Vom Einkauf bis zum fertigen Test
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Vom Einkauf bis zum fertigen Test
Seite 4 SO ENTSTEHT EIN TEST MUM April 2015 Vom Einkauf bis zum fertigen Test Foto: © Eisenhans/Fotolia.com ÖKO-TEST untersucht Putzmittel, Hundefutter, Tiefkühlkost, Schnurlostelefone, Babynahrung, Shampoos, Riester-Renten: Keine Produktgruppe, die von ÖKO-TEST nicht unter die Lupe genommen wird. Doch wie entsteht eigentlich die Idee zu einem Test? Wie kommen die Produkte in die Labore? Was genau wird dort untersucht? Auf den folgenden Seiten zeigen wir am Beispiel unseres Schulranzen-Tests die einzelnen Etappen, die ein Test von der Themenfindung bis zum Druck durchläuft. Die Themenfindung Regelmäßig sitzen Redaktionsleitung, Redakteure und die Verbraucherberatung zusammen und besprechen die Tests der kommenden Hefte. Zahlreiche Faktoren bestimmen die Planung. Vorlauf: Ehe ein Test veröffentlicht wird, braucht er eine geraume Vorlaufzeit, die wiederum von Produkt zu Produkt unterschiedlich ausfallen kann. Je mühsamer sich die Recherche nach Schadstoffen gestaltet, je aufwändiger die Analytik der Schadstoffe in den Laboren oder die Prüfmethoden im Praxistest sind, um so mehr Zeit muss einem Test eingeräumt werden. Aktuelle Entwicklungen: Natürlich gibt es immer wieder aktuelle Ereignisse, auf die ÖKO-TEST ganz schnell reagieren muss: mit Sudanrot, Acrylamid, Salmonellen, Nitrofen oder Nitrofuran verunreinigte Lebensmittel – die Liste von Skandalen, denen ÖKO-TEST auf den Grund kam, ist lang. Selbstverständlich reagieren wir auch auf neue Erkenntnisse der Gesundheitsbehörden. So fand das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), kurz nachdem wir 2013 Stilltees getestet hatten, heraus, dass Kräutertees erheblich mit sogenannten Pyrrolizidinalkaloiden belastet sein können. Das sind natürliche Inhaltsstoffe, die bestimmte Pflanzen bilden, um Fraßfeinde abzuwehren. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass diese Stoffe das Erbgut verändern und Krebs auslösen können – eine Wirkung, die auch für den Menschen als relevant erachtet wird. In hohen Dosen wirken Pyrrolizidinalkaloide akut leberschädigend. Zur Verunreinigung von Kräutertees können Pflanzen beitragen, die die giftigen Alkaloide enthalten und als Beikräuter im Umfeld der Kräuterpflanzen wachsen. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang vor allem das gelb blühende Jakobskreuzkraut. Geraten Teile davon in die Kräuterernte, kann dies zu einer hohen Belastung der daraus hergestellten Tees MUM mit Pyrrolizidinalkaloiden führen. Da die Giftstoffe wasserlöslich sind, ist von einem vollständigen Übergang in das aufgebrühte Teegetränk auszugehen. Auch die Plazenta und die Brustdrüse stellen keine Barrieren dar, weshalb das BfR insbesondere Schwangeren und Stillenden riet, Kräutertee nur im Wechsel mit anderen Getränken zu konsumieren. Daraufhin untersuchten wir umgehend die Stilltees ein weiteres Mal und wurden in drei Produkten fündig. Jahreszeiten: Bei der Festlegung der Themen spielen die Jahreszeiten eine entscheidende Rolle. Tests über Erkältungsbäder und Schnupfensprays gehören ins November- oder Dezemberheft, Heuschnupfenmittel sind ein klassisches Märzthema. Tests zu Sonnencremes, Mückenschutzmittel und Planschbecken werden im Sommer veröffentlicht. Auch der Test Schulranzen wurde gezielt für das Märzheft geplant. Denn die grellbunten Tornister sind ein klassisches Geschenk zu Ostern. Unseren ersten Schulranzentest hatten wir noch zum Schulanfang im August veröffentlicht. Zahlreiche Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel wandten sich daraufhin enttäuscht an die Redaktion, weil sie die Tornister längst gekauft hatten. Auch die Verbraucherberatung von ÖKO-TEST kann wertvolle Hinweise darüber geben, was Konsumenten aktuell beschäftigt. Sie gibt unseren Leserinnen und Lesern nicht nur über unsere eigenen Tests Auskunft, sondern beantwortet auch Fragen zu vielen anderen Problemen. Stehen die Themen für die einzelnen Ressorts fest, müssen die Redakteure mit der Recherche beginnen. Festlegen der Para meter und Methoden Die Redakteure müssen sich in jedes Thema sorgfältig einarbeiten, auch wenn sich die Tests wiederholen. Durch gründliche Recherche über den aktuellen Forschungsstand, durch Gespräche mit unabhängigen Experten und mit den Wissenschaftlern der beauftragten Labore kristallisiert sich heraus, was bei welchem Testthema wichtig ist. Denn beim Test durchläuft nicht jede Produktgruppe automatisch dieselbe Prozedur. Bei Haarspray beispielsweise wird die Lungengängigkeit der versprühten Teilchen untersucht. Das ist bei Haarwachs nicht nötig, weil dieses Produkt nicht versprüht wird. Ein WC-Reiniger muss in der Lage sein, Urinstein zu lösen, ein normaler Allzweckreiniger nicht. Daher wird zum Beispiel das Putzmittel für die Toilettenschüssel in den Praxistest geschickt, um zu überprüfen, ob es mit Urinstein tatsächlich fertig wird. Das bedeutet, die Redakteure müssen vom Produkt ausgehend die zu testenden Parameter für jeden Test neu festlegen. Dabei spielt auch die Erfahrung aus vorangegangenen Tests eine große Rolle. Immer wiederkehrende Produktgruppen werden auf gewisse Parameter standardmäßig untersucht. So beispielsweise auch die Schulranzen im Schadstofftest. Bei bunten Produkten muss man immer überprüfen, ob die Farben in Ordnung sind. Denn gefärbte Kunststoffe enthalten oft bedenkliche Farbstoffe. Auch werden Kunststoffprodukte zum Beispiel standardmäßig auf Weichmacher untersucht. Da die Schulranzen auch auf ihre Praxistauglichkeit geprüft wurden, mussten noch weitere Prüfkriterien herangezogen werden. Die Recherche ergab, dass es die Schulranzennorm DIN 58124 gibt. Sie stellt den Mindeststandard dar, dem ein Tornister entsprechen sollte. Im Übrigen gilt für alle Testmethoden, die ÖKO-TEST anwendet: Es handelt sich um jederzeit reproduzierbare und wissenschaftlich abgesicherte Verfahren. Häufig sind diese sogar genauer, als es der Gesetzgeber in der Regel vorschreibt. Wer sucht die Testprodukte aus? Zudem müssen die Redakteure herausfinden, welche Artikel bei der zu testenden Produktgruppe neu und welche Hersteller marktführend sind. Denn ÖKO-TEST muss immer eine Auswahl treffen und kann (fast) nie zum Beispiel alle 300 Shampoos für normales Haar untersuchen, die im Handel sind. Daher versuchen wir immer, die Marktführer aus den verschiedenen Vertriebsschienen zu berücksichtigen. Dazu kommen Produkte, die uns besonders interessant erscheinen, neu sind, besonders viel beworben oder in unserer ökologischen Verbraucherberatung häufig nachgefragt werden. Außerdem versuchen wir, auch kleine Hersteller zu berücksichtigen. Wir kaufen die zu testenden Produkte selbst anonym im Laden ein. So verhindern wir, dass uns Hersteller frisierte Produkte unterjubeln. Auch im Versandhandel bestellen wir soweit wie möglich anonym. Hersteller haben keinen Einfluss darauf, ob sie getestet werden oder nicht. Sie können weder erreichen, dass ihre Testergebnisse nicht veröffentlicht werden, noch können sie irgendetwas tun, um berücksichtigt zu werden. Die Entscheidung trifft allein die Redaktion. Eine Ausnahme machen nur einige Tests von Finanzprodukten und Versicherungen. Hier sind wir teilweise auf die Mitarbeit der Anbieter angewiesen. Das heißt nicht, dass wir uns auf die Angaben der Hersteller verlassen. Doch ohne Prüfung der von uns erhobenen Daten zum Beispiel für Riester-Renten oder Pensionskassen könnte es leicht zu Fehlern kommen. Verweigert ein Versicherer diese Prüfung, nehmen wir sein Produkt daher unter Umständen aus dem Test – machen die Verweigerung aber öffentlich. Unsere Leser können dann ihre eigenen Schlüsse aus der Tatsache ziehen, dass sich ein Unternehmen einem offenen Vergleich nicht stellen will.