Prognostische und prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom
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Prognostische und prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom
Prognostische und prädiktive Faktoren beim Mammakarzinom Von Petra Jungmayr, Esslingen Prognostische und prädiktive Faktoren gewinnen bei der individualisierten Therapie des Mammakarzinoms zunehmend an Bedeutung. Prognostische Faktoren geben Auskünfte über den zu erwartenden individuellen Krankheitsverlauf; prädiktive Faktoren weisen auf geeignete therapeutische Maßnahmen hin. Prognosefaktoren mit gesicherter klinischer Relevanz sind die Tumorgröße, der axilläre Lymphknotenstatus, das Grading, der histologische Tumortyp, der Hormonrezeptorstatus und das Alter der Patientin. Seit der Konsensuskonferenz von St. Gallen 2005 werden der HER-2neu-Status und die Gefäßinvasion ebenfalls zu den gesicherten Prognosefaktoren gezählt. Der wichtigste Prognosefaktor im Hinblick auf Rezidiv und Überleben einer Brustkrebspatientin ist der axilläre Lymphknotenstatus. Die Anzahl befallener Lymphknoten korreliert direkt mit dem Risiko eines Rezidivs bzw. dem Gesamtüberleben (Abb. 1). Zwischen der Größe des Primärtumors und dem axillären Lymphknotenbefall besteht ebenfalls eine positive Korrelation; die Größe des Primärtumors und die Überlebenszeit einer Brustkrebspatientin verhalten sich umgekehrt proportional (Abb. 2). Ferner besteht eine Beziehung zwischen dem histologischen Grading und dem rezidivfreien Überleben. So liegt die Überlebensrate bei Grad-1-Tumoren bei über 80%, bei Grad-2-Tumoren bei knapp 60% und bei Grad-3-Tumoren nur noch bei rund 45%. Invasionen in benachbarte Blut- und Lymphgefäße sind mit einem erhöhten Rezidivrisiko assoziiert und gehen seit St. Gallen 2005 in die Risikoklassifizierung nodalnegativer Patientinnen mit ein. Neue Prognosefaktoren Neben diesen etablierten Prognosefaktoren werden weit über 100 morphologische, biochemische, zellkinetische und genetische Aspekte diskutiert, die den Krankheitsverlauf beeinflussen können. Es gibt indes nur wenige neue Prognosefaktoren, deren klinischer Nutzen nachgewiesen wurde. Dazu gehören tumorassoziierte Proteolysefaktoren, der Knochenmarkstatus und die Bestimmung des HER-2-neu-Status. Weitere Prognosefaktoren sind derzeit noch Gegenstand der Forschung und spielen nur im Rahmen von Studien eine Rolle, da sich aus dem Ergebnis ihrer Bestimmung keine klinischen Konsequenzen ableiten lassen. uPA und PAI-1 Tumorassoziierte Proteolysefaktoren wie der Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp (uPA) und sein Inhibitor PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1) sind am Abbau des Tumorstromas und der Basalmembran beteiligt und tragen so zur Invasions- und Metastasierungsfähigkeit der Tumorzellen bei. Gemeinsam mit dem uPA-Rezeptor ermöglichen sie die gerichtete Invasion der Krebszellen und spielen eine wichtige Rolle bei Adhäsion und Migration von Tumorzellen. Hohe Konzentrationen von uPA und/oder PAI-1 im Primärtumor gehen mit einem erhöhten Metastasierungsrisiko und einem kürzeren Gesamtüberleben einher. Umgekehrt haben nodalnegative Patientinnen mit niedrigem uPA und PAI-1 eine gute Prognose, so dass bei ihnen wahrscheinlich auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann. Brustkrebspatientinnen mit einem hohen uPA- und hohem PAI-1-Wert haben einen signifikant höheren Nutzen von einer adjuvanten Chemotherapie als Patientinnen mit niedrigem uPA/PAI-1. Die Bestimmung von uPA und PAI-1 erfolgt aus dem Tumorgewebeextrakt mittels eines standardisierten Testverfahrens (ELISA). Knochenmarkstatus Der immunzytochemische Nachweis disseminierter epithelialer Tumorzellen im Knochenmark wird in der TNM-Klassifikation erfasst. In mehreren Studien konnte eine Korrelation disseminierter Tumorzellen im Knochenmark mit einer schlechteren Prognose nachgewiesen werden. Insbesondere bei Patientinnen mit axillärem Lymphknotenbefall weist das Vorhandensein disseminierter Tumorzellen im Knochenmark nach adjuvanter Chemotherapie auf ein Therapieversagen bzw. auf ein hohes Rezidivrisiko hin. Eine generelle Therapieempfehlung lässt sich aus dem Knochenmarkbefund derzeit noch nicht ableiten. Im Rahmen von Studien werden die im Knochenmark nachgewiesenen Tumorzellen charakterisiert sowie das Monitoring systemischer Chemotherapien mittels wiederholter Knochenmarkpunktion untersucht. Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus Der Hormonrezeptorstatus kann als prognostischer und prädiktiver Parameter eingestuft werden, wobei seine prognostische Aussagekraft im Lauf der Erkrankung an Bedeutung verliert. Ein positiver Estrogenrezeptorstatus signalisiert vor allem für die ersten postoperativen Jahre eine günstige Prognose, für die Beurteilung des Langzeitüberlebens ist er weniger geeignet. Der Nachweis von Progesteronrezeptoren geht wesentlich enger mit einer günstigen Prognose einher. Beide Rezeptoren besitzen eine prädiktive Bedeutung für den Erfolg einer endokrinen Therapie, da ein hoher Rezeptorstatus eine höhere Ansprechwahrscheinlichkeit auf Hormone bedeutet. Sind beide Rezeptoren positiv, liegt die Ansprechrate bei rund 70 bis 80%. Patientinnen mit einem rezeptornegativen Status scheinen besser auf eine primäre Chemotherapie anzusprechen als Frauen mit einem positiven Status. Estrogen- und Progesteronrezeptoren werden immunhistochemisch oder biochemisch bestimmt. Prämenopausal weisen ungefähr 50 bis 60%, postmenopausal 70 bis 80% aller Mammakarzinome Estrogenrezeptoren auf. Nicht selten wird ein Wechsel von positivem Rezeptornachweis am Primärtumor zum Rezeptorverlust in der metastasierenden Phase beobachtet, der dann mit einer Resistenz auf eine endokrine Therapie einhergeht. Eine mögliche Ursache könnte die Selektion rezeptornegativer Zellklone aus dem Tumorverband sein. HER-2-neu-Status Auch der HER-2-neu-Status kann als prognostischer und prädiktiver Faktor eingestuft werden. Eine Amplifikation des HER-2-neu-Gens und die damit verbundene Überexpression des HER-2-neu-Proteins wird bei 20 bis 30% aller Mammatumoren nachgewiesen und ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. Ein positiver HER-2-neu-Status ist prädiktiv für das Ansprechen auf eine Therapie mit dem humanisierten Antikörper Trastuzumab. Bislang ist Trastuzumab für die Therapie von Brustkrebs im metastasierenden Stadium zugelassen, drei neue, auf dem ASCO 2005 vorgestellte Studien (die HERA-Studie [Herceptin AdjuvantStudie], die NSABP-B 31-Studie [National Surgical Adjuvant Breast and Bowel Project trial] und die NCCTG-9831-Studie [North Central Cancer Treatment Group-Studie]) weisen auf den Benefit einer adjuvanten Therapie mit Trastuzumab hin. Der HER-2-neu-Status scheint auch ein prädiktiver Marker für die Resistenz oder Sensitivität im Hinblick auf eine konventionelle Chemotherapie zu sein. Retrospektive Analysen weisen darauf hin, dass eine HER-2-neu-Überexpression mit einer Tamoxifenresistenz einhergeht. Prospektive Studien oder Metaanalysen zur Validierung der prädiktiven Bedeutung von HER2-neu im Hinblick auf konventionelle adjuvante Therapien stehen noch aus. Jedoch scheinen bei einer HER-2-neu-Überexpression anthrazyklinhaltige Therapien wirksamer zu sein als CMF-Therapien. Die HER-2-neu-Bestimmung sollte gleichzeitig mit der immunhistochemischen Bestimmung des Steroidhormon-Rezeptorstatus am Primärtumor durchgeführt werden. >>>>>KASTEN HER-2-neu-Nachweis<<<<<<<s.u. <<<<<< Der HER-2-neu-Nachweis erfolgt routinemäßig über eine immunhistologische Bestimmung. Dabei wird eine Überexpression des HER-2-neu-Rezeptors auf der Zellmembran nachgewiesen. Die Überexpression wird mit einem semi-quantitativen Score (0, 1+, 2+, 3+) bewertet. Bei einem 2+-Ergebnis wird ergänzend die FISH-Methode (Fluoreszenz in situ Hybridisierung) angewandt, mit der im Genom die Amplifikation des HER-2-neu–Locus nachgewiesen wird. Ab Immunhistochemie 3+ oder Nachweis einer Amplifikation durch die FISH-Methode liegt in der metastasierenden Situation die Indikation für eine Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab vor. Genexpressionsprofile Noch nicht praxisreif ist eine Therapieempfehlung aufgrund präziser Prädiktoren. Es erscheint viel versprechend, das Genexpressionsprofil (die biologische Signatur) eines Tumors festzustellen, um dann eine individualisierte Therapie einleiten zu können. Mit einem DNAChip kann die Genexpression des Tumors gemessen werden. Bislang fehlt aber eine Standardisierung der gemessenen Werte und die Relevanz der vorliegenden Genexpression kann noch nicht exakt beurteilt werden. Auch wenn bereits einzelne Tests kommerziell erhältlich sind (z.B. MammaPrint, Niederlande, oder Oncotype DX-Test, USA) ist deren Reproduzierbarkeit und Validität bislang nicht ausreichend belegt. LITERATUR 1. Goldhirsch A et al.: Meeting highlights: International expert consensus on the primary therapy of early breast cancer 2005. Annals of Oncology 16, 1569-1583 (2005). 2. Berger DP, Engelhardt R und Mertelsmann R (Hrsg.): Das rote Buch. Hämatologische und internistische Onkologie. Verlag ecomed Landsberg 2002. 3. Schmoll H-J, Höffken K und Possinger K (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 4.Aufl., Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2005. 4. AGO Gravenbruch (2004). Leitlinien für die Behandlung des primären und des metastasierten Mammakarzinoms. www.ago-online.de 5. Piccart-Gebhart M et al.: Trastuzumab after adjuvant chemotherapy in HER2-positive breast cancer. N Engl J Med 353, 1659-1672 (2005). 6. Romond E et al.: Trastuzumab plus adjuvant chemotherapy for operable HER2-positive breast cancer. 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Kontaktadresse: Dr. Petra Jungmayr Paracelsusstr. 37 73730 Esslingen [email protected] KASTEN Klassische Prognosefaktoren axillärer Lymphknotenstatus primäre Tumorgröße Grading Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus HER-2-neu-Status Alter der Patientin bzw. Menopausenstatus Gefäßinvasion Neue Prognosefaktoren tumorassoziierte Proteolysefaktoren uPA und PAI-1 Knochenmarkstatus (KM) Prädiktive Faktoren Rezeptorstatus Menopausenstatus HER-2-neu-Status ABBILDUNGEN Zellen eines Mammakarzinoms (angefärbt mit Hämatoxylin-Eosin-Färbung) [Foto: Dr. Christian Öhlschlegel, St.Gallen] = jungmayr-mammakarzinomzellen.jpg Nachweis einer Überexpression von HER-2-neu (immunhistochemisch bestimmte semiquantitative Überexpression des HER-2-neu-Rezeptors auf der Zellmembran) [Foto: Dr. Christian Öhlschlegel, St.Gallen] = jungmayr-3plus Her2.jpg GRAPHIKEN Abb. 1: Lymphknotenbefall und Überleben; die Anzahl befallener Lymphknoten geht mit sinkenden Überlebensraten einher (Zahlen TUZ München) Lymphknotenbefall und Überleben 100 % Absolute 5-Jahresüberlebensrate 90 % Absolute 10-Jahresüberlebensrate 80 % Überlebensrate 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 0 1 2 3 4-6 7 - 10 11 - 15 > 16 Be falle ne Lymphknote n Abb. 2: Tumorgröße und Überleben; bei steigender Tumorgröße sinkt die Überlebensrate (Zahlen TUZ München) Tumorgröße und Übe rlebe n 120 5-Jahresüberlebensrate 100 80 60 40 20 0 < 0,5 0,5 - 0,9 1,0 - 1,9 2,0 - 2,9 Tumorgröße [cm] 3,0 - 3,9 4,0 - 4,9 >5