung Wir können uns Farben losgelöst von einem Gegenstand vorstellen und sie in eine abstrakte Idee verwandeln (vgl. Farbvokabeln Abschnitt 3.2). Farben haben in allen Kulturen einen gewissen Symbolwert. Auch symbolische Farbzuordnung entsteht durch Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind jedoch nicht persönliche, sondern meist jahrhundertealte Überlieferungen. Grün als die Farbe der Hoffnung könnte also daher stammen, dass die Hoffnung mit dem Frühling verbunden wird. Die kulturelle Wirkung Des Weiteren haben Farben eine kulturelle Wirkung. Unterschiedliche Lebensweisen in unterschiedlichen Kulturen bedingen unterschiedliche Farbwirkungen. In Europa ist Grün beispielsweise die normale Landschaftsfarbe während sie für Wüstenvölker die Farbe des Paradieses ist. Die traditionelle Wirkung Die traditionelle Wirkung von Farbe verweist oft auf alte Verfahren der Farbgewinnung und der Färberei. Grün wird deshalb unter anderem als giftig empfunden, da die grüne Malfarbe früher Arsen enthielt. Auch waren Farben zu früheren Zeiten nicht beliebig verfügbar. Teure Stoffe wurden mit teuren Farben gefärbt, billige Stoffe mit billigen Farben. So waren rote und blaue Stoffe den Würdenträgern und Königen vorbehalten, während die Kleidung einfacher Leute meist Grün eingefärbt war. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 13) Auf diese Weise haben sich für jede Farbe im Laufe der Zeit charakteristische Wirkungen, Bedeutungen und Assoziationen herauskristallisiert. Einige davon sind in den Tabellen unten aufgeführt (siehe Abbildung 44a und 44b). 4.2 PSYCHOLOGIE 96 bunte Farben Psychologische Wirkung Rot Blut, Feuer, Energie, Wärme, Liebe, Leidenschaft, Erotik, Sünde, Gefahr, Sozialismus, Kommunismus, Revolution, Leben, Freude, Scham, Zorn. In der Politik für Links, in China steht Rot für Glück und generell in unserem Kulturkreis gilt Rot als Signalfarbe für Verbotenes, Stopp und Negatives. Grün Gras, Natur, Unreife, Gift, Ökologiebewegung, Hoffnung, Frieden, auf Fahnen: Islam, Frische, als Gesichtsfarbe: Krankheit, Signalfarbe: erlaubt, vorhanden, Start, OK Blau Wasser, Himmel, Freiheit, Kälte, Adel, Ferne, Sehnsucht, Treue, Wissen, Philosophie, Beständigkeit, Mäßigkeit, Israeliten: Gott, Himmel, Glauben, Offenbarung, Harmonie, Ausgeglichenheit, Ruhe; als Signalfarbe: vorgeschrieben, Jugend Gelb Zitrone, Frische, Fröhlichkeit, Lebensfreude, Lebenskraft, Liberalismus, Neid, Hass, Eifersucht; als Signalfarbe: eingeschränkt, teilweise, Zwischenzustand, Warnung Goldgelb Sonne, Reichtum, Macht, Freude, Ostkirchen: Himmel Orange Orange, Erfrischung, Fröhlichkeit, Widerstand, Buddhismus, das Exotische, Holland Braun Lehm, Erde, Dreck, Gemütlichkeit, Nationalsozialismus Violett Frauenbewegung, Mystisch, Alter, Protestantismus;Katholiken: Buße Trauer, Entsagung, Würde, lutherischer Abbildung 44a: Psychologische Wirkung von Farbe unbunte Farben Psychologische Wirkung Weiß Unschuld, Reinheit, Medizin, Neutral, Katholiken/Israeliten: Heiligkeit, Asien (bes. China): Trauer Grau Maus, Farblosigkeit, Neutralität, Unauffälligkeit, Depression Schwarz Asche, Tod, Trauer, Konservatismus, Seriosität, Macht, Bosheit, unerlaubter Handel/Arbeiten; Anarchie, Leere, Weltraum-Kunst; Kirche: orthodox Abbildung 44b: Psychologische Wirkung von Farbe 4.2 PSYCHOLOGIE 97 In den folgenden vier Abschnitten wird vertieft auf die Hauptfarben Rot, Gelb, Grün und Blau eingegangen, um einige der Farbwirkungen speziell anhand der Farben zu erläutern. 4.2.2 Die Urfarbe Rot Die Farbe Rot (vgl. Abbildung 45) gilt, wie schon aus der Tabelle ersichtlich, als die Farbe des Feuers oder des Blutes. Diese Begriffe können sowohl positiv als auch negativ belegt sein. Bei den Griechen und später auch im Christentum wurde das helle, leuchtende Rot mit dem männlichen Prinzip verbunden, es war die Farbe der griechischen Kriegsgötter Phoebus und Ares. In den frühen Kulturen jedoch wurde, wie heute noch in Japan, das dunkle Rot des Blutes dem Weiblichen zugeordnet. Abbildung 45: die Farbe Rot in MATTHIAS GRÜNEWALD’: „Auferstehung Christi“, Teil des Isenheimer Altars (um 1515) Rot war wahrscheinlich die erste Farbe, die der Mensch wahrnehmen konnte. Diesen Schluss zieht man aus der Beobachtung, dass bei Hirnverletzungen, die eine vorübergehende Blindheit auslösen, der Patient während der Genesung zuerst das Rot wieder wahrnimmt, bevor sich die anderen Farben einstellen. Schon in der Frühgeschichte tritt die Farbe Rot als die bedeutendste Farbe im Zusammenhang mit Jagd, Höhlenmalerei und Bestattung auf. Es herrschte der Glaube vor, Rot schütze vor bösen Einflüssen. So nimmt man an, dass die Jäger der Steinzeit und später auch die germanischen Krieger ihre Waffen oder sogar sich selbst im Blut der erlegten Tiere tauchten, wie der Held der Siegfried-Sage. Die Gladiatoren Roms tranken das Blut ihrer sterbenden Gegner, um deren Kräfte in sich aufzunehmen. Andere Völker badeten Neugeborene im Blut besonders schöner und kräftiger Tiere. Selbst im Mittelalter verwendete man in Deutschland noch rotes Bettzeug, da dieses vor den so genannten roten Krankheiten wie Fieber, Ausschlag oder bei Fehlgeburten helfen sollte. In JAN VAN EYCKS Ölgemälde "Vermählungsbild des Giovanni Arnolfini" aus dem Jahre 1434 ist dies abgebildet. 98 4.2 PSYCHOLOGIE Bei den Römern war das Tragen von, mit Purpur gefärbten Gewändern, nur dem Kaiser erlaubt und somit das Zeichen höchster Macht. Dieser hohe Stellenwert hing mit dem äußerst schwierigen und teuren Herstellungsprozess roter Pigmente zusammen. Jedoch war die Farbe Rot nicht immer positiv besetzt. Im Mittelalter wurde Maria zwar noch mit roten Haaren gemalt und Engel traten in roten Gewändern auf. Ab ca. 1500 wandelte sich jedoch die überaus positive Rolle der Farbe Rot. Mit der Einführung des Christentums wurde die Bedeutung des Rots bei den germanischen Göttern abgewertet. Es entstand die Gestalt des Teufels mit roten Haaren und rotem Bart. Frauen mit roten Haaren galten als Dirnen oder Hexen, und die Mohnblume wurde zur Teufelsblume. Die Haare der Maria wurden fortan blond gemalt. In der jüngeren Geschichte wurde Rot oft für politische Zwecke zum Beispiel bei Flaggen eingesetzt, da sie von weitem am besten sichtbar ist. Dabei ist die Konnotation auch hier wieder zweigeteilt. In kalten Ländern wie Russland ist Rot von jeher eine positiv besetzte Farbe (der "rote Platz" in Moskau hieß auch "schöner Platz") während im Westen dagegen das politische Rot negativ besetzt ist (man spricht von "roter Gefahr" oder von den "Roten", der politischen Linken). Heilpraktisch gesehen, nutzt man die wohltuende und wärmende Wirkung der Farbe Rot (als Infrarotstrahlung). Allgemein wirkt sie anregend und appetitfördernd. Die bloße Wahrnehmung der Farbe Rot erhöht den menschlichen Stoffwechsel um 13,4 Prozent. Die Farbe kann aber auch destruktive Aggressionen und Gewaltbereitschaft auslösen. Im Straßenverkehr signalisiert die Farbe Rot Gefahr. Rote Ampeln verbieten das Weiterfahren. Bremslichter und Alarmknöpfe sind ebenfalls rot. Die Werbung nutzt die Assoziationen von Rot mit erotischen Reizen. Jedoch ist die Farbe Rot aufgrund ihrer Aufdringlichkeit in der Werbung nicht so beliebt wie die Farbe Blau. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 49 ff) 4.2.3 Die Urfarbe Blau Die Farbe Blau gilt als Farbe des Himmels oder des Wassers. Das Blau des Wassers, als Farbe der Tiefe, verkörpert das weibliche Prinzip. Das Himmelsblau war früher mit dem Männlichen verbunden. Es ist die Farbe aller Himmelsgötter und symbolisiert das Ferne, das Göttliche und das Geistige (vgl. Abbildung 46). Abbildung 46: die Farbe Blau in der "Verkündigung an Maria" 4.2 PSYCHOLOGIE 99 Noch heute gilt die Farbe Blau als Farbe der Treue, denn Treue erweist sich erst aus der Sicht der Ferne. Im alten Ägypten wurden dem Blau lebensspendende Eigenschaften nachgesagt. Das tiefe Blau des Wassers wurde als Synonym des Lebens gesehen, im Blau des Himmels das Göttliche. Somit findet sich der Ursprung für die Symbolik der Farbe Blau bereits im alten Ägypten. Blau erhielt sowohl in der Literatur (die blaue Blume der Romantik als Symbol des Aufbruchs zur Erfüllung von Sehnsüchten und aber auch Symbol des Findens des eigenen, persönlichen Glücks und Lebenssinnes), als auch in der Kunst (der blaue Reiter) seine ganz eigene Bedeutung. Blau versetzt in einen Zustand des Träumens, die Farbe stimmt sehnsüchtig, sie wirkt beruhigend und führt zu einer ernsthaften Sicht der Dinge nach innen. Die Farbe Blau gilt als Farbe des Gemüts und stimmt positiv. In der Werbung suggeriert sie Sauberkeit und Frische. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 21 ff) 4.2.4 Die Urfarbe Grün Grün ist die Farbe des Lebens, der Pflanzen und des Frühlings(vgl. Abbildung 47). Sie symbolisiert Hoffnung und Unsterblichkeit. In China ist die Farbe Grün (wie Schwarz) dem weiblichen Yin zugeordnet, dem passiven, empfangenden Prinzip. Auf der anderen Seite steht Gelb für das männliche Yang, das aktive, schöpferische Prinzip. Grün entsteht aus Blau und Gelb und vereint so das Geistige der Farbe Blau mit der emotionalen Wärme der Farbe Gelb. Beides zusammen schafft Wachstum und Weisheit. Die Farbe Grün ist auch Symbol für Unerfahrenheit. Abbildung 47: die Farbe Grün in Claude Monets "Das Seerosenbecken" Obwohl Grün in Form von Chlorophyll schon seit Milliarden von Jahren auf der Erde existiert, spielte die Farbe Grün bei den Jägern und Sammlern der Steinzeit im Gegensatz zur Farbe Rot eine untergeordnete Rolle. Erst nach dem Untergang der Jagdvölker und mit dem Aufkommen des Ackerbaus traten zunehmend Götter in 4.2 PSYCHOLOGIE 100 Erscheinung, welche mit der Farbe Grün in Verbindung gebracht wurden. Im alten Ägypten war die Farbe Grün wie das Blau positiv besetzt. Im Mittelalter und der Zeit der Minnesänger war Grün auf der einen Seite die Farbe der Liebe, auf der anderen Seite die Farbe der bösen Schlangen und Dämonen. Im alten China besaß der oft mit der Farbe Grün in Verbindung gebrachte Drache eine sehr positive Bedeutung. Er symbolisierte die göttliche Macht der Umwandlung, den Rhythmus der Natur, sowie übernatürliche Weisheit und Stärke. Das Christentum deutete das positive Symbol des chinesischen Drachen um und kreierte ein drachenähnliches Ungeheuer, welches grüne Hautfarbe und grüne Augen besaß. Die Bedeutung der Farbe als Hoffnungsträger und als Symbol der Erneuerung ist jedoch bis heute im Christentum erhalten geblieben. Während Christus auf alten Darstellungen oft rote Gewänder trug und Maria blaue, erschien der heilige Geist oft als weiße Taube vor einem grünen Hintergrund. Durch Ihre Assoziation mit der Natur wirkt die Farbe Grün im Gegensatz zur anregenden Wirkung der Farbe Rot beruhigend, harmonisierend und entspannend. Grün ist für die Augen angenehm und hebt die Kontrastwirkung mit anderen Farben hervor. Durch die Verwendung von Grün erfolgt eine Konzentration auf das Wesentliche. Im Straßenverkehr signalisiert die Farbe Grün einen freien Durchgang. Die Werbung macht sich die Assoziation von Grün mit Umweltverträglichkeit und biologischer Herkunft zu Nutze. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 71 ff) 4.2.5 Die Grundfarbe Gelb Die Farbe Gelb symbolisiert seit jeher das Sonnenlicht, die Erkenntnis und das Gedeihen des Lebendigen, aber auch den Herbst und die Reife (vgl. Abbildung 48). Die alten Griechen hatten die Vorstellung, dass der griechische Sonnengott Helios in einem gelben Gewand auf einem von vier Feuerrossen gezogenen Wagen über den Himmel fährt. Das strahlende, gelbe Licht der Sonne verkörperte die göttliche Intelligenz. Die alten Ägypter, aber auch der Maler FRANZ MARC, sahen im Gelb, im Gegensatz zum chinesischen männlichen Yang, das Weibliche, das Sanfte, Heitere und Sinnliche. Abbildung 48: die Farbe Gelb in J.M.W. Turner: „Licht und Farbe - Der Morgen nach der Sintflut“ 4.2 PSYCHOLOGIE 101 Seit dem Mittelalter gilt Gelb auch als Farbe des Neides und als Schandfarbe von diskriminierten Gruppen. Safrangelb galt beispielsweise ursprünglich als Farbe der Liebe, später jedoch auch als Farbe der Wollust. Die römische Liebesgöttin Venus trug ein gelbes Gewand. Aus diesem Grund wurde die Farbe im Mittelalter vom Christentum zur Farbe der Dirnen umfunktioniert. Sie wurden gezwungen, zur Erkennung ein gelbes Band, einen gelben Gürtel oder einen gelben Umhang zu tragen. Der Maler GIOTTO DI BONDONE (1267-1337) stellte Judas im Fresko "Der Judaskuss" als Verräter in einem gelben Mantel dar. (vgl. [30] SEILNACHT, Thomas: Gelb) Auf das Gemüt wirkt die Farbe Gelb anregend, aufheiternd und erwärmend. In seiner Farbenlehre schrieb GOETHE: "Sie führt in ihrer höchsten Reinheit immer die Natur des Hellen mit sich und besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft (...) So ist es der Erfahrung gemäß, dass das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen Eindruck mache. Diesen wärmenden Effekt kann man am lebhaftesten bemerken, wenn man durch ein gelbes Glas, besonders in grauen Wintertagen, eine Landschaft ansieht. Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das Gemüt erheitert; eine unmittelbare Wärme scheint uns anzuwehen." (vgl. [10] GOETHE, Johann Wolfgang: Zur Farbenlehre) Gelb kann allerdings ebenso eine reizende und beunruhigende Wirkung haben. Im Straßenverkehr hat die Farbe Gelb die beste Fernwirkung. Aus diesem Grund sind beispielsweise das Vorfahrtsschild und die umschaltende Ampel gelb. Die Verbindung Gelb-Schwarz gilt International als Warnfarbe. In der Werbung werden warme Gelbfarben eingesetzt, um eine heitere und friedliche Stimmung zu suggerieren. (vgl. [14] HELLER, Eva, S. 127) 4.2.6 Farbe und Form Schon lange existiert das Verlangen, für die Farbe andere Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. So beschäftigte die Beziehungen zwischen Farbe und Form die Künstler und Lehrer der Bauhaus-Universität in den 20er Jahren sehr intensiv. Die Suche nach der richtigen Farbe als Gestaltungs- und Orientierungsmittel durchzieht die gesamte Bauhausgeschichte. Die beiden Bauhauslehrer JOHANNES ITTEN und WASSILY KANDINSKY entwickelten mit ihren Schülern bis heute gültige Farbordnungen und Farbsysteme. Auf deren Grundlage untersuchten sie den Zusammenhang zwischen Farbe und Form und ordneten den Farben bestimmte Eigenschaften und Charaktere zu. Im Zentrum der Lehre des Schweizer Malers und Kunstpädagogen JOHANNES ITTEN (1888 bis 1967) stand zunächst das Erkennen und Gestalten von Farbkontrasten und der Farbbeziehungen untereinander. Die von ihm untersuchten und weithin bekannten Kontrastarten beeinflussen bis heute Design, Kunst und Architektur. In seinem Buch "Kunst der Farbe" (vgl. [15] ITTEN, Johannes) beschreibt der Künstler Ausdruck und Wirkung der Farben und geht in seiner expressiven Farbenlehre dazu über, einzelnen Farben bestimmte Charaktere und abstrakte, geometrische Formen zuzuordnen. Die Farbe Rot stellt für ITTEN die körperhafte Materie dar. Sie wirkt statisch und schwer. Er ordnet deshalb der Farbe die statische Form des Quadrates zu. Gelb zeigt sich kämpferisch und aggressiv, besitzt einen schwerelosen Charakter und steht bei ITTEN für den Geist und das Denken. Diesem Charakter entspricht das Dreieck. Die Farbe Blau dagegen wirkt für ITTEN rund, erweckt ein Gefühl der Entspanntheit und Bewegung und steht für den "in sich bewegten Geist", wie er sich ausdrückt. Der Kreis entspricht der Farbe Blau, da er ein Symbol der "stetigen Bewegung" darstelle. (vgl. [15] ITTEN, Johannes) ITTEN übertrug diese drei Farbcharaktere in seiner so genannten Farbtyplehre später auf die menschlichen Charaktertypen und die damit verbundenen, wie er meinte, erklärbaren Farbpräferenzen eines jeden Menschen. 4.2 PSYCHOLOGIE 102 Für die im Farbkreis liegenden Sekundärfarben Orange, Grün und Violett leitete ITTEN ebenfalls entsprechende geometrische Formen ab. Zwischen dem roten Quadrat und dem gelben Dreieck liegt folglich das orangefarbene Trapez. Im Übergang vom blauen Kreis zum roten Quadrat entsteht eine Ellipse, in der Farbe Violett. Und zwischen gelbem Dreieck und blauen Kreis formt sich ein sphärisches, grünes Dreieck mit abgerundeten Ecken. Stimmen Farbe und Form in ihrem Ausdruck überein, summiert sich nach der Meinung ITTENS ihre Wirkung (siehe Abbildung 49). (vgl. [15] ITTEN, Johannes, S. 75ff, S. 77ff) Abbildung 49: ITTENS expressive Farbenlehre Auch der expressionistische Maler WASSILY KANDINSKY (1966 bis 1944) beschäftigte sich mit der Frage, welchen Charakter bestimmte Farben haben und in welchen Formen sie am besten wirken. Wie schon bei ITTEN bildeten die drei Grundfarben Rot, Gelb, Blau und deren Zuordnung zu den Grundformen Quadrat, Dreieck, Kreis den Ausgangspunkt für KANDINSKYS Farbenlehre. Er verfolgte dies weiter und stellte den drei Basisfarben dreidimensionale Körper gegenüber: Aus dem Quadrat entstand ein roter Kubus, aus dem Dreieck eine gelbe Pyramide, und dem Kreis entspricht in seiner räumlichen Konsequenz die blaue Kugel. KANDINSKY belegte die Farben jedoch nicht nur mit Charakteren, er konnte sie auch hören. So klingt die Farbe Gelb für ihn in hohen und durchdringenden Tönen, die Gegenfarbe Blau jedoch tief und dunkel. In seinen abstrakten, farbigen Bildern stellte er eine Verbindung zwischen Musik und Farben her. Sie fordern den Betrachter dazu auf, Analogien in Gehörtem zu finden. Der Maler wählte für seine Werke Titel wie "Konzert" und "Fuge" oder nannte seine Serien "Komposition und Improvisation". Man geht davon aus, dass viele dieser Bilder die Farbempfindungen KANDINSKYS beim Hören von Musikstücken widerspiegeln. Die gegenseitige Unterstützung von Form- und Farbgebung entsprang dem Wunsch, gültige Gestaltungsprinzipien zu finden, die in Kunst und Design universell anwendbar waren und wirkungsvolle Kommunikationsmittel darstellten. Im Bauhausunterricht fanden die Theorien über den Zusammenhang von Farbe und Form zahlreiche Umsetzungen in Grafikdesign und Innenarchitektur, zum Beispiel in der Anwendung grafischer Orientierungssysteme, im Plakatentwurf, der Wandgestaltung und im Möbeldesign. (vgl. [28] RÜDEN, Egon, S. 27 ff) 4.2.7 Zusammenfassung Mit jeder Farbe sind neben den physiologischen Sinnesempfindungen auch unsichtbare Sinneswahrnehmungen verknüpft. Diese können ganz unterschiedliche Wirkung beim Betrachter auslösen. Zum Beispiel können sie psychologische, symbolische, kulturelle oder traditionelle Wirkung erzeugen, die sich aus dem jeweiligen kulturellen oder persönlichen Umfeld über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt haben. Jede Farbe erzeugt darüber hinaus ganz bestimmte Assoziationen und Gefühle, die sich auch durch eine jeweilige unterschiedliche Entwicklungsumgebung widersprechen können. So steht Rot beispielsweise für Wärme und Liebe, aber ebenso für das Negative 4.2 PSYCHOLOGIE 103 und die Sünde. Auch gilt in europäischen Breitengraden die Farbe Schwarz als die Farbe der Trauer, während in Asien die Farbe Weiß Trauer ausdrückt. Farben können auch mit Formen synchronisiert werden, denn auch Formen haben sinnlich-sittliche Werte. Dabei unterstützen sich Farben und Formen und deren Wirkungen wird summieren sich. ITTEN geht bei dieser Theorie, der so genannten expressiven Farbenlehre, von zweidimensionalen Formen aus. Die Frage ist, ob sich dieses Prinzip auf die 3D-Objekte der Computergrafik übertragen lassen. 4.3 Zusammenfassung Wahrnehmung Um Farbe wahrnehmen zu können müssen im Sehapparat die anatomischen Grundvoraussetzungen gegeben werden, die im Gehirn den Eindruck von Farbe erzeugen. Diese Aufgabe erfüllen die Zapfen im Auge, die durch additive Farbmischung die Sinnesempfindung Farbe und somit den Farbeindruck im Gehirn erzeugen, indem sie den Farbreiz, der ins Auge fällt, verarbeiten. Darüber hinaus hat die Farbe an sich ihre spezifischen physikalischen und optischen Eigenschaften, durch die bestimmte Effekte bei der Farbwahrnehmung im Auge erzeugt werden. Ein Beispiel dazu sind die unterschiedlichen Brechungswinkel von langbeziehungsweise kurzwelligem Licht, die im Auge Entfernung simulieren können. Ebenso sind in der Netzhaut bereits bestimmte Reaktionsmuster vorprogrammiert. Sie verstärken beispielsweise wichtige Signale oder schwächen unwichtige ab. So vergrößert das Auge beispielsweise beim Simultankontrast die Farbwirkung nebeneinander gesetzter ungemischter Pigmente derart, dass Objekte schneller und deutlicher wahrgenommen werden können. Eine Eigenschaft, die sich ebenfalls aus der Charakteristik der Farbe an sich ergibt, ist die Möglichkeit der Erzeugung von Tiefenwirkung und Kontrasten durch Farbe. So können mit Farbe Hell-Dunkel-Kontrast, Warm-Kalt-Kontrast, Qualitäts- und Quantitätskontrast hervorgerufen werden. Mit jeder Farbe sind allerdings nicht nur optische Sinneswahrnehmungen verbunden sondern auch die so genannten unsichtbaren Sinneswahrnehmungen, die beim Betrachter Wirkungen verschiedenster Art erzeugen können. Diese Wirkungen können zum Beispiel psychologischer, symbolischer, kultureller und traditioneller Art sein. Sie haben sich zumeist in einem langwierigen kulturellen oder persönlichen Lern- und Erfahrungsprozess entwickelt. Ein kurzer Abschnitt des Kapitels über die psychologischen Wahrnehmung der Farbe widmete sich einer Idee Johannes ITTENS, der versuchte, Farben mit Formen zu synchronisieren, denn seiner Meinung nach haben auch Formen sinnlich-sittliche Werte. Dabei unterstützen sich Farben und Formen in ihren Wirkungen. ITTEN nennt diese Theorie die expressive Farbenlehre. Die in Kapitel vier gewonnenen Erkenntnisse werden nun unter anderem mit dem in Abschnitt 3.6.1 eingeführten Ordnungsmodell anhand von Anwendungsbeispielen auf das Interaktive Bild der Computergrafik angewandt. 104 5 ANWENDUNG der ERKENNTNISSE 105 5 Anwendung der Erkenntnisse 5.1 Farbe und Form In Abschnitt 4.1 wurde festgehalten, dass die Wahrnehmung von Farbe ein von der Wahrnehmung der Form getrennter Prozess ist. Jedoch kann man den Versuch unternehmen, die physiologischen und psychologischen Erkenntnisse zur Farbwahrnehmung aus den Abschnitten 4.1 und 4.2 auf die Objekte einer 3D Welt der Computergrafik anzuwenden. Hier soll nun ein kleines Anwendungsbeispiel konstruiert werden, indem die von der expressiven Farbenlehre ITTENS ausgehenden psychologischen und physiologischen Gesetzmäßigkeiten auf eine 3D-Szene übertragen werden (siehe Abbildung 50). Fläche Objekt Szene Abbildung 50: Anwendung für 3D-Szene Man kann anhand von ITTENS expressiver Farbenlehre ein Objekt an sich und ein Objekt in einer Szene betrachten und unter der Berücksichtigung der unter Abschnitt 4.1 festgehalten physiologischen Gesetzmäßigkeiten den Szenenaufbau gestalten. Die Farbe des Objekts wählt man entsprechend seiner Form, indem, angelehnt an ITTENS rotes Quadrat seiner expressiver Farbenlehre, ein Quader mit der Farbe Rot eingefärbt wird (vgl. Abschnitt 4.2.6: KANDINSKY stellte den drei Basisfarben dreidimensionale Körper gegenüber). Die Seitenwände des Quaders, sowie bei jedem folgenden Objekt, können aus einem Farbverlauf von Rot zu einem weniger farbgesättigten Rot bestehen und somit durch Qualitätskontrast Raumtiefe erzeugen. Im Beispiel wurde das Rot mit Schwarz gebrochen. Somit geht der strahlende Charakter des Rot verloren. 106 5.1 FARBE und FORM Innerhalb einer Szene kann man nach hinten versetzt eine blaue Kugel (selbes Prinzip nach ITTEN) anordnen, die im Vergleich zum roten Quader durch seine dunklere Farbe (Hell-Dunkel-Kontrast sowie Kalt-Warm-Kontrast) noch zusätzlich in den Raum zurücktritt. Durch eine gelbe Pyramide neben der blauen Kugel kann der Komplementärkontrast verdeutlicht werden. Die Pyramide strebt, von der blauen Kugel aus betrachtet und abhängig von einem hellen oder dunklen Hintergrund, jeweils dem Hintergrund oder dem Betrachter zu. Ein orangefarbenes Trapez neben der gelben Pyramide platziert, zeigt wiederum, dass reine Farbkontraste ohne große Helligkeitsunterschiede in einer Szene ebenso wenig zu Tiefenwirkung führen, wie auf einem zweidimensionalen Ausdruck. Dieses schematische Beispiel kann auf komplexe Figuren eines interaktiven Bild übertragen werden und durch die Hinzunahme weiterer malerischer Elemente wie beispielsweise farbige Schatten die realistische Wirkung eines interaktiven Bildes verbessern. 5.2 Farbe und Bewegung Für das interaktive Bild der Computergrafik stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, die Bewegung eines Objekts innerhalb einer Szene mit Hilfe von Farbe zu unterstützen. Der Wahrnehmungsprozess von Bewegungen und Formen im Gehirn ist von der Farbwahrnehmung losgelöst. Hierzu muss kurz auf die neuronalen Mechanismen eingegangen werden, die der Wahrnehmung von Bewegung zugrunde liegen. Bewegung ist eine Primäreigenschaft von Wahrnehmung, die sich nicht auf elementare Empfindungen zurückführen lässt. Physikalisch gesehen, steht Bewegung in Beziehung zu Raum und Zeit. Die Wahrnehmung einer Bewegung kann jedoch nicht auf die Wahrnehmung von Raum und Zeit reduziert werden. In unserem Nervensystem, in der Sehrinde und im Gehirnbereich gibt es Elemente, die auf die Bewegungswahrnehmung spezialisiert sind. Schädigungen dieser Bereiche führen zu Störungen der Bewegungswahrnehmung, während Form- und Farbwahrnehmung unbeeinflusst bleiben. Bewegungen können auch direkt zur Wahrnehmung von Formen führen, die man sonst gar nicht entdeckt hätte. So tarnen sich manche Tiere so perfekt, dass sie von ihrer Umgebung kaum zu unterscheiden sind. Eine winzige Bewegung ihrerseits genügt jedoch, um sie zu erkennen. (vgl. [22] MAFFEI, Lamberto, FIORENTINI, Adriana, S. 205) Farbe ist also von der Wahrnehmung aus betrachtet nicht zwingend notwendig, um ein bewegtes Objekt von seinem Untergrund abzuheben. Beobachtet man den Umgang mit Bewegung in der Malerei, kann man feststellen, dass sich in Gemälden zur Bewegungsdarstellung unterschiedlicher Methoden bedient werden zum Beispiel dem Einsatz von Blickrichtung und Andeutung von Bewegung durch Linien (ähnlich wie im Comic durch Striche). GROH bringt zu diesem Thema in seinem Aufsatz zur Farbperspektive im Kontext von Navigation durch virtuelle Welten (vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.) den küpperschen Farbkreis mit dem System der syntaktischen Felder zusammen (siehe Abbildung 51). 5.2 FARBE und BEWEGUNG 107 Abbildung 51: syntaktische Felder Dabei lässt sich seiner Meinung nach auf das syntaktische Feld der Bewegung die Farbperspektive der Renaissance anwenden. Die Farbe kann dabei Bewegung im Bild durch einen Farbverlauf unterstützen und in diesem Fall die Handlung des Nutzers in Richtung eines bestimmten Ziels beeinflussen. (vgl. Abbildung 52). (vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S., S. ) Abbildung 52: Interaktionsfördernde Farbgebung (Detail) Bewegt sich ein Nutzer also mit Hilfe einer virtuellen Kamera durch eine interaktive Szene, kann die Richtung seiner Bewegung durch einen entsprechend gewählten Farbverlauf beeinflusst werden. Bewegt sich jedoch das Objekt in der Szene, ist nicht unbedingt die Unterstützung der Bewegungswahrnehmung durch Farbe nötig. Vielmehr kann das Objekt durch eine unauffällige Farbwahl getarnt werden und erst zum gewünschten Zeitpunkt durch Bewegung hervorgehoben werden. 108 5.3 BETRACHTUNGSZEIT 5.3 Betrachtungszeit und Länge einer Einstellung Ein anderer Ansatz, der sich während der Beschäftigung mit dem Thema Farbe in Geschichte und Psychologie aufgezeigt hat, ist der mögliche Einfluss der Zeit, die vorhanden ist, um ein Bild zu betrachten. Wie in Abschnitt 3.6.1 bereits festgehalten wurde, unterscheidet sich die Länge der Betrachtungszeit für ein Bild statischer Medien, wie Gemälde beziehungsweise Foto, und einem Bild dynamischer Medien, wie Film und Interaktives Bild. Dies hat Auswirkungen auf die Erinnerbarkeit von Farben. Bei der Betrachtung einer Fotografie ist genügend Zeit vorhanden, um sich beispielsweise die Farbe eines roten Mantels zu merken. Während man in einer Filmszene vielleicht noch weiß, dass eine Person im Mantel die Szene durchlaufen hat, die Farbe aber nicht mehr genau zuordnen kann, da andere Elemente der Szene wie Bewegung oder Sprache im Vordergrund standen. Dieser Effekt wird unterstützt durch schnelle Schnitte in eine andere Szene. Es stellen sich nun dieselben Fragen, die sich bereits durch alle Epochen der Malerei gezogen haben: Inwieweit ist Farbe von Bedeutung? Welche Farbe würde sich in einer bewegten Szene gut einprägen, welche Auswirkungen hat diese auf den Wahrnehmungsapparat und wie muss sie eingesetzt werden, um eine Überreizung zu vermeiden? Vorschläge In kurzen Einstellungen kann man sich beispielsweise den Quantitätskontrast zu Nutze machen, um den Schwerpunkt einer Szene schnell und eindeutig hervorzuheben. Wird der Mantel in der Signalfarbe Rot gehalten, würde er in der Szene schneller erfasst werden, wenn die sonstige Szene in einer weniger leuchtenden Farbe zum Beispiel Grün gehalten ist. Stellt man dazu noch die Person im Mantel im Vergleich zur restlichen Szene flächenmäßig relativ klein dar, fällt die Aufmerksamkeit schnell auf diesen einen Punkt im Bild. Daraus kann man schlussfolgern, dass Farbe in kurzen Einstellungen also bei geringer Betrachtungszeit als bedeutend eingestuft werden kann. Lange Filmszenen ohne Schnitt haben bereits durch ihre Länge die Eigenschaft, eine gewisse Stimmung zum Beispiel Harmonie beim Betrachter zu erzeugen. Die Aufmerksamkeit, die bei kurzen Einstellungen nur auf bestimmte Punkte gerichtet werden kann, verteilt sich hier auf das gesamte Bild. Dieses Erzeugen von Stimmungen kann durch Farbeinsatz zum Beispiel einem Rot-Grün-Kontrast verstärkt werden, nimmt jedoch keinen entscheidenden Einfluss. Durch die längere Einstellung besteht die Möglichkeit, sich Farbe besser merken zu können, jedoch scheint sie dabei nicht so sehr von Bedeutung zu sein, wie bei kurzen Szenen. Diese Betrachtung kann mit dem Fakt untermauert werden, dass es in frühen SchwarzWeiß-Filmen üblich war, längere Einstellungen zu verwenden und weniger hektische Schnitte zu vollziehen, als in heutigen Filmproduktionen. Durch die fehlende Farbe zu Beginn der Filmkunst wurden andere Kanäle genutzt, um die Botschaft einer Szene zu übertragen, zum Beispiel über Licht und Schatten, wie auch Mimik und Gestik der Darsteller. Daraus kann man schlussfolgern, dass sich in Schwarz-Weiß-Filmen oder in Filmen mit sparsamen Farbeinsatz die Stimmung eher über den ganzen Film hin entsteht und erstreckt, während bei starkem Einsatz von Farben in Verbindung mit schnellen Schnitten in jeder Szene die Möglichkeit besteht, eine unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen. Bezieht man diese Betrachtung auf das interaktive Bild, kann ein Großteil der Erkenntnisse übertragen werden, da es sowohl interaktive, statische als auch interaktive, dynamische Bilder gibt. Deren Elemente können genauso behandelt werden, wie die Elemente eines Films oder einer Fotografie (zum Beispiel der rote Mantel). Durch die Interaktivität kommt hinzu, dass sich statische und dynamisch ablaufende Bilder in einer Szene abwechseln können (wenn der Nutzer beispielsweise in den Verlauf der Szene 5.4 FARBE oder SCHWARZ-WEISS 109 eingreift und diese anhält) und Farbe nicht nur die Bedeutung der Elemente einer Szene beeinflussen kann, sondern auch unterstützend auf die Navigation einwirken kann. (vgl. [11] GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.) 5.4 Farbe oder Schwarz-Weiß Das letzte Beispiel befasst sich mit Farbe und deren Bedeutung im Bild neben anderen bildgestalterischen Elementen. Gemälde sind immer farbig, jedoch kann man sie in verschiedene Kategorien unterteilen. Es gibt Gemälde deren Wirkung völlig auf der Farbe beruht. Ohne Farbe verlöre das Bild völlig seine Ausdrucksfähigkeit. Auf der anderen Seite gibt es Gemälde, die durch den Verlust der Farbe nichts von ihrer Aussage einbüßen würden. Woran liegt das? Zur Erläuterung dieser Frage kann die Fotografie zu Hilfe geholt werden. Stellt man Buntfotografie und Schwarz-Weiß-Fotografie gegenüber, kann man Ähnliches feststellen: in Bilder, die eher flächig angelegt sind, ist die Farbe essenziell zum Transportieren einer Aussage. Im Beispiel sieht man, dass das Foto zum großen Teil seine Wirkung verliert, wenn die Farbe herausgenommen wird (vgl. Abbildung 53 und 54). Dieses Phänomen erinnert an die Bedeutungsperspektive des Mittelalters. Farbe war dort für die Unterstützung der flächigen Wirkung von großer Bedeutung. Abbildung 53: Farbe in der Fläche Abbildung 54: S/W in der Fläche Enthält eine Fotografie oder ein Gemälde jedoch Bildelemente wie Perspektive, Fluchtpunkte oder Licht und Schatten, beziehungsweise Hell-Dunkel-Kontraste, verliert die Farbe als Übermittler einer Aussage ihre Bedeutung. Am Beispielbild sieht man, dass die Fotografie in seiner Gesamtheit auch ohne die Farbe zu wirken scheint. Lediglich einzelne Bildelemente wie zum Beispiel die rote Markise links im Bild verlieren ihre Anziehungskraft im Schwarz-Weiß-Bild. Sie tritt hinter der Wirkung des Gesamtbildes zurück, wobei sie in Farbe eher die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte (vgl. Abbildung 55 und 56). 110 5.4 FARBE oder SCHWARZ-WEISS Geschichtlich betrachtet lassen sich Parallelen zur Malerei der Renaissance ziehen. Dort wurde die Bedeutung der Farbe oft anderen Bildelementen untergeordnet zum Beispiel Hell-Dunkel oder Perspektivdarstellungen. Abbildung 55: Farbe in der Perspektive Abbildung 56: S/W in der Perspektive Im interaktiven Bild der Computergrafik kann nun beachtet werden, dass Farbe in flächigen Bildern einer Szene eher eine Chance hat, ihre farbspezifischen Wirkungen zur Geltung zu bringen, als in perspektivisch angelegten Bildern. 6 EIN TAFELWERK 111 6 Praktischer Teil: Ein Tafelwerk Am Lehrstuhl Mediengestaltung entsteht ein „Tafelwerk für die Bildsprache“. Dazu werden Bilder auf typische Konstanten und Bedingungen untersucht. Es besteht unter anderem die Möglichkeit, Bilder verschiedener Epochen wie der Renaissance und des Mittelalters auf bildgestalterische Elemente wie zum Beispiel Perspektiven zu untersucht und diese im Tafelwerk zu formalisieren. Diese Arbeit wendet sich im Bezug darauf konkret dem gestalterischen Aspekt Farbe im Bild zu. Die Erkenntnisse werden im Tafelwerk auf 35 Seiten zusammengefasst und stellen damit den Bereich des bildgestalterischen Elements „Farbe im Bild“ (siehe Abbildung 57). Farbe 1 Einleitung 2 Geschichte der Farbe Antike Mittelalter Renaissance Naturwissenschaft Neuzeit Ein Ordnungsmodell Zusammenfassung 3 Wahrnehmung von Farbe Physiologie Psychologie Zusammenfassung 4 Anwendung der Erkenntnisse Farbe und Form Farbe und Bewegung Farbe oder Schwarz-Weiß Betrachtungszeit 5 Zusammenfassung Autor: Johanna Barheine Abbildung 57: Farbe im „Tafelwerk für die Bildsprache“ 112 7 ZUSAMMENFASSUNG 113 7 Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit sollte es sein, das Gestaltungselement Farbe als Konstante oder Formel in Form einer schematischen Darstellung aus Bildern und Gemälden vergangener Epochen für das interaktive Bild der Computergrafik zu entwickeln. Eine Aufgabenstellung dieses Themengebiets ist sehr umfangreich. Wie sich allein das Thema Farbe in den abendländischen Kulturen vom Beginn der Antike ausprägte und bis in die heutige Zeit entwickelte, ist in unzähligen Literaturquellen und in unterschiedlichsten Auslegungen belegt. Des Weiteren hat praktisch jeder in irgendeiner Weise einen persönlichen Bezug zu Farbe und bei kaum einem bildgestalterischen Element bestimmt der Geschmack des Künstlers oder Betrachters derart die Bewertung eines Bildes. Diese Aspekte machten im Verlauf der Arbeit relativ schnell deutlich, dass sich die Anwendung von Farbe in der Malerei nur schwer in einer konkreten Formel im herkömmlichen Sinne ausdrücken lässt, die dann direkt auf das interaktive Bild angewendet werden kann. Dennoch lassen sich für jede geschichtliche Epoche bestimmte Merkmale für Farben herauskristallisieren. Dieser Aufgabe widmet sich der Großteil dieser Arbeit. Farbe wird dabei detailliert in der Kunst der Antike, des Mittelalters, der Renaissance und unter dem Einfluss der Naturwissenschaft betrachtet. Ein kurzer Abstecher in die Farbgeschichte der chinesischen Malerei ermöglicht einen Einblick in den Umgang mit Farbe in einem anderen Kulturkreis. Die Schwierigkeit besteht dabei darin, aus der Vielzahl an Quellen und Meinungen eine allgemeingütige Aussage über die Bedeutung der Farbe in der jeweilige Epoche zu spezifizieren. Fazit Allgemein lässt sich für die Farbe ein Konflikt herauskristallisieren, der sich über alle Epochen erstreckte: der Konflikt über ihre Wichtigkeit und Bedeutung gegenüber HellDunkel-Gestaltung und anderen strukturgebenden Bildelementen. In jeder Epoche gab es Maler, die ihre Bilder alleine mit Hell-Dunkel gestalteten. Andere hingegen schufen Räume nur mit Hilfe von Farben. Aus der Antike sind sehr verschwommene und widersprüchliche Vorstellungen zum Thema Farbe überliefert. Auf der einen Seite galt Farbe als etwas rein Dekoratives und damit Nebensächliches während sie auf der anderen Seite dem Abbild Leben und Wahrhaftigkeit verleihen sollte. Farbe wurde im Allgemeinen als eine Art Vermittler oder Weichzeichner zwischen der Linienzeichnung auf der Bildebene und dem Auge des Betrachters angesehen. Es herrschten wenig gesättigte Farben, fade, fast farblose Töne vor. Selten wurden reine, oft jedoch freundliche, helle Farben eingesetzt. Im Mittelalter wurde das reale Licht als Grundvoraussetzung des Erscheinens von Farbe bei der Betrachtung miteinbezogen. Die mittelalterlichen Bilder wirken durch die Bedeutungsperspektive flächig. Farben wurde im Allgemeinen eher nebeneinander und nicht übereinander gesetzt. Sie wurde zur fantasievollen Verzierung stilisiert und hatte mit der eigentlichen Farbe des Gegenstands nur noch wenig zu tun. Es bildeten sich Vorstellungsfarben, die jedoch direkt aus der Erfahrungswelt des Menschen zum Beispiel 114 7 ZUSAMMENFASSUNG aus Naturbeobachtungen abgeleitet und in einer Art Farbvokabular zusammengefasst wurden. Die flächige Wirkung der Farbe wurde durch entsprechende Farbigkeiten unterstützt. Es wurden häufig reine, gesättigte Farben in dunklen Tönen und von geringer Helligkeit verwendet. Die Kunst der Renaissance beinhaltete mit der Wiederentdeckung der Form und der Verehrung des Körperlichen das Ideal der Antike in sich. Nach der Flächigkeit des Mittelalters stand wieder das Streben nach Natürlichkeit im Mittelpunkt. Licht und Schatten wurden zum Medium der Raumkonstruktion. Es wurden zartere Farbtöne und gemischte Farben, später eher dunkle Farben eingesetzt. Erstmals wurde Perspektive gestaltet und durch Farbe in der so genannten Farbperspektive unterstützt. Ab dem 17. Jahrhundert wurden naturwissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiet der Farbe betrieben. Dabei untersuchten wissenschaftliche Größen wie NEWTON und GOETHE die Farbe im allgemeinen sowie physikalischen Kontext. Es stellte sich heraus, dass die geeigneteste Darstellungsform von Farbe ein 3D-Modellen ist (zum Beispiel RUNGES Farbkugel). Der anschließende Abstecher in die chinesische Malerei soll aufzeigen, inwieweit ein anderer Kulturkreis Farbe im Vergleich zur abendländischen Kultur behandelt und ob dies auf unseren Kulturkreis Einfluss nimmt. Die chinesische Malerei vertritt eine andere Einstellung zur Bedeutung von Malerei und Farbe. Malerei ist ein poetischer Prozess, die bloße Abbildung wird abgelehnt. Die Farbe ordnet sich diesen geistigen und traditionellen Vorstellungen unter. Der letzte große Abschnitt des dritten Kapitel wendet sich von der Malerei ab und berücksichtigt eine völlig neue Entwicklung auf dem Gebiet der Kunst: der Einfluss von Technologie. Eine Entwicklungsspanne, für die vorher Jahrhunderte nötig waren, ereignete sich auf diesem Gebiet innerhalb von Jahrzehnten. Mit der Erfindung der Fotografie hielten technische Geräte Einzug in die Kunst. Diese Entwicklung setzte sich vom Fotoapparat über die Kamera fort bis zum Rechner als Hilfsmittel zum Erstellen digitaler Bilder. Nicht nur die Bilder an sich, sondern auch die Farbe darin bekam bei allen drei Bildgattungen einen völlig neuen, technischen Charakter. Bilder wurden beliebig reproduzierbar. In Fotografie und Film existieren Gesetzmäßigkeiten wie die additive und subtraktive Farbmischung, um Farbe zu manipulieren und auf das Foto- beziehungsweise Filmmaterial zu bringen. Durch den Einsatz von Fotoapparat und Kamera, die beim Auftragen der Farbe auf das Material assistieren, entwickelt sich ein gewisser Abstand zum Bild und zur Farbe, den es in der Malerei so nicht gibt. Beim interaktiven Bild verstärkt sich dieser Eindruck noch durch den Bildschirm, der sich wie eine Filterschicht zwischen Betrachter und Werk befindet. Interaktive Bilder haben einige Eigenschaften, die sie von Gemälden, sowie Fotografien und Filmen abgrenzen. Zunächst sind sie wie Fotografie und Filmbilder technische Bilder, da sie mit Hilfe eines Apparates erzeugt wurden. Jedoch werden sie auch als künstliche, synthetische Bilder bezeichnet, da sie aus Pixeln bestehen und auf einer numerischen Grundlage (Binärcode) beruhen. Sie sind immaterieller, temporärer Natur, da sie nicht haptisch greifbar sind. Dadurch ist ein Wechsel vom statischen zum dynamischen Computerbild schnell möglich. Bilder können am Monitor wechselnd und ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zahl dargestellt werden. Des Weiteren verfügen sie über eine geschlossen Bildstruktur und können zusätzlich zu punktuellen Veränderung wie im Gemälde auch über das gesamte Bild hinweg in einem Arbeitsschritt verändert werden. 7 ZUSAMMENFASSUNG 115 Die Betrachtungen über die unterschiedlichen Arten von Bildern lassen sich nahezu vollständig auf die Farbe in diesen Bild übertragen. Farben in Gemälden sind Pigmente materieller Natur, wohingegen Farbe im interaktiven Bild ebenso als immateriell und digital bezeichnet werden kann, wie das digitale Bild selbst. Digitale Farben haben numerische Bezeichnungen und werden entweder mit CMYK- oder RGB-Werten ausgedrückt. Über diese Werte lassen sich im Gegensatz zu Pigmentfarbnamen exakte Farbtöne bestimmen und bei der Erzeugung präzise steuern. Ein Problem der digitalen Farbe ist die unterschiedliche Darstellung, zum Beispiel auf dem Monitor oder im Druck. Die Farbwissenschaft widmet sich diesem Problem, indem sie versucht, den Vorgang des menschlichen Sehens durch mathematische Modelle beschreibbar zu machen. Ein Standardsystem ist beispielsweise das CIE-Farbsystem. Die Ergebnisse aus den einzelnen Betrachtungen zu Malerei, Fotografie, Film und interaktivem Bild wurden schließlich am Ende des dritten Kapitels in einem Ordnungsmodell zusammengefasst. In diesem Modell lassen sich als Quintessenz aus dem gesamten Kapitel die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der einzelnen Entwicklungsschritte auf der Technikskala zum interaktiven Bild verfolgen. Um Farbe jedoch umfassend einordnen zu können, reicht eine Betrachtung aus dem Blickwinkel der Erzeugung nicht aus. Farbe muss ebenso vom Standpunkt des Betrachters aus beleuchtet werden. Damit beschäftigte sich das vierte Kapitel. Darin wird zunächst auf die anatomischen Grundvoraussetzungen zur Farbwahrnehmung im Auge eingegangen. Anschließend werden die spezifischen physikalischen und optischen Eigenschaften der Farbe und des Gehirn erläutert, durch die bestimmte Effekte bei der Farbwahrnehmung im Auge erzeugt werden. Im Anschluss daran beschreibt ein Abschnitt die Möglichkeit der Erzeugung von Tiefenwirkung und Kontrasten durch Farbe im Hinblick auf das interaktive Bild. Der letzte Punkt dieses Kapitels beschäftigt sich mit den so genannten unsichtbaren Sinneswahrnehmungen, die beim Betrachter Wirkungen verschiedenster Art erzeugen können zum Beispiel psychologische, symbolische, kulturelle und traditionelle Wirkungen. Diese Wirkungen haben sich oft in einem langwierigen kulturellen oder persönlichen Lern- und Erfahrungsprozess entwickelt und sollten bei der Verwendung von Farben berücksichtigt werden. Im Laufe der Untersuchungen ergaben sich Ansätze und Ideen, sowohl im geschichtlichen Teil der Arbeit als auch im Kapitel über die Wahrnehmung der Farbe, die im Hinblick auf die Computergrafik vertieft betrachtet werden. Dies geschieht in Kapitel fünf. Dort werden für das interaktive Bild vier Anwendungsbeispiele entwickelt. 116 7 ZUSAMMENFASSUNG Ausblick Das Phänomen Farbe ist in der Kunstgeschichte bereits in vielfältiger Art und Weise untersucht und analysiert worden. Die Forschung auf dem Gebiet der Farbe im digitalen Bild beziehungsweise am Bildschirm befindet sich jedoch noch in der Entwicklung und ist vergleichsweise wenig vorangeschritten. Es gibt zwar bereits standardisierte Farbmodelle wie den CIE-Farbraum, die die Farbe allgemeingültig definieren. Auch sind Möglichkeiten zur Umrechung eines Farbraums in einen anderen entwickelt worden (zum Beispiel vom RGB-Raum in den CMYK-Raum für den Druck). Farben auf dem Monitor wirken in der Regel jedoch nicht realistisch und kennzeichnen damit unverkennbar ein Computerbild. Die Farbwissenschaft widmet sich aus diesem Grund der Suche nach einem mathematischen Modell, um Farbe auf dem Monitor oder im Druck genauso realistisch nachzubilden, wie beim direkten Betrachten in der Realität. Auch auf dem Gebiet der physiologischen und psychologischen Wahrnehmung gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen und wissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit Farbwahrnehmung beschäftigen. Das Interesse an der Farbe kann man bis in die Antike zurückverfolgen. Mit der Zeit haben sich einige Lehren und Ansichten zur Farbwahrnehmung zum Beispiel die Küppersche Farbenlehre als Standard herauskristallisiert. Allerdings kommt es auch auf den Gebieten der Psychologie und Physiologie heute noch zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese müssen mit den bereits Vorhandenen konfrontiert und verglichen werden. 117 118 ANHANG 119 Anhang LITERATURVERZEICHNIS [1] BECKETT, Wendy: Die Geschichte der Malerei: 8 Jahrhunderte abendländischer Kunst in 425 Meisterwerken, DuMont Buchverlag, Köln, 1995 [2] COE, Brian: Farbphotographie und ihre Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica GmbH & Co. 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Jahrhundert v. Chr. aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 Abbildung 4 , Seite 22 - „die vier 4-Farben-Lehre nach GALEN“ nach: VIERTEL, Rudi: Farbe und 'Farbordnungssysteme, Hemhofen, 2005 Abbildung 5, Seite 26 - Rom, S. Prassede, Cappella di S. Zeno, Detail des Gewölbemosaiks, 9. Jahrhundert aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 Abbildung 6, Seite 28 - „Glasfenster in St. Denis“, (Detail), um 1140 aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe – Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 Abbildung 7, Seite 30 - Joachim von Fiore, „Die Hl. Dreifaltigkeit“, 12. Jahrhundert aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe – Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 121 Abbildung 11, Seite 38 - „GOETHES Farbdreieck“ aus: , Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion -Grundlagen der Gestaltung; (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 12, Seite 40 - „RUNGES Farbkugel“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 13, Seite 40 - „Aufsicht und Querschnitt von RUNGES Farbkugel“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 14, Seite 40 - „Farbpyramide nach LAMBERT“ aus SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 15, Seite 43 - „chinesische Landschaftsmalerei“ aus QIANG, MAI, ERIK: Chinesische Malerei, Bochum, 2005 Abbildung 16, Seite 45 - „chinesische Farbenharmonie“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 17, Seite 45 - „mögliche Lesarten für den Farbkreis“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 18, Seite 48 - „Ordnungsmodell 1 der Technologien“ Abbildung 8, Seite 34 - DA VINCI „Madonna in der Felsengrotte“, um 1508, aus: BECKETT, Wendy: Die Geschichte der Malerei: 8 Jahrhunderte abendländischer Kunst in 425 Meisterwerken, DuMont Buchverlag, Köln, 1995 Abbildung 19, Seite 49 - „Ordnungsmodell 2 der Technologien“ Abbildung 9, Seite 36 - „NEWTONS Farbkreis“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 21, Seite 50 - „Ordnungsmodell 4 der Technologien“ Abbildung 10, Seite 37 - „GOETHES Farbkreis“ aus: SILVESTRINI, Narciso; FISCHER, Ernst Peter; STROMER, Klaus (Herausgeber): Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft, DuMont, 1998 Abbildung 20, Seite 49 - „Ordnungsmodell 3 der Technologien“ Abbildung 22, Seite 52 - Paul Hoenigers „Im Café Josty in Berlin“ aus: KAUFHOLD, Enno: Bilder des Übergangs-zur Mediengeschichte von Fotografie und Malerei in Deutschland um 1900, Jonas Verlag für Kunst und Literatur GmbH, Marburg, 1986 122 ANHANG Abbildung 23, Seite 54 - „drei Diapositive“ aus: COE, Brian: Farbphotographie und ihre Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica GmbH & Co. KG, München, 1979 Abbildung 33, Seite 72 - Beispiel für Bilder im Stil der Pop-Art: Andy Warhol: „Goethe“ (1986) aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 24, Seite 54 - „Farbreprodduktion“ aus: COE, Brian: Farbphotographie und ihre Verfahren-Die ersten hundert Jahre in natürlichen Farben 1840-1940, Laterna magica GmbH & Co. KG, München, 1979 Abbildung 34a, Seite 76 - „CIE- Farbraum“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 25, Seite 55 - „subtraktive Farbmischung“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 34b, Seite 78 - „das CIE- XYZSystem“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 26, Seite 58 - vielfältigen Perspektiven in Marcel Duchamps „Nu descendent un escalier“ aus: MONACO, James: Film verstehen: Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der neuen Medien, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2000 Abbildung 35, Seite 79 - „der RGB- Farbraum“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 27, Seite 59 - „additive Farbmischung“ aus: GROH, Rainer (Farbenlehre): Farbe und Interaktion-Grundlagen der Gestaltung, (Lehrmaterial) Technische Universität Dresden, Fakultät für Informatik, 2005 Abbildung 36, Seite 79 - „der HSB- Farbraum“ nach: JEWETT, Tom: Color tutorial, Department of Computer Engineering and Computer Science California State University, Long Beach, 2006, (www.cecs.csulb.edu/~jewett/colors/hsb.html, 22. 02. 2006) Abbildung 28, Seite 64 - „Oszillogramm“ aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 37, Seite 79 - „der YIQ- Farbraum“ aus: COLANTONI, Philippe: Couleur.Or, Faculté des Sciences Université Jean Monnet de Saint Etienne,2006, (www.couleur.org/index.php?page=transformati ons, 22.02. 2006) Abbildung 29, Seite 66 - Frieder Nake „Klee Nr. 2“ aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 38, Seite 81 - „Ordnungsmodell 5 der Technologien“ Abbildung 30, Seite 67 - David Em „Transjovian Pipeline“ (1979) aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 39, Seite 84 - „Modell 1 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern“ Abbildung 40, Seite 85 - „Modell 2 des historischen Fortschritts der Farbbedeutung in Bildern“ Abbildung 31, Seite 69 - simulierte Landschaft von David Em: „The Far“(1968) aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer – Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 41, Seite 87 - „Vorgang des Farbensehens nach Küppers“ nach: KÜPPERS, Harald: Die Farbenlehre der Fernseh-, Foto-und Drucktechnik: Farbtheorie d. visuellen Kommunikationsmedien, DuMont Buchverlag, Köln, 1985 Abbildung 32, Seite 69 - Landschaftsmalerei der Romantik von Caspar David Friedrich aus: GUMINSKI, Karin: Kunst am Computer-Ästhetik, Bildtheorie und Praxis des Computerbildes, VG Bild-Kunst, Bonn 2002 Abbildung 42, Seite 89 - „Urfarben und Grundfarben nach Küppers“ nach: KÜPPERS, Harald: Die Farbenlehre der Fernseh-, Foto- und Drucktechnik: Farbtheorie d. visuellen Kommunikationsmedien, DuMont Buchverlag, Köln, 1985 ANHANG Abbildung 43, Seite 92-93 - „Farbkontraste nach Johannes Itten“ nach: HECK, Andreas: Farbcodes, Diplomprojekt von Andreas Heck an der Filmakademie Baden-Württemberg, 2006, (http://www.beta45.de/farbcodes/theorie/itten.h tml, 22. 02. 2006) Abbildung 44a, Seite 96 - „Psychologische Wirkung von Farbe“ nach: HELLER, Eva: Wie Farben wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1990 Abbildung 44b, Seite 96 - „Psychologische Wirkung von Farbe“ nach: HELLER, Eva: Wie Farben wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik, kreative Farbgestaltung, Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1990 Abbildung 45, Seite 97 - die Farbe Rot in Matthias Grünewald: „Auferstehung Christi“, Teil des Isenheimer Altars (um 1515) aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe-Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 Abbildung 46, Seite 98 - die Farbe Blau in der "Verkündigung an Maria" aus: SEILNACHT, Thomas: Naturwissenschaftliche Arbeiten: FarbeKunst, Bern, 2005, (http://www.seilnacht.com, 03.01. 2006) Abbildung 47, Seite 99 - die Farbe Grün in Claude Monets "Das Seerosenbecken" aus: SEILNACHT, Thomas: Naturwissenschaftliche Arbeiten:Farbe-Kunst,Bern,2005, (http://www.seilnacht.com, 03.01. 2006) Abbildung 48, Seite 100 - die Farbe Gelb in J.M.W. Turner: „Licht und Farbe - Der Morgen nach der Sintflut“ (1843) aus: GAGE, John: Kulturgeschichte der Farbe - Von der Antike bis zur Gegenwart, E. A. Seemann Verlag, Leipzig, Berlin, 2001 Abbildung 49, Seite 102 - Ittens expressive Farbenlehre aus: ITTEN, Johannes: Kunst der Farbe, gekürzte Studienausgabe, Urania Verlag, Stuttgart, 1970 Abbildung 50, Seite 105 - „Anwendung für 3DSzene“ 123 Abbildung 51, Seite 107 - „syntaktische Felder“ aus: GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S.: Farbperspektive im Kontext von Navigation durch virtuelle Welten-Artikel zu den theoretischen Grundlagen der Interfacegestaltung, Technische Universität Dresden, Fakultät Informatik, 2005 (<http://www.inf.tu-dresden.de/mg/> ) Abbildung 52, Seite 107 - „Interaktionsfördernde Farbgebung“ (Detail) nach: GROH, Rainer; FRANKE, Ingmar S. : Farbperspektive im Kontext von Navigation durch virtuelle WeltenArtikel zu den theoretischen Grundlagen der Interfacegestaltung, Technische Universität Dresden, Fakultät Informatik, 2005 (<http://www.inf.tu-dresden.de/mg/> ) Abbildung 53, Seite 109 - Farbe in der Fläche 1 Abbildung 54, Seite 109 - Farbe in der Fläche 2 Abbildung 55, Seite 110 - Farbe in der Perspektive 1 Abbildung 56, Seite 110 - Farbe in der Perspektive 2 Abbildung 57, Seite 111 - Farbe im „Tafelwerk für die Bildsprache“